Intersektion Geschlecht und Alter
Die Gesellschaft setzt sich aus Menschen verschiedener Bereiche zusammen, die sich überschneiden und beeinflussen. Unter Intersektion wird die Überschneidung mehrerer sozialer und biologischer Dimensionen verstanden. Prof. Anne Letsch, Kiel, widmete sich beim DGHO 2025 der Intersektion von Geschlecht und Alter. Sie erklärte, dass Männer und Erwachsene in der Medizin gut sichtbar seien, während queere Menschen und Personen im hohen Alter beispielsweise in klinischen Studien schlechter repräsentiert würden. Frauen und Kinder/Jugendliche stehen laut Letsch im Mittelfeld.
Gender als soziales Geschlecht, also die gesellschaftlich geprägte und individuell erlernte Geschlechterrolle, sei von dem sexuellen Geschlecht, also den biologischen Attributen der Geschlechter, abzugrenzen. Die geschlechts- und gendersensible Medizin wolle das Verständnis fördern, dass Körpersysteme bei Frauen und Männern unterschiedlich funktionieren können, dass Verhaltensweisen, Präferenzen und Einflüsse verschieden seien und dass es unterschiedliche Ansätze für Prävention, Screening, Diagnose, Behandlung und Nachsorge geben müsse, erläuterte die Ärztin.
In klinischen Studien wird in der Regel zwischen weiblich und männlich und für die Altersklassen zwischen beispielsweise jünger und älter als 65 Jahre unterschieden. Tatsächlich kann aber der Nutzen einer Therapie für ältere Männer unterschiedlich zu jüngeren Männern, aber auch zu älteren Frauen sein. Als Beispiel zeigte Letsch Ergebnisse der SEXIE-R-CHOP-14-Studie, in der eine Erhöhung der Rituximab-Dosis für männliche Patienten über 70 Jahre mit einem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (DCBCL) zu einer Risikoreduktion bezüglich des progressionsfreien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) führte [1]. Die Studiendaten würden die Machbarkeit und das Potenzial von rational konzipierten, geschlechtsspezifischen Dosisanpassungen bestätigen, um die Ergebnisse in der Onkologie zu verbessern, sagte Letsch. Männer würden bei gleicher Dosierung wie Frauen möglicherweise untertherapiert, und die Therapie zeige eine geringere Effektivität, während Frauen mit der Übertherapie möglicherweise mehr unter den Nebenwirkungen leiden.
Als Erklärung für den Geschlechterdimorphismus bei unterschiedlichen Entitäten führte Letsch die Anreicherung von Signalwegen auf dem X-Chromosom im Vergleich zum Y-Chromosom an. Dazu kämen Unterschiede im epigenetischen Bereich – durch unterschiedliche Genregulation und auch Umweltfaktoren, die schlussendlich einen Einfluss auf die Tumorbiologie haben. Auf das Immunsystem würden beispielsweise das Alter, das Geschlecht, aber auch weitere multidimensionale Faktoren wie beispielsweise die Geschlechtshormone Einfluss nehmen. Letsch resümierte, es müsse differenzierter auf das Alter und das Geschlecht geachtet werden. Letztendlich wären diese beiden Parameter aber nur zwei Diversitätsfaktoren in einem komplexen Konzept der Intersektionalität.
Krebs während der Schwangerschaft
Bei etwa ein bis zwei von 1.000 Schwangerschaften in den Niederlanden ist die Schwangere von einer Krebserkrankung betroffen [2]. In Dänemark wurden zwischen den Jahren 1977 und 2006 insgesamt 2.426 Fälle registriert, mit einem signifikanten Anstieg im Vergleich der Zeiträume 1977 bis 1986 und 1997 bis 2006 [3]. Ein Anstieg der Inzidenz von 1,12 auf 1,91 Krebserkrankungen pro 1.000 Schwangerschaften wurde auch in Australien beobachtet [4]. In Norwegen wurden in den Jahren 1967 bis 2002 insgesamt 516 Schwangere und Stillende unter 42.511 Frauen mit Krebserkrankungen identifiziert, ebenfalls mit Zunahme der Inzidenz [5].
Operation meist nicht die bessere Lösung
Prof. Georg Maschmeyer, Berlin, Erstautor der Onkopedia-Leitlinie zur Medikamentösen Tumortherapie bei Schwangeren, bemerkte, dass viele der Betroffenen eher eine Operation als eine medikamentöse Therapie erhielten, obwohl dies in den meisten Fällen mehr Schaden anrichte [6, 7]. Denn eine Chemotherapie im zweiten oder dritten Trimenon, also nach der 14. Schwangerschaftswoche (SSW), sei nicht mit signifikanten Problemen in der Fetalentwicklung verbunden und eine Beendigung der Schwangerschaft somit nicht notwendig. Es müssten allerdings Kontraindikationen gegen einige Substanzen oder Substanzklassen beachtet werden.
In einer Langzeitbeobachtung über 20 Jahre wurden 1.170 Schwangerschaften von krebserkrankten Frauen untersucht [6]. 67 % dieser Patientinnen wurden während der Schwangerschaft mit einer Antitumortherapie behandelt. Angefangen im Jahr 1996 steigerte sich die Wahrscheinlichkeit für eine Antitumorbehandlung, im Wesentlichen durch eine häufigere Anwendung von Chemotherapien. Insgesamt brachten 88 % der Frauen ihre Kinder lebendig zur Welt. 48 % der Babys wurden vorzeitig geboren. Die Auswertung in 5-Jahres-Schritten zeigte im Untersuchungszeitraum eine Zunahme an Behandlungen mit Chemotherapien, eine Zunahme an Lebendgeburten und eine signifikante Abnahme der Vorzeitigkeit.