Asciminib ist aktuell zur Behandlung der Philadelphia-Chromosom-positiven CML in der chronischen Phase (CML-CP) nach mindestens zwei TKI zugelassen. Bereits beim EHA 2024 waren die Daten der Phase-III-Erstlinienstudie ASC4FIRST vorgestellt worden, in der der Inhibitor bei der neu diagnostizierten CML nach 48 Wochen ein signifikant überlegenes gutes molekulares Ansprechen gegenüber dem Standard-Erstlinien-TKI (MMR-Rate; BCR::ABL1 < 0,1 %; 67,7 vs. 49,0 %; p < 0,001) gezeigt hatte [1]. Bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2024 wurde die überlegene Wirksamkeit nach einem längeren Zeitrahmen von 96 Wochen bestätigt – bei einem gleichzeitig besseren Verträglichkeitsprofil im Vergleich zu jedem der evaluierten TKI der ersten und zweiten Generation [2].
Tolerabilität von Asciminib im Erstlinieneinsatz
Sowohl beim ASCO 2025 als auch beim EHA 2025 stellte Prof. Andreas Hochhaus, Jena, die primären Daten der Phase-IIIb-Studie ASC4START vor, in der die Verträglichkeit und Wirksamkeit von Asciminib gegenüber dem Zweitgenerations-TKI Nilotinib bei der neu diagnostizierten CML-CP evaluiert wurden. Die Studie war aufgelegt worden, weil die europäische Zulassungsbehörde für die Zulassung von Asciminib im Erstliniensetting mehr Daten zur Tolerabilität gefordert hatte. Primärer Endpunkt war die „Zeit bis zum Behandlungsabbruch aufgrund von unerwünschten Ereignissen“ (TTDAE) – ein Endpunkt, den Hochhaus als wichtig und klinisch relevant bezeichnete.
Wie der Jenaer Experte berichtete, wurde dieser Endpunkt mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,45 (95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,25–0,81; p = 0,004) erreicht [3, 4]. Nur 5,6 % der Behandelten beendeten die Therapie mit Asciminib nebenwirkungsbedingt gegenüber 12,1 % unter Nilotinib. Dabei erwies sich das Sicherheitsprofil des Inhibitors der STAMP-Klasse als konsistent mit früheren Studien; es gab keine neuen Sicherheitssignale.
Auch hinsichtlich der Effektivität konnte Asciminib erneut überzeugen und seine Überlegenheit gegenüber Nilotinib in Woche 12 unter Beweis stellen (BCR::ABL1 < 1 % 69,0 vs. 52,2 %; MMR 22,9 vs. 10,2 %) [3, 4]. Das Fazit von Hochhaus hierzu war: „Diese Ergebnisse zusammen mit den Daten von ASC4FIRST unterstützen weiterhin das Potenzial von Asciminib als Erstlinienstandard bei der CML-CP. Dies könnte mehr Erkrankten ermöglichen, ihre Behandlungsziele zu erreichen, ohne die Therapie umstellen zu müssen.“
In der Zweitliniensituation nach vorherigem TKI entfaltet Asciminib ebenfalls seine Wirksamkeit und Verträglichkeit, wie Daten der einarmigen Phase-II-Studie ASC2ESCALATE zeigen. Dr. David J. Andorsky, Boulder, CO/USA, berichtete beim ASCO 2025, dass der TKI der STAMP-Klasse auch in diesem Setting hohe molekulare Ansprechraten nach 24 Wochen einschließlich MMR (44,4 %) und MR4 (BCR::ABL1 < 0,01 %) oder besser (25,4 %) erreichte – bei guter Verträglichkeit [5].
Resistenzmutationen auf der Spur
Nachdem Resistenzmutationen gegenüber den TKI der ersten und zweiten Generation bei der CML gut charakterisiert sind, entdeckte die Arbeitsgruppe um Prof. Simona Soverini, Cologna, Italien, inzwischen auch genetische Alterationen, die die Wirksamkeit von Asciminib unterlaufen. Dabei handelt es sich der Expertin zufolge um Resistenzmutationen in und nahe der Myristoyl-Bindungstasche von BCR::ABL1, interessanterweise aber auch um Alterationen außerhalb dieser Bindungsstelle von Asciminib [6]. Soverini erklärte: „Myristat und Asciminib wirken, indem sie eine Konformationsänderung bewirken und die geschlossene (inaktive) Form der Kinase stabilisieren. Jede Störung dieser geschlossenen Konformation ruft eine Resistenz hervor.“
Die Forschenden konnten vier Cluster von genetischen Alterationen ausmachen, die zur Resistenzentwicklung gegenüber Asciminib führten [6]:
- A337T/V in oder nahe der Myristoyl-Bindungstasche von BCR::ABL1, das die Bindung von Asciminib verhindert;
- Y115N, das durch sterische Veränderungen zwischen verschiedenen Domänen eine Resistenz verursacht;
- F359V/C/I in der Bindungstasche von Adenosintriphosphat (ATP), das zur unregulierten Aktivierung der Kinase führt, und
- M244V, das Konformationsänderungen nach Asciminib-Bindung induziert.
Neue Substanzen in den Startlöchern
Zwei weitere Vorträge bei der Jahrestagung der EHA 2025 wagten einen Blick in die Zukunft und widmeten sich neuen Substanzen, die trotz bestehender Resistenz gegen Erst- und Zweitgenerations-TKI oder Asciminib bei der CML Wirkung zeigen.
Die eine Substanz, TERN-701, entfaltet ihre Wirksamkeit laut Prof. Timothy Hughes, Adelaide, Australien, auch bei klinisch relevanten Resistenzmutationen im aktiven Zentrum der Myristoyl-Bindungstasche, dem P-Loop und in gewissem Umfang auch gegenüber Myristoyl/allosterischen Regionen des BCR::ABL1-Onkoproteins [7]. Dies konnte in Zellkulturexperimenten gezeigt und am Mausmodell bestätigt werden.
Daneben erwies sich TERN-701 als hochselektiv gegenüber BCR::ABL1, auch im Falle ausgewählter STAMP-Inhibitor-Resistenzmutationen, und wies keine nennenswerte Aktivität gegenüber mehr als 450 anderen Kinasen auf. Die allgemeine Wirksamkeit des Inhibitors war im präklinischen Setting ebenfalls überzeugend. Aktuell wird die „selektive und potente“ Substanz in der Phase-I-Studie CARDINAL auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit beim Menschen getestet. Erste Ergebnisse der Dosiseskalations-/Dosisexpansionsstudie zeigen Hughes zufolge eine breite Abdeckung von mutiertem oder nichtmutiertem BCR::ABL1 bei einmal täglicher Dosierung.
Eine weitere Substanz, die aktuell in der laufenden Phase-Ia/Ib-Studie ENABLE bei vorbehandelten Erkrankten mit CML evaluiert wird, ist ELVN-001, ein selektiver Inhibitor des aktiven Zentrums von BCR::ABL1. ELVN-001 besitze eine höhere Selektivität und vermutlich auch Verträglichkeit als andere ATP-Inhibitoren, weil die Bindung an einen „eingefalteten“ P-Loop in der aktiven Konformation der ATP-Bindungstasche erfolge, erklärte Hochhaus in einem weiteren Vortrag beim EHA 2025 [8]. Dadurch werde ein enger Tunnel gebildet, der die Bindung an T315I und andere Mutationen erlaube.
„ELVN-001 zeigt eine anhaltende Aktivität gegenüber T315I und gegenüber aufkeimenden BCR::ABL1-Mutationen, die mit einer Resistenz gegenüber Asciminib einhergehen“, sagte er. Dies betreffe etwa die Mutationen M224V, A337ZT, E355G, F359V und P4655.
Im Dosiseskalationsteil der Studie erhielten Erkrankte, die nicht auf andere Therapien angesprochen hatten oder diese nicht vertrugen, Dosierungen von 10 mg einmal täglich bis 80 mg zweimal täglich und im Dosisexpansionsteil je 20 Erkrankte ohne T315I-Mutation die ausgewählten Dosen 60, 80 und 120 mg einmal täglich. In einer weiteren Kohorte mit T315I-Mutation wird die bestmögliche Dosis noch ermittelt. Primäre Endpunkte sind dosislimitierende Toxizitäten (DLT), Nebenwirkungen und klinisch relevante Veränderungen von Laborwerten oder im Elektrokardiogramm.
Laut Hochhaus wurden keine DLT dokumentiert; behandlungsassoziierte Nebenwirkungen waren geringgradig und führten nur selten zu Therapieunterbrechungen oder -abbrüchen. „Es gab auch keine Evidenz für eine erhöhte kardiovaskuläre Toxizität“, so der Arzt.
Erste Daten zur Effektivität der neuen Substanz waren ebenfalls ermutigend: Die MMR-Rate nach 24 Wochen betrug 47 %. 32 % der Behandelten, die keine MMR bei Therapiebeginn hatten, erreichten diese unter der Behandlung. Bei 52 % derjenigen, die zu Beginn BCR::ABL1-Transkripte-Level von über 1 % aufwiesen, wurde diese Grenze nach 24 Wochen unterschritten. Hochhaus betonte, dass auch Erkrankte, die vorab Asciminib oder Ponatinib erhalten hatten, auf den neuen Inhibitor ansprachen.
Weitere Vorteile von ELVN-001: Die Substanz wird nicht über die Enzyme Cytochrom(CYP)1A2, CYP2B6, CYP2C8, CYP2C19, CYP2D6, CYP3A4 und CYP3A5 verstoffwechselt und ist auch kein Substrat für P-Glykoprotein oder BCRP („breast cancer resistance protein“). Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen oder Nahrungsmitteln dürften demnach gering sein. Eine einmal tägliche Anwendung unabhängig von den Mahlzeiten erscheint anhand des pharmakokinetischen Profils möglich.