Akute myeloische Leukämien
Orale Kombinationstherapie für unfitte Patienten
Zur Behandlung älterer oder nicht chemotherapiefähiger Patienten mit neu diagnostizierter AML wurde die Kombinationstherapie von Azacytidin (AZA) und dem Bcl-2(„b-cell lymphoma 2“)-Hemmer Venetoclax in der VIALE-A-Studie im Jahr 2021 etabliert [1]. Die siebentägige subkutane Gabe von AZA in dieser Kohorte älterer, zum Teil multimorbider Patienten wird immer noch als Belastung empfunden. Umso erfreulicher ist der Ansatz der ASCERTAIN-Studie, in der man die orale hypomethylierende Substanz (HMA) Decitabin-Cedazuridin (DEC-C) in Kombination mit Venetoclax (VEN) geprüft hat. In der oralen Formulierung wird Decitabin mit dem DNA-Methyltransferase-Inhibitor Cedazuridin kombiniert, um die orale Bioverfügbarkeit zu steigern. In der präsentierten Phase-I/II-Studie erhielten Patienten DEC-C an fünf Tagen zusammen mit 400 mg VEN täglich in einem 28-Tage-Zyklus. Die Dosissteigerung von VEN erfolgte über drei Tage. Dosisanpassungen waren ab Zyklus 2 nach Remissionsbeurteilung mittels Knochenmarkpunktionen möglich. Primärer Endpunkt war die komplette Remission (CR) gemäß den Ansprechkriterien des European LeukemiaNet (ELN) 2017.
Insgesamt wurden 189 Personen in beide Studienphasen eingeschlossen. 46,5 % (95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 36,5–56,7) der Patienten erreichten eine komplette Remission (CR) und 63,5 % (95 %-KI 53,2–72,7) eine CR oder CR mit unvollständiger hämatologischer Regeneration (CR/CRi). Die mediane Zeit bis zum Ansprechen lag bei 2,4 Monaten. 80 % der Behandelten hatten eine mediane Ansprechdauer von sechs Monaten und 75,3 % ein Ansprechen über zwölf Monate. Das mediane Gesamtüberleben (mOS) betrug in Phase IIB 15,5 Monate.
Schwerwiegende Nebenwirkungen (Grad ≥ 3) wurden bei 98 % der Patienten in Phase IIB berichtet. Häufig traten febrile Neutropenie (49,5 % der Patienten), Anämie (38,6 %) und Neutropenie (35,6 %) auf. Die Mortalitätsraten nach 30 und 60 Tagen betrugen 3,0 und 9,9 %.
Die Ergebnisse der Phase-I/II-Studie ASCERTAIN zeigen ein vergleichbares Risiko-Nutzen-Profil der vollständig oralen Therapie mit DEC-C plus VEN bei Patienten mit neu diagnostizierter AML, die nicht für eine intensive Chemotherapie geeignet sind, und stellt somit eine wirksame Alternative zur teilweise parenteralen Therapie mit AZA plus VEN dar. Durch die vollständig orale Anwendung wird den Patienten eine Verbesserung der Lebensqualität ermöglicht. Wie unter der Standardtherapie mit AZA plus VEN sind auch unter oraler Medikation bedarfsgerechte Dosisanpassungen nach Remissionsbeurteilung nötig, um eine gute Verträglichkeit zu garantieren [2].
Rezidivierte/Refraktäre AML: neue Substanzklasse Menin-Inhibitoren
Menin-Inhibitoren sind eine neue Substanzklasse für rezidivierte oder refraktäre (r/r) AML. KMT2A (Histon-N-Methyltransferase 2A) kodiert für einen epigenetischen Regulator. Das Rearrangement von KMT2A führt zur Bildung onkogener Fusionsproteine. Diese interagieren mit dem Kofaktor Menin, was eine ungehemmte leukämische Proliferation nach sich zieht. Durch die Hemmung von Menin kann dieser Prozess gezielt unterbunden und die Proliferation gestoppt werden (Abb. 1).