Einleitung
Impfstoffe, auch Vakzine genannt, sind eine der größten Erfolgsgeschichten der Medizin zur Prävention und Kontrolle von Infektionskrankheiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass durch Impfungen jährlich 2–3 Millionen Menschenleben gerettet und darüber hinaus unzählige Erkrankungsfälle verhindert werden [1]. Als Resultat des umfassenden Einsatzes von Impfstoffen konnte das humane Pockenvirus weltweit ausgerottet und die Häufigkeit von beispielsweise Polio (Wildtyp-Virus vom Serotyp 2 gilt seit 2015 als ausgerottet), Masern und weiteren Infektionskrankheiten dramatisch reduziert werden [2]. Konventionelle Impfstoffansätze wie die Verwendung von lebend-attenuierten (abgeschwächten) oder inaktivierten Krankheitserregern sowie Untereinheitenimpfstoffe bieten Schutz gegen eine Vielzahl von gefährlichen Infektionskrankheiten. Trotz ihres Erfolges haben diese konventionellen Ansätze der Vakzinentwicklung auch ihre Einschränkungen: Lebend-attenuierte Impfstoffe bergen die Gefahr der Reversion zu einer krankheitserregenden Form (z. B. oraler Polio-Impfstoff Serotyp 2) und können bei Immunkompromittierten nur eingeschränkt angewendet werden; inaktivierte Impfstoffe sind in der Regel weniger wirksam und Untereinheitenimpfstoffe benötigen Adjuvantien (Wirkstoffverstärker) zur Verstärkung der induzierten Immunantworten, insbesondere einer T-Zell-Antwort. Neben den hohen Entwicklungskosten ist es vor allem auch die langwierige Entwicklungsdauer, die den Einsatz von konventionellen Impfstoffen in Bezug auf potentielle pandemische Ausbruchsszenarien erschwert. Wie die gegenwärtige COVID-19-Pandemie (siehe eigenes Kapitel), aber auch frühere rasche Ausbreitungen von schweren Infektionen wie SARS, Ebola oder Zika dramatisch aufzeigten, werden dringend neue Impfstofftechnologien benötigt, die schnell, effektiv und vielseitig auf neue, bisher unbekannte Gefahren reagieren können [3, 4].
Seit einigen Jahren repräsentieren Nukleinsäure-basierte Impfstoffe, wie virale Vektoren, Plasmid-DNA (pDNA) und Messenger-RNA (mRNA), vielversprechende Alternativen zu konventionellen Impfstoffen. Sie besitzen intrinsische Adjuvanseigenschaften, erlauben die Expression von beliebigen Antigenen in einer Zielzelle und können somit potente humorale als auch zelluläre Immunantworten induzieren. Diese Fähigkeit, beide Arme des Immunsystems zu aktivieren, macht Nukleinsäure-basierte Impfstoffe im Vergleich zu Untereinheitenimpfstoffen sehr attraktiv. Dagegen liegen die Vorteile im Vergleich zu lebend-attenuierten Impfstoffen vor allem in ihrem minimalistischen Aufbau und dem fehlenden Risiko der Reversion zu einer virulenten Form [4, 5]. Da die Charakteristika der Impfstoffklassen meist unabhängig vom kodierten Antigen sind, können viele der Produktions-, Aufreinigungs- und Validierungsmethoden innerhalb einer einzigen Produktionsstätte für verschiedene Impfstoffe verwendet werden. Dadurch reduzieren sich sowohl die Investitionskosten in neues Equipment als auch die Prozessentwicklungskosten sowie die Dauer für die Herstellung und Entwicklung von Nukleinsäure-basierten Impfstoffen [2, 3, 6]. Im Vergleich zu pDNA haben mRNA-basierte Impfstoffe noch einige weitere Vorteile: So müssen sie zur Proteinexpression (durch Translation an Ribosomen im Zytoplasma) nur die Plasmamembran der Zielzelle durchqueren, wohingegen pDNA-Impfstoffe für die Expression des Antigens bis in den Zellkern gelangen müssen, da sie dort zuvor noch in mRNA transkribiert werden müssen. Darüber hinaus können sich mRNA-Vakzine nicht ins Wirtsgenom integrieren. Im Vergleich zu viralen Vektoren generieren mRNA-basierte Impfstoffe keine infektiösen Partikel und sind aufgrund ihres Designs nicht in der Lage, eine Immunantwort gegen den Vektor zu induzieren [5, 7]. Jedoch sind auch im Feld der mRNA-Vakzine noch einige Hürden zu überwinden. So ist z. B. nackte mRNA sehr instabil und muss vor Verabreichung noch formuliert werden. Für viele dieser Formulierungskomponenten wurden bislang keine klinischen Toxizitätsprofile publiziert. Zudem ist die Rolle der angeborenen Immunantwort bei mRNA-basierten Impfstoffen sehr komplex. Während eine ausgewogene mRNA-induzierte systemische Typ-1-Interferonantwort eine starke adaptive Immunantwort fördert, kann sich eine übermäßige Induktion negativ auf die Expression und Immunogenität der mRNA auswirken [3, 5, 8].
Design von mRNA-basierten Impfstoffen
Gegenwärtig existieren zwei Gruppen von mRNA-Vakzinen, die entweder auf nicht-replizierender oder selbst-amplifizierender mRNA basieren (Abb. 1). Beide Arten nutzen die Translationsmaschinerie der Wirtszelle zur Expression des kodierten Antigens. Dies wiederum induziert die Entwicklung einer antigenspezifischen Immunantwort [4]. Sowohl nicht-replizierende als auch selbst-amplifizierende mRNA-basierte Impfstoffe bestehen aus einer Cap-Struktur, 5’- und 3’-UTRs (untranslatierte Regionen) sowie einem polyadenylierten Bereich (Poly A) am 3’-Ende der mRNA. Diese Strukturen sind wichtig für die Stabilität der mRNA, die Ribosomenzugänglichkeit und die Interaktion mit der Translationsmaschinerie [5]. Zudem tragen beide mRNA-Arten auch die kodierenden Sequenzen des Antigens in Form eines offenen Leserahmens (open reading frame, ORF, Abb. 1), welches später von den Körperzellen exprimiert werden soll.