Infektionsletalität von SARS-CoV-2: Eine immunologische Fragestellung
DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2020.04.02 Die Infektionssterblichkeit ist eine wichtige Kenngröße der SARS-CoV-2-Pandemie. Sie wird basierend auf der Grundgesamtheit der Infizierten bestimmt und ist damit besser definiert als die Fallsterblichkeit, die sich auf Erkrankungsfälle bezieht. Infiziert im Sinne der Infektionssterblichkeit sind alle Personen, die aktuell mit dem Virus infiziert sind oder früher Kontakt mit dem Virus hatten und eine aktuell noch messbare Virus-spezifische Immunität aufweisen. Dem gegenüber sind Kriterien zur Festlegung von Erkrankungsfällen weniger scharf definiert. Damit wird die Fallsterblichkeit vor allem klinisch bestimmt, die Infektionssterblichkeit hingegen immunologisch. Im Zentrum steht dabei die zuverlässige Detektion der SARS-CoV-2-spezifischen Antikörper in Abgrenzung von Immunantworten gegenüber anderen verwandten Coronaviren. Neben dem Ausbildungsverlauf der spezifischen Antikörperantwort muss dabei auch der anschließende Abfall der Antikörpertiter berücksichtigt werden. Die verwendeten Analyseverfahren müssen eine hohe Spezifität und Sensitivität für SARS-CoV-2-spezifische Antikörper aufweisen. Die Studie sollte idealerweise in Zusammenhang mit einem vorübergehenden Ausbruchsereignis stehen. Dieses sollte bei Datenerhebung so weit zurückliegen, dass die letalen Verläufe bereits evaluiert werden können. Die Kriterien für eine valide Bestimmung der Infektionssterblichkeit sollen hier anhand des ersten Ausbruchsereignis der SARS-CoV-2-Pandemie in Deutschland erläutert werden [1].
SARS-CoV-2, Infektionssterblichkeit, Ausbruchsereignis, Immunantwort, Coronaviren
Einführung
Aus der Vielfalt aller Viren, denen wir ausgesetzt sind, sind nur diejenigen für uns krankheitsrelevant, die sich einer effektiven Erkennung durch das angeborene Immunsystem entziehen können. Das Beta-Coronavirus SARS-CoV-2 hat molekulare Mechanismen perfektioniert, die eine Erkennung durch das angeborene Immunsystem, die sogenannte Nukleinsäure-Immunität, weitgehend unterlaufen. Dennoch gelingt es unserem Immunsystem in den meisten Fällen, auch bei SARS-CoV-2 eine erworbene Immunantwort zu etablieren. Diese zeigt sich an der Ausbildung von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern und T-Zellen. Auch wenn die Infektionserkrankung trotz Ausbildung dieser Immunantwort ganz unterschiedliche klinische Verläufe bis hin zu letalem Ausgang nehmen kann, so ist das Vorliegen von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern und T-Zellen dennoch beweisend für den Kontakt mit dem Virus. Bis zum Vorliegen einer spezifischen Immunantwort kann das Virus selbst beispielsweise über Virus-spezifische RNA (PCR) oder Virus-spezifisches Protein (Antigen) nachgewiesen werden. Die Zahl der Infizierten kann daher über Virus-Nachweis oder Vorliegen einer Virus-spezifischen Immunantwort oder einer Kombination aus beidem bestimmt werden. Die Infektionsletalität ist dann die Zahl der infektionsbedingten Todesfälle bezogen auf die Zahl der insgesamt nachgewiesenen Infektionen. Demgegenüber ist die Fallsterblichkeit die Zahl der infektionsbedingten Todesfälle bezogen auf die Erkrankungsfälle (Abb. 1).