Noch vor 10–15 Jahren hätte niemand gedacht, dass durch die Entdeckung immer neuer anti-neuronaler Autoantikörper ein fundamentales Umdenken in der Neurologie und Psychiatrie eingeleitet werden würde. Seither sind etliche Krankheiten in ihrem Wesen aufgeklärt worden, die zuvor unter fraglichen Diagnosen wie Enzephalitis ohne Erregernachweis, nicht-infektiöse Enzephalopathie oder unter psychosomatischen Erklärungsmodellen behandelt wurden [1]. Allen gemeinsam ist, dass sich bei diesen Erkrankungen aus zum Teil noch ungeklärter Ursache Autoantikörper bilden, die eigenes Hirn- oder Nervengewebe angreifen.
Die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis
Den Startschuss für diesen Paradigmenwechsel gab die Entdeckung der NMDA-Rezeptor-Enzephalitis im Jahr 2007 bei mehreren jungen Frauen mit einer schweren Hirnentzündung, psychiatrischen Auffälligkeiten, epileptischen Anfällen und Bewusstseinsstörungen [2]. Im Liquor dieser Patientinnen fanden sich Autoantikörper, die mit den Nervenzellen im gesamten Gehirn reagierten, besonders stark aber mit Nervenfasern im Hippocampus und im Kleinhirn. Die Antikörper sind gegen den sogenannten N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor (NMDAR) gerichtet; einen Glutamatrezeptor, der essentiell für die Hirnfunktion ist, insbesondere für Gedächtnis, Emotions- und Impulskontrolle sowie vegetative Funktionen.
Mittlerweile ist klar, dass NMDAR-Enzephalitis in unseren Breiten die häufigste Autoimmun-Enzephalitis ist. Mehrere tausend Patienten sind inzwischen beschrieben worden, und für Medizinstudenten gehört der sperrige Name inzwischen zum selbstverständlichen Lernstoff. Die NMDAR-Enzephalitis verläuft dabei meist mit sehr ähnlichen Symptomen. Nach einer durch Kopfschmerzen oder Krankheitsgefühl gekennzeichneten Prodromalphase kommt es zu einem schizophreniformen Syndrom. Bei den Patienten wird oft eine Drogen-induzierte Psychose vermutet. Im Verlauf entwickelt die Mehrzahl der Patienten epileptische Anfälle, Hyperkinesien vor allem im Gesicht sowie vegetative Störungen mit Blutdruckkrisen oder Herzstillstand. Einige Patienten benötigen eine lange intensivstationäre Behandlung und Beatmung, dennoch ist die Prognose bei rascher Einleitung einer ausreichend aggressiven Immuntherapie so gut, dass die Mehrheit in Schule oder Beruf zurückkehren kann. Betroffen sind vor allem junge Frauen, aber auch Männer aller Altersklassen und auch Kinder können darunter leiden.
Nachweis der Autoantikörper
Neuere Forschungsergebnisse konnten zeigen, dass die NMDAR-Antikörper direkt pathogen sind [3]. Die Herstellung monoklonaler Antikörper erlaubte den Nachweis, dass die Antikörper selbst zu Veränderungen der Synapsen und damit zu Funktionsstörungen der Neurone führen. Diese Befunde brachten die Erkenntnis, dass Patienten mit einer NMDAR-Enzephalitis möglichst früh und auch ausreichend „aggressiv“ mittels Immuntherapie behandelt werden müssen, um Folgeschäden zu reduzieren. Leider lassen sich diese trotzdem selten ganz verhindern. Die Patienten behalten milde Störungen von Gedächtnis, Stimmung, Aufmerksamkeit oder Affekt zurück.
Im Umkehrschluss macht es der Nachweis genau dieser Autoantikörper vergleichsweise einfach, Patienten mit einer behandelbaren Enzephalitis möglichst früh zu identifizieren. Dazu stehen mehrere Testverfahren zur Verfügung, bei denen man sich die Bindung der Antikörper an ihr Zielprotein zunutze macht. Besonders für Suchtests nach neuen Antikörpern wird Liquor oder Serum der Patienten auf Hirnschnitte einer Maus oder Ratte gegeben, wo die Antikörper spezifisch binden, z. B. an den NMDAR im Hippocampus (Abb. 1).