Wie schützen Makrophagen das Gelenk?

Erstmals Ende des 19. Jahrhunderts durch Ilja Iljitsch Metschnikow beschrieben, zählen Makrophagen zu den phylogenetisch ältesten Zellen des Immunsystems. Als Teil des angeborenen Immunsystems sind sie durch eine hohe Phagozytoserate gekennzeichnet und gelten als zentrale Elemente bei der Beseitigung von pathogenen Mikroorganismen im Rahmen der Immunabwehr. Gleichzeitig standen Makrophagen frühzeitig im Verdacht, für chronisch-entzündliche Prozesse – und somit für Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder multiple Sklerose mitverantwortlich zu sein. Technologische Fortschritte wie Einzelzell-RNA-Sequenzierung, „fate-mapping“-Technologien und neue bildgebende Verfahren haben unsere Sicht auf die Heterogenität und Funktion von Monozyten und Makrophagen in den letzten Jahren jedoch grundsätzlich verändert. Neue Daten zeigen, dass diese Zellen vielfältige homöostatische Aufgaben im gesunden Organismus übernehmen, Gewebeschäden still beseitigen und zentral an der Vermeidung von entzündlichen Prozessen und von damit assoziierten Erkrankungen beteiligt sind.

Schlüsselwörter: Synoviale Makrophagen, residente Makrophagen, entzündliche Gelenkerkrankungen

Makrophagen weisen einen dichotomen Ursprung auf

In der traditionellen Nomenklatur werden Makrophagen dem mononukleär-phagozytischen System zugerechnet, dessen zelluläre Elemente fortlaufend aus Blutmonozyten hervorgehen [1]. Neuere Daten bestätigen, dass im Rahmen von Entzündungsprozessen Makrophagen tatsächlich primär aus zuvor in das Gewebe eingewanderten Blutmonozyten differenzieren [2]. Im Gegensatz hierzu weisen die meisten Organe jedoch auch lokale Makrophagenpopulationen auf, die im adulten Organismus weitgehend unabhängig von Monozyten existieren und die die Mehrzahl an Makrophagen im nicht-entzündeten Gewebe ausmachen [3, 4].
Zu diesen „residenten“ Makrophagenpopulationen zählen u. a. Mikrogliazellen des Gehirns, Kupffer-Zellen der Leber, Langerhans-Zellen der Epidermis oder Alveolarmakrophagen der Lunge [5, 6]. Vorläufer residenter Gewebemakrophagen wandern bereits während der pränatalen Entwicklung aus dem embryonalen Dottersack, der fötalen Leber oder dem fötalen Knochenmark in die unterschiedlichen Organe ein und setzen somit den Grundstock für die jeweiligen organspezifischen Varianten von Makrophagen [7–9]. Eine lokale Proliferation ermöglicht die dauerhafte Monozyten-unabhängige Aufrechterhaltung dieser Populationen aus geweberesidenten Makrophagen im adulten Organismus in unterschiedlichen Organen, etwa dem Gehirn [10, 11]. Andere Populationen geweberesidenter Makrophagen (z. B. im Herz und der Skelettmuskulatur) werden mit zunehmendem Alter teilweise durch aus Monozyten-differenzierende Makrophagen ersetzt [12].
Eine vergleichende Untersuchung residenter Makrophagenpopulationen aus unterschiedlichen Organen zeigt, dass diese Zellen gewebespezifische Phänotypen, Transkriptionsprofile und epigenetische Signaturen aufweisen [13]. Verantwortlich hierfür sind v. a. das organspezifische Mikromilieu und davon abhängige Transkriptionsfaktoren. So kontrolliert bspw. die lokale Produktion des Zytokins GM-CSF über Aktivierung des Transkriptionsfaktors PPARγ die Differenzierung von Alveolarmakrophagen, während die GATA6-abhängige Differenzierung residenter Peritonealmakrophagen durch Retinsäure kontrolliert wird [14, 15].

MakrophagentypOrganGewebespezifische Funktion
AlveolarmakrophagenAlveolen der LungeReinigung und Befreiung der Alveolen von eingeatmeten Fremdpartikeln
CX3CR1+TREM2+ SynovialmakrophagenSynovialmembranPhysische und immunologische Barrierefunktion, Reinigung der Synovialflüssigkeit
Intestinale MakrophagenDarmkanalNicht-immunologischer Schutz vor intestinalen Mikroorganismen
Kupffer-ZellenLeberBeseitigung von seneszenten Erythrozyten, Pathogenen, Schadstoffen und Metaboliten aus dem Blut
Langerhans-ZellenHautPathogenabwehr und Aktivierung spezifischer Immunantworten
Makrophagen der roten PulpaMilzBeseitigung seneszenter Erythrozyten; Recycling von Hä und Eisen
MikrogliaZentrales NervensystemSynaptische Verschaltung von Neuronen
Osteoklasten Knochen

Knochenresorption

Tab. 1: Gewebespezifische Funktionen von Makrophagen.

Neben zentralen Aufgaben in der Immunabwehr besitzen Makrophagen eine Vielzahl physiologischer, gewebespezifischer Aufgaben, die für die Funktionalität der Gewebe essentiell sind. Die Tabelle zeigt einige Gewebemakrophagen und eine Auswahl gewebespezifischer Funktionen.

Diese organabhängige Spezialisierung residenter Makrophagen deutet zudem auf hochgradig organspezifische Aufgaben hin, die weit über ihre ursprünglich postulierte Rolle als Zellen der natürlichen Immunabwehr hinausgehen. Tatsächlich unterstützen lokale Makrophagenpopulationen wie Mikroglia, Fettgewebemakrophagen oder intestinale Ma­krophagen unterschiedlichste Prozesse wie die synaptische Verschaltung von Neuronen, den Fettstoffwechsel oder die Darmfunktion [16–18]. Zudem tragen residente Makrophagen durch die Entsorgung toter Zellen, durch die Steuerung von Umbauprozessen oder die Unterstützung von Geweberegeneration essentiell zur Aufrechterhaltung der Gewebehomöostase bei [19–22]. Durch sie können lokale Schäden im Gewebe frühzeitig erkannt und beseitigt werden, wodurch eine überschießende Entzündungsreaktion und weiterer Entzündungs-assoziierter Gewebeschaden im Ansatz verhindert wird [23].

Das Gelenk im immunologischen Kontext

Synovialgelenke weisen eine komplexe und evolutionär hochkonservierte Struktur auf, wobei mobile, von hyalinem Knorpel überzogene Gelenkflächen durch einen mit Synovialflüssigkeit gefüllten Gelenkspalt getrennt sind. Eine Gelenkkapsel umschließt, schützt und stabilisiert das Gelenk. Sie besteht aus einer äußeren fibrösen Schicht und dem inneren, der Gelenkhöhle zugewandten Synovialgewebe, das mit seiner Synovialmembran direkt an die Synovialflüssigkeit grenzt. Neben synovialen Fibroblasten (Typ-B-Synoviozyten) ist die Synovial­membran außergewöhnlich reich an Makrophagen (Typ-A-Synoviozyten). Im Gegensatz hierzu finden sich bei einem gesunden Gelenk keinerlei Immunzellen im Synovialspalt mit der Synovialflüssigkeit oder an der Knorpeloberfläche [24]. Dieser Umstand ist insofern überraschend, da Gelenke mechanisch maximal beanspruchte Strukturen darstellen und die Gelenkflüssigkeit hohe Mengen an sogenannten „danger signals“ – z. B. Hyaluronsäure-Abbauprodukte – enthält, die ansonsten Entzündungsreaktionen initiieren können. Dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass Gelenke bis zu einem gewissen Grad immunprivilegierte Strukturen darstellen, die durch die spezielle synoviale Mikroarchitektur vor einer konstanten (mechanisch-induzierten) Entzündungsreaktion geschützt sind.
Der Ursprung und die genaue Rolle synovialer Makrophagen im gesunden bzw. krankhaft entzündeten Gelenk war lange Zeit unklar. Bisherige Arbeiten zeigten, dass synoviale Makrophagen in gesunden Gelenken größtenteils einen immunregulatorischen Phänotyp aufweisen und beispielsweise anti-inflammatorische Moleküle wie den IL-1-Rezeptor­antagonisten exprimieren, während in diesen Zellen keine Expression von pro-inflammatorischen Zytokinen wie TNF oder IL-1 gefunden wurde [25]. Auch weisen Makrophagen der Synovialmembran trotz der ansonsten sterilen Umgebung eine hohe Expression von Scavenger-Rezeptoren wie CD163 sowie Zeichen einer gesteigerten phagozytischen Aktivität auf; das passt zu der Annahme, dass diese Zellen konstant Knorpel und Knochenabbauprodukte aufnehmen und entsorgen, und somit eine Art Reinigungsfunktion im Gelenk wahrnehmen [26].
Der kombinierte Einsatz von neuen Techniken wie der Einzelzell-RNA-
Sequenzierung und Lichtblattmikroskopie in Verbindung mit unterschiedlichen Reportermäusen ermöglichte mittlerweile eine eingehende molekulare und räumliche Charakterisierung synovialer Makrophagen sowie die Identifizierung unterschiedlicher Makrophagensubpopulationen im Gelenk. Unter anderem zeigte sich, dass eine Subpopulation von geweberesidenten CX3CR1+TREM2+-Makrophagen komplexe epithelartige räumliche Membranstrukturen an der Innenseite der Synovialmembran bildet und hierdurch das Gelenk physisch abkapselt [27]. Ähnlich Epithelzellen in anderen Organen bilden diese Makrophagen überraschenderweise sog. Zonula occludens (Tight Junctions) und Desmosomen untereinander aus und erzeugen somit eine mechanisch stabile und physikalisch dichte Barriere zwischen den inneren Gelenkstrukturen mit Knorpel und Synovialflüssigkeit auf der einen Seite und dem Kapillarnetz des übrigen Synovialgewebes auf der anderen Seite.
Diese Barriere-bildenden CX3CR1+Trem2+-Makrophagen differenzieren aus sich konstant teilenden geweberesidenten MHCII+-Vorläufermakrophagen im darunterliegenden Synovialgewebe und bilden somit eine Monozyten-unabhängige Makrophagenpopulation im Gelenk (Abb. 1).

Das Genexpressionsprofil sowie die phänotypische Charakterisierung dieser Zellen lässt darauf schließen, dass sie durch Filterfunktion, die Produktion von speziellen Proteinen wie Lubricin und die Entsorgung von Knorpelabbauprodukten entscheidend die Zusammensetzung der Synovialflüssigkeit beeinflussen und somit zur physiologischen Gelenkfunktion beitragen.  

Die Rolle von Synovialmakrophagen im Rahmen entzündlicher Gelenk­erkrankungen

Im Rahmen von chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis (RA) kommt es typischerweise zur Entwicklung eines expandierenden entzündlichen synovialen Pannus, der sich aus proliferierenden Fibroblasten und aktivierten Makrophagen zusammensetzt und zur Zerstörung des Gelenkknorpels und gelenknahen Knochens beiträgt [28, 29]. Auch zeichnen sich Makrophagen im entzündeten Synovialgewebe von RA-Patienten durch eine hohe Expression pro-inflammatorischer Zytokine wie TNF, IL-1 und IL-6 aus [30]. Diese Beobachtungen führten zu der Annahme, dass Makrophagen wesentlich am entzündlichen und destruktiven Prozess bei Arthritis beteiligt sind und bildeten eine Rationale für die Entwicklung von therapeutischen Ansätzen zur Hemmung der identifizierten Zytokine bspw. durch monoklonale Antikörper [31]. Die genaue Rolle von Makrophagen bzw. einzelnen Makrophagensubpopulationen im Rahmen dieser entzündlichen Prozesse blieb jedoch weitgehend unklar.
Neue „fate-mapping“-Ansätze in transgenen Mäusen in Verbindung mit Einzelzell-RNA-Sequenzierung lassen im Rahmen von Arthritismodellen eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen geweberesidenten und einwandernden, aus Monozyten differenzierenden Makrophagen zu. Hier zeigt sich, dass geweberesidente CX3CR1+TREM2+-Makrophagen ihren immunregulatorischen Phänotyp aufrechterhalten, während neu einwandernde Makrophagen für die Produktion pro-inflammatorischer Zytokine im Rahmen der Arthritis verantwortlich sind.
Obwohl geweberesidente Makrophagen auch nach Einsetzen der Entzündungsreaktion ihre Position in der Synovialmembran beibehalten, führt das proinflammatorische Milieu letztlich zu einer Öffnung ihrer Zonula occludens und zu einem Verlust der Makrophagen-vermittelten Barrierefunktion. Dies wiederum ermöglicht den Einstrom von zusätzlichen inflammatorischen myeloiden Zellen wie neutrophilen Granulozyten, und führt zu einer Exazerbation des Entzündungsprozesses (Abb. 2).

Dementsprechend führt eine forcierte pharmakologische Öffnung oder genetische Depletion der Membran aus residenten Makrophagen zu spontanen Entzündungen und einer frühzeitigen Exazerbation von Arthritismodellen, während eine pharmakologische Stabilisierung der Zonula occludens den Ausbruch der Entzündung verhindern kann. Im Gegensatz hierzu ist eine Depletion von aus Monozyten-differenzierenden Ma­krophagen protektiv. Somit zeigt sich, dass geweberesidente und Monozyten-abhängige Makrophagen im Kontext der Arthritis gegensätzliche Funktionen ausüben und hier die Entzündungsreaktion sowohl unterbinden als auch vorantreiben können [27].
Massenzytometrie und Einzelzell-RNA-Sequenzierung konnten das Vorkommen vergleichbarer Makrophagenpopulationen in Synovialbiopsien beim Menschen bestätigen [27, 32, 33]. Zudem zeigen diese Untersuchungen, dass diese schützende Barriere aus Makrophagen in der Synovialmembran von RA-Patienten verschwindet [27]. Dies legt die grundlegende Bedeutung dieser Zellen auch für die Funktion von Gelenken sowie die Steuerung von Entzündungsprozessen im Rahmen von arthritischen Erkrankungen beim Menschen nahe. Durch diese Erkenntnisse eröffnen sich potenziell neue Therapieansätze bei entzündlichen Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems wie der RA, Spondyloarthropathien oder der Psoriasis-Arthritis, die auf eine Wiederherstellung einer funktionellen anti-inflammatorischen Makrophagenbarriere abzielen. Zudem stellt sich die Frage, ob Makrophagen in anderen Organen bzw. im Kontext von anderen Erkrankungen wie Infektionen oder bei Tumoren ähnliche Funktionen ausüben [34]. Hierbei könnte eine vergleichbare Barrierefunktion, die zu einer „Abschottung“ eines Entzündungsherdes, eines Pathogens oder möglicherweise auch von Tumormetastasen beiträgt, sowohl physiologische als auch pathologische Prozesse begünstigen.

Autoren
Stephan Culemann
Dr. rer. nat. Anika Grüne­boom, Prof. Dr. med. Gerhard Krönke
Med. Klinik 3, Rheumatologie und Immunologie, AG Translationale Immunologie
Universitätsklinikum Erlangen
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