Impfungen gehören zu den wirksamsten Möglichkeiten, Infektionskrankheiten zu verhindern. Man unterscheidet zwischen Lebendimpfungen, bei denen abgeschwächte Krankheitserreger verabreicht werden, und Totstoffimpfungen, bei denen abgetötete Erreger oder deren Bestandteile verabreicht werden. Impfungen, die die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts als Standardimpfungen oder als Indikationsimpfungen empfiehlt, werden in Deutschland in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen getragen. Viele Krankenkassen erstatten mittlerweile auch Impfungen, die im Hinblick auf Auslandsreisen vom Arzt empfohlen werden. Mit Ausnahme der Gelbfieberimpfung, die nur in zugelassenen Impfstellen gegeben werden darf, kann jede Ärztin und jeder Arzt Impfungen verabreichen. Zur Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen müssen die impfenden Ärzte in manchen Bundesländern ein Zertifikat über Impf-Fachkunde besitzen. Impfungen müssen dokumentiert werden, in der Regel im Impfausweis und in der Krankenakte. Im folgenden Artikel werden die wichtigsten Impfungen vorgestellt; ferner wird auf einige praktische Aspekte des Impfens eingegangen.
Schlüsselwörter: Vermeiden von Krankheit, Behinderung und Tod durch Infektionen, Immunisierung, Vaccination
Historische Bedeutung der Impfung
Bereits im Jahre 1549 berichtete der chinesische Autor Wan Quan in seinem Werk „Douzhen xinfa” über die Möglichkeit, durch nasale Insufflation von fein gemahlenem Schorf von Pockenpatienten eine vergleichsweise milde Form der Pocken zu erzeugen, die vor der wesentlich gefährlicheren Wildform der Pocken schützte. Diese Methode war in China möglicherweise bereits seit 1000 n. Chr. bekannt. Die Letalität dieser „Impf-Pocken” wurde mit 0,5 bis 2,0 % angegeben, während die Letalität der klassischen Pockenerkrankung bei 20–30 % lag. Im Jahre 1700 empfing die „Royal Society of London for Improving Natural Knowledge” zwei Berichte über diese Praxis, und ab 1721 führte dort Lady Montagu die „Variolation” (Inokulation von Pustel-Material von Pockenpatienten in die Haut durch Skarifikation) ein. Auch hier lag die Letalität der „Variolation” mit 2–3 % bei einem Zehntel der Letalität durch die Wildform der Pocken (siehe [1] und Artikel von Axel Hüntelmann in dieser Ausgabe).
Im Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten von Amerika (1775–1783) gelang es General George Washington, durch Inokulation mit einem vergleichsweise gering pathogenen Pockenstamm den Ausbruch von Pockenepidemien in seinen Streitkräften zu verhindern. Dies spielte wahrscheinlich eine entscheidende Rolle für den erfolgreichen Ausgang des Unabhängigkeitskrieges [2].
Im Jahr 1796 beobachtete der britische Arzt Philipp Jenner, dass Personen, die durch Vaccinia-Viren verursachte Kuhpocken durchgemacht hatten, immun gegen die Pocken waren. In der Folge wurde die Impfung gegen Pocken mittels Vaccinia-Virus entwickelt (während alle bisherigen Impfstrategien auf vergleichsweise milden Varianten des Pockenvirus selbst beruhten). Ab 1800 verbreitete sich diese Impfung gegen Pocken weltweit und führte 1979 zur Ausrottung der Pocken [1].
Ein weiteres Beispiel sehr erfolgreicher Impfkampagnen ist die Impfung gegen Poliomyelitis (Kinderlähmung) ab den 1960er-Jahren. Dadurch gelang es weltweit, die Zahl der Patienten mit irreversibler Paralyse durch Poliovirus von rund 500.000 pro Jahr in den 1940er- und 1950er-Jahren bzw. 350.000 Fällen im Jahre 1988 auf 33 Fälle im Jahre 2018 zu reduzieren [3].
Bereits diese Beispiele zeigen, welche überragende Bedeutung Impfungen für das Vermeiden von Krankheit, Behinderung und Tod haben. Inzwischen sind zahlreiche weitere Impfungen gegen Infektionserreger (bisher vorwiegend gegen Viren und Bakterien) entwickelt worden. Impfungen gegen multiresistente Bakterien (Staphylokokken, Pseudomonaden etc.) sind in Entwicklung und können vermutlich auch einen wesentlichen Beitrag zum Kampf gegen multiresistente Bakterien liefern.
Wie Impfungen funktionieren
Ziel von Impfungen ist es, eine spezifische Abwehrreaktion gegen den Infektionserreger zu erzeugen. Die meisten Impfstoffe bewirken eine antikörpervermittelte, viele auch eine zellvermittelte Immunreaktion. Während Antikörpertiter leicht nachgewiesen werden können, fehlen für die Messung der meisten zellvermittelten Immunreaktionen standardisierte Assays.
Bei Lebendimpfstoffen handelt es sich um vermehrungsfähige Krankheitserreger, die so verändert worden sind, dass sie einerseits bei Immungesunden keine oder eine zeitlich begrenzte und stark abgeschwächte Erkrankung auslösen, durch mehrere Passagen im Körper jedoch intensiveren Kontakt mit dem Immunsystem haben und daher oft eine bessere Immunität als Totimpfstoffe erzeugen.
Lebendimpfstoffe werden teils oral, teils subkutan verabreicht. Beispiele für orale Lebendimpfungen sind die Impfung gegen Polio (nach Sabin), die Schluckimpfung gegen Rotaviren bei Kleinkindern, die Impfung mit dem attenuierten Salmonella-Typhi-Stamm Ty21a, und die Choleraimpfung. Beispiele für subkutan zu verabreichende Lebendimpfungen sind die gegen Gelbfieber und die Kombinationsimpfung gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken.
Bei den Totimpfstoffen handelt es sich um inaktivierte (i. e. „abgetötete”) Krankheitserreger, oder um Teile von diesen. Totimpfstoffe werden in aller Regel intramuskulär verabreicht (z. B. Kombinationsimpfung gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Poliomyelitis, Impfung gegen Typhus abdominalis mittels VI-Polysaccharid-Impfstoff). Da Totimpfstoffe – im Gegensatz zu Lebendimpfstoffen – deutlich kürzer Kontakt mit dem Immunsystem haben, wird das Impf-Antigen hier meist mit einem Adjuvans kombiniert, um eine ausreichende Immunantwort zu erzielen.
Erfolge und Misserfolge
Es ist unbestreitbar, dass Impfungen Infektionskrankheiten – und das damit verbundene Leiden sowie Todesfälle – bereits in gewaltigem Umfange verhindert haben. Die WHO schätzt die Zahl der durch Impfungen verhinderten Todesfälle derzeit auf zwei bis drei Millionen jährlich [4]. Der Erfolg einzelner Impfungen hängt u. a. davon ab, wieviel Prozent einer Bevölkerungsgruppe, die dem Krankheitsrisiko ausgesetzt ist, „durchgeimpft“ sind. Sofern eine bestimmte Quote, die für viele ansteckende Erkrankungen zwischen 90 und 100 Prozent liegt, nicht unterschritten wird, haben auch die wenigen ungeimpften Personen – und vor allem die Kinder, die aufgrund eines angeborenen Immundefektes nicht geimpft werden können – einen gewissen Schutz vor dieser Infektionskrankheit (Herdenschutz bzw. Gemeinschaftsschutz), da die Ausbreitung von Infektionen einen Mindestanteil empfänglicher (ungeimpfter) Personen erfordert. Ausbrüche von durch Impfungen verhinderbaren Erkrankungen treten typischerweise dann auf, wenn die Zahl der Geimpften unter diesen Prozentsatz sinkt. Dieser liegt im Falle der Masern bei etwa 95 % [5]. Somit hat die Entscheidung, sich gegen eine Infektionserkrankung impfen zu lassen, sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft Bedeutung. Man trägt nicht nur Verantwortung für sich selbst und seine Familienmitglieder, sondern auch für andere (schutzbefohlene Kinder, Patienten, Kunden etc.).