Thrombozytenfunktionsdiagnostik: Vielfältige Methoden – unterschiedlicher Nutzen

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2021.04.05

Thrombozyten spielen sowohl bei der primären Hämostase als auch bei der Thrombose eine Schlüsselrolle. Die Beurteilung der Thrombozytenfunktion ist nicht nur entscheidend für die Identifizierung von Personen mit angeborenen und erworbenen Thrombozytopathien mit Blutungsneigung, sondern wird auch immer wichtiger für das Monitoring einer antithrombozytären Therapie. Die zunehmende diagnostische Bedeutung führte in den letzten Jahren zur Entwicklung neuer Analyseverfahren.

Schlüsselwörter: Thrombozytenfunktionsstörung, Thrombozytenfunktionsdiagnostik, Plättchenfunktionsanalyzer, Aggregometrie, viskoelastische Methoden, Durchflusszytometrie

Thrombozyten spielen eine zentrale Rolle bei der physiologischen Hämostase; angeborene oder erworbene Dysfunktionen können eine Blutungsneigung oder thrombotische Ereignisse verursachen [1]. In den letzten Jahren gewann die Beurteilung der Thrombozytenfunktion in folgenden klinischen Situationen entscheidend an Bedeutung:

  1. Identifizierung von Personen mit Blutungsneigung,
  2. Beurteilung der perioperativen Hämostase bzw. Einschätzung eines Blutungsrisikos und
  3. Überwachung der Therapieeffizienz von Aggregationshemmern.

Thrombozytenfunktionstests werden daher zur Erkennung angeborener oder erworbener Thrombozytopathien sowie zur Erfassung einer gesteigerten Thrombozytenaktivierung, die mit einer erhöhten Thromboseneigung einhergehen kann, verwendet. Beim Monitoring von antithrombozytären Medikationen steht einerseits eine pathologisch gesteigerte Blutungsneigung, anderseits die Prüfung der Wirksamkeit der Thrombozytenfunktionshemmung zur Verhinderung von Thromboembolien im Fokus.
Derzeit sind mehrere Labor- und Point-of-Care(POC)-Methoden für die Funktionsdiagnostik verfügbar. Diese Verfahren erfassen allerdings verschiedene Aspekte der Thrombozytenfunktion (Abb. 1) auf Grundlage von Thrombozytenadhäsion, -aggregation, -aktivierung mittels Durchflusszytometrie sowie viskoelastischen Eigenschaften während der Gerinnselbildung.

Abb. 1: Phasen der Thrombozytenaktivierung – Thrombozytenfunktiontestprinzipien (modifiziert nach [2], Bild: Autorin/Verlag; Grafikbestandteile: smart.servier.com). ADP: Adenosindiphosphat; GP: Glykoprotein; vWF: von-Willebrand-Faktor

Tab. 1 gibt eine detaillierte Zusammenfassung über die verschiedenen Thrombozytenfunktionstests, klassifiziert nach den methodischen Prinzipien.

Tab. 1: Übersicht verschiedener Methoden der Thrombozytenfunktionsdiagnostik (modifiziert nach [3], [4] und [5]). ASS: Azetylsalizylsäure; GP: Glykoprotein; PRP: plättchenreiches Plasma; AUC: area under the curve; POCT: Point-of-Care-Test; BAPA: Benzylsulfonyl-D-Arg-Pro-4-amidinobenzylamid, synthetischer Thrombin- und Faktor Xa-Inhibitor; Hct: Hämatokrit; Tc: Thrombozytenzahl; vWF: von-Willebrand-Faktor; DOAC: direkte orale Antikoagulanzien, VKA: Vitamin K-Antagonisten; VASP-Assay: Vasodilator-stimuliertes Phosphoprotein-Phosphorylierungs-Assay.

Test Testprinzip Material Scher-stress Messwert Vorteile Limitationen Klinische  Anwendung
Tests zur Messung der Thrombozytenaggregation
Lichttransmissions-Aggregometrie (LTA) Thrombozyten­aggregation induziert durch Agonisten PRP niedrig Streuungs­abnahme in % (max. % Aggregation), Beurteilung der Aggregationskurve: Latenzphase,  Desaggregation, AUC Goldstandard PRP-Präparation, manuelle LTA, zeitintensiv, erfordert spezielles Personal Erkennung von angeborenen und erworbenen Thrombozytendefekten, Monitoring von Aggregationshemmern: ASS, P2Y12-Antagonisten, GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
Impedanz­aggregometrie Thrombozyten­aggregation induziert durch Agonisten Zitrat VB niedrig Fläche unter der Aggregationskurve  (AUC) Vollblut-Assay, POC große Menge an Probenmaterial, zeitintensiv, fehleranfälliges Reagenzienhandling, hohe Materialkosten Erkennung von angeborenen und erworbenen Thrombozytendefekten, Monitoring von Aggregationshemmern: ASS, P2Y12-Antagonisten, GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
Lumiaggregometrie Thrombozyten­aggregation kombiniert mit Bestimmung der ATP-Freisetzung Zitrat VB, PRP niedrig Thrombozytenzählung Vollblut-Assay halbquantitativ Erkennung von angeborenen und erworbenen Thrombozytendefekten, Sekretionsstörungen, Storage-Pool-disease
Tests basierend auf der Thrombozytenadhesion unter Scherstress
Thrombozyten­funktionsanalyzer Aperturverschluss Zitrat VB hoch Verschlusszeit (s) Vollblut-Assay,  geringe Menge an Probenmaterial,  POC vWF-, Hct-, und Tc-abhängig, mäßige Präzision v. a. bei hohen CT-Werten Erkennung von angeborenen und erworbenen Thrombozytendefekten, Überwachung von Thrombozytenaggregationshemmern: ASS, P2Y12-Antagonisten, GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
Mikrofluidische Systeme Mikrochip-basiertes Durchflusskammer­system BAPA, ZitratVB hoch   Vollblut-Assay,  Echtzeit Thrombus­bildung HD und AR Chip research use only Globaltests für Primärhämostase/Aggregationshemmer (PL Chip). bzw. allgemeine Hämostase und Medikamente wie Aggregationshemmer, DOACs, VKAs (AR und HD Chip)
Thrombozytenfunktionstests kombiniert mit viskoelastischem Test
Thromboelastographie/Rotationsthrombelastometrie Messung der Gerinnselbildung Zitrat VB niedrig Geschwindigkeit und Qualität der Gerinnselbildung Vollblut-Assay, POC relativ unempfindlich auf Aggregationshemmer, fehlende Sensitivität für vWF, messen nur globale Thrombozytenfunktion im Rahmen der Fibrinbildung Management akuter Blutungen bei Operationen, Vorhersage chirurgischer Blutungen, Management den Einsatz von Blutprodukten, Thrombozytenmodule können zum Monitoring  von Aggregationshemmern verwendet werden
Durchflusszytometrische Analyse
Durchfluss­zytometrie Messung von thrombozytären GP und Aktivations­markern, VASP-Assay Zitrat VB, PRP keine Immun­fluoreszenz Vollblut-Test,  geringe Menge an Probenmaterial spezialisiertes Personal, kostspielig, zeitintensiv Erkennung von thrombozytären Glykoproteindefekten, Messung von Aktivierungsmarkern und Mikropartikeln mit kalibrierten Beads, Monitoring der P2Y12-Rezeptoraktivität
Messung von Thromboxanmetaboliten
Immunoassays Messung von TxA2-Metaboliten (und Beta-TG, PF4, lösliches P-Selectin) Serum, Urin, Zitratplasma keine Immunoassay abhängig von  Cox-1-Aktivität anfällig für Artefakte Überwachung der ASS-Therapie, Erkennung von Thromboxan-Synthesestörungen

Im Folgenden werden einige ausgewählte Methoden der Thrombozytenfunktionsdiagnostik dargestellt.

Präanalytik

Die Präanalytik ist essenziell bei der Thrombozytenfunktionsdiagnostik. Die Bedingungen der präanalytischen Phase wie die Vorbereitung der Patient:innen (z. B. zirkadiane Rhythmen, körperliche Aktivität, Medikamenteneinnahme etc.), Blutentnahme, Lagerung und Transportbedingungen bestimmen eingehend die Qualität der Messergebnisse. Die Blutabnahme sollte möglichst am Morgen erfolgen und die zu untersuchende Person sollte ausgeruht sein. Entsprechend den internationalen Empfehlungen sollten folgende präanalytische Punkte beachtet werden [6]: Für die meisten Thrombozytenfunktionsuntersuchungen wird venöses Zitrat-Blut mit einem genauen Mischungsverhältnis von einem Teil Zitrat (109 mM Na-Zitrat) zu neun Teilen Blut verwendet. Die Vene sollte bei Blutabnahme möglichst kurz und mit geringem Druck gestaut werden, da längeres und starkes Stauen zur Freisetzung von Fibrinolyse- oder von-Willebrand-Faktor aus dem Gefäßendothel führen kann. Zur Blutabnahme sollten Kanülen mit großen Nadel­durchmessern (21 Gauche) verwendet werden. Die Röhrchen müssen sofort nach Blutabnahme zwei- bis dreimal vorsichtig geschwenkt werden, um eine ausreichende Mischung zu gewährleisten. Die Blutprobe muss möglichst rasch in ein Gerinnungslabor gebracht werden, da die Analyse aufgrund der Labilität der Thrombozyten innerhalb von vier Stunden nach Blutabnahme erfolgen muss. Dabei müssen Transport und Lagerung bei Raumtemperatur erfolgen. Für den Transport sollte – aufgrund der dadurch bedingten Voraktivierung der Thrombozyten – keine Rohrpost verwendet werden. Kritisch sind auch Sortiergeräte für Probenröhrchen, die in Großlabors eingesetzt werden.

Screeningmethoden der Thrombozytenfunktion

Anamnese

Die Anamnese stellt die wichtigste und sensitivste Screeningmethode zur Erfassung einer primären Hämostasestörung dar. Die detaillierte Eigen- und Familienanamnese sowie eine klinische Untersuchung sind vor der Durchführung einer Thrombozytenfunktionsdiagnostik unerlässlich. Das Alter bei der Erstmanifes­tation der Blutungsneigung sowie Lokalisation, Art und Zeitpunkt der Blutung ermöglichen oft schon eine Verdachtsdiagnose. Standardisierte Fragebögen wie der ISTH-Bleeding-Score und das Pictoral Blood Assessment Chart (PBAC) bei Personen mit Menorrhagie unterstützen beim Erheben einer strukturierten Anamnese [7].
Bei den erworbenen Thrombozytenfunktionsstörungen findet man häufig eine unauffällige Familien- und weiter zurückliegende Eigenanamnese, da ca. 85 % der erworbenen Thrombozytopathien durch Pharmaka verursacht werden. Neben den typischen Aggregationshemmern wie Azetylsalizylsäure, Thienopyridine oder GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten können auch andere häufig eingesetzte Medikamente insbesondere Antibiotika, nichtsteroidale Entzündungshemmer, Psychopharmaka oder Zytostatika eine thrombozytenbedingte Blutungsneigung verursachen. Krankheitsbilder, die zur Thrombozytopathie sowie klinisch relevanten Blutungen führen können, sind myeloproliferative Erkrankungen, Leberzirrhose, kardiopulmonale Bypässe, Urämie sowie Hämodialyse.
Koscielny et al. konnten in einer prospektiven Studie mit 5.649 Patient:innen zeigen, dass eine Blutungsanamnese geeignet ist, Personen mit einer hämorrhagischen Diathese zu identifizieren [8].

Thrombozytenzahl

Eine Thrombozytopenie sollte vor der komplexen und kostenintensiven Analyse der Thrombozytenfunktion ausgeschlossen werden. Differenzialdiagnostisch ist insbesondere eine EDTA-induzierte Pseudothrombozytopenie, bei der es sich um ein Laborphänomen ohne Krankheitswert handelt, auszuschließen.
Plättchenfunktionsanalyzer
Als Screeningmethode der primären Hämostase wird häufig der Plättchenfunktionsanalyzer angewendet. Bei dem kartuschenbasierter Assay wird Vollblut durch eine Membranöffnung mit 150 μm Durchmesser und mit hohen Scherkräften gesaugt. Die Membranen sind hier mit Kollagen und ADP (CADP-Messzelle) oder Kollagen und Epinephrin (CEPI-Messzelle) beschichtet. Die Messzellen simulieren die In-vivo-Situation eines verletzten Blutgefäßes, wodurch Thrombozytenadhäsion und -aggregation erfasst werden können. Als Maß der Thrombozytenfunktion dient die Zeitdauer bis zum Verschluss der Membranöffnung durch den wachsenden Thrombozytenpfropf (maximale Messzeit: 300 Sekunden).
Der Plättchenfunktionsanalyzer ist geeignet, um eine schwere oder mittelschwere Thrombozytopathie wie das Bernard-Soulier-Syndrom und die Glanzmann-Thrombasthenie sowie die meisten Formen des von-Willebrand-Syndroms auszuschließen. Der Test ist jedoch nur mäßig empfindlich gegenüber milderen Thrombozytopathien wie Storage-Pool-Erkrankungen (α-/δ-Granuladefekte) [9]. Ferner ist die CEPI-Messzelle sehr sensitiv auf ASS oder ASS-haltige Medikamente. Die beiden Kartuschen sind aber weitgehend unempfindlich gegenüber P2Y12-Rezeptor-Inhibitoren, sodass eine dritte P2Y-Kartusche zum Nachweis dieser Medikamentenklasse eingeführt wurde [10].

Weiterführende Diagnostik

Thrombozytenaggregation

Die Standardmethode der Thrombozytenfunktionsdiagnostik ist die Messung der Thrombozytenaggregation. Hierbei kommen verschiedene Testsysteme zum Einsatz, die diverse Thrombozytenaktivatoren verwenden. Nach wie vor gilt die Lichttransmissionsaggregometrie (LTA) als „Goldstandard“, auch induzierte Thrombozytenaggregation nach Born genannt, im plättchenreichem Plasma (PRP). Bei dieser optischen Methode wird die Veränderung der Lichttransmission nach Zugabe eines Thrombozytenaktivators zur Probe photometrisch gemessen. Nach Zusatz des Thrombozytenaktivators zum PRP bilden sich Thrombozytenaggregate wodurch eine messbare Zunahme der Lichttransmission erfolgt [11]. Die LTA erlaubt durch die dynamische Erfassung der gesamten Aggregationsphase nach Induktion mit verschiedenen Agonisten eine globale Beurteilung der Thrombozytenfunktion. Die am häufigsten verwendeten Agonisten sind hier Adenosindiphosphat (ADP), Kollagen, Ristocetin, Thrombin, Adrenalin, Thrombinrezeptor-aktivierendes Peptid (TRAP) und/oder Arachidonsäure. Nichtdestotrotz handelt es sich hierbei um eine unphysiologische Methode, da die Thrombozyten isoliert im Plasma vorliegen. So können Interaktionen der Thrombozyten mit Leukozyten, Erythrozyten sowie Mikropartikeln nicht in die Ergebnisse miteinfließen. Ferner erfolgt die Messung unter niedrigen Scherkräften im Gegensatz zu den physiologischen „high-shear stress“ Bedingungen in atherosklerotischen Arterien.
Durch die internationalen Empfehlungen der ISTH sollte diese zeitaufwendige und arbeitsintensive Methode besser standardisiert und die Routinetauglichkeit durch Etablierung vollautomatisierter Analysegeräte verbessert werden [12].
Die neueren Testmethoden wie die Impedanz- und Lumiaggregometrie sind POCT-tauglich und spiegeln im Vollblut-Millieu besser die In-vivo-Situation wider. Sie werden aber durch Veränderungen der Thrombozytenzahlen und des Hämatokrits stark beeinflusst.
Das Prinzip der Impedanzaggregometrie beruht auf der Messung des elektrischen Widerstandes zwischen Elektroden, die in Vollblut eingebracht werden. Nach Aktivierung der Thrombozyten durch Zugabe von diversen Agonisten (z. B. ADP, Kollagen, TRAP und Ristocetin) kommt es zu einer Akkumulation der Thrombozytenaggregate an den Elektroden und somit zu einem Anstieg des Widerstandes, der kontinuierlich aufgezeichnet wird. Die Widerstandveränderung wird in willkürlichen „Aggregation Unit“ (AU) quantifiziert und die Ergebnisse als die Fläche unter der Aggregationskurve (Aggregationseinheiten pro Minute) angegeben. Bei der Entwicklung wurde vor allem auf die Detektion einer Non-Response oder einer Restwirkung von Thrombozytenaggregationshemmer-Therapie fokussiert. Nichtdestotrotz eignet sich die Impedanzaggregometrie auch zur Erfassung des Vorliegens einer ausgeprägten Beeinträchtigung der Thrombozytenfunktion [13].
Die Lumiaggregometrie ermöglicht die gleichzeitige Messung der Thrombozytenaggregation und der Freisetzung von Adenosintriphosphat (ATP) aus der dichten Thrombozytengranula mittels einer Lumineszenztechnik [14]. Der Assay basiert auf der Umwandlung von freigesetzten ADP in ATP, das mit dem Luciferin-Luciferase-Reagens reagiert. Dadurch entstandene Lumineszenz, die proportional zur ATP-Konzentration ist, wird vom Lumiaggregometer quantifiziert. Lumiaggregometrie kann Sekretionsdefekte der δ-Granula (Storage-Pool-Defekt) identifizieren.

Viskoelastische Methoden

Viskoelastische Methoden wie die Thromb­elastographie und Rotationsthromboelastometrie verwenden Vollblut zur Analyse der dynamischen Hämostaseveränderungen während der gesamten Gerinnselbildung. Das zugrunde liegende Messprinzip ist ein rotierendes System mit einem an einem Torsionsdraht aufgehängten Stift, der in ein Probengefäß (Cup) mit Vollblut eintaucht. Durch Zugabe von Aktivatoren wird die Probe im Cup zur Gerinnung gebracht. Bei der Rotationsthrombelastometrie wird im Gegensatz zur Thrombelastographie nicht der Cup, sondern der Stift bewegt. Bilden sich zwischen der Wand des Cups und dem Stift Fibrinfäden aus, so wird die Bewegung des Stifts entsprechend der Festigkeit des Gerinnsels gehemmt und als thrombelastometrische Kurve über die Zeit aufgezeichnet [15].
Der globale Test ermöglicht die verlässliche Erfassung einer Hyperfibrinolyse, eines Fibrinogenmangels, von Fibrinpolymerisationsstörungen, eines ausgeprägten Mangels an enzymatischen Gerinnungsfaktoren, von Heparineffekten, einer Thrombozytopenie sowie schwerer Thrombozytopathien. Seit Kurzem können in der Thrombelastographie Arachidonsäure und ADP als Agonisten zum Testen der Thrombozytenfunktion eingesetzt werden, allerdings fehlt dem Test die Sensitivität, um mittelschwere oder leichte Thrombozytenfunktionsstörungen zu entdecken. Eine neuere Entwicklung der Rotationsthrombelastometrie bietet mit einem Zusatzgerät, basierend auf der Impedanzaggregometrie, die Überwachung der Thrombozytenfunktion im Vollblut nach Zugabe von Arachidonsäure, ADP oder TRAP als Agonisten [16].
Aufgrund der fehlenden Sensitivität für von-Willebrand-Syndrom sowie der relativen Unempfindlichkeit gegenüber verschiedenen Aspekten der Thrombozytenfunktion können die viskoelastische Methoden jedoch nicht für die Abklärung einer primären Hämostasestörung empfohlen werden [17].

Durchflusszytometrische Thrombozytenanalyse

Die Durchflusszytometrie analysiert die thrombozytenspezifischen Antigene und Funktionen auf der Ebene einzelner Thrombozyten und bietet eine statistische Aussage über die Verteilung des jeweils untersuchten Parameters innerhalb der Thrombozytenpopulation. Heute gilt die Durchflusszytometrie als das Standardverfahren zum Nachweis eines hereditären Defekts thrombozytärer Adhesionsrezeptoren wie der Morbus Glanzmann (GPIIb/IIIa-Defekt), des Bernard-Soulier-Syndroms (GPIb/V/IX-Komplex-Defekt) oder zum Nachweis von α-Storage-Pool-Defekten („Gray Platelet Syndrome“) [18]. Gut etablierte Thrombozytenaktivierungsmarker sind die P-Selectin-Expression auf der Thrombozytenoberfläche (als Marker der α-Granulasekretion) sowie die Bindung von monoklonalen PAC-1-Antikörpern zur aktivationsabhängigen Fibrinogen-Bindungsstelle, des GPIIb/IIIa-Rezeptors und die Annexin-V-Färbung von anionischen Phospholipiden an der Oberfläche aktivierter Thrombozyten [19].
Auch für die Differenzierung zwischen Thrombozytenbildungsstörung und verbrauchsbedingter Thrombozytopenie bietet die Durchflusszytometrie eine etablierte Methode durch die Bestimmung unreifer Plättchen (retikulierte Thrombozyten) [20]. Der durchflusszytometrische VASP(Vasodilator-stimulierendes Phosphoprotein)-Assay, als Marker für die P2Y12-Rezeptoraktivierungs-abhängige Signalübertragung, erfasst sehr spezifisch das Ansprechen auf Clopidogrel oder andere P2Y12-Antagonisten [21].
Die größten Vorteile der Durchflusszytometrie liegen darin, dass die Messung unabhängig von der Thrombozytenzahl ist und nur geringe Probenvolumina (ca. 5 µl Vollblut pro Test) benötigt werden. Somit besteht die Möglichkeit zur Funktionsanalyse bei ausgeprägter Thrombozytopenie oder bei pädia­trischen Patient:innen. Zu den Nachteilen der Durchflusszytometrie zählen die erschwerte Standardisierung, ein hoher Kostenfaktor sowie die Notwendigkeit von speziell geschultem Personal. Aus diesen Gründen ist die Durchführung der Durchflusszytometrie Speziallaboratorien vorbehalten.

Fazit

Die aktuell verfügbaren Messmethoden untersuchen verschiedene Phasen der Thrombozytenaktivierung – Adhäsion, Formänderung, Granulafreisetzung und Aggregation – und weisen daher unterschiedliche Vorteile und Limitationen auf. Entsprechend nationalen und internationalen Empfehlungen sollte daher die Abklärung von Thrombozytenfunktionsstörungen als Stufendiagnostik erfolgen (Abb. 2) [22, 23].

 

Abb. 2: Diagnostische Strategie bei V. a. primäre Hämostasestörung (modifiziert nach [5], [22] und [23]). MPV: mittleres Plättchen-Volumen; Plt-Histogramm: Thrombozyten-Volumenverteilungskurve; IPF (Immature Platelet Fraction): unreife Thrombozyten.

Thrombozytenfunktionstests wie LTA (in der manuellen Version) und Durchflusszytometrie sind arbeitsintensiv und anspruchsvoll sowohl bei der technischen Durchführung als auch der Interpretation der Ergebnisse, ermöglichen aber eine weiterführende diagnostische Abklärung.  Durch die neue Automatisierung wird die LTA wohl ein routinetaugliches Verfahren werden, das aber zur Interpretation etwas Erfahrung bedarf. Neuere POCT-taugliche Entwicklungen wie die Vollblutaggregometrie und die viskoelastischen Methoden sind einfach und schnell durchzuführen und dienen als sinnvolle Ergänzung zu den etablierten Methoden. Ihre Leistungsfähigkeit ist jedoch für gezielte Thrombozytenfunktionsstörungen weiterhin begrenzt und ihre Bedeutung liegt vorrangig in Überwachung der Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern. Standarisierungen dieser Tests sind dennoch weiterhin nötig und die klinische Bedeutung eines solchen Monitorings bleibt unklar.
Neue Entwicklungen und Standardisierungen für LTA, insbesondere die Automatisierung und Etablierung auf 96-Well-Platten, sowie innovative mikrofluidische Testsysteme erscheinen vielversprechend für die Thrombozytenfunktionsdiagnostik. Besonders aussichtsvoll ist ein Mikrochip-basiertes Durchflusskammersystem zur Bewertung der Thrombogenität durch quantitative Analyse der Thrombusbildung [24].

Autor
Dr. dr. med. Zsuzsanna Wolf
Leitende Ärztin Zentrallabor
Krankenhaus Barmherzige Brüder München
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