Hämophilie A und B sind X-chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen. Aufgrund dieses Erbgangs werden in der Regel nur Männer klinisch auffällig. Frauen haben als Überträger (Carrier, „Konduktorin“) der Genmutation zwar eine verminderte Faktor-VIII- bzw. Faktor-IX-Aktivität, bleiben im Alltagsleben jedoch meist asymptomatisch. Bei den betroffenen männlichen Patienten kommt es zu einem Mangel oder einer verminderten Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII (Hämophilie A) bzw. IX (Hämophilie B). Der Schweregrad der Erkrankung wird durch die laboranalytisch bestimmte Restaktivität der Faktoren definiert. Hiermit korreliert auch das klinische Bild, das sich in Form von Hämatomen, Blutungen, Langzeitfolgen etc. äußert. Bei einer residualen Aktivität des Gerinnungsfaktors von 5–40 % spricht man von einer milden Form, bei Restaktivitäten von 1–5 % von einer mittelschweren und bei weniger als 1 % der Norm von einer schweren Form der Hämophilie [1]. Ca. 80–85 % der Betroffenen haben eine Hämophilie A, wobei ungefähr die Hälfte davon eine schwere Verlaufsform hat. In Deutschland waren 2020 ca. 4.600 Patient:innen mit einer Hämophilie unterschiedlicher Schweregrade in Behandlung.
Konventionelle Therapie
Die Standardtherapie der Hämophilie besteht in der intravenösen Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors. Die Therapie, die mehrfach pro Woche bei Kindern und Erwachsenen durchgeführt wird, hat sich weitgehend von einer bedarfsbezogenen (on demand) zu einer prophylaktischen Form der Behandlung (Dauertherapie) gewandelt. Die Frequenz hängt von diversen Aspekten ab, insbesondere von der Halbwertszeit der Faktorenkonzentrate (t ½), die im Mittel bei einem Substitut des Faktors VIII bei 12 h liegt, bei Faktor IX bei ca. 18 h (standard half-life, SHL). Mittlerweile gibt es diverse Medikamente, die diese Halbwertszeit auf 18 h (Faktor VIII) bzw. 100 h (Faktor IX) verlängern (extended half-life, EHL [2]). Ziel der Therapie mit Gerinnungsfaktorenkonzentraten ist die Wahrung eines Talspiegels (trough level) von mindestens 3–5 % Restaktivität (Abb. 1).