Viel Innovation und ein hohes Maß an Integration

Nukleinsäuretestung

Die Auswahl an Systemen und Assays für das molekulare Testen war noch nie so groß wie zur Zeit. Die Corona-Pandemie treibt die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Systeme voran und fördert Neuentwicklungen. Erwartungsgemäß gibt es immer mehr integrierte Systeme, dank derer man mit einem geringen manuellen Zeitaufwand zum Ergebnis kommt. Zu den integrierten Systemen zählen auch die POC-Systeme, die patientennah ohne Laborpersonal bedient werden können. Wie Prof. Luppa und Dr. Susanne Weber in ihrem Fachartikel bereits eindrucksvoll dargestellt haben, profitiert von dieser Entwicklung nicht nur die Diagnostik von SARS-CoV-2, sondern natürlich auch die Diagnostik anderer Krankheitserreger oder die Detektion von humangenetischen Polymorphismen (vgl. Tabelle Assay-Portfolio) sowie Onkogenen. Leider muss man beim Kauf eines NAT-Systems auch die Frage nach den Lieferzeiten für System und Verbrauchsmaterialien in die Planungen mit einbeziehen. Lieferprobleme, wie wir sie seit Beginn der Pandemie als Verbraucher im privaten Bereich erlebt haben und wohl auch immer wieder erleben werden, können sich im Laborsektor noch wesentlich dramatischer auswirken.

Innovative Technologien

Die Verwendung von Magnetic beads ist seit einigen Jahren die Methode der Wahl zur Nukleinsäure-Aufreinigung. Das scheint auch jetzt noch der Fall zu sein, doch besonders bei den POC-Geräten werden weitere Verfahren wie Ultraschall oder eine chemische Lyse für den Zellaufschluss und eine membran-gebundene Aufreinigung verwendet.
Realtime-PCR-Verfahren sind schon längst nicht mehr innovativ, sondern zuverlässiger Standard für die gezielte Detektion von charakteristischen Nukleinsäuresequenzen, beispielsweise eines Infektionserregers, in einer Patientenprobe. Eine Fluoreszenz, die während der PCR-Zyklen bei der Entstehung der PCR-Produkte freigesetzt wird, zeigt an, dass eine gesuchte Nukleinsäuresequenz tatsächlich in der Probe vorhanden ist. Weitere aufwendige Schritte zur Detektion entfallen. Alle der hier vorgestellten Geräte können mehrere Gene gleichzeitig detektieren.  Dieses Multiplexing erfordert allerdings stabile Primer und unterschiedliche Fluoreszenzsonden, die sich so deutlich unterscheiden, dass sie getrennt voneinander detektiert werden können. Aber auch das ist bereits zuverlässig umgesetzt.
Das Primerdesign ist allerdings eine Herausforderung. Die Schmelztemperatur kurzer Primer ist schnell zu niedrig, als dass ein stabiles Annealing stattfinden kann, und auch die Fehlerrate ist zu hoch. Daher wurden minor groove binder (MGB) genannte Sonden entwickelt, die chemisch modifizierte Basen enthalten, die sich aufgrund ihrer dreidimensionalen Struktur räumlich in die kleine Furche des Nukleotidstrangs einfügen können. Dadurch können auch aus nur wenigen Nukleotiden bestehende Sonden stabil mit der Ziel-DNA hybridisieren.
Dieser Effekt kann durch sogenannte Pleiades-Sonden noch weiter verstärkt werden. Diese enthalten zusätzlich zur MGB-Sonde auch noch molecular beacons, bei denen die eigentliche Sondensequenz von zwei zueinander homologen Regionen flankiert wird. Solange der Primer keine Zielsequenz gefunden hat, entsteht eine Haarnadelstruktur, die die beiden Fluoreszenzfarbstoffe in räumliche Nachbarschaft bringt. Durch Quenching wird die Fluoreszenz gelöscht. Sobald es allerdings zu einer Hybridisierung mit der Zielsequenz kommt, wird die Haarnadelstruktur aufgelöst und der Farbstoff kann fluoreszieren.
Ein Hersteller von zwei integrierten Systemen setzt die MGB- und Pleiades-Sonden für seine Nachweisverfahren ein. Man darf aber nie vergessen, dass durch Mutationen innerhalb der gesuchten Zielsequenzen falsch-negative Ergebnisse entstehen können. Das bedeutet, dass gelegentlich die Mutationsrate der Krankheitserreger überprüft werden sollte.

Syndromisches Testen

Die innovativen Technologien, die das Multiplexing immer leichter ermöglichen, sorgen dafür, dass der Trend zum syndromischen Testen nach wie vor ungebrochen ist. Kein Hersteller setzt ausschließlich auf Einzeltests. Nahezu jeder Anbieter hat Assay-Panels zum Screening auf Infektionserreger mit einem ähnlichen Symptom- und Krankheitsspektrum im Angebot. Ein klassisches Beispiel sind die respiratorischen Erreger, die jetzt in der Herbst-Winter-Saison besonders aktiv sind. Ein Multiplex-Panel der gängigsten Erreger kann beispielsweise Co-Infektionen aufdecken. Ähnliches gilt für viele andere Erregerpanels.

Kontrollen

Welche Kontrollen eingesetzt werden, ist zum Teil vom Probenmaterial abhängig. Das gilt beispielsweise für Abstriche aus dem Hals-Nasen-Rachen-Bereich. Hier muss sichergestellt werden, dass ausreichend humanes Material am Tupfer haften geblieben ist, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. Zwei Hersteller stellen das durch eine einfache Überprüfung auf ein beim Menschen ubiquitär vorhandenes Gensegment sicher. Ein Hersteller spricht von einer Adäquanzkontrolle, der zweite setzt humanes Betaglobin für seinen HPV-Test ein.
Interne Kontrollen werden in der Regel bereits zur Nukleinsäureaufreinigung zugesetzt, um sicherzustellen, dass ausreichend Nukleinsäuren den Schritt der Amplifikation erreichen. Diese Rili-BÄK-konforme interne Prozesskontrolle setzen alle Hersteller ein, genau wie die Inhibitionskontrolle, die im Probenmaterial vorhandene Inhibitoren der PCR aufdecken soll.

Schutz vor Kontamination

Verschiedene Maßnahmen wie gestopfte Pipettenspitzen oder UV-Licht bieten Schutz vor Kontamination. Am besten werden Verunreinigungen natürlich verhindert, wenn die Reaktion in einer geschlossenen Kartusche oder Kassette abläuft, die bereits alle Reagenzien in der passenden Konzentration enthält. Diese sind darüber hinaus oft gefriergetrocknet und lassen sich dadurch bei Zimmertemperatur lagern.
Das gilt auch für Reagenzien, die versiegelt und portioniert für den Einsatz vorbereitet sind. Durch solche Maßnahmen wird die Kontaminationsgefahr ebenfalls minimiert.
Von der Rili-BÄK werden außerdem externe Kontrollen von einem unabhängigen Anbieter empfohlen. Zwei Anbieter von Qualitätskontrollmaterialien stellen ihre Produkte für die Molekularbiologie, aber auch für Immunoassays und die klinische Chemie im Umfeld dieser Produktübersicht vor. Das sind zum einen replikationsunfähige, nicht infektiöse Kontrollreagenzien zur Überprüfung von Assays zum Nachweis von Krankheitserregern, zum anderen ein Gesamtkonzept zum erleichterten Umgang mit Kontrollmaterialien, das barcodierte Kontrollmaterialien einsetzt, um den Aufwand für das Laborpersonal möglichst gering zu halten.

Integrierte Systeme für den Hochdurchsatz

Die integrierten Systeme für den Hochdurchsatz in dieser Tabelle sind integriert im Hinblick auf den Workflow, bestehend aus der Nukleinsäureaufreinigung aus der Primärprobe, der Nukleinsäureamplifikation und der anschließenden Detektion. Bei entsprechender LIS-Anbindung werden die Messwerte direkt an das LIS gesendet und dort zur technischen und medizinischen Validation aufbereitet. Ein LIS-Anbieter stellt in diesem Umfeld seine Software vor, die auch den Arbeitsablauf in der Molekulardiagnostik umfassend unterstützt. Die genannten Arbeitsschritte von der Nukleinsäure-Aufreinigung bis zur Amplifikation und Detektion laufen ab, ohne dass nach dem Starten der Reaktion ein manueller Eingriff von außen erforderlich ist.
Einer der Hersteller in dieser Tabelle stellt einen Sonderfall seines NAT-Systems für das 2019 neu eingeführte HPV-Screening aus Flüssigkeits-basierten Zytologieproben (LBC= liquid based cytology) vor. Vor das integrierte Nukleinsäure-Testing (NAT) wird ein weiteres Modul für die Aufbereitung der LBC-Proben vorgeschaltet. Auch dieser Arbeitsschritt ist vollständig automatisiert. Entsprechend ihres Einsatzgebietes bietet der Hersteller für diese Gerätekonfiguration auch nur einen Test an, nämlich den qualitativen HPV-Test.
Prinzipiell unterscheiden sich die integrierten Systeme in der Art der Probenverarbeitung. Batch-Systeme werden mit einer Probenserie bestückt, die komplett abgearbeitet wird, bevor die nächste Serie initiiert werden kann. Je nach System kann bereits nach der Nukleinsäure-Aufreinigung die nächste Serie gestartet werden (vgl. Rubrik Präanalytik/Analytik, Bearbeitungsmodus). Ein sehr handlicher Batch-Analyzer, der auf eine Nukleinsäureaufreinigung verzichten kann, misst bis zu acht verschiedene Proben gleichzeitig.
Ein System, das bisher für seinen modularen Arbeitsablauf bekannt war, hat alle am Workflow beteiligten Arbeitsschritte jetzt zu einem integrierten Workflow in einer geschlossenen Kabine zusammengefasst. Dazu wurden die beiden Bauteile (Geräte) für Nukleinsäureextraktion und Amplifikation/Detektion um Roboterarme für den Transport von Platten und Proben, um eine Versiegelungseinheit für die Platten und um die erforderlichen IT-Lösungen ergänzt. Zusätzlich verfügt dieses System über ein umfangreiches Portfolio an Multiplex-Assays, bei denen in einem Reaktionsansatz bis zu acht Targets detektiert werden können.
Einen echten wahlfreien Zugriff, eine wahlfreie Bestückung des Analysengeräts mit Primärproben (random access), geben drei Hersteller für ihre insgesamt sechs Geräte an. Auch bezüglich der Assays, die parallel gemessen werden können, gibt es keine Einschränkung. Die Assays, die zur Verfügung stehen – und das sind nicht wenige – können uneingeschränkt parallel durchgeführt werden.

Modulare Systeme

Die modularen Systeme benötigen zwischen der Nukleinsäuren-Aufreinigung und dem Assay-Setup, der Amplifikation und der Detektion der Nukleinsäuren einen manuellen Zwischenschritt. Das muss kein Nachteil sein, wenn sowohl die Nukleinsäureaufreinigung und die Amplifikation/Detektion schnell und mit hohem Durchsatz ablaufen, wie das bei den drei modularen Komplettsystemen der Fall ist. Mit entsprechend ausgestatteten Liquid Handlern lassen sich außerdem Arbeitsschritte so weit automatisieren, dass verglichen mit dem hohen Probendurchsatz der Zeitaufwand für die manuellen Schritte gering ist (s. modulare Tabelle). Ein Hersteller hat sich einen Trick zunutze gemacht, um nach eigener Aussage die Effizienz der PCR zu verbessern: Im Vorfeld der Nukleinsäureaufreinigung werden alle Cytosin-Basen in Uracil umgewandelt. Während der späteren Amplifikation wird Uracil dann in Thymin übersetzt. Diese 3-Basen-Technologie sorgt für weniger Fehlpaarungen mit den Primern. Außerdem weisen die Ergebnisse eine geringere Kreuzreaktivität mit Virussubtypen auf.
Ausschließlich die PCR läuft in zwei Systemen eines Herstellers ab. Ähnliche Geräte desselben Herstellers kommen in einem modularen System zum Einsatz. In dem inte­grierten System eines Herstellers ist ein solcher PCR-Cycler sogar fest verbaut, was für die Qualität des Thermocyclers spricht.
Ein weiteres modulares System ist für die Nukleinsäure-Amplifikation konzipiert. Bis zu 48 Proben können in einem Lauf verarbeitet werden. Auch für die Probenvorbereitung (SP) werden vorgefüllte Kartuschen eingesetzt, die einerseits einen Schutz vor Kontaminationen darstellen und andererseits dafür sorgen, dass Reagenz möglichst sparsam verwendet wird.

POC-Systeme

Sie benötigen ein System, mit dem eine geringe Probenzahl on-demand und vor allem schnell, mit wenig Aufwand ausgeführt werden kann? Dann ist ein Point-of-Care-System vermutlich genau das Richtige. Wie Peter Luppa und Susanne Weber bereits im Fachartikel geschrieben haben, ist die Corona-Pandemie genau der Innovationstreiber, der die Entwicklung der integrierten NAT-Systeme und vor allem der POC-Systeme forciert.
Ein Hersteller, der schon seit vielen Jahren mit seinen Systemen auf dem Markt vertreten ist, stellt drei Geräte einer Baureihe für verschiedene Probendurchsätze vor. Diese Geräte sind nicht auf Laborpersonal angewiesen und können daher tatsächlich patientennah außerhalb des Labors eingesetzt werden. Darüber hinaus lassen sie sich relativ einfach an wechselndes Probenaufkommen anpassen. Die Zelllyse wird durch Ultraschall herbeigeführt, im Anschluss läuft eine klassische Real-time Polymerasekettenreaktion (PCR) ab. Das System ist multiplex-fähig; sechs oder zehn Farbkanäle messen die über die Zeit freigesetzte Fluoreszenz. Durch den Einsatz von Standards kann die Reaktion quantitativ ausgewertet werden.
Vier Geräte arbeiten alle mit Einmalkartuschen bzw. -kassetten. Die Anzahl der Targets, die gleichzeitig nachgewiesen werden, beziehen sich hier auf die Kassette oder Kartusche. Die Systeme sind hauptsächlich für das syndromische Testen ausgelegt, obwohl natürlich auch Einzelnachweise geführt werden können. In allen Geräten läuft eine Real-time PCR ab, ein Anbieter setzt für einige Analyte auf eine Endpunkt-PCR mit anschließender Array-Hybridisierung. Zum Teil können mehrere Module mit dem Hauptmodul verbunden werden, sodass mehrere Einzelkartuschen gleichzeitig gemessen werden können.

Prof. Dr. Udo Reischl
Institut für Medizinische
Mikrobiologie und Hygiene
Universitätsklinikum Regensburg

Dr. Gabriele Egert
Mitglied der Redaktion

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