Produktübersicht Hämostaseologie: Thrombozytenfunktion auf dem Prüfstand

Die Diagnose und genaue Differenzierung von erblichen oder erworbenen Thrombozytenfunktionsstörungen stehen bei den hier vorgestellten Testsystemen im Vordergrund. Zu nennen wäre die Abklärung von erhöhter Blutungsneigung bzw. von Thromboseereignissen – beispielsweise bedingt durch das von-Willebrand-Syndrom, durch Thrombozytendefekte oder durch Medikamente wie Aggregationshemmer, Schmerzmittel und Antidepressiva.

LTA aus plättchenreichem Plasma

Zwei Aggregometer (hier unten und rechts) überprüfen die Thrombozytenfunktion auf Basis der Lichttransmission (LTA). Die Gewinnung, der Transport und die Aufbereitung von Blutproben zur Messung ist fehleranfällig und einige der Methoden erfordern speziell geschultes, erfahrenes Personal. Das Aggregometer unten auf der Seite verfügt über ein hohes Maß an Automation. Dadurch werden viele Fehlerquellen eliminiert und der Umgang mit Gerät und Methode stark vereinfacht. Die gesamte Messung verläuft ab der Bestückung des Geräts unter standardisierten Bedingungen in speziellen Küvettenriegeln mit einer sensitiven LED-Optik. Nach der positiven Proben- und Reagenzidentifikation sowie dem Cap-Piercing wird das Plättchen-reiche Plasma automatisiert in ein anderes Röhrchen überführt, wo es durch Schwenken homogenisiert und nach einer kontrollierten Ruhezeit durch die Zugabe des Reagenzes entsprechend den Vorgaben der ISTH die Messung gestartet wird. Zu den Reagenzien zählen verschiedene Induktoren wie beispielsweise ADP, die gebrauchsfertig und mit hoher Stabilität eingesetzt werden. 
Ebenfalls nach dem Prinzip der Lichttransmissions-Aggregometrie funktioniert ein anderes System, allerdings mit Infrarot-Licht. Störungen durch Hämolyse, Ikterus oder Lipämie haben dadurch kaum noch Einfluss auf die Messergebnisse. Auch hier werden verschiedene CE-IVD-zertifizierte Agonisten eingesetzt, um die Hämostase auszulösen; die Bedienung erfolgt manuell.

Durchflusszelle für Messungen aus Vollblut

Einen Ansatz, bei dem aus Vollblut gewonnene Thrombozyten in einer Durchflusskammer verschiedenen Scherstressbedingungen ausgesetzt werden, verfolgt ein japanischer Hersteller. Bei einem neu entwickelten Gerät werden die Thrombozyten der Blutprobe Bedingungen ausgesetzt, die dem Scherstress in kleinen bzw. größeren Arterien oder auf der Oberfläche des arteriellen Endothels nachempfunden sind. Diese unterschiedlichen Bedingungen werden in den drei verschiedenen Chips erzeugt, die aus mit Kollagen alleine oder aus zusätzlich mit Gewebe-Thromboplastin (Tissue Factor) beschichteten Mikrokapillaren von definierter Geometrie bestehen. Die Chips im Messgerät werden mit Vollblut versehen, das mit definiertem Druck durch die Kapillaren gepumpt wird. Das Kollagen bzw. Kollagen plus Gewebe-Thromboplas­tin setzt nach Zugabe eines Induktors die Hämostase in Gang. Dadurch kommt es zu veränderten Druckverhältnissen in der Durchflusskammer, die dann mittels Drucksensor ausgewertet und interpretiert werden.
Der Kollagen-beschichtete Chip, der kleine Arterien simuliert, identifiziert Störungen der Primärhämostase, wohingegen die beiden anderen Chips auch die Interaktion von Thrombozyten mit der Thrombin-/Fibrinbildung und -stabilisierung erkennen. Das System eignet sich – je nach Chip – als Globaltest zum Nachweis von erworbenen oder erblichen Thrombozytopathien sowie für die Überwachung einer Medikation mit Aggregationshemmern und/oder Antikoagulanzien, Vasopressin (DDAVP) oder Faktorkonzentraten. Einer der Chips kann auch bei pathologisch niedrigen Thrombozytenzahlen eingesetzt werden. Der Probenbedarf pro Messung beträgt nur ca. 350 µl. Die Ergebnisse korrelieren oft gut mit einer klinischen Blutungsneigung. 

Dr. Gabriele Egert
Mitglied der Redaktion