Hirntumordiagnostik: Neue Entwicklungen und Zukunftsperspektiven

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2022.01.09

Die neuropathologische Diagnostik von Hirntumoren hat in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung erfahren. Während vor wenigen Jahren Hirntumordiagnosen noch rein histologisch und immunhistochemisch gestellt wurden, ergab sich bereits mit der 2016er-WHO-Klassifikation ein Paradigmenwechsel hin zum erstmaligen Einbezug von molekularer Information in die Tumorklassifikation. Dieser Trend hat sich in der aktuellen 2021er-WHO-Klassifikation weiter verstärkt und zum Neuzuschnitt zahlreicher bekannter Tumorentitäten geführt. Die zusätzliche Einführung ganz neuer Tumorentitäten ist nicht zuletzt auf die Technik der DNA-Methylierungsarrays und die Entwicklung des Heidelberger Hirntumor-Classifiers zurückzuführen. Zusätzlich werden die Tumorklassifikationen immer komplexer. So sind insbesondere bei den pädiatrischen Hirntumoren Tumorsubtypen definiert, die sich nicht mehr allein mit molekularen Einzelassays, sondern nur noch unter Einsatz von Methylierungsarrays oder von Next Generation Sequencing (NGS) voneinander abgrenzen lassen. Zwischen diesen Tumorsubtypen bestehen teils gravierende prognostische Unterschiede, sodass der klinische Wert des erhöhten diagnostischen Aufwandes nicht von der Hand zu weisen ist. Auch zur Therapieprädiktion steigt die Bedeutung der molekular-neuropathologischen Diagnostik. Die qualitätskontrollierte Durchführung von wissenschaftlich begleiteten Molekularen Neuroonkologischen Tumorboards stellt hier einen vielversprechenden Ansatzpunkt zur Schaffung innovativer Therapiepfade dar.

Schlüsselwörter: Gliom, Genfusionen, Methylierungsarray, NGS, Therapieprädiktion

Die 2021er-WHO-Klassifikation der ZNS-Tumoren

Eine zentrale Neuerung der aktuellen 2021er-WHO-Klassifikation [1] ist die Anerkennung der Tatsache, dass adulten und pädiatrischen Tumoren vielfach eine sehr unterschiedliche Biologie zugrunde liegt und dass diese besser unterschieden werden sollte. Bei den Gliomen werden deshalb die diffusen Gliome vom adulten Typ von den diffusen niedriggradigen und hochgradigen Gliomen vom pädiatrischen Typ abgegrenzt. Während die erste Gruppe eine Simplifizierung erfährt, wird die zweite Gruppe sehr deutlich ausgeweitet. Bei den adulten diffusen Gliomen wird es fortan sehr einfach: Es werden das Astrozytom, IDH-mutiert, das Oligodendrogliom, IDH-mutiert und 1p/19q-kodeletiert sowie das Glioblastom, IDH-Wildtyp unterschieden. Innerhalb der Gruppe der IDH-mutierten Astrozytome existieren die WHO-Grade 2, 3 und 4, innerhalb der Gruppe der Oligodendrogliome die WHO-Grade 2 und 3; das Glioblastom fällt ausschließlich in den WHO-Grad 4. Die Tatsache, dass nun eine Entität (oder ein Tumortyp, wie es nach der neuen Klassifikation heißt) mehrere verschiedene WHO-Grade annehmen kann, ist eine Neuerung im Hirntumorfeld und stellt eine Annäherung an andere Organsys­teme dar. Deshalb werden die WHO-Grade in der neuen Hirntumorklassifikation auch nicht mehr mit römischen, sondern mit arabischen Ziffern bezeichnet. Um den nach wie vor gegebenen Besonderheiten des Organsystems ZNS Rechnung zu tragen, ist nun von ZNS-WHO-Graden die Rede [1].

Unter den IDH-mutierten Tumoren wird es also künftig ein Astrozytom, IDH-mutiert (ZNS-WHO-Grad 4) geben. Dies ist der Tumor, der früher als sekundäres Glioblastom bezeichnet wurde. Die stärkere nomenklatorische Abgrenzung zum Glioblastom ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Molekularpathologie beider Läsionen folgerichtig. In der Unterscheidung zwischen Grad-2- und Grad-3-Astrozytomen erreicht auch die neue WHO-Klassifikation wenig Trennschärfe und kann damit ein Problem der Vorgängerklassifikationen nicht beseitigen. Verbesserungen ergeben sich jedoch in der Abgrenzung von Grad-4-Tumoren, besonders in den Fällen, in denen keine mikrovaskulären Proliferate oder Nekrosen vorliegen. Hier hat sich der Nachweis der homozygoten CDKN2A/B-Deletion als ein sehr ungünstiger prognostischer Faktor erwiesen, der eine Einstufung in den ZNS-WHO-Grad 4 begründet. Tumoren mit zwar erhöhter Mitoserate, aber ohne CDKN2A/B-Deletion werden in den ZNS-WHO-Grad 3 eingestuft. Bei den Oligodendrogliomen ergeben sich bis auf die bereits dargestellten nomenklatorischen Anpassungen keine Veränderungen [2, 3].

Unter den adulten diffusen Gliomen mit IDH-Wildtyp-Status ist das Glio-blastom (ZNS-WHO-Grad 4) der letzte verbliebene Vertreter. Bereits in der vorigen Neuauflage der WHO-Klassifikation war angelegt, dass das diffuse Astrozytom und das anaplastische Astroyztom, IDH-Wildtyp, als Auslaufmodelle zu betrachten seien [4]. Das diagnostische Problem in diesem Kontext ergibt sich oftmals aus der Diskrepanz zwischen einer eher niedriggradigen – oder zumindest nicht Glioblastom-tauglichen – Histo­logie und dem fehlenden Nachweis einer IDH-Mutation. In solchen Fällen werden nun zusätzliche molekulare Parameter herangezogen, um auch in Abwesenheit von histologischen Veränderungen, z. B. Nekrosen oder glomeruloiden Gefäßproliferaten bzw. thrombosierten Gefäßen, die Einordnung als Glioblastom vornehmen zu können. Eine Reihe von Publikationen hat gezeigt, dass der Nachweis einer TERT-Promotor-Mutation und/oder einer EGFR-Gen-amplifikation und/oder eines kombinierten Gewinns von Chromosom 7 und Verlustes von Chromosom 10 (+7/-10) ausreichend ist, um die Einordnung in den WHO-Grad 4 vornehmen zu können [5, 6]. Die Diagnosekriterien für das ­Glioblastom werden also um zusätzliche molekulare Parameter erweitert.

Die komplette Darstellung der Neuerungen im Bereich der pädiatrischen Tumoren würde den Rahmen dieses kurzen Artikels sprengen. Wie bereits erwähnt, nimmt gerade hier die neue WHO-Klassifikation eine deutlich größere Ausdifferenzierung vor. Wichtige neue Subtypen bei den diffusen niedriggradigen Gliomen vom pädiatrischen Typ stellen das MYB- oder MYBL1-alterierte diffuse Astrozytom, der PLNTY (Polymorphous low-grade neuroepithelial tumor of the young) und das MAPK-Signalweg-alterierte diffuse niedriggradige Gliom dar [7]. Bei den hochgradigen diffusen pädiatrischen Gliomen kommen (zum bereits in der WHO-Klassifikation 2016 enthaltenen H3 K27-alterierten diffusen Mittelliniengliom) das H3 G34-mutierte diffuse hemisphärische Gliom, das diffuse pädiatrische hochgradige Gliom, H3- und IDH-Wildtyp sowie das infantile hemisphärische Gliom hinzu. Letzteres zeichnet sich durch das Auftreten von NTRK-, ALK-, ROS- bzw. MET-Fusionen aus [8, 9]. Überhaupt kommt dem Nachweis der verschiedensten Genfusionen fortan gerade im Bereich der pädiatrischen Neuroonkologie ein hoher Stellenwert zu.

Die Ansprüche an die technischen Voraussetzungen der neuropathologischen Diagnostik steigen auch mit der zunehmend komplexeren Subklassifikation der Medulloblastome (bereits 2016 eingeführt) und Ependymome (neu in 2021) [10, 11]. Hier reicht die Bestimmung von Einzelgenveränderungen teils nicht mehr aus, um eine definitive Einordnung vornehmen zu können. Bei den Medulloblastomen sind Veränderungen des SHH(sonic hedgehog)- bzw. WNT-­Signalweges diagnostisch relevant, bei den Ependymomen spielen neben ZFTA- (ehemals C11orf95-), YAP1-Fusionen und MYCN-Amplifikationen zwei unterschiedliche Subtypen von Tumoren der hinteren Schädelgruppe (PF) mit balancierten Genomen (PFA) bzw. chromosomaler Instabilität (PFB) eine Rolle.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass komplexe Untersuchungsmethoden für die neuropathologische Diagnostik erforderlich sind und dass Methylierungs­arrays und Next-Generation-Sequencing- Techniken Einzug in die neuropathologische Routinediagnostik halten werden. Im Folgenden soll deshalb auf den konkreten Anwendungsbezug dieser Methoden etwas näher eingegangen werden. 

Methylierungsarrays

Die DNA-Methylierung ist ein wichtiger Prozess bei der Entwicklung von Organismen und der Regulierung der Genexpression. Eine Assoziation mit Veränderungen im DNA-Methylierungsmuster konnte für verschiedene Erkrankungen festgestellt werden, unter anderem auch für Gehirntumoren. Bei der DNA-Methylierung handelt es sich um die Übertragung einer Methylgruppe an ein Cytosin, die hauptsächlich im Kontext von CpG-Dinukleotiden auftritt. Angehäufte CpG-Dinukleotide, die sog. CpG-Inseln, sind vor allem in Promotorregionen zu finden, wobei deren Aktivität durch die Methylierung beeinflusst wird. Für die Pathogenese von Erkrankungen spielt v. a. die Hypermethylierung von Tumorsuppressorgenen eine große Rolle, die zur Repression dieser Gene führt [12]. Diese epigenetischen Veränderungen sind sehr stabil und werden an die Tochterzellen weitergegeben, sodass die Bestimmung des DNA-Methylierungsprofils zur Klassifikation und genaueren Unterteilung von Tumortypen herangezogen werden kann [13, 14]. Vor allem Tumoren mit ungewöhnlichen, nicht-spezifischen Morphologien oder sehr kleine Biopsieproben profitieren von der Analyse des Methylierungsprofils [1].

Die parallele Analyse von mehreren Tausend Veränderungen, die sog. Mikro-array-Technologie, wurde seit ihrer Entstehung in den 1990er-Jahren stetig optimiert. Der erste humane Methylierungsarray mit 27.000 Sonden (Illumina Infinium 27K) wurde 2009 eingeführt und 2011 vom erweiterten Infinium 450K Bead-Chip abgelöst [15]. Vier Jahre später erschien der größere Infinium-HumanMethylationEPIC-Array mit 850.000 Sonden, welcher heutzutage hauptsächlich in der Diagnostik angewendet wird. Diese Plattform arbeitet mit der Bisulfitkonvertierung, bei der unmethylierte Cytosine in ein Uracil konvertiert werden, während methylierte Cytosine unverändert bleiben. Der Array detektiert diese chemisch unterschiedlichen Regionen mithilfe von Sonden, spezifisch für den methylierten bzw. unmethylierten Lokus. Durch den Einbau eines einzelnen markierten Nu­kleotids am Ende der komplementären Bindung zwischen Sonde und zu analysierender DNA kann die Allelspezifität (methyliert bzw. unmethyliert) bestimmt werden. Nach Messung der Signalintensitäten können durch die Bestimmung eines Beta-Wertes Informationen über die Allel-Ratio an diesem Lokus erhalten werden.

So erstellte Methylierungsprofile sind sehr robust sowie reproduzierbar und können mithilfe eines etablierten „Classifiers“ (brain tumour methylation classifier, DKFZ und Universität Heidelberg) zur Einteilung von Gehirntumoren beitragen [16]. Der Hirntumor-Classifier vergleicht das zu analysierende Methylierungsprofil mit einer Referenzkohorte von aktuell 82 verschiedenen ZNS-Tu-morentitäten, die sich aus über 2.800 neuropathologischen Tumorproben zusammensetzt [17]. Der Classifier liefert als Resultat eine Liste mit den vorhergesagten Zugehörigkeits-Wahrscheinlichkeiten für jede der 91 Methylierungsklassen  (82 ZNS-Tumorentitäten und 9 Nicht-Tumorentitäten). Dieser sog. „kalibrierte Score“ ergibt über alle Klassen einen Wert von 1, wobei eine valide Klassifikation nur oberhalb eines Schwellenwertes von ≥ 0,9 für eine der Tumorklassen erfolgen kann. Ergebnisse mit einem Score von unter 0,5 sind nicht auswertbar, wohingegen Werte im Bereich zwischen 0,5 und 0,9 mit Vorsicht und nur unter Berücksichtigung des Tumorzellgehalts bewertet werden können.

Zusätzlich erlaubt der DNA-Methylierungsarray die Bestimmung des MGMT-Promotor-Methylierungsstatus sowie die Analyse von Veränderungen der DNA-Kopienzahl; d. h. Deletionen und Amplifikationen können über das gesamte Genom hinweg nachgewiesen werden [13, 14]. Charakteristische Kopienzahlprofile ausgewählter Tumortypen sind in Abb. 2 zu sehen.

Next Generation Sequencing

Neben dem Methylierungs-Array gewinnt auch die NGS-Technologie in der molekularen neuropathologischen Routinediagnostik immer mehr an Bedeutung. Im Rahmen der NGS-basierten Tumordiagnostik kommen vor allem sogenannte „targeted“ Gen-Panels zum Einsatz. Bei dieser Methode werden Tumor-relevante Zielgene und genomische Zielregionen selektiv über Sonden angereichert und anschließend parallel sequenziert. Dank der großen Sequen­zier­tiefe erhält man mit dieser NGS-Methode hohe Abdeckungen der Zielsequenzen und daraus resultierend sehr gute Spezifitäten und Sensitivitäten. Die Möglichkeit, mehrere Tumorproben gleichzeitig zu sequenzieren, steigert den Durchsatz zusätzlich und sorgt für Kosteneffizienz.

Andere NGS-Techniken wie die Whole-Genome- oder die Whole-Exome-Sequenzierung haben (zumindest momentan) noch keinen Einzug in die Routinediagnostik gehalten. Die Gründe hierfür liegen in den im Vergleich zu Gen-Panel-Sequenzierungen deutlich größeren auszuwertenden Datenmengen sowie den höheren Kosten [18, 19].

Bei der Gen-Panel-Sequenzierung dienen entweder DNA oder RNA als Ausgangsmaterial, die in der Regel aus Formalin-fixiertem Paraffin-eingebettetem (FFPE) Tumorgewebe isoliert werden. Mithilfe von DNA-Panel-Sequenzie-rungen ist es möglich, die im Hirntumorkontext relevanten Gene gleichzeitig auf Punktmutationen (sogenannte SNPs) zu untersuchen und in einem Assay z. B. Schlüsselgene für Gliome und Medulloblastome wie IDH, TERT, EGFR, TP53, NF1, ATRX, BRAF, CTNNB1, SMO, SUFU und PTCH1 zu kombinieren. Pa­rallel erlaubt die DNA-Panel-Sequenzierung den Nachweis von diagnostisch und prognostisch relevanten komplexeren genetischen Veränderungen. Diese umfassen kleinere Insertionen und Deletionen (InDels), Heterozygotieverluste (LOHs) sowie Kopienzahlveränderungen einzelner Gene, ganzer Chromosomen bzw. Chromosomenbereiche. Neuropathologisch relevante Beispiele hierfür sind die 1p/19q-Kodeletion, die Amplifikation von Chromosom 7 bei gleichzeitiger Deletion von Chromosom 10, die EGFR-Genamplifikation oder die homozygote CDKN2A/B-Deletion. Für die korrekte Bestimmung von Kopienzahlveränderungen ist es erforderlich, zusätzlich zur Tumor- auch die Blut-DNA derselben Person zu sequenzieren [19, 20].

RNA-Panel-Sequenzierungen dienen dem Nachweis onkogener Splice-Varianten und Genfusionen. Diese Klasse von somatischen Mutationen resultiert aus chromosomalen Rearrangements, in deren Folge chimäre, konstitutiv aktive Kinase-Proteine bzw. Transkriptions-faktoren exprimiert werden, die wiederum als starke onkogene Treiber gelten. Entscheidende Vorteile der RNA-Panel-Sequenzierung gegenüber dem Einzel-Nachweis mittels RT-PCR sind, dass (a) selbst kleine Tumorresektate bzw. -biopsien auf das Vorhandensein aller relevanten Genfusionen gescreent werden können und dass (b) auch seltene Fusionsereignisse sowie (c) bislang unbekannte Fusionsereignisse detektiert werden können [21].

Während für die Diagnostik von Tumorentitäten mit hohen Inzidenzen, beispielsweise Lungenkarzinomen, kommerzielle Gen-Panels zur Verfügung stehen, erweisen sich in der Neuropathologie bis dato „Custom“-Panels, also individuell designte Gen-Panels, als „state of the art“-Anwendung. So konnte gezeigt werden, dass gut durchdachte „Custom“-DNA-Panels dank der Abdeckung aller bekannten diagnostischen Biomarker geeignete Werkzeuge für die präzise Klassifikation von ZNS-Tumoren darstellen [19, 20].

Neben der Etablierung des Gen-Panels ist allerdings auch eine bioinformatische Pipeline zur Auswertung der generierten Sequenzierdaten erforderlich. Der Aufwand erscheint lohnend vor dem Hintergrund, dass kommerziellen Panels mitunter essenzielle diagnostische und prognostische Marker für spezifisch neuropathologische Fragestellungen fehlen. So sind z. B. die wichtigen Zielgene RELA, ZFTA, MYB, MYBL1, MN1 und TTHY1 in kommerziellen RNA-Panels meist nicht oder nur teilweise abgedeckt. Doch gerade bei der Klassifizierung pädiatrischer Hirntumoren gewinnt der Nachweis spezifischer intra- und interchromosomaler Genfusionen stetig an Bedeutung. Tab. 1 gibt einen Überblick über ausgewählte diagnostisch, prognostisch und therapeutisch relevante Genfusionen, wobei ein besonderes Augenmerk auf die in der 2021er-WHO definierten Neuerungen gerichtet ist.

Aus der Zusammenschau geht hervor, dass Genfusionen, die den MAPK-Signalweg aktivieren (z. B. BRAF-, RAF1-Fusionen oder FGFR1-Alterationen), charakteristisch für niedriggradige, zumeist pädiatrische Gliome sind. Gleiches trifft auf MYB- und MYBL1-Fusionen zu. Gliome (sowohl vom pädiatrischen als auch vom adulten Typ) mit intrinsischer NTRK-, ALK-, ROS1-, MET- oder EGFR-Fusion zeigen hingegen ein aggressives Tumorwachstum und sind dementsprechend mit hochgradigen Tumor-Typen assoziiert. Zudem stellen manche Genfusionen, beispielsweise NTRK-Fusio­nen, einen Angriffspunkt für zielgerichtete Therapieverfahren dar und besitzen demnach einen prädiktiven Wert. Für NTRK-Fusions-positive Tumoren stehen die TRK-Inhibitoren Larotrectinib und Entrectinib zur Verfügung, die für die Therapie von soliden Tumoren mit Nachweis dieser Fusion zugelassen wurden [22].

Wie am Beispiel der NTRK-Fusionen beschrieben, dienen spezifische, prädiktive Mutationen als Angriffspunkte für zielgerichtete Therapieansätze. Außerdem ist der Nachweis solcher Mutationen mitunter obligat für die Teilnahme an klinischen Studien. Während sich Methylierungsarrays als herausragendes Werkzeug für die Klassifizierung und Subklassifizierung von Hirntumoren herauskristallisiert haben, besteht das Alleinstellungsmerkmal der NGS-Technologie darin, dass mit ihrer Hilfe Hirntumoren gezielt auf das Vorhandensein prädiktiver Veränderungen gescreent werden können. Zu diesem Zweck existieren umfangreiche, kommerzielle Gen-Panels, z. B. der TruSight Oncology 500 Assay von Illumina. Solche Panels decken zum Teil mehr als 500 Gene ab und erlauben zudem die Bestimmung der Tumor Mutational Burden (TMB) sowie einer möglichen Mikrosatelliteninstabilität (MSI-Status) des analysierten Tumors.

Die klinische Annotation der gefundenen molekularen Veränderungen erfolgt in Molekularen Tumorboards, in denen interdisziplinär Therapieempfehlungen für Patient:innen mit fortgeschrittenem Tumorleiden auch nach Ausschöpfung der leitliniengerechten Therapieverfahren erarbeitet werden. Der klinische Nutzen solch innovativer molekularer Diagnose- und Therapieansätze muss sicher erst noch genauer eruiert werden. Erste retrospektive Studien kommen jedoch zu überwiegend positiven Ergebnissen.

Eine wichtige Aufgabe für die Zukunft ist die Durchführung prospektiver Studien zum klinischen Nutzen Molekularer Tumorboards [23]. Im Hirntumorfeld sind die vollumfängliche Durchführung der prädiktiven Diagnostik unter neuropathologischer Expertise und die Einbindung in zertifizierte Neuroonkologische Zentren hierfür unabdingbare Erfolgsgaranten.

Ausblick

Die neuropathologische Diagnostik hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark weiterentwickelt. Der Bestimmung von molekularen Veränderungen kommt ein immer größerer Stellenwert zu. Molekulare Einzelassays sind hierbei weiterhin von Bedeutung. Die Anforderungen gehen aber deutlich über die bloße Bestimmung der MGMT-Methylierung, der IDH-Mutation und des kombinierten 1p/19q-Allelverlustes hinaus. Komplexere Methoden wie Methylierungsarray- und NGS-Analysen [1, 20] sind für die WHO-konforme Einordnung bestimmter Entitäten bereits heute obligat. Dies setzt eine Aufrüstung der technisch-methodischen Infrastruktur in der Breite der neuro­pathologischen Einrichtungen voraus.

Einen wichtigen Aspekt stellt bei der Vielzahl der zu bestimmenden Veränderungen eine qualitätsgesicherte (molekulare) neuropathologische Diagnostik dar. Hierzu gehören die Aufrechterhaltung eines geeigneten Qualitätsmanagement-systems (z. B. nach DIN EN ISO/IEC 17020) sowie die regelmäßige Teilnahme an Ringversuchen [24]. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass Methylierungsarray-Analysen akkreditierungstechnisch gegenwärtig als wissenschaftliche Methode gelten und noch nicht nach DIN EN ISO/IEC 17020 akkreditierbar sind. Hier gilt es, Standards zu entwickeln, die eine Instituts-übergreifende Qualitätskon­trolle ermöglichen. Durch die Professionalisierung der Ringversuche in der Qualitätssicherungs-Initiative Pathologie QuIP GmbH steht in der Pathologie/Neuropathologie eine geeignete Infrastruktur bereit, um Qualitätsanforderungen zu definieren und entsprechend zu überprüfen.

Schließlich sei aus aktuellem Anlass auch noch auf die Anforderungen der EU-Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) verwiesen, die seit dem 26.05.2017 in Kraft ist und ab dem 26.05.2022 angewendet werden muss. Neueste Vorschläge der EU-Kommission lassen hier auf eine gewisse zeitliche Entspannung hoffen, da einige Regeln in den kommenden Jahren erst schrittweise eingeführt werden sollen (z. B. Artikel 5.5d erst ab Mai 2028). Mit Bezug auf die Neuropathologie ergibt sich insbesondere die Frage, inwieweit die hochspezialisierten Anforderungen überhaupt durch verfügbare CE-zertifizierte Produkte abgebildet werden können. Ein Richtlinien-konformer Einsatz von In-House-Verfahren wird hier sicherlich auch in Zukunft weiterhin sinnvoll und notwendig sein [25]

Dieser Beitrag wurde in Trillium Krebs­medizin 2021; 30(8) erstveröffentlicht.

Autoren
Dr. rer. nat. Katrin Mauch-Mücke
Dr. rer. nat. Sandra Pohl
Prof. Dr. med. Markus J. Riemenschneider
Abteilung für Neuropathologie
Universitätsklinikum Regensburg
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