Bei der Transfusionsentscheidung muss zwischen den Risiken einer schweren Anämie und der Verabreichung von Blutprodukten abgewogen werden. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass ein restriktiverer Transfusionsansatz für die meisten Patienten keine Nachteile bringt. Eine Ausnahme könnten Patienten mit akutem Koronarsyndrom oder ältere Patienten sein.
Schlüsselwörter: Anämie, Transfusionsentscheidung, Transfusionstrigger, Erythrozytenkonzentrate
Die Transfusion („Transplantation“) von Fremdblut ist eine Behandlungsmaßnahme, die im richtigen Moment und im richtigen Umfang Leben retten kann und daher ein nicht wegzudenkendes therapeutisches Mittel darstellt. Risiken, die anfänglich mit einer Transfusion behaftet waren, wurden durch die stetige Weiterentwicklung und prätransfusionelle Optimierung auf ein Minimum reduziert.
Ergebnisse retrospektiver Studien deuten aber auch darauf hin, dass die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten (EK) mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert sein könnte. Die bisher größte Observationsstudie erbrachte kürzlich – basierend auf einer Populationsanalyse mit mehr als 1,5 Millionen chirurgischen Patienten – beispielsweise die überraschende Erkenntnis, dass die Gabe eines einzigen EK auch nach Korrektur und Adjustierung für bekannte Risikovariablen mit einer Verdoppelung des Risikos für einen perioperativen Schlaganfall oder Herzinfarkt assoziiert war [1].
Auch klassische Transfusionsreaktionen und humane Faktoren wie etwa Verwechslung und inkompatible Transfusion führen dazu, dass sowohl Ärzte als auch Patienten dem Thema Bluttransfusion unterschiedlich kritisch gegenüberstehen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass trotz klarer Empfehlungen der Bundesärztekammer [2] in Deutschland unterschiedliche Transfusionsstrategien praktiziert werden. Der Ansatz einer rational begründeten individuellen Strategie findet dabei in den Krankenhäusern immer mehr Zuspruch.
Hauptprädiktor Anämie
Die Gründe für die Transfusion von allogenen Erythrozytenkonzentraten sind vielfältig: Dazu gehören zum einen risikoreiche Operationen mit massivem Blutverlust, Blutungsereignisse vor allem aus dem Gastrointestinaltrakt durch Ulcera oder Ösophagusvarizen, aber auch Systemerkrankungen (chronische und akute Leukämien) und Mangelernährung. Sie alle können eine Anämie zur Folge haben.
Laut WHO besteht eine Anämie bei einer Hämoglobinkonzentration unterhalb von 12 g/dl bei Frauen und 13 g/dl bei Männern. Gerade in der operativen Medizin und Intensivmedizin gehört die Anämie zu den am häufigsten gestellten Diagnosen. Eine schwere Anämie könnte zur Minderversorgung lebenswichtiger Organe führen, sodass akutes Nierenversagen, Mesenterialischämie, Myokardischämie oder ischämischer Schlaganfall die Folge sein könnten.
Transfusionsentscheidung
Ziel jeder Bluttransfusion ist die Sicherstellung der Sauerstoffversorgung aller Organe. Die Entscheidung beruht auf dem Abwägen zweier Risiken: Folgen einer schweren Anämie versus Risiken einer Transfusion. Maßnahmen, die einen rationalen Einsatz von Blutprodukten gewährleisten, umfassen die Einhaltung der Querschnittsleitlinien der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten sowie die Abfrage der Transfusionsindikation (sog. Transfusionstrigger) im Krankenhausinformationssystem (Abb. 1) [2].
Vor einer Transfusion sollte die Risikominimierung einer Anämie den Risiken einer Transfusion gegenübergestellt werden. Generell ist zu beachten, dass allogene Bluttransfusionen immer nur die „Ultima Ratio“ einer Anämie-Therapie darstellen und mit Nebenwirkungen assoziiert sein können. Deshalb darf die Entscheidungsfindung nicht allein vom Hb-Wert abhängig gemacht werden; weitere Faktoren wie die individuelle Anämietoleranz, der Zustand des Patienten sowie physiologische Transfusionstrigger müssen berücksichtigt werden. Analoge oder digitale Checklisten, auf denen die Indikationen für die EKs angegeben werden, können den behandelnden Arzt im Alltag bei der korrekten Entscheidung unterstützen (Abb. 1).
Im Folgenden werden aktuelle Studien für verschiedene Fachbereiche detailliert dargestellt.