Ionenmobilitätsspektrometrie als nützliches Tool für Mikrobiologie und Medizin

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2021.02.07

Die Ionenmobilitätsspektrometrie gekoppelt mit schneller gaschromatografischer Vortrennung könnte beispielsweise die Identifikation mikrobiologischer Erreger wesentlich beschleunigen. Eine Probennahme könnte in Zukunft nicht-invasiv über die Ausatemluft erfolgen. Für den Einsatz in der Praxis sind bereits mobile und benutzerfreundliche Geräte verfügbar.

Schlüsselwörter: GC-IMS, pathogene Keime, Metaboliten, Atemluftanalytik

Eine schnelle, nicht-invasive und kostengünstige Methode für die klinische Analytik wäre in vielerlei Hinsicht von großem Vorteil: Zum einen für die Patienten durch schnellere Diagnosen und frühzeitige Einleitung von Therapien – beispielsweise durch die schnelle Identifikation pathogener Keime – sowie dadurch verkürzte Krankenhausaufenthalte und bessere Genesungschancen und zum anderen auch für die Entlastung des Gesundheitssystems im Allgemeinen. Die Ionenmobilitätsspektrometrie gekoppelt mit schneller gaschromatografischer Vortrennung (GC-IMS) kann hierzu in vielen Bereichen beitragen.

Die Methode

Die Spurenbestandteile einer gasförmigen Probe werden im Ionenmobilitätsspektrometer (IMS) zunächst ionisiert, in einem elektrischen Feld beschleunigt und durch Stöße mit einem Gegenstrom sauberer Luft nach Form und Größe sortiert detektiert [1, 2]. So können die Bestandteile der Probe identifiziert und quantifiziert werden. Bei der in der Mikrobiologie und Medizin zu erwartenden Komplexität der Proben wird eine zusätzliche schnelle gaschromatografische (GC) Vortrennung nach Polarität der Moleküle eingesetzt, die mit der Retentionszeit eine zusätzliche Information zur Identifikation der einzelnen Substanzen liefert.
Eine solche Analyse liefert in wenigen Sekunden bis Minuten einen dreidimensionalen Datensatz der Signalintensität (als Maß für die Konzentration) gegen die Ionenmobilität und die Retentionszeit (Abb. 1).

Die Lage eines Signals in dieser Matrix erlaubt zudem die Identifikation der verursachenden Substanz. Aufgrund des einfachen experimentellen Aufbaus dieser Methode können hochauflösende und empfindliche Geräte auch in mobilen Varianten bereitgestellt werden.

Mikrobiologische Anwendungen

GC-IMS wurden bereits erfolgreich eingesetzt, um pathogene Keime frühzeitig in Kulturen zu identifizieren [3]. Dies gelang sowohl für Bakterien als auch für Pilze. Abb. 1 zeigt beispielhaft einen Ausschnitt der GC-IMS Analyse des Headspace der Kulturen von verschiedenen klinisch relevanten Keimen: drei Bakterien und ein Pilz. Mit dem einfachen Muster der vierfarbig markierten charakteristischen Metaboliten lassen sich alle drei Keime sowie der Pilz eindeutig identifizieren:

  • Schwarz detektiert: → Serratia marcescens
  • Rot detektiert: → Aspergillus fumigatus
  • Grün detektiert: → Klebsiella pneumoniae
  • Blau detektiert und Grün nicht: → Pseudomonas aeroginosa

Natürlich werden die Muster und Auswertealgorithmen mit einer steigenden Anzahl der zu identifizierenden pathogenen Keime komplexer, was jedoch mit modernen statistischen Auswertemethoden bis hin zum Einsatz Künstlicher Intelligenz bewältigt werden kann. In einer neueren Studie wurde außerdem gezeigt, dass zeitlich hochaufgelöste Wachstumskurven der Keime in Standard-Blutkulturflaschen aus der klinischen Routine verfolgt und die Keime so schon nach wenigen Stunden – tatsächlich noch vor dem Farbumschlag der Blutkulturflaschen – identifiziert werden konnten.
Die beschriebene Methode basiert allerdings bis hierhin immer noch auf einer invasiven Probenahme. Ziel ist es jedoch, über eine nicht-invasive, schnelle und selektive Analyse der Ausatemluft zu einer Identifikation der für eine Infektion verantwortlichen Keime zu kommen. Der quantitative Nachweis verschiedener Medikamente wie Anästhetika in der Ausatemluft wurde bereits erbracht [5] und auch das Potenzial zur Diagnose bestimmter Erkrankungen wie z. B. der Niereninsuffizienz [6] aus einer einfachen und schnellen Atemluftanalyse wurde schon erprobt.
In einem Sepsis-Tiermodell konnte inzwischen auch gezeigt werden, dass der Nachweis Erreger-spezifischer Metaboliten bei einer Lungenentzündung auch in der Ausatemluft möglich ist [7]. Folgestudien werden derzeit geplant und durchgeführt, um diese Ergebnisse auf die menschliche Ausatemluft zu übertragen.
Für die Anwendung im klinischen Bereich müssen die Geräte für GC-IMS aus dem Exhalat handlicher und bedienerfreundlicher sein als die ursprünglich sperrigen Forschungsgeräte. Durch Chip-basierte Inline-Anreicherungssysteme und µGC-Säulen zur Vortrennung [2] können Geräte im klinischen Bereich mobil genutzt werden. Die Anwender werden durch die Probennahme geführt und die Ergebnisse stark vereinfacht angezeigt. Auch Handgeräte sind bereits in Entwicklung.

Zusammenfassung

Nach der Implementierung einer Datenbank der Substanzmuster, die charakteristisch für bestimmte pathogene Keime oder Krankheitsbilder sind, kann die GC-IMS als mobile, schnelle, selektive und nicht-invasive Methode in der Klinik oder der Hausarztpraxis eingesetzt werden. Da keine Verbrauchsmaterialien anfallen – abgesehen von einem medizinischen Mundstück bei Atemluftanalysen – sind Kosten für eine einzelne Analyse im Bereich von ca. 2 € zu erwarten. Neben den hier genannten Studien zur Diagnose bestimmter Erkrankungen und zur Identifikation pathogener Keime fokussieren neuere Forschungen aus aktuellem Anlass vor allem auf die Detektion von Viren.   

Danksagung

Die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e. V., Dortmund, insbesondere mit Carolin Drees, Annika Fechner, Sebastian Brandt und Joachim Franzke, muss hier als Voraussetzung für die gezeigten Untersuchungen ebenso erwähnt werden wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Klinik für Anästhesiologie an der Universitätsmedizin Göttingen (Thorsten Perl, Nils Kunze-Szikszay, Maximilian Euler, Claudia Ottersbach), dem Lehrstuhl für Mikrobiologie und Laboratoriumsmedizin an der Universität Witten/Herdecke (Beniam Ghebremedhin), dem Marienhospital in Herne (Timm Westhoff) und dem Lehrgebiet Instrumentelle und analytische Sensortechnik an der Hochschule Hamm-Lippstadt (Stefanie Sielemann).
Finanziell gefördert wurden die Arbeiten zum Teil vom BMBF im Rahmen des KMU-innovativ Verbundprojektes „Frühe adäquate Sepsis-Therapie mittels Ionenmobilitätsspektrometrie-basierter Diagnostik“ (FAST-IMS, FKZ 13GW0191A-E), das in Kooperation mit der G.A.S. GmbH und dem ISAS e. V., beide Dortmund, der Universitätsmedizin Göttingen sowie dem Institut für Grundlagen der Elektrotechnik und Messtechnik, Leibniz Universität Hannover, durchgeführt wurde.