Valide und praktikable Früherkennungs- und Screeningverfahren zur Identifikation von Lungen- und Brustkarzinomen (Lungen- und Brust-CA) sind wichtige Eckpfeiler eines effektiven Krebsmanagements. Lungenkrebs ist nach wie vor die häufigste krebsassoziierte Todesursache und gehört mit dem Brustkrebs zu den häufigsten Krebsdiagnosen [1]. Für das Lungenkrebs-Screening existieren die Empfehlung für die Niedrigdosis-Computertomografie (CT) sowie vielversprechende Ansätze zu Gen- und Protein-basierten Verfahren. Allerdings liegt die Teilnahmerate an CT-Screening-Programmen selbst in den USA, wo dieses Verfahren bereits etabliert ist, nur bei etwa 10 % der Teilnahmeberechtigten [2]; Gen- und Protein-basierte Verfahren sind außerhalb der Studienanwendung kaum für die Routine verfügbar. Beim Brustkrebs konnte die Mortalität mithilfe von Mammografie-Screening-Programmen und verbesserten Behandlungsmöglichkeiten zwar deutlich gesenkt werden, jedoch mit dem Nachteil einer in Bezug auf die Mammografie zusätzlichen Strahlenbelastung, methodischen Unannehmlichkeiten wie der Quetschung der Brust und des Risikos einer Überdiagnose [3]. In beiden Fällen erfordern die derzeit etablierten Methoden zur Früherkennung eine invasive Bestätigungsdiagnostik (Biopsie) und sind darüber hinaus oft nicht in der Lage, sehr frühe Erkrankungsstadien zuverlässig zu detektieren. Aus diesen Gründen ist das Interesse an neuen spezifischen, nicht-invasiven Biomarkern zur Frühdiagnose des Lungen- und Brust-CA nach wie vor sehr hoch.
Einen solchen neuartigen Biomarker stellen die volatilen organischen Substanzen (VOCs) der Ausatemluft dar, also die volatile Fraktion endogener Metaboliten, die im Exhalat nachgewiesen werden können. Die Forschung an VOCs reicht bis in die 1970er bis 1990er-Jahre zurück, als die ersten VOCs nachgewiesen [4], einzelnen Krankheitsbildern zugeordnet [5, 6] und erstmalig zur Identifikation von Patienten mit Lungen-CA eingesetzt werden konnten [7].
Heute ist die frühe Diagnose von Lungen- und Brust-CA mittels Atemgasanalyse Gegenstand intensiver Forschung. Mit diesem Artikel möchten wir die prinzipielle Funktionsweise, die aktuelle Studienlage sowie eine mögliche Positionierung der Atemgasanalyse im Kontext existierender Diagnose- und Screeningverfahren erläutern und diskutieren.
Prinzip der Atemgasanalyse
Die normale Ausatemluft enthält neben N2, CO2, O2 und H2O über 3.000 VOCs in nano- bis picomolaren Konzentrationen [8]. Mehrheitlich stammen diese VOCs aus dem Blut und diffundieren in der Lunge über die Alveolarmembran in den Alveolarraum, von wo aus sie abgeatmet werden (Abb. 1). Da die VOCs der Ausatemluft die physiologischen und metabolischen Prozesse der Körperzellen, der Gewebe sowie des Mikrobioms widerspiegeln, manifestieren sich im Rahmen einer Erkrankung alle relevanten biologischen Prozesse wie oxidativer Stress oder Inflammation in den exhalierten VOCs. Hierzu zählen auch die möglichen zugrunde liegenden Veränderungen auf Genom-, Transkriptom- und Proteom-Ebene [9].
Vom ersten Tag an weisen Krebszellen veränderte metabolische Prozesse auf, die zu charakteristischen VOC-Profilen führen [10]. Zu nennen sind hierbei etwa die als Warburg-Effekt bekannte erhöhte glykolytische Aktivität [11], die verstärkte Produktion reaktiver Sauerstoffspezies mit den dadurch verursachten Zellschäden [12] sowie individuelle Veränderungen der Genexpression [13]. Auch das umgebende Mikromilieu eines Tumors wie etwa krebsassoziierte Fibroblasten antwortet auf die Anwesenheit kanzerogener Zellen mit biologischen Prozessen, die sich im VOC-Profil eines Patienten nachweisen lassen [14]. Darüber hinaus können durch veränderte enzymatische Prozesse (z. B. Cytochrom P450) auch aus den volatilen Stoffwechselprodukten selbst charakteristische VOCs gebildet werden. In der Summe resultiert hieraus eine erkrankungsspezifische VOC-Signatur, die eine exakte Differenzierung zwischen Gesunden und etwa Patienten mit Lungen-CA [15, 16] oder Brust-CA erlaubt [14].
Durch das Sammeln der Ausatemluft über einen längeren Zeitraum und eine entsprechende Konzentrierung können dabei auch die VOCs in äußerst geringen Konzentrationen nachgewiesen werden. Dies stellt einen zentralen Vorteil der VOC-Biomarker gegenüber anderen Biomarkern wie zirkulierenden Tumorzellen (oder Tumor-DNA) dar, die gerade in der Frühphase der Erkrankung in oftmals nicht nachweisbaren Mengen auftreten. Ein zusätzlicher Vorteil: Die Probengewinnung ist leicht und vor allem nicht-invasiv durchführbar und die Analyse ohne eine weitere Prozessierung der Proben in Echtzeit möglich (Abb. 1).