Therapie des rezidivierten Multiplen Myeloms
Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten des Multiplen Myeloms haben sich wesentlich weiterentwickelt, speziell in der ersten Therapielinie. Dennoch bleibt das Myelom eine Erkrankung, für die Rezidive typisch sind. Insbesondere Patienten in der refraktären Rezidivsituation haben eine schlechte Prognose. Mit dem Einsatz von Kombinationen aus Immunmodulator-, Proteasom-Inhibitor- oder Antikörper-basierten Therapien im ersten Rezidiv und CD38-Antikörper-haltigen und/oder Pomalidomid-haltigen Kombinationstherapien in nachfolgenden Rezidiven konnten die Therapieergebnisse verbessert werden. Für schwer vorbehandelte Patienten steht seit Kurzem auch ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat zur Verfügung. Andere zielgerichtete Substanzen, die neue Targets adressieren, sind derzeit in klinischer Prüfung. Ein weiterer Umbruch der Myelomtherapie ist zukünftig durch den Einsatz von CAR-T-Zellen und bispezifischen Antikörpern zu erwarten.
Schlüsselwörter: Multiples Myelom, Rezidiv, Immunmodulator, Proteasom-Inhibitor, monoklonale Antikörper, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, Lenalidomid, Pomalidomid, Bortezomib, Daratumumab, Carfilzomib, Ixazomib, Elotuzumab, Isatuximab, Panobinostat, Belantamab-Mafodotin
Die Standard-Erstlinientherapie des Multiplen Myeloms bei intensiv behandelbaren Patienten beinhaltet klassischerweise eine Proteasom-Inhibitor- und/oder eine Immunmodulator-basierte Induktionstherapie. Seit Kurzem besteht mit Daratumumab/Bortezomib/Thalidomid/Dexamethason auch eine Zulassung für eine Quadruplet-Induktionstherapie, die die Substanzklassen der Proteasom-Inhibitoren, Immunmodulatoren und monoklonalen Antikörper kombiniert [1]. Der Induktionstherapie folgen eine Hochdosis-Chemotherapie mit Melphalan und eine autologe Stammzelltransplantation. Eine Erhaltungstherapie erfolgt meist mit dem Immunmodulator Lenalidomid [2]. Bei Patienten mit Multiplem Myelom, die nicht für eine autologe Stammzelltransplantation infrage kommen, stehen in der Erstlinie verschiedene Kombinationstherapien zur Verfügung, die jeweils zwei der drei Hauptmedikamentenklassen – Proteasom-Inhibitoren, Immunmodulatoren und monoklonale Antikörper – beinhalten, mit exzellenten Ansprechraten.
Trotz der hohen Ansprechraten erleiden nahezu alle Patienten im Laufe der Erkrankung eine Progression [3]. Einzelne resistente Klone setzen sich durch und proliferieren. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) intensiv behandelter Patienten nach der Induktionstherapie beträgt etwa 53 Monate. Nach der ersten Rezidivtherapie fallen die Remissionsraten sowie das progressionsfreie Überleben deutlich geringer aus und Patienten erleiden im Laufe der Zeit meist weitere Rezidive [4] (Abb. 1).

Therapie des rezidivierten Myeloms
Im ersten Rezidiv werden aktuell Immunmodulator-, Proteasom-Inhibitor- oder Antikörper-basierte Therapien eingesetzt bzw. eine Kombination aus Substanzen dieser drei Medikamentenklassen. Für Patienten mit gutem Ansprechen auf eine autologe Transplantation in der Erstlinie kann zudem eine erneute autologe Transplantation im ersten Rezidiv nach erfolgter Reinduktionstherapie eine Behandlungsoption sein. Eine allogene Stammzelltransplantation kommt in der Regel nur für einen sehr kleinen Anteil der Hochrisikopatienten in Betracht und sollte im Rahmen klinischer Studien evaluiert werden. Bei nachfolgenden Rezidiven empfiehlt die ESMO(European Society for Medical Oncology)-Leitlinie den Einsatz einer CD38-Antikörper- und/oder Pomalidomid-haltigen Kombinationstherapie [5]. Neu zugelassen für schwer vorbehandelte Patienten mit mindestens vier Vortherapien ist zudem das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Belantamab Mafodotin. Die Erläuterung der Substanzen erfolgt im Verlauf. Neben den zugelassenen Behandlungs-optionen sollte stets die Option einer Studienteilnahme geprüft werden, um Patienten den Erhalt innovativer Therapiesubstanzen zu ermöglichen [6].
Auswahlkriterien bei der Rezidivtherapie
Bei der Auswahl der Rezidivtherapie spielen Patienten-Charakteristika und Krankheits-Charakteristika, aber auch die vorherige Therapie, das Ansprechen und die Verträglichkeit der Behandlung eine zentrale Rolle (Abb. 2).

Bei der Therapieentscheidung gilt es, das biologische Alter der Patienten, ihre Vorerkrankungen und ihren Karnofsky-Leistungsstatus zu beachten.
Bei der Therapieentscheidung sind auch Krankheitscharakteristika miteinzubeziehen: Eine extramedulläre Beteiligung, die Dynamik, die Zytogenetik und die Aggressivität des Rezidivs sowie die Klinik spielen hierbei eine zentrale Rolle. Die vorangegangene Therapie, die Verträglichkeit und Wirksamkeit der bisher eingesetzten Therapeutika sowie das PFS sollten in der Entscheidungsfindung ebenfalls schwer wiegen [7]. Insgesamt wird empfohlen, Dreifachtherapien gegenüber Zweifachtherapien zu bevorzugen, da sie wirksamer sind [5]. Allerdings können gebrechliche Patienten auch mit einer Zweifachkombination behandelt werden. Ein wichtiger Grundsatz ist generell die gemeinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient (Shared Decision Making).
Im Folgenden werden die wichtigsten eingesetzten Substanzgruppen kurz zusammengefasst, inklusive der Stammzelltransplantation. Insbesondere soll auf aktuell relevante Kombinationsbehandlungen eingegangen werden.
Stammzelltransplantation
In der Rezidivtherapie kann sowohl eine autologe als auch eine allogene Transplantation erfolgen. Die allogene Transplantation wird aktuell vor allem im Rahmen klinischer Studien bei biologisch jungen Patienten mit Hochrisikokonstellation (Hochrisiko-Zytogenetik, Frührezidiv nach autologer Transplantation in Erstlinie) eingesetzt, während die autologe Transplantation in der Rezidivtherapie weiterhin einen hohen Stellenwert hat [4]. Zunächst sollte eine Nutzen-Risiko-Analyse erfolgen. Hierbei sollten insbesondere der Allgemeinzustand, relevante Komorbiditäten, Organfunktionen, das Alter und der Patientenwunsch Beachtung finden. Als Voraussetzungen für die Wiederholung einer autologen Transplantation im Rezidiv empfiehlt die ESMO eine Remissionsdauer von mindestens 36 Monaten nach der ersten Transplantation unter Lenalidomid-Erhaltungstherapie [5]. Die Wahl der Reinduktionstherapie ist von der Remissionsdauer und vom initialen Ansprechen auf die vorangegangene Therapie sowie von den bereits eingesetzten Substanzen abhängig [3].
Immunmodulatoren
Der Substanzklasse der Immunmodulatoren (auch IMiDs) werden Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid zugeordnet. IMiDs wirken u. a. über eine Inhibierung einer Ubiquitin-Ligase, des sogenannten Cereblon-Komplexes. Daneben hemmen sie die VEGF-vermittelte Angiogenese und erhöhen die T-Zell-vermittelte Zytotoxizität [8, 9].
Die in den 1990er-Jahren zugelassene Substanz Thalidomid war das erste eingesetzte IMiD in der Myelomtherapie. Bekannt wurde Thalidomid im Rahmen des Contergan-Skandals durch seine Embryotoxizität. Weitere relevante Nebenwirkungen sind ein erhöhtes Thromboserisiko, Polyneuropathien, Hepatotoxizität, Blutbildveränderungen und eine starke Müdigkeit. Aufgrund seines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses im Vergleich zu den neueren Substanzen findet Thalidomid aktuell kaum noch Anwendung in der Rezidivtherapie [10].
Lenalidomid, der in Kombination mit Dexamethason erstmals 2007 in der Rezidivtherapie zugelassene Nachfolger von Thalidomid, zeigt ein günstigeres Nebenwirkungsprofil bei einer besseren Wirksamkeit [11, 12]. Lenalidomid ist eine sehr häufig eingesetzte Substanz in der Rezidivtherapie [13], insbesondere als Kombinationspartner in der Myelombehandlung. Es besteht eine Zulassung für die Kombination mit allen verfügbaren Proteasom-Inhibitoren (Bortezomib, Carfilzomib, Ixazomib) sowie mit zwei der drei zugelassenen monoklonalen Antikörper (Elotuzumab, Daratumumab).
Beim Einsatz von Lenalidomid in der Rezidivtherapie sollte folgendes beachtet werden:
- Auch Lenalidomid ist stark embryo-toxisch und deshalb in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert.
- Regelmäßige Blutbildkontrollen sind unabdingbar, da gehäuft Leukozyto-penien und Thrombozytopenien auftreten.
- Es besteht ein erhöhtes Thromboserisiko, sodass insbesondere in Kombination mit einem Glukokortikoid oder bei einer Dreierkombination eine prophylaktische Antikoagulation erfolgen sollte.
Auch Pomalidomid ist wie Lenalidomid eine Weiterentwicklung von Thalidomid und weist eine weitere Verbesserung der Wirkung und des Nebenwirkungsprofils auf. Pomalidomid erhielt im Jahr 2013 auf Basis der MM03 Phase-III-Studie (NIMBUS) in Kombination mit Dexamethason in der Rezidivtherapie die Zulassung ab der dritten Therapielinie. Es zeigte sich eine deutliche Verlängerung des PFS im Vergleich zu alleiniger Dexamethason-Therapie (4 vs. 1,9 Monate). Auch das mediane Gesamtüberleben (OS) war deutlich länger (8 vs. 13 Monate). Relevante Nebenwirkungen sind vor allem Blutbildveränderungen (hauptsächlich Neutrozytopenien, Anämie) und Infektionen. Bei Patienten mit Deletion 17p erwies sich die Therapie mit Pomalidomid und Dexamethason als besonders effektiv [14]. Wie bei allen IMiDs sind die Teratogenität und das assoziierte Thromboserisiko zu berücksichtigen.
2019 erhielt Pomalidomid auch die Zulassung in der Kombination mit dem Proteasom-Inhibitor Bortezomib und Dexamethason ab der zweiten Therapielinie. Das PFS konnte durch die Dreifachkombination aus Pomalidomid, Bortezomib und Dexamethason im Vergleich zur Zweifachkombination aus Bortezomib und Dexamethason in einer Phase-III-Studie (OPTIMISSM) gesteigert werden (11,2 vs. 7,1 Monate). Diese Kombination stellt insbesondere eine gute Therapie-option für Lenalidomid-refraktäre Patienten dar [15].
Weiterhin ist Pomalidomid in Kombination mit den Antikörpern Elotuzumab und Isatuximab, jeweils in Kombination mit Dexamethason, zugelassen (siehe unten).
Proteasom-Inhibitoren
Der Substanzklasse der Proteasom-Inhibitoren werden Bortezomib, Carfilzomib und Ixazomib zugeordnet. Sie wirken über eine Hemmung der 26S-Untereinheit des Proteasoms und verhindern somit den Abbau fehlgefalteter Proteine in der Zelle. Myelomzellen sind für diese Behandlung aufgrund ihrer hohen Proteinsyntheserate besonders anfällig. Der vermehrte Anfall von fehlgefalteten Proteinen hat die Einleitung der Apoptose zur Folge [16].
Bortezomib war der erste in der Myelomtherapie eingesetzte Proteasom-Inhibitor. Der reversible Proteasom-Inhibitor wurde 2003 im Rahmen der Rezidivtherapie zugelassen. Häufige Nebenwirkungen sind periphere Polyneuropathien, gastrointestinale Beschwerden sowie Thrombozytopenien [17]. Zudem ist das Risiko einer Herpes-Zoster-Virus-Reaktivierung unter Bortezomib-Therapie erhöht, sodass die Indikation zur antiviralen Prophylaxe mit Aciclovir besteht. Die periphere Polyneuropathie kann therapielimitierend sein; wird sie jedoch früh genug erkannt, ist sie nach Absetzen oder einer Dosisreduktion in der Mehrzahl der Fälle rückläufig. Durch subkutane Applikation lässt sich die Rate an Polyneuropathien vermindern [17]. Besonders vorteilhaft zeigte sich Bortezomib bei Patienten mit Nierenfunktionseinschränkung und/oder Hochrisikozytogenetik. Bortezomib verbessert vor allem die Prognose bei Patienten mit der Translokation t(4;14) und/oder der Deletion 17p [18]. Eine Zulassung in der Rezidivsituation besteht neben der alleinigen Kombination mit Dexamethason für die Kombination mit den IMiDs Lenalidomid oder Pomalidomid, dem monoklonalen Antikörper Daratumumab sowie dem HDAC-Inhibitor Panobinostat (jeweils in Kombination mit Dexamethason).
Carfilzomib, ein irreversibler Proteasom-Inhibitor, wurde 2015 auf Basis der ASPIRE-Studie zugelassen. Die Studie konnte einen Zusatznutzen der Dreifachkombination von Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason im Vergleich zur alleinigen Behandlung mit Lenalidomid und Dexamethason zeigen. Durch den Zusatz von Carfilzomib zeigte sich ein längeres PFS als in der Zweifachkombination (26,3 vs. 17,6 Monate) [19].
Im direkten Vergleich mit Bortezomib wurde unter Carfilzomib (jeweils in Kombination mit Dexamethason) in der ENDEAVOR-Studie auch ein verlängertes PFS dokumentiert (18,7 vs. 9,4 Monate). Im Vergleich zu Bortezomib traten zwar weniger periphere Polyneuropathien auf, dafür aber mehr Herzversagen, Blutdruckentgleisungen und Atemnot [20]. Daher wird dringend empfohlen, vor der Therapie mit Carfilzomib eine adäquate Blutdruckeinstellung und eine echokardiographische Untersuchung durchzuführen. Seit Neuestem ist auf Grundlage der Ergebnisse der CANDOR-Studie die Kombination Carfilzomib/Daratumumab/Dexamethason ab dem ersten Rezidiv zugelassen.
Ixazomib wurde 2017 als erster oraler Proteasom-Inhibitor zugelassen. Im Vergleich zu Lenalidomid und Dexamethason alleine erwies sich eine Behandlung mit Ixazomib ergänzend zu Lenalidomid und Dexamethason in der StudiemTOURMALINE-MM1 als vorteilhaft. Das PFS war verlängert (20,6 vs. 14,7 Monate). Bei insgesamt sehr guter Verträglichkeit traten als häufige Nebenwirkungen Thrombozytopenien und Diarrhöen auf [21].
Monoklonale Antikörper
Elotuzumab ist ein monoklonaler Antikörper, der sich gegen SLAMF7 als Zielstruktur richtet. Er aktiviert natürliche Killerzellen und führt somit zu einer Zerstörung der Myelomzellen. Die alleinige Gabe von Elotuzumab stellte sich nicht als effektiv heraus, doch zeigte sich die Kombinationsbehandlung aus Elotuzumab, Lenalidomid und Dexamethason in der ELOQUENT-2-Studie gegenüber der alleinigen Lenalidomid- und Dexamethason-Behandlung als überlegen. Durch den Zusatz von Elotuzumab hatten die Patienten ein signifikant längeres PFS (19,4 vs. 14,9 Monate) [22].
Die Rezidivtherapie mit Elotuzumab, Lenalidomid und Dexamethason wurde im Jahr 2016 in der Europäischen Union zugelassen.
Die darauf aufbauende klinische Studie ELOQUENT-3 untersuchte den Zusatznutzen von Elotuzumab in der Kombination mit Pomalidomid und Dexamethason. Auch hier zeigte sich ein längeres PFS (10,3 vs. 4,7 Monaten) [23]. Dies führte zur Zulassung dieser Dreifachkombination ab der dritten Therapielinie im Jahr 2019.
Daratumumab ist der erste zugelassene monoklonale Antikörper gegen das Oberflächenprotein CD38. Zunächst wurde Daratumumab aufgrund der Ergebnisse der SIRIUS-Studie als Monotherapeutikum ab der 3. Therapielinie zugelassen [24]. In der CASTOR-Studie, einer Phase-III-Studie für Patienten mit mindestens einer Vortherapie, zeigte sich eine Verlängerung des PFS in der Kombination von Daratumumab mit Bortezomib und Dexamethason im Vergleich zur Zweifachkombination aus Bortezomib und Dexamethason. Während der primäre Endpunkt in der Dreifachkombination nach 7,4 Monaten nicht erreicht wurde, betrug das PFS in der Zweifachkombination 7,2 Monate. Diese Ergebnisse führten zu einem Studienstopp nach der ersten Interimsanalyse. Besonders beeindruckend zeigten sich die Ansprechraten: Bei 14 % der Patienten unter der Dreierkombination konnte keine messbare Resterkrankung (measurable residual disease, MRD) mehr nachgewiesen werden. In der Zweifachkombination war im Vergleich nur bei 3 % der Patienten MRD-Negativität nachweisbar [25].
In der POLLUX-Studie zeigte sich eine deutliche Verlängerung des PFS im Studienarm der Dreifach-Therapie mit Daratumumab, Lenalidomid und Dexamethason gegenüber dem Standardarm Lenalidomid/Dexamethason. Die PFS-Rate konnte durch den Zusatz des monoklonalen Antikörpers nach einem medianen Follow-up von 17,3 Monaten von 49 % auf 76 % gesteigert werden. Auch und gerade Patienten über 75 Jahre profitierten von der Addition des monoklonalen Antikörpers.
Eine sehr häufige Nebenwirkung waren Infusionsreaktionen, hauptsächlich bei der Erstgabe, sodass eine antiallergische Prämedikation erforderlich ist. Weiterhin wurden Neutrozytopenien, Atemnot, Fatigue und gastrointestinale Nebenwirkungen beobachtet [26]. Auch Herpes-Zoster-Virus-Reaktivierungen werden gehäuft berichtet. Im Jahr 2017 erhielt Daratumumab in Kombination mit Lenalidomid/Bortezomib und Dexamethason die Zulassungserweiterung für Patienten, die mindestens eine Vortherapie erhalten haben.
Im Rahmen der COLUMBA-Studie wurde Daratumumab subkutan appliziert. Die Wirksamkeit war vergleichbar bei besserer Verträglichkeit. Insbesondere erlitten weniger Patienten Infusionsreaktionen [27]. Es erfolgte eine entsprechende Zulassungserweiterung in allen zugelassenen Indikationen.
Anfang 2021 erhielt Daratumumab in Kombination mit Carfilzomib und Dexamethason die Zulassung für Patienten ab dem ersten Rezidiv. In der CANDOR-Studie zeigte sich eine Verlängerung des medianen PFS in der Dreifach-Therapie im Vergleich zur alleinigen Carfilzomib- und Dexamethason-Behandlung nach einem Follow-up von etwa 17 Monaten (nicht erreicht vs. 15,5 Monate) [28].
Eine baldige Zulassung der Kombination von Daratumumab, Pomalidomid und Dexamethason wird erhofft. In der Studie APOLLO konnte die Dreifachkombination bei Patienten, die mit mindestens einem Immunmodulator und Proteasom-Inhibitor vorbehandelt waren, ein verlängertes PFS im Vergleich zur Zweifachkombination aus Pomalidomid und Dexamethason zeigen. Auch die Ansprechraten waren durch die Addition von Daratumumab höher [29].
Isatuximab ist ebenfalls ein monoklonaler Antikörper, der sich gegen den Oberflächenmarker CD38 richtet. Die Zulassung erhielt der Antikörper im Jahr 2020 auf Grundlage der ICARIA-MM Phase-III-Studie ab der dritten Therapielinie in Kombination mit dem Immunmodulator Pomalidomid und Dexamethason. Im Vergleich zur alleinigen Pomalidomid- und Dexamethason-Behandlung zeigte sich ein PFS von 11,5 Monaten unter der Dreifachkombination im Vergleich zu 6,5 Monaten unter der Zweifachkombination. Als häufige Nebenwirkungen fanden sich Infusionsreaktionen, obere Atemwegsinfekte und Durchfälle. Insbesondere profitierten auch Lenalidomid-refraktäre Patienten und Patienten mit Niereninsuffizienz [30].
In der IKEMA-Studie wurde Isatuximab darüber hinaus in Kombination mit Carfilzomib und Dexamethason mit der alleinigen Carfilzomib-/Dexamethason-Behandlung verglichen. Bei sehr guter Wirksamkeit und guter Verträglichkeit der Therapie werden diese Ergebnisse mit großer Wahrscheinlichkeit noch in 2021 zu einer Zulassung dieser Kombination führen.
HDAC6-Inhibitoren
Panobinostat, ein HDAC6-Inhibitor, wurde 2015 in Kombination mit Bortezomib und Dexamethason zugelassen bei Patienten mit mindestens zwei Vortherapien inklusive IMiD und Proteasom-Inhibitor. Die Dreifachkombination war der alleinigen Behandlung mit Bortezomib und Dexamethason hinsichtlich des PFS überlegen (PANORAMA1-Studie). Relevante häufige Nebenwirkungen sind Thrombozytopenien, Lymphozytope-nien, Durchfälle, Müdigkeit und periphere Polyneuropathien [31].
Klassische Zytostatika
Auch klassische Zytostatika finden weiterhin Anwendung in der Myelom-therapie. So ist das Alkylans Cyclophosphamid ein häufig eingesetzter Kombinationspartner in der Rezidivtherapie. Es wird unter anderem mit Bortezomib, Carfilzomib und Lenalidomid jeweils in Kombination mit Dexamethason eingesetzt. Auch Bendamustin ist ein meist im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium eingesetztes Zytostatikum aus der Gruppe der Alkylantien. Insbesondere sind hier der starke myelosuppressive Effekt und die teilweise langanhaltende Reduktion der CD4-Zellen zu beachten.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate
Bei Belantamab-Mafodotin handelt es sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper, der mit dem Mitosehemmstoff Monomethylauristatin F (MMAF) verbunden ist. Der Antikörper richtet sich gegen das B-Zell-Reifungs-antigen (B-cell Maturation Antigen, BCMA). Die Ergebnisse der DREAMM-2-Studie führten zur EU-Zulassung des Arzneimittels im Jahr 2020. Die Substanz ist aktuell als Monotherapeutikum nach mindestens vier Therapielinien zugelassen. Die Ansprechrate betrug bei multipel vortherapierten Patienten 34 %. Häufige, teils therapielimitierende Nebenwirkungen sind Thrombozytopenien und Hornhautschäden. Letztere traten in der Studie DREAMM-2 bei bis zu 75 % der Patienten auf. Aufgrund der Keratopathie sind regelmäßige augenärztliche Vorstellungen unabdingbar [32]. Derzeit wird Belantamab-Mafodotin in früheren Therapielinien und mit unterschiedlichen Kombinationspartnern getestet.
Therapieempfehlungen in der Rezidivtherapie
Die Empfehlungen der ESMO richten sich nach den in der Vortherapie eingesetzten Substanzen sowie Resistenzen. Im Falle einer Lenalidomid-Resistenz nach Lenalidomid-basierter Induktions- bzw. Erhaltungstherapie empfiehlt die ESMO den Einsatz einer Proteasom-Inhibitor-haltigen Dreifach- oder Zweifachkombination. Analog wird nach einer Bortezomib-haltigen, nicht in Kombination mit Lenalidomid eingesetzten Induktions- bzw. Erhaltungstherapie der Einsatz einer Lenalidomid-basierten Dreifach- oder Zweifachkombination empfohlen [5]. Im Falle einer guten Verträglichkeit und Wirksamkeit kann auch die gleiche Substanzklasse wie in der vorangegangen Therapie erneute Anwendung finden. Im ersten Rezidiv sollte bei geeigneten Patienten auch die Option einer erneuten autologen Stammzelltransplantation geprüft werden.
Erstes Rezidiv
Patienten, die nicht Lenalidomid-refraktär sind, kann eine Kombination aus Daratumumab, Lenalidomid und Dexamethason (DRd), bzw. eine Kombination aus Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason (KRd) angeboten werden. Bei gebrechlichen Patienten wird auch mit Ixazomib oder Elotuzumab in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason (I/ERd) im ersten Rezidiv behandelt.
Bei Lenalidomid-Refraktärität stehen bislang im ersten Rezidiv Daratumumab, Bortezomib, Dexamethason (DVd) und Pomalidomid, Bortezomib, Dexamethason (PVd), sowie Daratumumab, Carfilzomib, Dexamethason (DKd) zur Verfügung. Im 1. Rezidiv wird zudem in absehbarer Zeit die Zulassung von Daratumumab, Pomalidomid und Dexamethason (DPd), Isatuximab, Carfilzomib und Dexamethason (Isa-Kd) und Carfilzomib, Pomalidomid und Dexamethason (KPd) erwartet [2].
Abb. 3 gibt einen Überblick über die aktuell in Deutschland zugelassenen und gerne eingesetzten Kombinationstherapien.

Weitere Rezidive
Bei nachfolgenden Rezidiven kommen neben den bereits genannten Behandlungsoptionen die Antikörper-IMiD-Kombinationstherapien Isatuximab, Pomalidomid, Dexamethason (Isa-Pd) sowie Elotuzumab, Pomalidomid, Dexamethason (EPd) hinzu. Außerdem besteht die Möglichkeit einer Addition von Panobinostat zu Bortezomib, und Dexamethason, wobei diese Therapievariante zunehmend selten gewählt wird. Ab vier Vortherapien besteht zudem eine Zulassung für das Antikörper-Drug-Konjugat Belantamab Mafodotin.
Auch jenseits des ersten Rezidivs sind Dreifachkombinationen in der Regel wirksamer als Zweifachkombinationen. Sofern möglich, sollten in Kombinationstherapien Substanzen zur Anwendung kommen, gegen die der Patient noch nicht refraktär ist. Des Weiteren sollte gerade bei refraktären Patienten stets eine Studienoption geprüft werden.
Zukunftsperspektiven
Bcl-2 ist ein Protein, das die Apoptose in Zellen verhindert. Es konnte gezeigt werden, dass Tumorzellen, insbesondere solche mit Translokation t(11;14), eine besonders hohe Expressionsrate des antiapoptotischen Proteins Bcl-2 aufweisen und sich so gegen die Induktion der Apoptose wehren. In einer Phase-III-Studie (BELLINI) konnte ein deutlich besseres PFS (22,4 vs. 11,5 Monate) durch die Kombinationsbehandlung aus dem Bcl-2-Inhibitor Venetoclax, Bortezomib und Dexamethason demonstriert werden [33]. Jedoch wurden einige Fälle von tödlich verlaufenden Infektionen im Venetoclax-Arm beobachtet. Aktuelle Studien untersuchen die Wirksamkeit von Venetoclax und Dexamethason im Vergleich zu Pomalidomid und Dexamethason (CANOVA) sowie in Kombination mit dem irreversiblen Proteasom-Inhibitor Carfilzomib und Dexamethason. Die Ergebnisse einer Phase-III-Studie sind noch ausstehend. Eine Zulassung von Venetoclax beim Multiplen Myelom liegt derzeit nicht vor.
Das Protein Exportin-1 (XPO-1) ist für den Export von Eiweißen aus dem Nukleolus zuständig. Die Phase-III-Studie BOSTON demonstrierte die Überlegenheit des XPO1-Inhibitors Selinexor in Kombination mit Bortezomib und Dexamethason im Vergleich zur Zweifachkombination aus Bortezomib und Dexamethason. Selinexor verlängerte das PFS um etwa 4 Monate (13,93 vs. 9,46 Monate) [34]. 2019 wurde Selinexor in Kombination mit Dexamethason bei Patienten mit mindestens 4 Behandlungen in den USA zugelassen, eine Zulassung in der EU beim Multiplen Myelom ist ausstehend.
Das lipophile Alkylans Melphalan flufenamide (Melflufen) ist bei einer besseren Verträglichkeit potenter als das klassische Zytostatikum Melphalan. In einer Kombination mit Dexamethason konnte eine Ansprechrate von 31 % bei vorbehandelten Patienten in der Studie HORIZON erzielt werden. Häufige Nebenwirkungen waren Blutbildveränderungen, insbesondere Thrombozytopenien und Leukozytopenien. Die meisten Patienten hatten eine Hochriskozytogenetik und/oder eine extramedulläre Beteiligung. Auch diese Patienten profitierten von der Kombination [35]. Erste Daten liegen nun auch zur Kombination mit Bortezomib bzw. Daratumumab aus der ANCHOR-Studie vor. Trotz Hoch-risikozytogenetik führte diese Kombination zu guten Ansprechraten [36]. Eine Zulassung für Melflufen beim Multiplen Myelom liegt aktuell weder in den USA noch in der EU vor.
Aktuell findet ein weiterer grundlegender Umbruch der Myelomtherapie statt: Voraussichtlich in diesem Jahr wird erstmals die CAR-T-Zell-Therapie in der Rezidivsituation zugelassen. Auch die Wirksamkeit von bispezifischen Antikörpern macht Hoffnung. Beide Aspekte werden in einem eigenen Beitrag in diesem Schwerpunkt behandelt.
Fazit
Die Einführung von zielgerichteten Substanzen (Proteasom-Inhibitoren, Immunmodulatoren und Antikörpern) in den letzten zwei Jahrzehnten hat einen messbaren Fortschritt der Myelomtherapie gebracht und die Prognose der Patienten deutlich verbessert. Vom bevorstehenden Umbruch der Myelomtherapie im Hinblick auf den Einsatz von CAR-T-Zellen und bispezifischen Antikörpern sind weitere Optimierungen zu erwarten.
Summary
The drug treatment options for multiple myeloma have developed signif-icantly, especially in first-line therapy. Nevertheless, myeloma remains a disease for which recurrences are typical. In particular, patients in a refractory relapse situation have a poor prognosis. With the use of combinations of immunomodulator, proteasome inhibitor or antibody-based therapies in first relapse and combination therapies containing CD38 antibodies and/or pomalidomide in subsequent relapses, the outcome could be improved. Antibody-drug conjugate has recently become available for heavily pretreated patients. Further targeted substances that address new targets are currently in clinical testing. Another change in myeloma therapy can be ex-pected in the future by use of CAR-T cells and bispecific antibodies.
Keywords: multiple myeloma, re-lapse, immunomodulator, proteasome inhibitor, monoclonal antibodies, anti-body-drug conjugates