Diagnostik beim Multiplen Myelom – ein Update
In den letzten Jahren hat sich nicht nur die Therapie des Multiplen Myeloms (MM) stark verändert und verbessert. Auch die Diagnosekriterien und diagnostischen Methoden unterliegen einem stetigen Wandel hin zu immer sensitiveren Untersuchungen, früheren Detektionsmöglichkeiten und genaueren Prognosemarkern. Entsprechend wurden die Kriterien zur Diagnosestellung (SLiM-CRAB-Kriterien) überarbeitet, das International Staging System (ISS) um das zytogenetische Risikoprofil erweitert (Revised-ISS) und die Kriterien zur Beurteilung des Therapieansprechens (IMWG-Response-Kriterien) angepasst.
Schlüsselwörter: Multiples Myelom, Diagnostik, Therapieansprechen
Diagnosekriterien
Nicht nur die Therapie des Multiplen Myeloms (MM) hat sich in den letzten Jahren stark geändert. Auch die Diagnosekriterien unterliegen einem stetigen Wandel. Die International Myeloma Working Group (IMWG) hat 2014 die Kriterien zur Diagnosestellung (SLiM-CRAB-Kriterien) überarbeitet [1]. Ferner erfolgte eine Erweiterung des International Staging Systems (ISS) um das zyto-genetische Risikoprofil zur besseren Risikostratifizierung (Revised-ISS) [2]. Des Weiteren konnten neue Methoden zur Remissionsbeurteilung (inklusive der Bestimmung der messbaren Resterkrankung) etabliert werden; zudem wird der Stellenwert neuerer bildgebender Verfahren und molekularbiologischer Methoden für die Diagnostik des MM diskutiert [3, 4]. Die seit 2014 gültigen Diagnosekriterien für die Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS), das schwelende Multiple Myelom (Smoldering Multiple Myeloma, SMM) und das therapiepflichtige MM sind in Tab. 1 zusammengefasst.
Tab. 1 Diagnosekriterien der IMWG. Quelle: Autoren.
MGUS | SMM | MM | |
---|---|---|---|
M-Protein | < 30 g/l | 30 g/l oder ≥ 500 mg Leichtketten/Tag im Urin | vorhanden |
UND | UND/ODER | UND/ODER | |
Plasmazellen im Knochenmark | < 10 % | 10–60 % | ≥ 10 % |
UND | UND | UND | |
SLiM-CRAB* | nicht vorhanden | nicht vorhanden | vorhanden |
*SLiM-CRAB
S Sixty (≥ 60 % monoklonale Plasmazellen [PZ] im Knochenmark [KM])
Li Light Chains (Freie Leichtketten-Ratio ≥ 100 und absolut > 100 mg/l)
M MRT (mehr als eine fokale Knochenmarkläsion im MRT)
C Hyperkalzämie (> 2,75 mmol/l oder > 0,25 mmol/l oberhalb des oberen Normwertes)
R Renale Insuffizienz (Serum-Kreatinin > 2,0 mg/dl oder Clearance < 40 ml/min)
A Anämie (Hämoglobin < 10 g/dl > 2,0 g/dl unterhalb des unteren Normwertes)
B Bone (Knochen) Läsionen in Röntgen, Computertomographie (CT) und/oder Positronen-Emissions-Tomographie/Computertomographie (PET/CT)
Diagnostische Verfahren
Knochenmarkdiagnostik
Die Knochenmark(KM)-Analyse ist ein wesentlicher Bestandteil der Diagnosestellung entsprechend den SLiM-CRAB-Kriterien (Nachweis ≥ 10 % bzw. ≥ 60 % klonaler PZ im KM) [1]. Sie dient der Quantifizierung der Plasmazellen (PZ) mittels der Ausstrichzytologie am KM-Aspirat sowie der Immunhistologie an der KM-Stanze. Des Weiteren erfolgt mittels Durchflusszytometrie am KM-Aspirat und mittels Immunhistologie an der KM-Stanze die Differenzierung der PZ im Hinblick auf den Immunphänotyp und somit auf die Klonalität (aberranter Immunphänotyp, a. e. klonal vs. nicht aberranter Immunphänotyp/nicht klonal). Weiterführende genetische Untersuchungen, konventionelle Chromosomenanalyse, Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) sowie Untersuchungen des KM-Aspirates ermöglichen es, zytogenetische Aberrationen und die prognostische Einordnung zu identifizieren.
Zytologie
Das ausgestrichene KM-Aspirat, das vorzugsweise KM-Bröckel enthält und somit eine repräsentative Probe anzeigt, wird nach einer panoptischen Färbung mikroskopisch beurteilt (Abb. 1 A) [5].

Der Nachweis einer PZ-Infiltration ≥ 10 % bzw. ≥ 60 % stellt eines der dia-gnostischen Kriterien des MM dar. In der Zusammenschau mit weiteren serologischen und bildgebenden Befunden werden die Entitäten MM, Smoldering Myelom und MGUS abgegrenzt [1].
Neben der Quantifizierung erfolgt mittels Zytologie ebenfalls die morphologische Beurteilung der PZ. So können beim MM beispielsweise mehrkernige PZ, Mott-Zellen mit Russel-Körperchen (intrazelluläre Immunglobuline), oder in seltenen Fällen „Flaming“ PZs (vorranging beim IgA MM) beobachtet werden [6]. Eine Anhäufung von PZ in Nestern sowie eine Geldrollenbildung der Ery-throzyten bei Hyperproteinämie sind ebenfalls beim MM vermehrt beschrieben [5]. Des Weiteren werden im Knochenmarkausstrich alle Reihen der Hämatopoese (Vorhandensein, Quantifizierung, Ausreifung) sowie das Ausmaß ihrer Verdrängung durch die Plasmazellneoplasie beurteilt.
Durchflusszytometrie
Die Durchflusszytometrie ist eine Laser-basierte, biophysikalische Methode, die eine Quantifizierung und multi-parametrische Charakterisierung einzelner Zellen ermöglicht. Es handelt sich somit um eine Einzelzellanalyse. Dabei werden physikalische Zelleigenschaften (Größe und Granularität) sowie Antigenexpression auf oder in den Zellen mittels Fluoreszenz-markierter Antikörper erfasst. Die multiparametrische durchflusszytometrische Analyse (Multiparameter Flow Cytometry, MFC) hat eine wichtige Stellung in der MM-Diagnostik [7]. So ermöglicht die Untersuchung des Knochenmarks mittels MFC bei Erstdiagnose die Identifizierung des PZ-Klons anhand der Antigene CD38 und CD138, der Leichkettenrestriktion (kappa oder lambda) sowie der Expression aberranter Marker wie beispielsweise CD56 oder den Verlust von CD19 und CD45 (Abb. 1 B) [8]. Differentialdiagnostisch kann zusätzlich abgegrenzt werden, ob einer monoklonalen Gammopathie ein PZ-Klon (Nachweis von Leichtketten-restringierten PZ) oder ein B-Zell-Klon (Nachweis von Leichtketten-restringierten B-Zellen) zugrunde liegt. Dies ist sehr entscheidend für die Wahl des Therapieregimes. Darüber hinaus kann anhand der Expression der Antigene CD27 und CD81 eine prognostische Aussage getroffen werden
[9–11]. Im Fall eines Krankheitsprogresses/-rezidivs ermöglicht eine erneute durchflusszytometrische Analyse des Knochenmarks die Identifikation von potentiellen Zielstrukturen auf Plasmazellen. Dies kann von besonderer Relevanz sein, wenn konventionelle Therapien ausgeschöpft sind und nach einer individuellen Therapiemöglichkeit für einen Patienten gesucht wird. Potentiell relevante Antigene, gegen die therapeutische Antikörper verfügbar sind, sind CD20, CD22, CD30, CD38, CD52, CD138, SLAMF7, BCMA und PD-L1.
Immunhistologie
Die immunhistologische Untersuchung des KM wird an der KM-Stanze durchgeführt. Wie die Zytologie dient die KM-Immunhistologie der Quantifizierung und morphologischen Beurteilung der PZ und der drei Zellreihen der Hämatopoese. So erfolgt die Quantifizierung der PZ-Infiltrate, die ein entscheidender Punkt der Diagnosestellung ist, regelhaft mittels einer immunhistologischen Phänotypisierung (Abb. 1 C). Darüber hinaus können mittels der KM-Immunhistologie zusätzlich das Knochengerüst, das Knochenmarkstroma und die Lage der einzelnen Zellreihen zueinander – entsprechend der In-situ-Lage – beurteilt werden. PZ können ein breites morphologisches Spektrum aufweisen. Oft sind sie oval mit exzentrisch gelegenem Zellkern und einer perinukleären Aufhellung. Teilweise kann sich auch ein kleinlymphozytoides oder plasmablastisches Zellbild zeigen [12]. Hinweis auf eine neoplastische PZ-Proliferation stellen die Identifikation von Russel- und Dutcher-Körperchen sowie eine nicht-perivaskuläre Lokalisation von PZ-Infiltraten dar. Die neoplastische PZ-Proliferation muss von isolierten PZ-Proliferaten, wie sie bei chronisch-entzündlichen oder infektiösen Prozessen vorkommen, abgegrenzt werden. Neoplastische PZ weisen in der Regel eine Leicht- und Schwerkettenrestriktion auf. Bei einem Kappa/Lambda-Leichtkettenverhältnis von > 6 : 1 sowie einem Lambda/Kappa-Leichtkettenverhältnis von > 3 : 1 wird der Verdacht auf Klonalität geäußert. Als beweisend für Klonalität gilt ein Kappa/Lambda-Leichtkettenverhältnis von > 10 : 1 sowie ein Lambda/Kappa-Leichtkettenverhältnis von > 5 : 1 [13]. Neben den typischen Plasmazellmarkern CD38, CD138 und MUM1 können analog zur Durchfluss-zytometrie häufig CD56, seltener CD117, CD20, CD52 oder CD10 aberrant exprimiert werden [14, 15]. Die starke Reaktion mit Antikörpern gegen CyclinD1 ist mit einer bestimmten Translokation vom Typ t(11;14)(q13;q32) assoziiert [16].
Zytogenetik/FISH
Das MM wird auf chromosomaler Ebene durch Translokationen charakterisiert, die den Schwerkettenlokus auf Chromosom 14 beinhalten, oder durch einen hyperdiploiden Karyotyp (Zugewinn von mehr als einem ungeradzahligen Chromosom). Sekundäre Aberrationen, wie die Deletion 17p und der damit verbundene Verlust von TP53 sowie der Zugewinn von Chromosom 1q21 mit einer gesteigerten Expression von CKS1B treten im Zuge der Krankheitsprogres-sion auf und gehen mit einer schlechten Prognose einher. FISH hat sich als Goldstandard im klinischen Alltag zur Detektion chromosomaler Aberrationen durchgesetzt. Auch wenn neuere Methoden zur Genomsequenzierung in den letzten Jahren günstiger geworden sind, liefert die FISH nach wie vor die klinisch relevantesten Ergebnisse und findet eine breite Anwendung in akademischen Zentren und bei niedergelassenen Onkologen. Die klinische Relevanz chromosomaler Aberrationen beim MM führte zur Überarbeitung des ISS. Im Revised-ISS (R-ISS) werden zusätzlich zu den etablierten Markern nun auch eine erhöhte Laktat-Dehydrogenase (LDH) und chromosomale Veränderungen zur Prognoseabschätzung neu diagnostizierter Patienten herangezogen (Tab. 2).
Tab. 2 International Staging System (ISS) and Revised-IS. Mod. nach [8].
ISS-Stadium | Kriterien | 5-Jahres-PFS | 5-Jahres-OS |
I | β2-Mikroglobulin < 3,5 mg/l | 49 % | 77 % |
II | weder ISS I noch ISS III | 36 % | 62 % |
III | β2-Mikroglobulin ≥ 5,5 mg/l | 30 % | 47 % |
Revised-ISS-Stadium | Kriterien | 5-Jahres-PFS | 5-Jahres-OS |
I | ISS I | 55 % | 82 % |
II | weder R-ISS I noch R-ISS III | 36 % | 62 % |
III | ISS III | 24 % | 40 % |
* Hochrisiko Zytogenetik : del(17p) und/oder t(4;14) und/oder t(14;16)
+ LDH: Laktat-Dehydrogenase
PFS: Progressionsfreies Überleben, OS: Gesamtüberleben
Serum/Urin (I-Fix, Free Light Chain)
Zur Diagnosestellung von MGUS, SMM und MM sollten bei Primärdiagnose ein Differentialblutbild, die Leber- und Nierenwerte sowie Gerinnungsparameter bestimmt werden. Das monoklonale Protein (M-Protein) kann mithilfe mehrerer Methoden qualitativ und quantitativ nachgewiesen werden. Die Immunfixation im Serum und Urin erfolgt dabei initial, um rein qualitativ festzulegen, welches monoklonale Protein exprimiert wird (Schwerkette und/oder Leichtkette). Beim Nachweis einer Schwerkette (MM vom Typ IgG, IgA oder seltener IgM, IgD) wird mithilfe der Serumelektrophorese die Konzentration des M-Proteins im Serum bestimmt. Da das Verhältnis der freien Leichtketten im Serum zu den Diagnosekriterien des therapiepflichtigen MM zählt, sollten bei Erstdiagnose und im Verlauf die freien Leichtketten im Serum (Freelite®-Test) und Urin (Elektrophorese) bestimmt werden. Dies hilft nicht nur die sekretorische Aktivität einzuschätzen, sondern auch die Gefahr für die Nierenfunktion einzuordnen. Beim Leichtketten-MM (Typ Bence Jones Lambda oder Kappa) oder beim hypo-/asekretorischen MM sollten bei Erstdiagnose und im Verlauf die Leichtketten im Serum und im 24-Stunden-Sammelurin quantifiziert werden, um die Krankheitsaktivität zu beurteilen. Neuere Methoden zur Quantifizierung des M-Proteins sind die Massenspektrometrie und der Hevylite®-Test. Beide Methoden befinden sich noch in klinischer Erprobung. Ein potentielles Anwendungsgebiet ist zum Beispiel die Remissionsbeurteilung im Rahmen einer Behandlung mit monoklonalen Antikörpern, um falsch positive Serumelektrophoresen zu kontrollieren [17].
Bildgebung (MRT, PET/CT)
Bei mehr als 80 % aller Myelompatienten können Knochenschäden bei Erstdiagnose mittels bildgebender Verfahren gefunden werden. Die Computertomographie (CT) hat mittlerweile den Röntgenskelettstatus zur Beurteilung von Osteolysen abgelöst. Die IMWG hat in ihren neuen Leitlinien zur Bildgebung von Plasmazellerkrankungen ferner die PET/CT und die MRT aufgenommen [3].
Intra- und extramedulläre Herde, die keine oder nur eine minimale Knochenschädigung induzieren, können mithilfe der MRT sensitiver beurteilt werden als mit der Ganzkörper-CT. Die MRT erlaubt jedoch keine Beurteilung des mineralisierten Knochens. Das typische Bild eines Myelombefalls im MRT sind dabei ein Signalverlust in T1-gewichteten und eine Signalsteigerung in T2-gewichteten Sequenzen. Der Befall kann diffus im gesamten Knochenmark auftreten oder lokal begrenzt als sogenannte fokale Läsion. Da die MRT einen Myelombefall des Knochenmarks detektieren kann, bevor Schäden im mineralisierten Knochen auftreten, können auch Patienten mit MGUS und SMM mittels MRT verlaufskontrolliert werden; das Auftreten neuer Läsionen ist mit einem Progress in eine therapiepflichtige Erkrankung vergesellschaftet [18]. Auch beim symptomatischen MM ist der Befall im MRT bei Primärdiagnose mit einer schlechteren Prognose verbunden, und die Persistenz eines Befalls nach Therapie prädiziert ein früheres Rezidiv [19]. Diffusions-gewichtete Sequenzen (Diffusion-Weighted Im-aging, DWI) verbessern die Sensitivität der MRT zusätzlich. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um die Auswertungsstrategien zu standardisieren und so die Anwendung der DWI im Routinebetrieb beim MM zu etablieren.
Neben der morphologischen Information liefert die PET/CT eine Aussage über die metabolische Aktivität der Plasmazellen. Auch wenn viele verschiedene Tracer beim MM erprobt werden, ist Fluordesoxyglucose (FDG) nach wie vor die am häufigsten eingesetzte Substanz beim MM. Vergleichbar zur MRT kann die PET/CT Knochenmarkläsionen abbilden, bevor der Knochen zerstört ist. Daher eignet sie sich zur Prognoseabschätzung und Verlaufskontrolle von asym-ptomatischen und therapiepflichtigen Patienten [20, 21]. Aktuell kommt die PET/CT meist nur in Studien zum Einsatz, und eine routinemäßige Bildgebung wird von den Krankenkassen beim MM nicht erstattet. Weitere Nachteile sind die limitierte Verfügbarkeit, die zusätzliche Strahlenbelastung im Vergleich zur low-dose Ganzkörper-CT sowie längere Untersuchungs-/Befundungszeiten. Auch können entzündliche oder degenerative Herde zu falsch-positiven Ergebnissen führen. Aufgrund der hohen Sensitivität bei der Detektion von Knochen(mark)läsionen empfehlen die aktuellen Leitlinien der IMWG sowohl MRT als auch PET/CT für die Diagnostik des MM [3].
Therapieansprechen, Verlauf
IMWG-Kriterien
Die Beurteilung des Therapieansprechens erfolgt beim MM nach den Kriterien der IMWG [4]. Diese Kriterien wurden etabliert und aktualisiert, um u. a. das Therapieansprechen bei Patienten mit einem oligo-/nicht-sekretorischen MM beurteilen zu können (Berücksichtigung des Testergebnisses auf freie Leichtketten im Serum). Durch Berücksichtigung der MRD-Diagnostik (Erklärung nächstes Kapitel) kann eine weiterführende Definition von kompletten Remissionen (CR) eingeführt und eine einheitliche Nomenklatur für die Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit neuer Medikamente in klinischen Studien geschaffen werden [22]. Bei der Beurteilung des Therapieansprechens werden M-Protein im Serum und Urin, freie Leichtketten und deren Differenz im Serum, Immunfixation im Serum und Urin sowie der (klonale) PZ-Anteil im KM berücksichtigt. Bei Plasmozytomen, die keinen Kontakt zum Knochen haben, ist die prozentuale Größenreduktion des Tumors unter Therapie entscheidend. Plasmozytome, die aus dem Knochen wachsen, bilden sich oft nicht vollständig zurück. Eine CR liegt vor, wenn mittels der Immunfixation im Serum und Urin kein monoklonales Protein mehr nachweisbar ist, der Anteil der PZ im KM < 5 % liegt und keine isolierten Plasmozytom-Manifestationen mehr detektierbar sind. Eine stringente komplette Remission (sCR) liegt vor, wenn zusätzlich zur CR sich die Ratio der freien Leichtketten im Serum normalisiert hat und keine klonalen PZ im KM mittels Immunhistologie mehr nachweisbar sind.
Über diese Standardkriterien des Therapieansprechens hinaus definiert die IMWG Kriterien für die MRD. Diese setzten eine CR voraus. In den IMWG-MRD-Kriterien werden unterschiedliche Methoden der MRD-Bestimmung, Next Generation Sequencing (NGS), Next Generation Flow (NGF) und Bildgebung mittels PET/CT, berücksichtigt. Anhaltende MRD-Negativität liegt vor, wenn mittels NGS und/oder NGF im KM sowie mittels Bildgebung im Abstand von einem Jahr keine Krankheitsaktivität nachweisbar ist.
Bewertung des Therapieansprechens durch MRD-Messung
Eines der genauesten Verfahren zur Bewertung des Therapieansprechens eines Patienten ist die MRD-Diagnostik (MRD: messbare/minimale Resterkrankung; englisch: measurable residual disease, vormals minimal residual disease). Sie kann anhand einer Knochenmarkprobe sehr kleine Mengen von malignen Plasmazellen, die trotz Therapie verblieben sind (residuelle Tumorzellen), direkt nachweisen und quantifizieren. Diese Zellen werden mit konventionellen diagnostischen Verfahren wie der Zytologie oder Immunhistologie übersehen oder können – wie in der Serologie – nur indirekt über ihre Zellprodukte wie das M-Protein oder freie Leichtketten erfasst werden.
Residuelle Tumorzellen gelten als Auslöser für ein Rezidiv des MM, das die meisten Patienten trotz sehr gutem Therapieansprechen erleiden. Weltweit konnten Studien und Meta-Analysen eindrücklich zeigen, dass das Erreichen von MRD-Negativität – also eine Reduktion der residuellen Tumorzellen unter die Messgrenze der Techniken der MRD-Diagnostik – unabhängig von der Therapieform oder davon, ob MRD-Negativität in der Erstlinie oder im Rezidiv erreicht wird, einen positiven prognostischen Marker für das progressionsfreie Überleben (PFS) darstellt (Abb. 2).
Die MRD-Diagnostik wird beim MM heute zur Bestimmung des Therapieansprechens in klinischen Studien genutzt. Die Ergebnisse werden als Surrogat-Marker für das Therapieansprechen und das PFS herangezogen. Vor allem im Licht der immer besser wirksamen pharmakologischen Optionen, die sich in den Studien durch lange progressionsfreie Phasen niederschlagen, ist ein standardisiertes Tool zur schnellen Auswertung der Wirksamkeit der Medikamente für die zügige Zulassung wichtig. Konsequenzen aus einem MRD-positiven oder -negativen Ergebnis werden für den individuellen Patienten allerdings zurzeit nur in Einzelsituationen gezogen. In Zukunft ist es aber denkbar, das MRD-Ergebnis für individuelle Anpassungen der Therapie zu nutzen.
Grundsätzlich unterscheidet man drei verschiedene Methoden zur Diagnostik der MRD:
- zytometrische Analysen, die intrazelluläre und Oberflächen-Antigene der Plasmazellen quantifizieren,
- molekulargenetische Analysen, die die DNA-Sequenzen dieser Zellen nutzen,
- funktionelle Bildgebungsmethoden, die Einblicke in Knochen- und Weichgewebs-Strukturen erlauben [4].
Intensive technische und methodische Weiterentwicklungen haben vor allem die Sensitivität der MRD-Diagnostik signifikant verbessert und erlauben nun die Detektion von einer Tumorzelle unter einer Million normaler Zellen. Dieser Fortschritt erlaubt nicht nur die Analyse eines sehr tiefen Therapieansprechens, sondern eröffnet auch die Möglichkeit, zirkulierende Tumorzellen im peripheren Blut zu detektieren und so eine minimal invasive Alternative zur KM-Analyse zu entwickeln. Bezüglich der Bearbeitungszeit und der Kosten führt die Durchflusszytometrie zurzeit den Wettbewerb der Methoden an (Tab. 3).
Tab. 3 Vergleich des Methodenspektrums der MRD-Diagnostik. Mod. nach [24].
NGF-Flow- Zytometrie | NGS-Sequenzierung | Bildgebung (PET/CT) | ||
---|---|---|---|---|
Technologie | Verfügbarkeit | weltweit | Service; | in fast allen größeren Kliniken |
Anwendbarkeit | ~ 100 % | 90–92 % | 85–90 % | |
Sensitivität (1 : x Zellen) | ≤ 10-5 | ≤ 10-5/10-6 | Spatial resolution limit 5 mm | |
Kompartiment | KM/(PB) | KM/(PB) | KM/EMD | |
Analysedauer | Stunden | Tage bis Wochen | Stunden | |
Standardisierung | ja | ja | ausstehend | |
Preis | ~ 300 US $/Probe | ~ 1.500 US $/Probe | ~ 1.350 US $/Patient | |
Probe | initial diagnostische Analyse | nein | ja | ja |
Zellzahl | 10.000.000 | 2.000.000 | NA | |
Einfluss von Probenqualität | signifikant | moderat | NA | |
Proben-Typ | lebende Zellen | DNA | NA | |
Hämodilution | bedingt messbar | nicht messbar | NA | |
Probenlagerung | nein | ja | NA |
FDA: U. S. Food and Drug Administration; KM: Knochenmark; PB: peripheres Blut;
EMD: extramedulläre Erkrankung; NA: nicht analysiert
Allerdings stellen Qualität und Menge an verfügbarem Material für die MRD-Diagnostik eine große Herausforderung dar. In der Durchflusszytometrie werden lebende Zellen in sehr großer Zahl benötigt, um die geforderte Sensitivität von < 10-5 zu erreichen, während für die Sequenzierungs-Methoden nur DNA von ca. 1/5 der Zellen benötigt wird. Besonders in multizentrischen Studien oder für Einsender-basierte Analysezentren ist das korrekte Versenden von Knochenmark-Proben eine Herausforderung. So ist z. B. ein tagesaktueller (< 24 h) und temperaturgeschützter (~ 20 °C) Transport notwendig, um die Qualität des empfindlichen Knochenmarks zu gewährleisten.
Das Bemühen, große Zellzahlen zu sammeln, birgt bei der Knochenmarkpunktion das Risiko, dass neben dem Knochenmark auch peripheres Blut in die Probe aspiriert wird. Diese sogenannte Hämodilution kann zu einer Überbewertung des Hintergrunds der Tumor-Zell-Komponente führen und fälschlich eine hohe Sensitivität suggerieren.
In dem aktuellsten Assay zur Durchflusszytometrie wird versucht, diesem Effekt durch die Ermittlung des Anteils der Mastzellen (CD117) in der Probe Rechnung zu tragen, wobei ein zu geringer Anteil „Blutverdünnung“ nahelegt.
Fluorescence Activated Cell Sorting (FACS)
Ein Beispiel für die durchflusszytometrische MRD-Diagnostik ist das EuroFlow 8-color 2-tube MM-MRD-Kit (Cytognos, Salamanca, Spain). Hier werden mit zehn Antikörpern in zwei Messungen Populationen von malignen Plasmazellen anhand ihres Immunphänotyps von normalen Plasmazellen unterschieden und quantifiziert. So zeichnen sich maligne Plasmazell-Populationen (CD38- und CD138-positiv) durch eine auffällige Verschiebung der Verteilung der exprimierten Leichtketten zugunsten entweder der Kappa- oder Lambda-Leichtketten aus.
Neben dieser Leichtkettenrestriktion weisen maligne Myelomzellen häufig eine niedrige Expression von CD19, CD27, CD45 und CD81 und eine erhöhte Expression von CD56 auf.
Die Zusammenschau dieser acht Marker erreicht die Abgrenzung und Quantifizierung der malignen Plasmazellen in einer Patientenprobe mit einer Sensitivität von bis zu 1 : 100.000 bis 1 : 500.000, entsprechend 1 x 10-5–2 x 10-6.
NGS
Molekulargenetische Methoden basieren hauptsächlich auf der Quantifizierung patientenspezifischer Immunglobulin-DNA-Sequenzen (Schwerkette und Kappa/Lambda-Leichtketten) der klonalen Plasmazell-Population. Diese erfolgt in zwei Schritten:
- einer Identifikation der individuellen klonalen Sequenzen bei Diagnose und
- der Quantifizierung in einer Knochenmarkprobe zur MRD-Diagnostik – entweder mithilfe individuell designter patientenspezifischer Assays oder NGS.
Der von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA für die MRD-Dia-gnostik zugelassene Test (Adaptive Biotechnologies) erreicht eine Sensitivität von < 1 : 1.000.000 Zellen (< 1 x 10-6).
Bildgebung
Mithilfe der MRT können Veränderungen im Knochenmarksignal bei asymptomatischen und symptomatischen Patienten in longitudinalen Untersuchungen analysiert werden. Ein Progress oder das Neuauftreten von Läsionen ist beim SMM mit einem Progress in ein MM verbunden [18]. Patienten, die eine zystische Transformation von bekannten Läsionen nach einer autologen Stammzelltransplantation zeigen, haben ferner eine schlechte Prognose [25].
Sowohl MRT als auch PET/CT können zur Remissionsbeurteilung und Bestimmung der MRD herangezogen werden. In einer Subgruppenanalyse der DFCI/IFM2009-Studie wurden beide Modalitäten erstmals prospektiv verglichen [26]. Auch wenn beide Methoden vergleichbar zuverlässig fokale Läsionen bei Erstdiagnose detektieren, war die PET/CT der MRT bei der Beurteilung des Therapieansprechens überlegen; nur ein negativer PET/CT-, nicht jedoch der MRT-Befund, war von prognostischer Relevanz. Weitere Studien sind nötig, um die Bedeutung bildgebender Verfahren zur MRD-Bestimmung zu definieren und zu analysieren, ob die Ergebnisse bildgebende Verfahren komplementär oder additiv zu Bestimmungsmethoden aus dem Knochenmark sind. Aktuell haben MRT und PET/CT bereits eine Bedeutung zur Verlaufskontrolle bei asekretorischem MM oder extramedullärer Erkrankung. Tab. 4 bietet eine Entscheidungshilfe, wie bildgebende Verfahren die Routinediagnostik ergänzen können.
Tab. 4 Stadien-abhängige Empfehlung zur Bildgebung bei Diagnose und im Verlauf außerhalb von klinischen Studien. Quelle: Autoren.
MGUS | SMM | MM | |
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Bildgebung bei Erstdiagnose | GK-CT bei > 5g/l M-Protein oder Schmerz im Skelettsystem GK-CT negativ -> MRT | GK-CT negativ -> MRT | GK-MRT |
Klinische Kontrolle* | alle 6–12 Monate | alle 3 Monate (erste 5 Jahre) | alle 3 Monate |
GK-CT im | bei klinischem/serologischem Verdacht auf Progress | ||
UND/ODER Progress im GK-MRT | UND/ODER Progress im GK-MRT | ||
GK-MRT im Verlauf | bei Progress in MM | – bei Progress in MM | – bei hyposekretorischem oder extra- medullärem MM alle 6 Monate |
*inklusive Anamnese, körperlicher Untersuchung, Blutbild, Elektrolyten, Nierenwerten einschließlich GFR, M-Protein im Serum und Urin
Summary
In recent years, not only the therapy of multiple myeloma (MM) has changed and improved considerably. Diagnostic criteria and methods are also undergoing constant change towards ever more sensitive examinations, earlier detection possibilities and more accurate prognostic markers. Accordingly, the criteria for diagnosis (Slim-CRAB criteria) were revised, the International Staging System (ISS) was extended to include the cytogenetic risk profile (Revised-ISS) and the criteria for assessing the response to therapy were adapted (IMWG-Response criteria).