Adjuvante und neoadjuvante Therapie des malignen Melanoms
Während die adjuvante Therapie bei Patienten mit reseziertem malignem Melanom im Stadium III bereits etabliert ist, repräsentieren neoadjuvante Therapieansätze derzeit ein besonders faszinierendes und vielversprechendes Forschungsgebiet beim schwarzen Hautkrebs. Der Beitrag fasst den aktuellen Stand des Wissens zusammen und stellt neue Studiendaten vor.
Schlüsselwörter: malignes Melanom, adjuvante Therapie, neoadjuvante Therapie, zielgerichtete Therapie, Immuntherapie, Dabrafenib, Trametinib, Nivolumab, Pembrolizumab
Die Prognose von Patienten mit malignem Melanom hängt im Wesentlichen vom Stadium der Erkrankung bei Dia-gnosestellung ab, doch wird das Outcome auch von später möglicherweise auftretenden Rezidiven beeinflusst [1, 2]. Seit mehr als vier Dekaden existiert der therapeutische Ansatz, das Risiko für Lokal- bzw. Fernmetastasen durch eine adjuvante Systemtherapie zu vermindern und das rezidivfreie Überleben (RFS) sowie das Gesamtüberleben (OS) der Patienten zu verbessern.
Systematischen Reviews zufolge liegt die Rate für das RFS bei Melanomen im Stadium III unter 50 % [3]. Bei Patienten in diesem Erkrankungsstadium (positiver Lymphknotenstatus und In-Transit-Metastasierung) ist die Prognose allerdings abhängig von den Substadien IIIA, IIIB, IIIC und IIID gemäß AJCC(American Joint Committee on Cancer)-Klassifikation) [1, 2]. Aktuelle Daten legen nahe, dass die Prognose von Patienten im Stadium III und den Substadien tatsächlich deutlich schlechter sein könnte als in der neuen UICC-Klassifikation berichtet (IIIA: 80 %; IIIB: 69 %; IIIC: 52 % und IIID: 19 % [4, 5, 6] (Abb. 1).

Abb. 1 Melanomspezifisches Überleben (MSS) in der Central Malignant Melanoma Registry Cohort bei Patienten mit malignen Melanomen im Stadium III gemäß 8. Edition der AJCC-Klassifikation (AJCCv8). Mod. nach [4].
Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer wirksamen adjuvanten und ggf. neoadjuvanten Therapie des Melanoms.
Viele Jahre lang beschränkte sich die adjuvante Therapie beim malignen Melanom auf Interferon alfa-2b, das zwar ein verbessertes RFS ermöglichte, aber auch mit klinisch si-gnifikanter Toxizität und einem nicht eindeutigen Überlebensvorteil assoziiert war [7]. Derzeit sind für die adjuvante Therapie des metastasierten Melanoms sowohl die zielgerichtete Kombinationstherapie mit einem BRAF- plus MEK-Inhibitor (Dabrafenib plus Trametinib) als auch die Immuntherapie mit Anti-PD-1-Checkpoint-Inhibitoren (Nivolumab, Pembrolizumab) zugelassen. Aufgrund ihrer Wirksamkeit haben diese neuen Behandlungsoptionen die Hochdosis-Interferontherapie in der Adjuvanz nahezu vollständig abgelöst. Die Ergebnisse relevanter Studien für zugelassene Wirkstoffe, aber auch für Substanzen bzw. Kombinationen, die derzeit noch in klinischer Prüfung sind, zeigt Tab. 1 [8–17].
Tab. 1 Aktuelle adjuvante Therapiestudien beim malignen Melanom. Mod. nach [8–17]
Studie | Design | Stadium (AJCC 7. Edition) | HR RFS | HR DMFS | HR OS |
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Immunologische Therapien | |||||
EORTC 18071 [8, 9] | Ipi 10 mg/kg KG vs. Placebo | IIIA (SN > 1 mm), IIIB, IIIC keine In-Transit-Metastasen | 0,75 | 0,76 | 0,73 |
KEYNOTE 054 [10, 11] | Pembrolizumab 200 mg vs. Placebo | IIIA (SN > 1 mm), IIIB, IIIC keine In-Transit-Metastasen | 0,59 | 0,60 | - |
CheckMate 238 [12, 13] | Nivo 3 mg/kg KG vs. Ipi 10 mg/kg KG | IIIB, IIIC, IV In-Transit-Metastasen erlaubt | 0,71 | 0,79 | 0,87 |
IMMUNED [14] | Ipi 1 mg/kg KG + Nivo 3 mg/kg KG 4 x gefolgt von Nivo 3 mg/kg KG vs. Nivo 3 mg/kg KG vs. Placebo | IV (NED) | Ipi + Nivo 0,23 Nivo 0,56 | - | - |
Zielgerichtete Therapien | |||||
COMBI-AD [15, 16] | Dabrafenib + Trametinib vs. Placebo | IIIA (SN > 1 mm), IIIB, IIIC In-Transit-Metastasen erlaubt | 0,47 | 0,51 | 0,57 |
BRIM-8 [17] | Vemurafenib vs. Placebo | IIC, IIIA (SN > 1 mm), IIIB, IIIC In-Transit-Metastasen erlaubt | 0,54 (IIC–IIIB) | 0,8 (IIIC) | 0,8 (IIIC) |
Nivo: Nivolumab; Ipi: Ipilimumab; KG: Körpergewicht; SN: Sentinel-Lymphknoten; NED: kein Krankheitsnachweis; HR: Hazard Ratio; RFS: rezidivfreies Überleben; DMFS: Fernmetastasen-freies Überleben; OS: Gesamtüberleben; AJCC: American Joint Committee on Cancer |
Checkpoint-Inhibition und zielgerichtete Therapie in der Adjuvanz
Der gegen CTLA-4 gerichtete Checkpoint-Inhibitor Ipilimumab war der erste immuntherapeutische Wirkstoff, der nachweislich das RFS und OS verbesserte [18] und vor allem zu anhaltenden Remissionen führte [9]. Spätere Vergleiche einer adjuvanten PD-1-Blockade mit Nivolumab versus Ipilimumab in der CheckMate-238-Studie oder Pembrolizumab versus Placebo in der KEYNOTE-054-Studie ergaben eine Verbesserung der Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit, was die PD-1-Inhibitoren Nivolumab und Pembrolizumab zum aktuellen adjuvanten Therapiestandard für Patienten mit resezierten BRAF-Wildtyp-Melanomen im Stadium III machte [10, 12]. Eine Anti-PD-1-Therapie kann auch bei Patienten mit reseziertem Melanom im Stadium IV eingesetzt werden, wenngleich neuere Daten in dieser Therapiesituation den Einsatz der dualen Immuntherapie mit Ipilimumab und Nivolumab unterstützen [14].
Langzeitergebnisse
In einer randomisierten Doppelblindstudie bei Melanom-Patienten mit BRAF-mutierten Tumoren im Stadium III wurde gezeigt, dass unter einer adjuvanten Behandlung mit Dabrafenib plus Trametinib die Wahrscheinlichkeit, ein Rezidiv zu entwickeln, um 53 % vermindert wurde [15]. Gleichzeitig verringerte sich das Mortalitätsrisiko unter der Kombinationstherapie im Vergleich zu Placebo um 43 % [15]. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren waren immer noch 52 % der Patienten unter Dabrafenib/Trametinib rückfallfrei gegenüber 36 % in der Placebogruppe [19]. Die kombinierte BRAF-/MEK-Inhibition stellt deshalb den Therapiestandard in der adjuvanten Therapie für BRAF-mutierte Melanome im Stadium III dar.
Auch für die immunonkologische Therapie liegen inzwischen Langzeitdaten vor. Auf der virtuellen Jahrestagung der European Society for Clincial Oncology (ESMO) 2020 wurde ein Update der Studie KEYNOTE-054 mit Pembrolizumab präsentiert: Hinsichtlich der RFS-Rate nach drei Jahren war Pembrolizumab Placebo weiterhin deutlich überlegen (59,8 % vs. 41,4 %; HR 0,59) [11]. Dabei unterschieden sich PD-L1-positive und PD-L1-negative Tumoren hinsichtlich der Wirksamkeit der Behandlung nicht relevant. Auf dem ASCO 2021 nun wurden erstmals Daten der Crossover- und der Rechallenge-Kohorte vorgestellt, die darauf hindeuten, dass Pembrolizumab auch nach einem resezierten, zweiten Rezidiv wirksam ist und zumindest einige Patienten auch von einer erneuten Pembrolizumab-Therapie profitieren [20].
In einem 2020 publizierten Update der CheckMate-238-Studie war das RFS unter einer Behandlung mit Nivolumab signifikant besser als unter einer Behandlung mit Ipilimumab (HR 0,71; p < 0,0003) [13]. Nach vier Jahren lagen die RFS-Raten bei 51,7 % unter Nivolumab und 41,2 % unter Ipilimumab. In dieser Studie wurde zusätzlich ein signifikant verbessertes Fernmetastasen-freies Überleben unter Nivolumab gezeigt (HR 0,79) [13]. Da sich in Subgruppenanalysen für das RFS BRAF-mutierte und BRAF-Wildtyp-Tumoren nicht unterschieden, können beide Anti-PD-1-Inhibitoren auch bei BRAF-mutierten Melanomen eingesetzt werden. Für beide Stu-dien zur Anti-PD-Checkpoint-Inhibition liegen noch keine Ergebnisse bezüglich des OS vor.
Beide Behandlungsansätze vergleichbar wirksam
Sowohl die PD-1-Blockade als auch die kombinierte BRAF-/MEK-Inhibition (hier nur bei BRAF-mutierten Tumoren) bieten einen klaren Benefit bei resezierten Melanomen in den Stadien IIIB, IIIC und IV. Direkte Head-to-Head-Vergleiche der beiden Behandlungen wurden bislang nicht durchgeführt, aber die durch die beiden Behandlungsansätze erreichbare Risikoreduktion scheint vergleichbar ausgeprägt und anhaltend zu sein. Die jeweiligen Nebenwirkungsprofile sind distinkt, wobei zielgerichtete Therapien im Vergleich zu Immuntherapien insgesamt mehr Nebenwirkungen verursachen, die dafür aber auch leichter reversibel sind. Die Therapieentscheidung sollte individuell und in enger Abstimmung zwischen Arzt und Patient sowie unter Abwägung der zu erwartenden Toxizität und auch des erwartbaren Rezidivrisikos getroffen werden.
Für Melanome im Stadium IIIA oder noch früheren Stadien mit höherem Risiko ist derzeit noch nicht abschließend geklärt, ob überhaupt eine adjuvante Therapie gerechtfertigt ist. Diese bisher ungelöste Frage wird möglicherweise durch zwei unlängst fertig rekrutierte Phase-III-Studien beantwortet werden, die eine Checkpoint-Inhibition mit PD-1-Antikörpern (Nivolumab bzw. Pembrolizumab) bei resezierten Melanomen im Stadium IIB oder IIC mit aktiver Überwachung vergleichen (NCT04099251 und NCT03553836). Die Studien könnten möglicherweise den Versorgungsstandard für die Behandlung von primären Hochrisiko-Melanomen in früheren Stadien, die durch tiefe Invasion oder Ulzeration gekennzeichnet sind, ändern. Daten zur Wirksamkeit der Immuncheckpoint-Blockade im Stadium II liegen noch nicht vor.
Ein wichtiger Studienansatz in der adjuvanten Therapie mit Nivolumab im Stadium IIA–C wird in der aktuell rekrutierenden NivoMela-Studie verfolgt. Der Randomisierung in den Behandlungsarm bzw. in den Arm mit aktiver Überwachung ist ein Genexpressionstest (Melagenix) aus dem Primärtumorgewebe vorgeschaltet. Anhand dessen werden nur Patienten mit einem Hochrisiko-Score randomisiuert, während Patienten mit einem Niedrigrisiko-Score eine aktive Überwachung erhalten. Durch diese Studie könnte erstmals ein Genexpressionstest in die Versorgung des Melanoms eingeführt werden, wie dies seit einigen Jahren beispielsweise beim Brustkrebs bereits Anwendung findet.
Neoadjuvante Therapie
Neoadjuvante Therapieansätze sind beim fortgeschrittenen Melanom noch nicht so etabliert wie adjuvante Behandlungsstrategien, gehören aber zu den interessanten und vielversprechendsten Forschungsgebieten. Inzwischen gibt es beim Melanom eine Reihe von neoadjuvanten Studien, sowohl zur zielgerichteten Behandlung als auch zu Immuntherapien (Tab. 2) [13, 21–25].
Tab. 2 Aktuelle neoadjuvante Therapiestudien beim malignen Melanom. Mod. nach [13, 21–24].
Studie | (Kombinations-)Therapie | n | pCR % | RFS (Monate) | Nachbeobachtung (Monate) |
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Immunologische Therapien | |||||
Blank CU et al. [21] | Ipi/Nivo | 10 | 33 | NR | 32 |
Amaria RN et al. [22] | Ipi/Nivo | 12 | 25 | NR | 20 |
Nivo | 11 | 45 | NR | 20 | |
Huang AC et al. [23] | Pembrolizumab | 30 | 19 | NR | 18 |
Rozeman EA et al. [24] | Ipi/Nivo | 86 | 57 | NR | 8,3 |
Zielgerichtete Therapien | |||||
Amaria RN et al. [22] | Dabrafenib/Trametinib | 21 | 58 | 19,7 | 18,6 |
Long GV et al. [13] | Dabrafenib/Trametinib | 35 | 59 | 23,0 | 27,0 |
Nivo: Nivolumab; Ipi: Ipilimumab; pCR: pathologische Komplettremission; RFS: rezidivfreies Überleben |
Die meisten Studien sind so konzipiert, dass die aus der metastasierten Situation bewährten Therapien bei lokoregionärer Metastasierung präoperativ verabreicht werden. Dabei gibt man die Substanzen nur recht kurz, um im Anschluss operieren zu können, mit dem Ziel, kein Größenwachstum der Metastasen zu riskieren und die chirurgische Standardtherapie beizubehalten [22]. Dabei kommt der Frage nach der pathologischen Komplettremission (pCR) eine hohe Bedeutung zu [22, 26].
Eine neoadjuvante BRAF- und MEK-Inhibitor-Kombination wurde im Vergleich zu einer alleinigen Operation in einer randomisierten Phase-II-Studie evaluiert. Diese Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil das ereignisfreie Überleben in der Gruppe der neoadjuvant und nach der Operation zusätzlich adjuvant behandelten Patienten deutlich verlängert war [27].
Auch bei der Checkpoint-Blockade deuten präklinische Daten und mehrere kleine Studien darauf hin, dass eine Immuntherapie vor der Operation möglicherweise noch erfolgreicher sein könnte als eine danach [27]. Obwohl ein schnelles Ansprechen auf eine Anti-PD-1-Therapie bei bis zu 30 % der Patienten beobachtet wurde, z. T. sogar bereits nach einer einzelnen Dosis, gab es Bedenken bezüglich des Progressionsrisikos unter einer PD-1-Monotherapie [23]. Die kombinierte Blockade mit Standarddosen von Ipilimumab (3 mg pro Kilogramm Körpergewicht (KG)) und Nivolumab (1 mg pro Kilogramm) war zwar mit höheren Ansprechraten verbunden, zeigte aber auch eine klinisch relevante Toxizität. Die OpACIN-neo(Optimal Neo-adjuvant Combination Scheme of Ipilimumab and Nivolumab)-Studie mit Ipilimumab und Nivolumab verwendete ein modifiziertes Behandlungsschema (Ipilimumab 1 mg pro Kilogramm und Nivolumab 3 mg pro Kilogramm KG, mit zwei präoperativ verabreichten Dosen): Damit wurde eine Ansprechrate von 57 % bei moderater Toxizität erreicht [24]. Die laufende Studie PRADO (Personalized Response-Driven Adjuvant Therapy after OpACIN) evaluiert darüber hinaus, ob man das Ausmaß der chirurgischen Exzision nach neoadjuvanter Therapie möglicherweise reduzieren kann, ohne die Patienten einem erhöhten Rezidivrisiko auszusetzen.
Wie bei adjuvanten Ansätzen wurden auch in der Neoadjuvanz bisher keine direkten Vergleiche von zielgerichteten Therapien und Immuntherapien in der Adjuvanz durchgeführt. Allerdings stimmt die extrem niedrige Rate von beobachteten Rezidiven nach einem guten Ansprechen auf Checkpoint-Inhibitoren, die sich bei einzelnen Patienten in einer relevanten Verminderung der Tumorlast widerspiegelt, besonders hoffnungsfroh.
Fazit und Ausblick
Während die adjuvante Therapie bei resezierten Melanomen im Stadium III etabliert ist und weiterentwickelt wird, stellt die neoadjuvante Therapie des metastasierten Melanoms ein vielversprechendes Forschungsgebiet dar. Bisher gibt es keine zugelassene neoadjuvante Therapie, doch ist eine Anwendung innerhalb der zugelassenen Indikationen bei inoperablen Tumoren möglich. Eine neoadjuvante Studie mit niedrigdosiertem Ipilimumab (1 mg/kg KG) plus Nivolumab (3 mg/kg KG), gefolgt von der Operation ± einem Jahr adjuvanter Anti-PD-1-Therapie, ist auf dem Weg. Möglicherweise könnten neue Kombinationen von Checkpoint-Inhibitoren weitere zukünftige Therapieoptionen eröffnen.
Summary
While adjuvant therapy is already established in patients with resected stage III malignant melanoma, neoadjuvant therapy approaches are currently a partic-ularly fascinating and promising area of research in black skin cancer. The article summarizes the current state of knowledge and presents exciting new study data.
Keywords: malignant melanoma, adjuvant therapy, neoadjuvant therapy, targeted therapy, immunotherapy