Molekular basierte Behandlungsstrategien beim NSCLC mit Treiberalterationen

Die Entwicklung von molekular zielgerichteten, systemischen Therapien hat – ebenso wie moderne immunonkologische Optionen – zu großen Fortschritten bei der Behandlung von Patient:innen mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) geführt, speziell bei Tumoren mit nicht-squamöser Histologie. Solche präzisionsonkologischen Strategien sind bei vielen Betroffenen mit einem langfristigen Therapieansprechen und einem Überlebensvorteil im Vergleich zu einer zytostatischen Behandlung assoziiert. Im Laufe der Zeit entwickeln sich allerdings fast immer Resis­tenzen, die eine Anpassung der Behandlung erfordern.

Schlüsselwörter: NSCLC, Treiberalterationen, zielgerichtete Therapie, Präzisionsonkologie

Die Therapie von Krebserkrankungen hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten durch das zunehmende Wissen über die genetische Heterogenität von Tumoren enorm weiterentwickelt. Inzwischen ist bekannt, dass sich Tumoren der gleichen Histologie oftmals durch spezifische, meist genetisch bedingte Charakteristika unterscheiden, die gleichzeitig deren Achillesferse darstellen. Denn spezifische Medikamente nutzen genau diese Charakteristika aus, um damit assoziierte proliferative Mechanismen bestimmter Tumoren zu hemmen.

Das NSCLC mit Nicht-Plattenepithelkarzinom-Histologie darf in dieser Hinsicht als Modellerkrankung angesehen werden. Es sind zahlreiche molekularbiologische Targets bekannt (Abb. 1) [1], von denen bereits einige durch spezifische, bereits zugelassene Wirksubstanzen erfolgreich inhibierbar sind.

Es darf aber nicht vergessen werden, dass die Mehrheit der Patient:innen im Laufe der Zeit komplexe Resistenzmechanismen entwickelt, die den langfristigen Therapieerfolg gefährden. Die Entwicklung einer rationalen Sequenztherapie steht daher im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Ziel ist es, neue Mechanismen, die die Krebsprogression und/oder Therapieresistenz vorantreiben, zu entdecken, um auf dieser Basis neue Therapiestrategien zu entwickeln.

Dabei kommen innovative Gewebe- und Liquid-Biopsy-Technologien, moderne Sequenzierungstechniken sowie zellbasierte und andere Modelle zum Einsatz. Mögliche therapierelevante Targets werden präklinisch evaluiert und anschließend klinisch weiter geprüft.

Da eine molekulare Testung auf Treiberalterationen die Voraussetzung für eine zielgerichtete Therapie darstellt, empfehlen nationale und internationale Leitlinien, bei Erstdiagnose eines NSCLC vor der Erstlinientherapie eine molekulare Testung auf Biomarker durchzuführen [2–4]. Laut aktualisierter Onkopedia-Leitlinie (Stand Juli 2021) ist die Testung auf EGFR, ALK, ROS1, BRAF-V600E, NTRK und RET obligat [3]. Für zahlreiche weitere Alterationen wie HER2-Amplifikationen und -Mutationen, KRAS G12C-Mutationen sowie c-MET-Alterationen wie METex14-Skipping-Mutationen, Amplifikation und Fusionen werden laut Leitlinie spezifische Therapiekonzepte entwickelt. Dieser Hinweis ist teilweise schon überholt, denn inzwischen stehen auch zugelassene Optionen für METex14-Skipping-Mutationen und KRAS G12C-Mutationen zur Verfügung. Prätherapeutische molekulare Testungen betreffen die erste Behandlungslinie, sollten aber bei Resistenz gegen die gewählte zielgerichtete Therapie erneut durchgeführt werden, um die zugrundeliegenden Resistenzmechanismen zu identifizieren – die ihrerseits die Rezidivtherapie bestimmen [3]. Die folgende Übersicht fasst den aktuellen Wissensstand zum Umgang mit den wichtigsten therapeutisch adressierbaren Targets und den entsprechenden zugelassenen Substanzen (siehe auch Abb. 2) – in der Regel kleinmolekulare Inhibitoren von Rezeptor-Tyrosinkinasen – zusammen.

EGFR-Mutationen

Der Rezeptor für den epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) ist seit Längerem als Zielstruktur für eine molekular basierte Therapie beim NSCLC etabliert. Die häufigsten Treibermutationen im EGFR-Gen sind Deletionen in Exon 19 (Del19) bzw. die Punktmutation L858R in Exon 21. Diese „klassischen“ Mutationen machen gemeinsam 80–90 % aller EGFR-Mutationen aus [5, 6]. Die restlichen 10–20 % der EGFR-Mutationen umfassen sogenannte „seltene“ Mutationen; diese können alleine, aber auch gemeinsam mit anderen häufigen oder seltenen EGFR-Mutationen auftreten [7–10]. Überhaupt sind beim EGFR-mutierten NSCLC Komutationen, die den Therapieverlauf beeinflussen können – etwa Mutationen im TP53-Gen sowie in Genen, die mit dem WNT7/β-Catenin-Signalweg und dem Zellzyklus assoziiert sind – nicht selten [11].

Insgesamt sind mit Gefitinib, Erlotinib, Afatinib, Dacomitinib und Osimertinib inzwischen fünf EGFR-TKI bis zur dritten Medikamentengeneration zugelassen. EGFR-TKI der ersten Generation umfassen Gefitinib und Erlotinib, die ihre Aktivität bei NSCLC mit aktivierenden EGFR-Mutationen in randomisierten Studien versus Chemotherapie unter Beweis stellen konnten [12–14]. Allerdings entwickeln sich in der Regel unter der Therapie binnen eines Jahres Resistenzmutationen im EGFR-Gen [15].

TKI der zweiten Generation wie Afatinib und Dacomitinib sind irreversible Inhibitoren, die im EGFR-Molekül kovalent nahe der ATP-Bindungsstelle binden [16, 17]. Als einziger Drittgenerations-TKI ist bislang Osimertinib zugelassen. Dieser Inhibitor bindet ebenfalls kovalent an Cys797 im EGFR-Molekül, kann aber, anders als alle anderen TKI, auch die Resistenzmutation T790M adressieren, die unter einer Therapie mit Erst- und Zweitgenerations-TKI am häufigsten auftritt [3]. Insgesamt haben sich TKI der zweiten und dritten Generation gegenüber der ersten Medikamentengeneration hinsichtlich einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) als überlegen erwiesen, so etwa in der LUX-Lung 7-Studie mit Afatinib versus Gefitinib (PFS: HR 0,73; p = 0,0165) [18], in der ARCHER-1050-Studie mit Dacomitinib vs. Gefitinib (PFS: HR 0,59; p < 0,0001 [19, 20] und in der FLAURA-Studie mit Osimertinib versus Erlotinib oder Gefitinib (PFS: HR 0,46; p < 0,001 [21]. Zudem zeigte sich in den erwähnten Studien ein Trend zugunsten der zweiten und dritten Medikamentengeneration. Im Falle von Osimertinib war der Überlebensvorteil versus Erlotinib oder Gefitinib statistisch signifikant (HR 0,80; p = 0,046).

Die Datenlage für Patient:innen mit den seltenen, heterogenen EGFR-Mutationen ist deutlich schlechter als die für die klassischen Alterationen. Betroffene mit den seltenen EGFR-Mutationen G719X, L861Q und S768I sprechen auf EGFR-TKI an [9, 10], wobei die Datenlage für Afatinib und Osimertinib am besten ist [2, 3]. Exon-20-Insertionen können dagegen mit den üblichen TKI nicht angegangen werden. Seit Kurzem ist mit dem bispezifischen Antikörper Amivantamab eine Substanz zugelassen, die spezifisch auch diese Alterationen adressiert [9]. Sie wird bei Patient:innen mit aktivierenden Exon-20-Insertionsmutationen (Exon20ins) nach Versagen einer Platin-basierten Therapie eingesetzt. Grundlage der Zulassung waren die Ergebnisse der multizentrischen Multikohorten-Phase-I/Ib-Studie CHRYSALIS, in der nach einem medianen Follow-up von 9,7 Monaten eine Gesamtansprechrate von 40 % sowie ein medianes PFS von 8,3 Monaten und ein medianes OS von 22,8 Monaten erreicht wurden – bei handhabbarem Sicherheitsprofil [22]. In den USA ist darüber hinaus noch Mobocertinib zugelassen – eine Substanz, die ebenfalls spezifisch Exon20ins adressiert.

Beim EGFR-mutierten NSCLC ist mittlerweile eine sequentielle TKI-Therapie möglich. Es fehlen allerdings randomisierte Studien, um Aussagen zu einer optimalen Therapiesequenz machen zu können. Ausschlaggebend für die Therapieplanung sind sekundäre Resistenzen gegenüber der in der Erstlinie eingesetzten TKI [3]. Während bei Erst- und Zweitlinien-TKI mit Osimertinib adressierbare T790M-Mutationen häufig sind, ist das Resistenzprofil unter einer Erstlinienbehandlung mit Osimertinib heterogen und kann nur in seltenen Fällen mit zugelassenen Substanzen zielgerichtet weiterbehandelt werden [23]. Die Aufdeckung von Resistenzmechanismen nach EGFR-Erstlinientherapie und deren mögliche Adressierbarkeit in Folgelinien sind Gegenstand intensiver Forschungsarbeit. Auch die Beobachtung, dass in 5–10 % der Fälle eine histologische Änderung (SCLC-Transformation) eintritt, fließt in die Forschungstätigkeit ein.

ALK-/ROS-Translokationen

Neben den aktivierenden EGFR-Mutationen spielen beim nicht-squamösen NSCLC auch Translokationen eine Rolle, an denen beispielsweise das Gen für die anaplastische Lymphomkinase (ALK) und in einem geringeren Ausmaß auch das Gen für das c-ros oncogene 1 (ROS1) beteiligt sein könnten. Innerhalb von weniger als 10 Jahren wurden insbesondere für die ALK-Kinase bereits drei Generationen von Inhibitoren entwickelt, von denen mittlerweile fünf für die klinische Anwendung zugelassen sind: der Erstgenerations-ALK-Inhibitor Crizotinib, die Zweitgenerations-Inhibitoren Alectinib, Ceritinib und Brigatinib sowie der Drittgenerations-Inhibitor Lorlatinib. Einige dieser ALK-Inhibitoren sowie einige weitere Substanzen wirken auch bei Tumoren mit ROS1-Translokation und haben zum Teil eine Zulassung dafür. Im klinischen Alltag werden heute bei Ersteinstellung die ALK-TKI der zweiten Generation häufig gegenüber Crizotinib bevorzugt.

Der Erstgenerations-Inhibitor Crizotinib konnte seine Aktivität in der Phase-III-Studie PROFILE bei ALK-positiven Patient:innen nach Platin-basierter Chemotherapie gegen Pemetrexed oder Docetaxel (mPFS 7,7 vs. 3,0 Monate; HR 0,49; p < 0,001) [24] und später auch in der Phase-III-Studie PROFILE 1014 in der Erstlinie versus Pemetrexed plus Platin (mPFS 10,9 vs. 7,0 Monate; HR 0,45; p < 0,001) unter Beweis stellen, wenngleich kein signifikanter Überlebensvorteil dokumentiert wurde; dies wurde auf die hohe Cross-over-Rate von Betroffenen  in den TKI-Arm im Verlauf der Behandlung zurückgeführt [25].

Der Zweitgenerations-ALK-TKI Ceritinib, der auch die ROS1-Kinase hemmt, wurde in den Phase-III-Studien ASCEND-5 und ASCEND-4 bei vorbehandelten bzw. neu diagnostizierten Patient:innen randomisiert gegen Chemotherapien geprüft. Bei den therapienaiven Erkrankten wurde die PFS-Dauer von median 8,1 auf 16,6 Monate verdoppelt (HR 0,55; p < 0,00001) [26]. Basierend auf diesen Daten ist Ceritinib als Monotherapie sowohl für therapienaive als auch für mit Crizotinib vorbehandelte Erkrankte mit ALK-positivem NSCLC zugelassen. Die Studie ASCEND-7 belegte zudem eine Wirksamkeit bei Hirnmetastasen, die Betroffene mit, insbesondere aber ohne Vorbehandlung betraf [27].

Ein weiterer hochpotenter ALK-TKI ist Alectinib, der in zwei Phase-III-Studien seine Wirksamkeit in der Erstlinie zeigen konnte:  In der ALEX-Studie verlängerte der Zweitgenerations-TKI die PFS-Zeit von median 10,9 auf 34,8 Monate gegenüber Crizotinib (HR 0,50; p < 0,001) [28, 29]. Eine spätere Auswertung belegte auch einen Überlebensvorteil für Alectinib (HR 0,67), der aufgrund des Studiendesigns aber nicht formal- statistisch belegbar war [28]. In der ALEX-Studie wurde zudem ein ausgeprägtes intrakranielles Ansprechen gezeigt: 59 % der Patient:innen mit Hirnmetastasen zeigten unter Alectinib ein ZNS-Ansprechen > 12 Monate versus 36 % unter Crizotinib [28], verbunden mit einem deutlichen Vorteil beim PFS (HR 0,43) und OS (HR 0,67) [30].

Der dritte Zweitgenerations-ALK-TKI Brigatinib zeichnet sich durch eine breite Wirksamkeit gegen zahlreiche resistenzvermittelnde ALK-Mutationen aus und hemmt auch ROS1 [31, 32]. Möglicherweise ist diese Wirksamkeit gegenüber resistenten Tumorklonen auch für die sehr guten Daten der randomisierten Phase-II-Studie ALTA verantwortlich, in der gegen Crizotinib resistente Erkrankte mit ALK-positivem NSCLC eine Ansprechrate von 54 % und ein medianes PFS von 12,9 Monaten (bei unabhängiger Begutachtung sogar 15,6 Monate) erzielten [32]. Eine einarmige Phase-II-Studie mit Betroffenen, die unter Alectinib oder Ceritinib progredient waren, läuft derzeit [33]. In der ALTA-Studie hatte sich zudem eine ausgeprägte intrakranielle Wirksamkeit bei Crizotinib-resistenten Erkrankten mit Hirnmetastasen gezeigt (medianes intrakranielles PFS 18,4 Monate). Auf Basis dieser Studie wurde Brigatinib für Crizotinib-resistente Patient:innen zugelassen; die Zulassungserweiterung  für die Erstlinie basierte auf den Daten der Phase-III-Studie ALTA1L (medianes PFS 24,0 vs. 11,0 Monate; HR 0,49; p < 0,0001) [34, 35]. Die intrakranielle PFS-Rate nach 2 Jahren bei Patient:innen mit Hirnmetastasen bei Therapiebeginn betrug 48 % unter Brigatinib versus 15 % unter Crizotinib [34].

Der erste Drittgenerations-ALK-Inhibitor Lorlatinib, der auch ROS1 inhibiert, wurde entwickelt, um zum einen gegen Resistenzmutationen gegenüber anderen ALK-TKI wirksam zu sein – einschließlich der G1202R-Mutation [36, 37] – und zum anderen um die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. In einer Phase-I/II-Studie, in der viele stark vorbehandelte Erkrankte und solche mit Hirnmetastasen eingeschlossen waren, zeigten 42,9 % nach Vorbehandlung mit einem ALK-TKI und 39,6 % nach mindestens zwei ALK-TKI ein Ansprechen [38]. Lorlatinib wurde daher zunächst zugelassen für Patient:innen, deren Erkrankung nach Alectinib oder Ceritinib als erste Therapie mit ALK-Inhibitoren oder nach Crizotinib und mindestens einem anderen ALK-Inhibitor fortgeschritten ist. Die Erstlinien-Wirksamkeit des ALK-TKI, die zur Zulassungserweiterung führte, wurde in der globalen Phase-III-Studie CROWN evaluiert. Beim primären Endpunkt PFS war der Medianwert nach eineinhalb Jahren im Lorlatinib-Arm noch nicht erreicht, für Crizotinib lag er bei 9,3 Monaten. Das Risiko für Progression oder Tod war unter Lorlatinib um beinahe drei Viertel reduziert (HR 0,28; p < 0,001), das Risiko für einen Progress im Gehirn um 93 % (HR 0,07) [39].

Die positiven Daten konnten durch die jüngst vorgestellten 3-Jahres-Daten der CROWN-Studie erneut untermauert werden. Auch nach einem medianen Follow-up von 36,7 Monaten war das mediane PFS im Lorlatinib-Arm noch nicht erreicht gegenüber 9,3 Monaten im Vergleichsarm mit Crizotinib (HR 0,27); die 3-Jahres-PFS-Rate lag bei 63,5 %. Auch die erstaunliche intrakranielle Aktivität des Drittgenerations-TKI konnte bestätigt werden, von der nicht nur Erkrankte mit Hirnmetastasen zu Therapiebeginn profitierten, sondern auch jene, die initial noch keine zerebralen Filiae aufwiesen. Nur einer von 112 Betroffenen ohne Baseline-Hirnmetastasen zeigte im Behandlungsverlauf eine intrakranielle Progression (versus 25 von 108 unter Crizotinib) – was nahelegt, dass Lorlatinib nicht nur die Progression bestehender Hirnmetastasen hemmt, sondern auch vor der Entwicklung neuer Hirnmetastasen schützt [40].

In Tab. 1 sind die Daten zur Wirksamkeit der ALK-TKI der nächsten Generation aus den jeweiligen zulassungsrelevanten Studien zusammengefasst [41].

Tab. 1 Ansprechen auf ALK-Inhibitoren der nächsten Generation. Mod. nach [41]. 

 

Alectinib

Brigatinib

Ceritinib

Lorlatinib

Klinische Studie

ALEX [28, 30]

ALTA-1L [34, 35]

ASCEND-4 [26]

CROWN [39]

Objektive Ansprechrate (%)

82,9

74

72,5

76

Mediane Ansprechdauer

(Monate)

Nicht erreicht

33,2

23,9

Nicht erreicht

Medianes PFS

(zentraler Review, Monate)

25,7

24,0

16,6

Nicht erreicht

Medianes PFS

(Urteil der Prüfärzte, Monate)

34,8

30,8

16,8

Nicht erreicht

HR für Progression oder Tod

0,47

0,48

0,55

0,28

OS-Raten (%)

5-Jahres-OS

62,5 %

3-Jahres-OS

71 %

2-Jahres-OS

70,6 %

Nicht analysiert

Zur Behandlung von ROS1-Translokationen ist neben Crizotinib [42] auch die Substanz Entrectinib zugelassen, und zwar bei Patient:innen ohne ROS1-Inhibitor-Vortherapie. In den Phase-I- und -II-Studien STARTRK-1, STARTRK-2 und ALKA-372-001 waren u. a. auch Erkrankte mit fortgeschrittenem ROS1-Fusions-positivem NSCLC eingeschlossen. Bei TKI-naiven, aber mit Chemotherapie vorbehandelten Erkrankten lag die Ansprechrate bei 79,2 % bei einer medianen Ansprechdauer von 24,6 Monaten, wobei sich auch ein intrakranielles Ansprechen zeigte [43].

BRAF-Mutationen

Beim NSCLC wird lediglich in 1–2 % der Fälle eine BRAF-Mutation nachgewiesen (Abb. 1). Bei etwa der Hälfte handelt es sich um V600-Mutationen [44]. Das BRAF-mutierte NSCLC scheint eine heterogene Erkrankung mit drei verschiedenen funktionellen Klassen oder Subtypen zu sein, die sich auch in ihrer Aggressivität und ihrer Prognose unterscheiden [45]. Bei einer molekular nachgewiesenen BRAF-V600-Mutation sollte bei Tumoren im Stadium IV eine Therapie mit dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib und dem MEK-Inhibitor Trametinib angeboten werden [3]. Diese derzeit einzige zugelassene, zielgerichtete Therapie in dieser Indikation kann in der Erst- oder Zweitlinie eingesetzt werden [3].

RET-Fusionen

RET-Fusionen werden bei etwa 2 % der NSCLC-Patient:innen nachgewiesen, vor allem bei Nichtraucher:innen oder leichten Raucher:innen. Als gezielte Therapie bei fortgeschrittenen RET-Fusions-positiven NSCLC stehen zwei selektive RET-Inhibitoren zur Verfügung.

Als erster RET-Inhibitor wurde im Februar 2021 Selpercatinib als Monotherapie nach Platin-basierter Chemotherapie und/oder nach Immuntherapie zugelassen. Basis der Zulassung war die Phase-I/II-Studie LIBRETTO-001, in der der Inhibitor beim fortgeschrittenen RET-Fusions-positiven NSCLC entweder nach oder ohne vorangegangene Platin-basierte Chemotherapie geprüft wurde. Es wurde in der Studie eine Ansprechrate von 64 % erreicht, bei einer medianen Ansprechdauer von 17,5 Monaten. Zudem wurde eine gute intrakranielle Wirksamkeit bei ZNS-Metastasen beobachtet [46].

Im November 2021 folgte die Zulassung für den zweiten selektiven RET-Inhibitor Pralsetinib, der auch in der ersten Therapielinie eingesetzt werden kann. Die Zulassung stützt sich auf die Ergebnisse der unverblindeten Phase-I/II-Multi-Kohorten-Studie ARROW, in die auch Erkrankte mit RET-Fusions-positivem NSCLC eingeschlossen waren. Es wurde eine Ansprechrate von 61 % erreicht, darunter 6 % komplette Remissionen. Bei den therapienaiven Patient:innen lag die Ansprechrate bei 70 % mit 11 % kompletten Remissionen [47]. Die derzeit laufende randomisierte, unverblindete Phase-III-Studie AcceleRET vergleicht in dieser Indikation Pralsetinib mit Platin-basierter Chemotherapie als Erstlinientherapie.

NTRK-Fusionen

Fusionen der neurotrophen Tyrosin-Rezeptor-Kinase(NTRK)-Gene führen zur Expression von TRK-Fusionsproteinen, die Tumor- und Histologie-agnostisch den primären onkogenen Treiber bei TRK-Fusionstumoren darstellen. TRK-Inhibitoren sind eine neue, wirksame Behandlungsoption bei nachgewiesenen NTRK-Genfusionen in Tumorzellen, die in einer Häufigkeit von < 1 % auch beim NSCLC detektiert werden. Die Substanzen inhibieren die Signalübertragung der drei TRK-Proteine A, B und C und sind durch hohe Ansprechraten und einen schnellen Wirkeintritt gekennzeichnet [48]. Mit Larotrectinib und Entrectinib sind zwei Kinase-Inhibitoren zugelassen. In den jeweiligen Zulassungsstudien wurden indikationsübergreifend für Larotrectinib anhaltende Ansprechraten von 75 % [49] und für Entrectinib von 57 % erzielt [50]. Anders als Larotrectinib ist Entrectinib auch bei ROS1-Fusionen wirksam (s. o.).

METex14-Skipping-Mutationen

METex14-Skipping-Mutationen finden sich bei 3–4 % aller NSCLC-Fälle, vor allem bei älteren, nicht rauchenden weiblichen Patientinnen mit Adenokarzinomen [51, 52]. Mit Tepotinib steht seit Kurzem erstmals ein spezifischer Inhibitor zur Verfügung, der als Monotherapie zur Therapie von NSCLC mit METex14-Skipping-Mutationen nach vorausgegangener Immuntherapie und/oder Platinhaltigen Chemotherapie zugelassen ist. Zulassungsrelevant waren die Daten der Phase-II-Studie VISION, in der unter dem Einfluss von Tepotinib eine Remissionsrate von 46 % bei beherrschbarem Sicherheitsprofil erreicht wurde [51].

Darüber hinaus befindet sich auch der Inhibitor Capmatinib in fortgeschrittener klinischer Prüfung. In der Phase-II-Kohortenstudie GEOMETRY mono-1 wurden Ansprechraten von 41 % bei vorbehandelten und 68 % bei therapie-naiven Patient:innen dokumentiert [53]. Die EU-Zulassung wird zeitnah erwartet.

KRAS G12C-Mutation

Beim NSCLC stellen aktivierende Mutationen im KRAS(Kirsten rat sarcoma viral oncogene homologue)-Gen mit einem Anteil von 35 % die häufigste onkogene Treibermutation dar (Abb. 1), unter denen wiederum die KRAS G12C-Treibermutation, bei der im Codon 12 ein Guanin- gegen einen Cytosin-Rest ausgetauscht ist, die häufigste Variante ist. Sie betrifft etwa 13 % der NSCLC [54, 55]. Ausgerechnet diese häufige Treiberalteration war über Jahrzehnte therapeutisch nicht adressierbar, denn das mutierte KRAS-Protein galt wegen seiner komplexen Struktur und des durch die Aktivierung äußerst dynamischen Wachstumsmechanismus als „undruggable“ [56]. Mit Sotorasib steht seit Januar 2022 erstmals ein spezifischer KRAS G12C-Inhibitor nach mindestens einer systemischen Vortherapie zur Verfügung. Die Zulassung beruht auf den Daten der einarmigen Phase-I/II-Studie CodeBreaK 100, in der Sotorasib bei immun- und/oder chemotherapeutisch vorbehandelten Patient:innen, die fast ausnahmslos aktive oder ehemalige Raucher:innen waren, eine objektive Ansprechrate von 37,1 % erreicht [57]. Dieses über median 11,1 Monate anhaltende Ansprechen ebenso wie ein medianes PFS von 6,8 Monaten, ein medianes Gesamtüberleben von 12,5 Monaten und eine Krankheitskontrollrate von 80,6 % stellen eine relevante Therapieverbesserung im Vergleich zu historischen Kontrollen unter einer Mono-Chemotherapie dar. Einem aktuellen Update der CodeBreaK-100-Studie zufolge lag die 2-Jahres-Überlebensrate bei 32,5 % [58].

Fazit und Ausblick

Es ist beeindruckend, welche Entwicklung der diagnostische und therapeutische Fortschritt beim NSCLC in den vergangenen Jahren genommen hat und wie er zu einer z. T. erheblichen Prognose-Verbesserung für unsere Patient:innen beigetragen hat.

Das Spektrum an therapierbaren Mutationen beim NSCLC wird derzeit durch zahlreiche Studien erweitert. So werden auch Therapieansätze bei weiteren molekularen Alterationen wie HER2, anderen KRAS-Mutationen oder FGFR untersucht. Neben kleinmolekularen Inhibitoren wie TKI werden auch andere Ansatzwege wie Antikörper oder Antikörper-Drug-Konjugate eingesetzt, die in ersten Studien sehr vielversprechende Daten erbracht haben. Schließlich werden zunehmend neue zielgerichtete Ansätze bei Resistenzsituationen bedeutsam; aus diesem Grund wird eine Testung auf molekulare Veränderungen nicht nur zu Therapiebeginn, sondern auch im weiteren Verlauf immer wichtiger werden. Dies umfasst auch cDNA-Untersuchungen im Blut (Liquid Biopsy). Daher sollten Behandler:innen und Patient:innen ermutigt werden, sich über mögliche Studienoptionen in akzeptabler Nähe zu informieren. Die Diagnostik und die Therapie des NSCLC werden somit immer komplexer, und sie erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen und meist auch zwischen unterschiedlichen Kliniken.