Malignes Pleuramesotheliom: Neue Behandlungsoptionen für die Erstlinie

Mit rund 1.000 Neuerkrankungen jährlich zählt das meist durch Asbestexposition verursachte maligne Pleuramesotheliom (MPM) zu den seltenen Krebserkrankungen. Gleichzeitig stellt das MPM eines der häufigsten berufsbedingten Malignome dar [1] und wird von den Unfallversicherungsträgern als Berufskrankheit Nr. 4105 anerkannt [2]. Mit einer Inzidenz von 2,6 pro 100.000 Einwohner:innen sind Männer im Vergleich zu Frauen (0,7 pro 100.000 Einwohner:innen) deutlich häufiger betroffen [3]. Zur Behandlung des lokalisierten Pleuramesothelioms kann eine multimodale Therapie angeboten werden; im Falle nicht-resezierbarer Tumoren steht seit Kurzem eine neue immunonkologische Therapieoption zur Verfügung.

Beim MPM besteht ein großer medizinischer Bedarf an neuen Behandlungsoptionen, denn mit den bisher verfügbaren Therapien ist die Prognose der Patient:innen ungünstig. Die relativen 5-Jahres-Überlebensraten liegen bei 8 % für Männer bzw. 13 % für Frauen [4]. Zu den ungünstigen Überlebensaussichten trägt auch bei, dass die Erkrankung meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird [3], weil sie über einen langen Zeitraum symptomlos bleibt [1]. Das MPM wird in 90 % der Fälle von einer früheren, meist beruflich bedingten Asbestexposition verursacht [1].

Beim MPM werden vorwiegend drei histopathologische Subtypen unterschieden, die mit einer unterschiedlichen Prognose assoziiert sind. Der mit einem Anteil von 50–60 % häufigste epitheloide Subtyp geht mit einer historisch vergleichsweise günstigen Prognose einher (1-Jahres-Gesamtüberleben (OS) 55 %), während die Überlebensaussichten von Patient:innen mit sarkomatoidem Subtyp (Anteil 10–20 %) bislang sehr ungünstig waren (1-Jahres-OS-Rate 12 %). Beim biphasischen Subtyp (Anteil 20–30 %), der beide histologischen Komponenten beinhaltet, liegt die Prognose zwischen der des epitheloiden und des sarkomatoiden Subtyps (1-Jahres-OS-Rate 38 %) [4, 5].

Beim lokalisierten Befund kann in Abhängigkeit vom histologischen Subtyp und dem Allgemeinzustand des/der Patient:in eine multimodale Therapie, bestehend aus operativer Resektion und systemischer Behandlung, angeboten werden [1]. In jüngster Zeit hat sich mit einer dualen Checkpoint-Inhibition eine neue zugelassene Therapieoption in der Erstlinientherapie des nicht-resezierbaren Pleuramesothelioms ergeben, die in der Zulassungsstudie mit einem relevanten Überlebensvorteil für betroffene Patient:innen einherging [6]. Weitere immunonkologische Behandlungsstrategien werden aktuell im Rahmen klinischer Studien geprüft (s. u.).

Komplexe Behandlungsoptionen

Das MPM sollte aufgrund der Seltenheit seines Auftretens, aber auch wegen der komplexen Behandlungsstrategien bevorzugt in einem spezialisierten Zentrum mit besonderer Expertise für diese Tumorentität behandelt werden [4]. Seit 2021 können Lungenkrebszentren von der Deutschen Krebsgesellschaft zusätzlich als Mesotheliom-Einheit akkreditiert werden (https://www.oncomap.de/centers?selectedOrgan=Mesotheliom). Auf diese Weise ist sichergestellt, dass betroffene Patient:innen umfassend über mögliche Therapieoptionen und das jeweilige Nebenwirkungsmanagement informiert und beraten werden sowie ggf. an einer klinischen Studie teilnehmen können.

Die Behandlung besteht üblicherweise aus einer systemischen Therapie, die in früheren Krankheitsstadien mit einer Operation ergänzt werden kann [1].

Chirurgie

Bei vorliegender Resektabilität ist die chirurgische Intervention ein wichtiger Bestandteil der multimodalen Therapie, vor allem für Patient:innen, die an einem epitheloiden Mesotheliom erkrankt sind. Wegen des diffusen anatomischen Wachstums des Tumors ist allerdings eine R0-Resektion mit weitem Sicherheitsabstand – wie sie bei anderen soliden Tumoren üblich ist – kaum zu erreichen [1]. Ziel des operativen Eingriffs ist demnach die makroskopische Tumorfreiheit. Diese erfolgt durch visuelle intraoperative Abschätzung vonseiten der Chirurgin/des Chirurgen (angestrebt wird ein Tumorrest von < 1 cm nach der Resektion) und ist mit einer hohen Rezidivgefahr verbunden [1, 7].

Vor der Operation sind ein initiales Staging mittels CT Thorax/Abdomen sowie ein endobronchialer Ultraschall (EBUS) zur Abklärung der Resektabilität und zur histologischen Sicherung sinnvoll [1]. Ein Pleuraerguss sollte, bei gleichzeitigem Verdacht auf das Vorliegen eines Pleuramesothelioms, mittels Video-assistierter Thorakoskopie (VATS) mit Pleurabiopsie abgeklärt werden, um eine suffiziente histologische Diagnose zu ermöglichen [8].

Bei klinischem und/oder radiologischem Verdacht auf das mögliche Vorliegen eines Pleuramesothelioms ist eine histologische Abklärung mittels VATS ebenfalls das Mittel der Wahl. Die Entscheidung für oder gegen eine Operation sowie der Operationserfolg hängen auch vom histologischen Subtyp ab: Beim epitheloiden Subtyp ist das postoperative Überleben mit median 20 Monaten besser als beim biphasischen (ca. 13 Monate) oder sarkomatoiden Subtyp (ca. 8 Monate) [9] (Abb. 1).

Vor einer geplanten kurativ intendierten chirurgischen Therapie kann eine Ergänzung des Stagings durch eine PET-CT sinnvoll sein [10, 11].

Die lungensparende Pleurektomie-Dekortikation (P/D) mit kompletter Entfernung der parietalen und viszeralen Pleura bei Erhalt von Perikard und Zwerchfell oder die erweiterte P/D mit ggf. Perikardektomie und/oder Diaphragmektomie kann als Standard der operativen Therapie angesehen werden, wohingegen die extrapleurale Pneumektomie (EPP) – von individuellen Therapieentscheidungen abgesehen – außerhalb von klinischen Studien kaum noch zum Einsatz kommt [12].

Die P/D wird häufig bevorzugt, weil sie im Vergleich zur EEP mit einer geringeren postoperativen Letalität verbunden ist (7 % vs. 4 %) und die EEP in Studien keine Vorteile hinsichtlich des Langzeitüberlebens erbrachte [13]. Darüber hinaus wird der chirurgische Eingriff in der Regel von einer perioperativen – neoadjuvanten oder adjuvanten – systemischen Chemotherapie flankiert [1].

Chemotherapie: Systemische Behandlung in lokalisierter und fortgeschrittener Krankheitssituation

In der neoadjuvanten und adjuvanten Therapiesituation ist eine Kombinationstherapie bestehend aus (Cis-)Platin und Pemetrexed der Therapiestandard [7, 14]. Bei nicht-operablen MPM wird in der Regel eine systemische Therapie im Erstliniensetting in palliativer Intention eingeleitet. Therapieziele sind das Erreichen einer Symptomkontrolle und das Gewinnen von mehr Lebenszeit für die Patient:innen – bei bestmöglichem Erhalt der Lebensqualität [7, 14].

Seit 2003 war die Kombinations-Chemotherapie aus Platin/Pemetrexed bis vor Kurzem für alle histologischen Subtypen des MPM der Therapiestandard [1], ggf. ergänzt durch den antiangiogenen Antikörper Bevacizumab (Off-Label-Use). In der zulassungsrelevanten EMPHACIS-Studie war im Vergleich zu einer Monotherapie mit Cisplatin ein relevanter Überlebensvorteil für diese Kombination dokumentiert worden (medianes OS 12,1 vs. 9,3 Monate; p = 0,020) [15]. Eine Erhaltungstherapie mit Pemetrexed ist kein Therapiestandard und wird nicht allgemein empfohlen [7, 14].

Durch Ergänzung des für diese Indikation nicht zugelassenen Anti-VEGF-Antikörpers Bevacizumab zu Cisplatin/Pemetrexed mit anschließender Bevacizumab-Erhaltungstherapie konnte in der MAPS-Studie eine weitere Verlängerung des medianen OS um 2,7 Monate erreicht werden (18,8 vs. 16,1 Monate; HR 0,77; p = 0,0167), doch traten auch häufiger höhergradige Hypertonien, Proteinurien und thrombotische Ereignisse auf [16].

Immunonkologische Therapie als neue systemische Erstlinientherapie

In einer kürzlich präsentierten randomisierten Phase-III-Studie (CheckMate- 743) beim nicht-resezierbaren MPM konnte erstmals die Überlegenheit der dualen Kombination aus dem PD-1-Inhibitor Nivolumab (360 mg q3w) und dem CTLA4-Inhibitor Ipilimumab (1 mg/kg q6w) im Vergleich zu einer Chemotherapie mit Platin/Pemetrexed gezeigt werden [6].

Im Rahmen der Studie war unter der dualen Checkpoint-Inhibition im Vergleich zur Chemotherapie ein signifikanter, klinisch relevanter OS-Vorteil dokumentiert worden (medianes OS 18,1 vs. 14,1 Monate; HR 0,74; 96,6 %-KI 0,60–0,91; p = 0,0020), mit einer 2-Jahres-OS-Rate von 41 % vs. 27 % [6].

Der Überlebensbenefit zugunsten der dualen Immuntherapie war bei nicht-epitheloider Histologie besonders ausgeprägt (mOS 18,1 vs. 8,8 Monate; HR 0,46; 2-Jahres-OS-Rate 38 % vs. 8 %), zeigte sich aber auch bei epitheloiden MPM-Subtypen – hier jedoch statistisch nicht signifikant (18,7 vs. 16,5 Monate; HR 0,86; 2-Jahres-OS-Rate 42 % vs. 33 %; Abb. 2).

Auch der PD-L1-Expressionsstatus wirkte sich auf die Therapieergebnisse aus: Bei positivem PD-L1-Status wurde eine bedeutsame Verbesserung des mOS erreicht (18,0 vs. 13,3 Monate; HR = 0,69), während sie bei fehlender Expression (PD-L1 < 1 %) marginal war (17,3 vs. 16,5 Monate; HR = 0,94) [6].

Auf Basis der Studiendaten wurde 2021 die Zulassung für Nivolumab in Kombination mit Ipilimumab für die Erstlinientherapie des nicht-resezierbaren malignen Pleuramesothelioms bei Erwachsenen erteilt. Die Kombination darf für die nicht-epithelialen Histologien im nicht-operablen Stadium und bei fehlenden Kontraindikationen durch Komorbiditäten als neuer medikamentöser Erst-linienstandard angesehen werden. Bei epitheloider Histologie kann die duale Immuntherapie als mögliche Alternative zur Kombinations-Chemotherapie angedacht werden [17].

Die Symptombelastung und die Lebensqualität der Patient:innen waren in der CheckMate-743-Studie zugunsten der Kombination, bestehend aus Nivolumab und Ipilimumab, günstiger, jedoch zeigte sich gerade in den ersten 6–7 Monaten ein höheres Progressionsrisiko im Checkpoint-Inhibitor-Arm der Studie [6, 18]. Bei Patient:innen, die an einem PD-L1- negativen, epitheloiden MPM erkrankt sind, sollte bei hohem Remissionsdruck somit die zytostatische Therapie, bestehend aus Platin und Pemetrexed, angedacht und diskutiert werden. Zusammenfassend bleibt jedoch festzuhalten, dass mit der dualen Immuntherapie erstmals nach über 15 Jahren eine weitere potente systemische Therapieoption für das MPM zur Verfügung steht.

Ein vergleichbarer Ansatz wurde in zwei Phase-II-Studien evaluiert. In der NIBIT-MESO-1-Studie wurden unter einer Behandlung mit dem PD-L1-Inhibitor Durvalumab zusammen mit dem CTLA4-Inhibitor Tremelimumab eine Ansprechrate von 28 %, eine Krankheitskontrollrate von 65 % sowie ein medianes OS von 16,6 Monaten erreicht [19]. In der INITIATE-Studie – auch da wieder mit der Kombinationstherapie aus Nivolumab und Ipilimumab – waren die Therapieergebnisse in einem hier jedoch vorbehandelten Patientenkollektiv (Zweitlinientherapie und höher) ähnlich; das mediane OS wurde dort im Beobachtungszeitraum nicht erreicht [20].

Ebenfalls erfolgversprechend erscheint der Ansatz der Phase-II-Studie PrE0505, in der der PD-L1-Inhibitor Durvalumab in Kombination mit Cisplatin und Pemetrexed gefolgt von einer Durvalumab-Erhaltungstherapie als Erstlinientherapie beim nicht-resezierbaren MPM getestet wurde. Es wurde ein medianes OS von 20,4 Monaten (im Vergleich zu 12,1 Monaten bei historischen Kontrollen) erreicht [21].

Darüber hinaus rekrutieren inzwischen mehrere Phase-III-Studien mit anderen immunonkologischen Kombinationen, die beispielsweise Kombinationen aus Chemo- und Immuntherapie wie Cisplatin/Pemetrexed/Durvalumab (NCT04334759), Cisplatin/Pemetrexed/Pembrolizumab (NCT02784171) oder die Vierfachkombination Cisplatin/Peme-trexed/Bevacizumab/Atezolizumab (NCT03762018) in der Erstlinie evaluieren [22]. In die Studie NCT02784171 können auch vorbehandelte Patient:innen eingeschlossen werden, sofern ihre Chemotherapie mehr als 12 Monate zurückliegt. Die Ergebnisse dieser Studien werden mit Spannung erwartet. Die „Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO)“ der Deutschen Krebsgesellschaft führt zudem mit der NICITA-Studie (NCT04177953) eine Phase-II-Studie zum Stellenwert von Nivolumab in der adjuvanten Therapie beim MPM in Deutschland durch.

Behandlung in späteren Therapielinien

Kommt es unter der Erstlinienbehandlung zu einem Progress, kann eine Zweitlinienbehandlung eingeleitet werden. Für das MPM ist allerdings bislang kein durch randomisierte Studien eta-blierter Therapiestandard und auch keine Leitlinienempfehlung für die Zweitlinientherapie verfügbar [1]. Bei einem Zurückliegen der ersten Therapie mit Platin und Pemetrexed von mindestens sechs Montaten kann eine Re-Exposition mit Cisplatin und Pemetrexed angedacht werden. Als Alternative kann eine Therapie mit Gemcitabin und Vinorelbin (allein oder in Kombination), mit Epirubicin oder auch ein genehmigter Off-label-Use von Checkpoint-Inhibitoren erfolgen. Phase-III-Daten liegen etwa durch die CONFIRM-Studie vor, in der Nivolumab als Monotherapie versus Placebo beim rezidivierten MPM geprüft wurde. Der Checkpoint-Inhibitor erwies sich der Placebomedikation im Hinblick auf das Überleben als überlegen (medianes OS 9,2 vs. 6,6 Monate; HR 0,72; p = 0,018) [23]. Positive Phase-II-Daten in der Rezidivsituation liegen auch aus der italienischen RAMES-Studie für die Kombination aus dem antiangiogenen Antikörper Ramucirumab in Kombination mit Gemcitabin versus Placebo/Gemcitabin vor. Auch hier war ein deutlicher Überlebensbenefit zugunsten der experimentellen Kombination Ramucirumab/Gemcitabin zu beobachten (medianes OS 13,8 vs. 7,5 Monate; HR 0,71; p = 0,057) [24].

Fazit und Ausblick

Für die nicht-resezierbare Krankheitssituation beim MPM steht nun nach mehr als 15 Jahren mit Nivolumab und Ipilimumab eine neue Therapieoption zur Verfügung. Es bleibt abzuwarten, ob eine Kombination aus Checkpoint-Inhibitoren und zytostatischer Chemotherapie das gerade zu Therapiebeginn erhöhte Progressionsrisiko, ähnlich wie beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom, reduzieren kann. Ebenso muss der Stellenwert von Checkpoint-Inhibitoren in der neoadjuvanten und adjuvanten Therapiesituation noch abschließend untersucht werden.

Autoren
Dr. med. Martin Metzenmacher
Innere Klinik (Tumorforschung)
Universitätsmedizin Essen
Dr. rer. nat. Claudia Schöllmann
Dr. med. Gregor Zaun
Innere Klinik (Tumorforschung)
Universitätsmedizin Essen
Dr. med. Rajiv Shah
Thoraxklinik
Universitätsklinikum Heidelberg
PD Dr. med. Wilfried E. E. Eberhardt
Innere Klinik (Tumorforschung) Universitätsmedizin Essen
Abteilung für thorakale Onkologie Ruhrlandklinik Essen
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