Lymphome: CAR-T-Zellen auf dem Vormarsch

Von post-pandemischer Normalität konnte noch keine Rede sein; aber wer wollte, musste immerhin vergangenen Dezember nicht vor dem Computer ausharren, sondern konnte nach Atlanta fliegen und den ASH-Kongress live erleben – und vor allem die persönlichen Kontakte mit Kollegen pflegen, die ein ganz besonders wichtiger Aspekt solcher Veranstaltungen sind. Zum Thema Lymphome war die gewohnte Vielfalt geboten – auffallend war vielleicht der immer größer werdende Anteil an Vorträgen, die sich Therapien mit genetisch veränderten Zellen widmeten. Die folgende Auswahl ist nicht erschöpfend, sollte aber einigermaßen repräsentativ sein.

Schlüsselwörter: Hodgkin-Lymphom, aggressive B-Zell-Lymphome, indolente B-Zell-Lymphome, ZNS-Lymphome, Brentuximab Vedotin, Pembrolizumab, Nivolumab, Lenalidomid, Axicabtagen Ciloleucel, Epcoritamab, Tisagenlecleucel, Rituximab, Polatuzumab Vedotin, Glofitamab, Mosunetuzumab,Obinutuzumab, Vemurafenib, Biosimilars

Hodgkin-Lymphom

Welche Salvage-Therapien schneiden am besten ab?

Beim Hodgkin-Lymphom liegen die Heilungsraten bekanntlich bei über 90 %, aber bei Rezidiven oder gar Refraktärität (R/R) nach der Erstlinientherapie ist die Prognose weit weniger gut. Die traditionelle Salvage-Therapie besteht aus Chemotherapien, denen sich immer häufiger neue Optionen wie etwa Brentuximab Vedotin oder Immuncheckpoint-Inhibitoren hinzugesellen; darauf folgt in der Regel eine Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation (ASCT). Weil die verschiedenen Salvage-Optionen bisher nie direkt miteinander verglichen wurden, haben zwei Arbeitsgruppen retrospektiv Daten zusammengetragen, die zumindest eine vorläufige Orientierung ermöglichen. 
Die Daten von 853 Patient:innen, die sich in zwölf US-amerikanischen Zentren einer ASCT unterzogen hatten, präsentierte Sanjal Desai, Rochester, MN, USA [1]. Alle hatten wenigstens eine Salvagetherapie erhalten: bei 245 waren es zwei, bei 71 drei und bei 26 vier gewesen. Eine konventionelle platinhaltige Chemotherapie war in 553 Fällen die erste Salvage-Therapie, in 69 Fällen war es Bendamustin/Brentuximab Vedotin (BV), in 48 Fällen BV/Nivolumab, während 65 Patient:innen zuerst BV alleine erhalten hatten, 49 eine Gemcitabin-basierte Chemotherapie, vier Checkpoint-Inhibitoren alleine  und 63 verschiedene weitere Salvage-Therapien. 
Bezüglich der Wirksamkeit zeigten sich zum Teil erhebliche Unterschiede: Bendamustin/BV etwa war der platinhaltigen Chemotherapie bei den Komplettremissionsraten (CR 67 % vs. 49 %; p < 0,001) und tendenziell auch bei den Gesamtansprechraten überlegen (ORR 86 % vs. 79 %; p = 0,1), während die Ergebnisse bei einer Monotherapie mit BV deutlich schlechter ausfielen (CR 34 % vs. 49 %; p < 0,001; ORR 62 % vs. 79 %; p < 0,001). Keine nennenswerten Differenzen fanden sich zwischen platinbasierter, Gemcitabin-basierter Chemotherapie, alleiniger Checkpoint-Inhibitor- Behandlung und sonstigen Therapien.
Berücksichtigte man nur die letzte Salvagetherapie vor der Transplantation, dann stachen beim Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) zwei Gruppen gegenüber der platinbasierten Chemotherapie besonders hervor: BV/Nivolumab reduzierte das PFS-Risiko um 90 % (Hazard Ratio 0,1; 95%-Konfidenzintervall 0,02–0,4; p < 0,01); vergleichbar effektiv waren Checkpoint-Inhibitoren (HR 0,12; 95%-KI 0,03–0,5; p < 0,01). Beim OS zeigt sich nach median drei Jahren Nachbeobachtung noch kein Unterschied. 
Eine CR nach der letzten Salvagetherapie vor ASCT war für das PFS vorteilhafter als eine partielle Remission (PR; HR 1,6; 95%-KI 1,3–2,6; p < 0,001) oder eine Progression (HR 4,1; 95%-KI 2,5–6,8; p < 0,001; Abb. 1a); das Gleiche galt für das OS (Abb. 1b). 

Je mehr Salvage-Therapien vor der Transplantation erfolgt waren, desto schlechter waren PFS und OS. Alle 36 Patient:innen mit einer CR unter BV/Nivolumab vor ASCT überlebten bis zu fünf Jahre rezidivfrei, sodass dieses Protokoll die besten Aussichten für eine lang anhaltende CR zu bieten scheint, so Desai.

Checkpoint-Inhibition in Rezidiv und Frontline

Beim klassischen Hodgkin-Lymphom ist der chromosomale Locus 9p24.1 amplifiziert; dadurch werden die beiden Checkpoint-Liganden PD-L1 und PD-L2 stärker exprimiert. Das führt zwar zu einem schlechteren Ansprechen auf Standard-Chemotherapien, aber dafür sind PD-1-Checkpoint-Inhibitoren beim Hodgkin-Lymphom erheblich besser wirksam als bei den anderen daraufhin untersuchten Lymphomen. Pembrolizumab und Nivolumab sind in Monotherapie zur Behandlung des r/r Hodgkin-Lymphoms nach Versagen einer ASCT zugelassen. Beim Kongress wurden mehrere Phase-II-Studien präsentiert, in deren Fokus die Optimierung der Therapie mit PD-1-Inhibitoren im Rezidiv sowie in der Erstlinie stand.
In der Zweitlinientherapie erreicht man mit Ifosfamid, Carboplatin und Etoposid (ICE) in etwa jedem zweiten Fall eine CR. Eine mit Positronen-Emissions-Tomographie (PET) bestimmte komplette metabolische Remission (CMR) ist mit einer besseren Prognose assoziiert und war daher primärer Endpunkt einer US-amerikanischen Phase-II-Studie, in der bei Hodgkin-Patient:innen im Rezidiv das ICE-Regime um Pembrolizumab ergänzt wurde [3]. Von 37 auswertbaren Patient:innen, so Locke Bryan, Augusta, GA, USA, waren 16 primär refraktär; 36 von ihnen (97,3 %) sprachen nach zwei Zyklen Pembrolizumab-ICE an, 32 davon (86,5 %) mit einer CMR. In fünf Fällen wurde ein optionaler dritter Zyklus der Therapie gegeben, und im Endeffekt konnte bei 35 Patient:innen eine ASCT durchgeführt werden. Das mediane PFS betrug 27 Monate; zu diesem Zeitpunkt lebten noch 35 der Patient:innen (95,1 %). Diese ausgezeichneten Überlebensdaten rechtfertigen die weitere Untersuchung dieses Protokolls, so Bryan.
In der Phase-II-Studie NIVINIHO der französischen Lymphom-Studiengruppe erhielten ältere Hodgkin-Patient:innen, die wegen Komorbiditäten keine Chemotherapie erhalten konnten, Nivolumab als Erstlinientherapie [4]. Patient:innen mit einer CMR nach sechs Dosen bekamen eine Konsolidierung mit 18 weiteren Dosen, bei nur partieller oder gar keiner metabolischen Remission wurde Vinblastin dazugegeben. Wie Julien Lazarovici, Villejuif, Frankreich, berichtete, waren nach den sechs Induktionszyklen neun von 53 auswertbaren Patient:innen in einer CMR, nach Ende der gesamten Therapie 16 (28,6 %), wobei 23 Vinblastin bekommen hatten. Mit einem medianen PFS von 9,8 Monaten scheint diese Erstlinientherapie bei komorbiden älteren Hodgkin-Patient:innen also zu wirken, aber es wäre sinnvoll, Subgruppen zu selektieren, die besonderen Nutzen davon haben.
Auch bei Patient:innen, die fit genug für eine Chemotherapie sind, könnte die Zugabe von Checkpoint-Inhibitoren in der Erstlinie sinnvoll sein, wie sie in einer US-amerikanischen Phase-II-Studie untersucht wurde [5]. Darin erhielten laut Pamela Allen, Decatur, Georgia, USA, 30 Patient:innen mit nicht vorbehandeltem Hodgkin-Lymphom zunächst drei Dosen Pembrolizumab und daraufhin 4–6 Zyklen AVD (Doxorubicin, Vinblastin, Dacarbazin). In mehr als einem Drittel der Fälle zeigte sich bereits nach Pembrolizumab eine CMR, nach der Chemotherapie ausnahmslos immer, unabhängig von der Expression von PD-L1 und PD-L2.
In einer weiteren Pilotstudie, die Ryan Lynch, Seattle, WA, USA, präsentierte, erhielten 30 Patient:innen mit neu diagnostiziertem Hodgkin-Lymphom ebenfalls Pembrolizumab und AVD [6]. Bereits nach zwei Zyklen waren 68 % in CMR, aber auch von den PET-positiven Patient:innen ist bislang keiner progredient. Nach zwei bis sechs Zyklen waren 78 % der Patient:innen PET-negativ; von fünf mit positivem PET nach Therapieende entwickelte bisher nur einer ein Rezidiv. PFS- bzw. OS-Raten nach einem Jahr liegen bei 95 % bzw. 100 %.
Die Kombination aus PD-1-Blockade und Chemotherapie scheint ein vielversprechendes Konzept für die Erstlinientherapie zu sein, auch wenn die Langzeitwirkung noch mit der herkömmlichen reinen Chemotherapie verglichen werden muss.

Aggressive Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)

Drei Phase-III-Studien zu CAR-T-Zellen

Bisher sind drei gegen CD19 gerichtete CAR-T-Zell-Präparate zur Therapie des r/r diffus-großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) in Europa und den USA (Tisagenlecleucel und Axicabtagen-Ciloleucel (Axi-Cel)) bzw. bisher nur in den USA (Lisocabtagen-Maraleucel (Liso-Cel) zugelassen – bislang aufgrund unkontrollierter Phase-II-Studien. Bedingung für die Zulassungen waren jeweils randomisierte Studien, deren erste Ergebnisse für alle drei Präparate beim ASH-Kongress vorgelegt wurden:

– Die TRANSFORM-Studie ist ein globaler Head-to-Head-Vergleich: 184 Erwachsene mit aggressiven NHL, die auf die Erstlinientherapie refraktär oder innerhalb von 12 Monaten rezidiviert waren (Hoch-Risiko), erhielten randomisiert entweder drei Zyklen einer Standardtherapie (R-DHAP, R-ICE oder R-GDP) und bei CR oder PR anschließend eine ASCT oder nach Induktion mit Fludarabin/Cyclophos­phamid Liso-Cel. Zusätzlich konnte ein Bridging mit einem der Chemotherapie-Protokolle aus dem Kontrollarm erfolgen. Primärer Endpunkt war das ereignisfreie Überleben (EFS). 50 Patient:innen im Kontroll­arm wechselten zur CAR-T-Zell-Therapie, im experimentellen Arm erhielten 90 Patient:innen die CAR-T-Zellen, 58 (63 %) nach vorheriger Bridging-Behandlung.
Im Kontrollarm, so Manali Kamdar, Denver, CO, USA [7], lag das mediane EFS bei 2,3 Monaten, im Verumarm mit 10,1 Monaten mehr als viermal so hoch (HR 0,349; p < 0,0001). Die 12-Monats-Rate war mit 44,5 % versus 23,7 % beinahe verdoppelt. Auch beim PFS war Liso-Cel mit 14,8 versus 5,7 Monaten hochsignifikant überlegen (HR 0,406; p = 0,0001), ebenso bei der CR-Rate (66 % vs. 39 %; p < 0,0001), beim medianen OS zumindest numerisch (79,1 % vs. 64,2 % nach einem Jahr; HR 0,509; p = 0,0257). 
Unerwartete Toxizitäten gab es unter der CAR-T-Zell-Therapie nicht: 49 % der Patient:innen wiesen ein Zytokinfreisetzungs-Syndrom (CRS) auf, das aber nur einmal vom Grad 3 war. Neurologische Nebenwirkungen (ICANS) wurden bei 12 % der Patient:innen registriert, bei lediglich vier vom Grad 3.

– Axi-Cel ist derzeit erst für die Drittlinientherapie großzelliger B-Zell-Lymphome zugelassen. In der globalen Phase-III-Studie ZUMA-7 wurden Patient:innen in der Zweitlinie auf eine platinbasierte Standard-Chemotherapie mit anschließender ASCT oder auf Axi-Cel randomisiert. Eine Cross-over-Option vom Kontroll- in den Verumarm war vorgesehen.
Primärer Endpunkt war eine Verbesserung des EFS um mindestens 50 % durch Axi-Cel, so Frederick Locke, Tampa, FL, USA [8]. Dieses Ziel wurde mit einem Medianwert von 8,3 gegenüber 2,0 Monaten erreicht; nach zwei Jahren lebten noch 41 % versus 16 % der Patient:innen ereignisfrei (HR 0,398; p < 0,0001). Auch beim Gesamtansprechen war Axi-Cel mit 83 % versus 50 % deutlich überlegen, ebenso bei den CR-Raten (65 % vs. 32 %).
Das mediane OS war im CAR-T-Zell-Arm noch nicht erreicht und lag im Kontrollarm bei 35,1 Monaten (HR 0,730; p = 0,027). Nur 36 % der Patient:innen im Kontrollarm konnten eine ASCT erhalten, 100 Teilnehmende aus dieser Gruppe (56 %) machten von der Cross-over-Option Gebrauch, während  im CAR-T-Zell-Arm 94 % tatsächlich Axi-Cel erhielten. 
Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher traten bei 91 % der Patient:innen im CAR-T-Zell- und bei 83 % im Kontrollarm auf. Im Verumarm wurden bei 6 % ein CRS und bei 21 % ICANS registriert, die aber in keinem Fall letal verliefen.

– Als einzige der drei Phase-III-Studien war die BELINDA-Studie zum randomisierten Vergleich von Tisagenlecleucel mit einem Chemotherapie-Standard negativ, wie Michael Bishop, Chicago, IL, USA, berichtete [9] und zeitgleich publizierte [10]: 
Die insgesamt 322 Teilnehmenden wiesen im CAR-T-Zell-Arm häufiger ein High-grade-Lymphom auf (24,1 % vs. 16,9 %), aber beinahe 96 % erhielten hier die geplante Therapie, während lediglich 32,5 % im Kontrollarm eine ASCT bekamen. Dennoch betrug der Medianwert des EFS in beiden Gruppen 3,0 Monate, das ORR 46,3 % unter Tisagenlecleucel und 42,5 % im Kontroll­arm, und die CR-Raten waren mit 28 % identisch. 72 Patient:innen aus dem Kontrollarm, die von der Cross-over-Option Gebrauch machten, sprachen zu 40 % auf die CAR-T-Zellen an.
Schwere Nebenwirkungen waren ähnlich selten wie in den beiden anderen Studien. Als einen möglichen Grund für den negativen Ausgang dieser Studie nannte Bishop die mediane Zeit zwischen Therapieentscheidung und Infusion der CAR-T-Zellen, die bei BELINDA 52, in der ZUMA-7-Studie dagegen nur 29 Tage betrug. Für Patient:innen mit hohem Progressionsrisiko könnte es wichtig sein, die CAR-T-Zellen so früh wie irgend möglich zu verabreichen. Es sei deshalb voreilig, aus den Ergebnissen den Schluss zu ziehen, Axi-Cel sei wirksamer als Tisagenlecleucel. 

CAR-T-Zellen: bei hohem Risiko schon in der Erstlinie?

Aggressive Hochrisiko-NHL sprechen bereits auf gängige Erstlinientherapien weniger gut an als "normale" Erkrankungen. In der Phase-II-Studie ZUMA-12, die Sattva Neelapu, Houston, TX, USA, präsentierte, wurde deshalb in der Erstlinie bei solchen Patient:innen Axi-Cel getestet [11], das bei r/r LBCL nach wenigstens zwei Vortherapien eine 5-Jahres-Überlebensrate von 43 % brachte, so Caron Jacobson, Boston, MA, USA, ebenfalls in Atlanta [12]. ZUMA-12 schloss bisher 42 Patient:innen mit Double- oder Triple-hit-Histologie oder einem IPI-Score von ≥ 3 sowie einem positiven PET nach zwei Zyklen Immunchemotherapie ein. Primärer Endpunkt war die CR-Rate nach den Lugano-Kriterien [13].
Von den 40 bislang infundierten Patient:innen sprachen nach median 15,9 Monaten 89 % an, davon 78 % mit einer CR (Abb. 2). 

In 73 % der Fälle hielt das Ansprechen zum Zeitpunkt der Auswertung noch an. Weder für die Dauer des Ansprechens noch des EFS, PFS und OS sind bisher Medianwerte erreicht; die 12-Monats-Raten betragen 81 %, 73 %, 75 % bzw. 91 %.
Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 gab es bei 85 % der Patient:innen, am häufigsten (68 %) Zytopenien, in drei Fällen ein CRS, in neun ICANS. Bis auf einen Fall von persistierendem Tremor waren alle diese Toxizitäten reversibel, zum Teil nach Gabe des Interleukin-6-Rezeptor-Antagonisten Tocilizumab. 
Die hohen Komplettremissionsraten, so Neelapu, und vor allem die lange Dauer der Remissionen (16 Monate in mehr als 70 % der Fälle) ohne zusätzliche oder neue Nebenwirkungen sprechen dafür, den Einsatz von CAR-T-Zellen in Hochrisiko-Fällen in der Erstlinie in weiteren Studien zu untersuchen.

Immuntoxin in Erstlinie wirksamer als alter Standard

Ein Rezidiv nach initialer Therapie aggressiver NHL hat eine ungünstige Prognose. In der in Atlanta präsentierten Phase-III-Studie POLARIX wurde die Standard-Erstlinientherapie durch das Antikörper-Toxin-Konjugat Polatuzumab Vedotin ergänzt, das in Kombination mit Rituximab und Bendamustin bisher für rezidivierte Erkrankungen zugelassen ist. Nach vielversprechenden Phase-Ib/II-Daten [14] wurde es in der POLARIX-Studie mit R-CHP kombiniert und randomisiert gegen den Standard R-CHOP getestet. Wie Hervé Tilly, Rouen, Frankreich, berichtete [15] und zeitgleich publizierte [16], wurden 879 Patient:innen mit zuvor unbehandeltem DLBCL eingeschlossen. Primärer Endpunkt war das durch die Studienärzt:innen festgestellte PFS, sekundäre Endpunkte waren EFS, durch PET bestätigte CR nach Therapieende, krankheitsfreies und Gesamtüberleben sowie die Sicherheit.
Nach median 28,2 Monaten war der Verumarm mit einer 2-Jahres-PFS-Rate von 76,7 % versus 70,2 % signifikant überlegen (HR 0,73; p < 0,02). Für das EFS galt Ähnliches (HR 0,75; p = 0,02). Bei der CR-Rate nach Therapieende war der Unterschied mit 78 % versus 74 % nicht signifikant (p = 0,16), wohl aber beim krankheitsfreien Überleben (HR 0,70; 95%-KI 0,50–0,98), sodass die Remissionen im Polatuzumab-Arm offenbar dauerhafter waren. Beim OS wiederum war nach der relativ kurzen Nachbeobachtungszeit noch kein Unterschied erkennbar (HR 0,94; p = 0,75). 
Grad-3/4-Nebenwirkungen waren gleich häufig (57,7 % vs. 57,5 %), ebenso Grad-5-Nebenwirkungen (3 % vs. 2,3 %) und Dosisreduktionen wegen Nebenwirkungen (9,2 % vs. 13 %) sowie Häufigkeit und Schweregrade peripherer Neuropathien (52,9 % vs. 53,9 %; Grad 3–4: 1,6 % vs. 1,1 %).
Laut Tilly reduziert also die Zugabe des Antikörper-Toxin-Konjugats zur klassischen Immunchemotherapie das Risiko für Progression, Rezidiv oder Tod um mehr als ein Viertel – durch Verzicht auf Vincristin ohne Verschlechterung des Sicherheitsprofils.

Indolente NHL

Mantelzell-Lymphom: R2 in der Erhaltungstherapie 

Das Mantelzell-Lymphom (MCL) wird in der Erstlinie meist mit Chemoimmuntherapie behandelt, bei Jüngeren gefolgt von einer ASCT, bei Älteren von einer Rituximab-Erhaltung; das verlängert die Remissionsdauer, aber letztlich rezidivieren fast alle Patient:innen wieder. Der Immunmodulator Lenalidomid ist beim rezidivierten oder refraktären MCL in Kombination mit Rituximab (R2) sehr aktiv, derzeit jedoch nur in Monotherapie zugelassen. Die Phase-III-Studie MCL R2 Elderly des European Mantle Cell Lymphoma Network verglich randomisiert zwei verschiedene Induktionstherapien; die Responder wurden wieder randomisiert, Rituximab alleine oder R2 zur Erhaltung zu bekommen. 
Laut Vincent Ribrag, Villejuif, Frankreich, hatten von den 624 eingeschlossenen Patient:innen 514 auf die Induktion angesprochen (41 % CR); 495 von ihnen konnten bezüglich der Erhaltungstherapie randomisiert werden [17]. Nach median 2,1 Jahren schnitt der R2-Arm beim primären Endpunkt PFS mit 2-Jahres-Raten von 76,6 % versus 60,8 % signifikant besser ab (p = 0,0003; Abb. 3).

Beim Gesamtüberleben gibt es mit 87,3 % vs. 85,8 % bisher keinen Unterschied. 
Unter der R2-Erhaltung gab es mehr Toxizitäten vom Grad ≥ 3, darunter Neutropenien (50,0 % vs. 18,8 %), Atemwegsinfekte (5,5 % vs. 0,8 %) und Hauttumoren (5,5 % vs. 2,0 %); bei beinahe der Hälfte der Patient:innen musste die Lenalidomid-Dosis wenigstens einmal reduziert werden.
Die minimale Resterkrankung (MRD) hat beim Mantelzell-Lymphom zumindest bei Jüngeren prognostische Bedeutung, und ihr Nachweis gestattet die präemptive Behandlung von Rezidiven vor der klinischen Manifestation. Die MRD-Eradikation war ein sekundärer Endpunkt in der Studie (Sensitivität 10-4–10-5), so Marie-Helene Delfau, Creteil, Frankreich [18]. Nach der Induktion waren noch 39 % der Patient:innen MRD-positiv, und dieser Status korrelierte mit einem deutlich kürzeren PFS (median 2,7 vs. 4,7 Jahre; HR 1,78; p = 0,0002). Bei der Erhaltungstherapie spielte der MRD-Status nur im R2-Arm eine Rolle mit einem PFS nach zwei Jahren von 84,3 % der MRD-negativen, aber nur 61,6 % der MRD-positiven Patient:innen (HR 3,0; p < 0,0001); im Kontrollarm war mit 64,8 % versus 61,7 % kein Unterschied erkennbar.
Unklar ist im Moment laut Delfau, ob die Ursache sehr niedrige, mit den verwendeten Methoden nicht nachweisbare Konzentrationen verbliebener Lymphom-Zellen sind, die durch die Zugabe von Lenalidomid zur Erhaltungstherapie eliminiert werden. MRD-positive Patient:innen haben weiterhin ein hohes Rezidivrisiko, das die Art der Erhaltung nicht beeinflusst.

Follikuläres Lymphom: neue Substanzen in Erprobung

Das r/r follikuläre Lymphom hat eine schlechte Prognose, vor allem wenn die Krankheit innerhalb von zwei Jahren nach Beginn der Initialtherapie progredient (POD24) oder gegen verschiedene Medikamentenklassen refraktär ist. Beim ASH-Kongress wurden neue Therapieoptionen in dieser Situation vorgestellt.
Franck Morschhauser, Lille, Frankreich, berichtete über zwei Phase-I-Studien mit bispezifischen Antikörpern, die CD20 auf Lymphom-Zellen und CD3 auf zytotoxischen T-Lymphozyten erkennen und beide Zelltypen miteinander in Kontakt bringen. Glofitamab erzielte Ansprechraten von 81 % als Monotherapie (70 % CMR) und von 100 % in Kombination mit Obinutuzumab (73,7 % CMR; [19]). Mosunetuzumab, das als Monotherapie bereits Wirkung in dieser Indikation gezeigt hatte [20], wurde bei bisher 29 Patient:innen mit Lenalidomid kombiniert [21] – mit 90 % Remissionen (66 % CMR). Die Kombination wird derzeit in der Phase-III-Studie CELESTIMO randomisiert gegen das R2-Protokoll getestet [ClinicalTrials.gov No. NCT04712097].
Ein weiterer bispezifischer CD20xCD3-Antikörper, Epcoritamab, wird schließlich in einer europäisch-amerikanischen Phase-I/II-Studie mit R2 kombiniert [22], wobei laut Kim Linton, Manchester, UK, alle 21 bisher auswertbaren Patient:innen ansprachen (in 17 Fällen mit CMR); bislang gab es keine Rezidive. 
Die Phase-II-Studie ELARA untersuchte bei teilweise transplantierten Patient:innen, Tisagenlecleucel [23]. Laut Catherine Thieblemont, Paris, Frankreich, sprachen von den 94 auswertbaren Patient:innen 86,2 % an (69,1 % CR). Bei drei Viertel dauern die Remissionen nach neun Monaten noch an, Komplettremissionen sogar bei 86 %.

ZNS-Lymphome

Bei ZNS-Befall mit r/r aggressiven B-Zell-NHL gibt es nur begrenzte Erfahrungen mit CAR-T-Zellen. US-amerikanische Hämatolog:innen um Matthew Frigault, Boston, MA, USA, behandelten in einer Pilotstudie bisher zwölf Patient:innen mit r/r primärem ZNS-Lymphom mit Tisagenlecleucel [24]. Die Behandlung scheint sicher zu sein: Es gab sechs Fälle von CRS vom Grad 1 und fünf von ICANS, in je einem Fall vom Grad 2 bzw. 3. Von den zwölf Patient:innen sind nach median zwölf Monaten drei in anhaltender Remission. 
Bei systemischen Lymphomen ist zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) ein guter nicht-invasiver Biomarker, bei ZNS-Lymphomen sind die Detektionsraten aus peripherem Blut niedrig. Eine Gruppe an der Universität Freiburg suchte bei 92 Patient:innen mit ZNS-Lymphomen und bei 44 mit anderen Hirntumoren in Tumor-, Plasma- und Liquorproben systematisch mittels Deep-Sequencing-Methoden nach 794 verschiedenen genetischen Markern und korrelierte diese mit Staging und Ansprechen auf die Therapie.
Wie Florian Scherer, Freiburg, berichtete [25], fanden sich bei allen Lymphom-Biopsien genetische Aberrationen, im Median 262 pro Patient:in. Plasma­proben waren nur bei 78 % der Patient:innen positiv, Liquorproben hingegen bei 100 %. Die Konzentrationen der ctDNA korrelierten mit dem Tumorvolumen, nicht jedoch mit klinischen Risikoscores oder einer Steroidtherapie. Außerdem korrelierte die vor Therapiebeginn bestimmte ctDNA-Konzentration mit PFS und OS. Auch zum MRD-Monitoring eignet sich die ctDNA.