Chronische myeloische Leukämie: überzeugende Daten zu STAMP-Inhibitoren
Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) der ersten und zweiten Generation haben in den vergangenen Jahren die Behandlung von Patient:innen mit Philadelphia-Chromosom-positiver (Ph+) chronischer myeloischer Leukämie (CML) in der chronischen Phase revolutioniert und das Outcome der Patient:innen dramatisch verbessert. Speziell mit TKI der zweiten Generation kann ein so tiefes und anhaltendes molekulares Ansprechen erreicht werden, dass eine therapiefreie Remission möglich erscheint [1]. Mit den STAMP-Inhibitoren erobert derzeit eine weitere Substanzgruppe die Behandlung der CML, zunächst noch im rezidivierten Setting.
Schlüsselwörter: Chronische myeloische Leukämie (CML), Philadelphia-Chromosom-positiv, chronische Phase, STAMP-Inhibitoren, Asciminib, Bosutinib, Ponatinib plus FLAG-IDA, Blastenphase, Tyrosinkinase-Inhibitoren, MMR-Analyse, BCR-ABL1, Myristoyl, TKI.
Asciminib ist der erste Vertreter der Wirkstoffgruppe der STAMP-Inhibitoren, die mit zugelassenen TKI zwar das Zielmolekül BCR-ABL1 gemeinsam haben, ansonsten aber mit einem neuen Wirkmechanismus aufwarten. Ihre Zielstruktur ist nicht die ATP-Bindungsstelle von BCR-ABL1, an die die bislang verfügbaren TKI binden [1], sondern die Myristoyl-Bindungstasche des Proteins.
Die multizentrische Phase-III-Studie ASCEMBL evaluiert die Wirksamkeit und Sicherheit von Asciminib im Vergleich zu Bosutinib bei Patient:innen mit Unverträglichkeit oder Resistenz gegen mindestens zwei vorherige TKI. Insgesamt 233 Patient:innen erhielten nach 2:1-Randomisierung entweder zweimal täglich 40 mg Asciminib oder einmal täglich 500 mg Bosutinib. Patient:innen mit T315I- oder V299L-Mutationen wurden ausgeschlossen. Primärer Endpunkt war die Rate an guten molekularen Remissionen (MMR; BCR-ABL1-Transkriptspiegel ≤ 0,1 %) nach 24 Wochen, sekundäre Endpunkte die MMR-Rate in Woche 96 sowie die Raten an MR4 (BCR-ABL1-Transkriptspiegel ≤ 0,01 %) und MR4,5 (BCR-ABL1-Transkriptspiegel ≤ 0,0032 %) [2]. Erste Ergebnisse der Studie mit einem medianen Follow-up von knapp 15 Monaten hatten ergeben, dass die Patient:innen unter Asciminib eine signifikant überlegene MMR nach 24 Wochen zeigten (25,5 % vs. 13,2 %, p = 0,029), wodurch der primäre Endpunkt erreicht wurde [2]. Beim ASH 2021 wurden nun die 48-Wochen-Daten der Studie präsentiert (medianes Follow-up 19,2 Monate) [3]. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 56,7 % der Patient:innen noch unter der Behandlung mit Asciminib und 22,4 % mit Bosutinib. 23,6 % der Betroffenen unter Asciminib und 36,5 % unter Bosutinib hatten die Therapie wegen fehlender Effizienz abgesetzt.
Wie Michael J. Mauro, New York, NY, USA, berichtete, betrug die MMR-Rate nach 48 Wochen 29,3 % im Asciminib-Arm vs. 13,2 % im Bosutinib-Arm – ein Delta von 16,1 % (Abb. 1, links).

Abb. 1 48-Wochen-Update der ASCEMBL-Studie: Rate an MMR (links) sowie MR4 und MR4,5 (rechts) unter einer Behandlung mit Asciminib oder Bosutinib bei Patient:innen mit CML-CP. Mod. nach [3].
Das Ergebnis der ersten MMR-Analyse für den STAMP-Inhibitor konnte also im längeren Zeitverlauf noch einmal verbessert werden [3]. Auch bei den tiefen Remissionen konnte Asciminib seinen Vorteil bei dieser stark vorbehandelten Pati-entenklientel (im Median mindestens 3 Vortherapien) ausspielen: Die MR4-Rate nach 48 Wochen betrug 10,8 % im Asciminib-Arm vs. 7,6 % im Bosutinib-Arm, die MR4,5-Rate entsprechend 7,6 % versus 1,3 % (Abb. 1, rechts).
Neben der guten Wirksamkeit zeigte Asciminib auch in dieser aktualisierten Analyse der ASCEMBL-Studie ein günstiges Sicherheitsprofil. Unerwünschte Effekte unter Asciminib waren im Wesentlichen hämatologischer Art (Thrombozytopenie); sie nahmen zudem im Zeitverlauf deutlich ab. Speziell gastrointestinale Nebenwirkungen wie Diarrhö (11,5 % vs. 71,1%) sowie erhöhte Leberwerte (ALT: 3,8 % vs. 28,9%; AST: 5,1 % vs. 21,1%) waren unter Asciminib deutlich seltener als unter Bosutinib; arterio-okklusive Nebenwirkungen waren in beiden Armen selten (4,5 % vs. 1,3 %) [3]. Diese Daten, speziell das günstige Nutzen-Risiko-Profil, stützen den zukünftigen Einsatz von Asciminib als neue Option bei CML-Patient:innen mit Resistenz/Intoleranz gegenüber mindestens zwei TKI, eröffnen aber wohl auch Potential für frühere Behandlungslinien.
Es wird vermutet, dass Asciminib aufgrund seiner veränderten BCR-ABL-Bindungsmodalitäten auch bei Resistenzmutationen Wirkung zeigen könnte, bei denen übliche TKI versagen. Ob dies der Fall ist, evaluiert die rekrutierende multizentrische, offene Phase-IIIb-Studie AIM4CML (Asciminib in Monotherapy 4 CML), deren Design David Andorsky, Boulder, CO, USA, vorstellte. Die Studie untersucht die Sicherheit und Wirksamkeit von Asciminib bei CML-CP und Resistenz/Intoleranz gegenüber TKI – inklusive der Resistenzmutation T315I [4]. Zudem wird ein einmal tägliches (QD) Dosierungsschema geprüft.
Die Phase-IIIb-Studie schließt Patient:innen mit CML-CP ohne T315I nach ≥ 2 vorherigen TKI und solche mit T315I nach ≥ 1 vorherigen TKI ein, die Asciminib in unterschiedlichen Dosierungsschemata erhalten (40 mg zweimal täglich (BID, Kohorte A), 80 mg QD (Kohorte B) und 200 mg BID (nur bei T3151-Mutation, Kohorte C)). Bei allen Betroffenen muss ein Behandlungsversagen gemäß European LeukemiaNet 2020 [1] oder eine Unverträglichkeit gegenüber TKI vorliegen. Primärer Endpunkt ist die Beurteilung der Sicherheitsprofile der unterschiedlichen Dosierungsschemata nach Woche 24. Weitere Analysen umfassen u. a. Remissionstiefen, Überlebensdaten, das Auftreten seltener Mutationen unter Therapie sowie die Sym-ptomlast und die Lebensqualität. Die AIM4CML-Studie rekrutiert derzeit an 17 Standorten in den USA und in Europa. Voraussichtlich sollen etwa 115 stark vorbehandelte Patient:innen mit CML-CP in die Studie aufgenommen werden [4]. Eine weitere laufende Phase-III-Studie (ASC4FIRST), an der auch sechs Zentren in Deutschland beteiligt sind, evaluiert Asciminib (80 mg einmal täglich) im Erstlinieneinsatz bei der CML-CP [5].
Ponatinib plus FLAG-IDA in der Blastenphase
Das Outcome für Patient:innen mit CML in der Blastenphase (CML-BP) ist extrem schlecht. Die allogene Stammzelltransplantation (allo-HSCT) stellt derzeit die einzige Heilungsmöglichkeit dar. Eine Phase-I/II-Dosisfindungsstudie evaluierte, ob das intensive Regime aus dem TKI Ponatinib in Kombination mit der FLAG-IDA-Chemotherapie sicher eingesetzt werden und möglicherweise Remissionsstatus sowie die nachfolgen-den Transplantationsergebnisse verbessern kann [6]. Von 17 Patient:innen erhielten neun einen und acht zwei Zyklen des intensiven Regimes. Die Verträglichkeit war handhabbar, wobei sich 30 mg Ponatinib als optimal erwiesen. 11 Patient:innen konnten wieder in die CP gebracht und 12 einer allo-HSCT zugeführt werden. Das 1-Jahres-OS betrug 47 %, das 3-Jahres-OS 41 %. Das intensive Therapieschema wird weiter evaluiert