Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) bei Kindern und Jugendlichen
Maligne Lymphome sind nach den akuten Leukämien und den Tumoren des Zentralnervensystems die dritthäufigsten malignen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen. Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), einschließlich der großzelligen anaplastischen Lymphome (Anaplastic large cell lymphoma; ALCL), sind bei Kindern und Jugendlichen etwas häufiger als das Hodgkin-Lymphom (HL). Dabei stellen die NHL eine heterogene Gruppe dar: Das Spektrum reicht von malignen Erkrankungen der Vorläufer-T- und -B-Lymphoblasten bis zu Neoplasien weiter ausdifferenzierter T- und B-Zellen (periphere T- und B-Zell-Lymphome). Mit den heutigen, nach biologischen Lymphom-Entitäten und dem Lymphom-Stadium stratifizierten Behandlungskonzepten können derzeit über 85% der Kinder und Jugendlichen mit NHL mit einer dauerhaften Heilung rechnen. Damit rücken die negativen Therapiefolgen stärker in den Blickpunkt: Langzeitüberlebende Kinder und Jugendliche mit NHL müssen einer lebenslangen onkologischen Tumornachsorge zugeführt werden, um therapiebedingte Spätfolgen möglichst frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Dies bedeutet, dass die derzeitigen Therapiestrategien für jede biologische Subentität und für jedes Ausbreitungsstadium dem Risiko angepasst werden müssen und auch hier immer unter dem Motto stehen: „So viel Therapie wie nötig, aber so wenig wie möglich.“
Schlüsselwörter: Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), Anaplastische großzellige Lymphome (ALCL), Kinder und Jugendliche, Polychemotherapie, Spätfolgen
1. Einleitung und historischer Hintergrund
Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von NHL bei Erwachsenen (s. Tab. 1). NHL sind bei Kindern und Jugendlichen wesentlich seltener als akute lymphoblastische Leukämien (ALL). Das Verhältnis von ALL und NHL ist etwa 6 : 1, im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen NHL wesentlich häufiger vorkommen als die ALL. Nahezu alle NHL bei Kindern und Jugendlichen sind hochmaligne; niedrigmaligne NHL sind hier eine Rarität (< 2%). Bei Kindern und Jugendlichen kommen wesentlich weniger Subentitäten des NHL vor als bei Erwachsenen. Lymphoblastische B- sowie B-Zell-Precursor- und T- sowie T-Zell-Precursor-NHL sind bei Kindern und Jugendlichen wesentlich häufiger (etwa 25% aller NHL) als bei Erwachsenen (< 5%). Anaplastische großzellige Lymphome (ALCL) kommen bei Kindern und Jugendlichen häufiger vor (etwa 15% aller NHL) als bei Erwachsenen (< 5%).
Die drei biologischen Hauptentitäten der NHL bei Kindern und Jugendlichen: B-NHL einschließlich B-ALL und diffus-großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL); lymphoblastische NHL und ALCL bedürfen einer jeweils unterschiedlichen und dem jeweiligen Ausbreitungsstadium angepassten Therapie. Mehr als die Hälfte der NHL bei Kindern und Jugendlichen sind Burkitt-Lymphome (BL), einschließlich der B-ALL und der DLBCL. In den ersten Therapiestudien der BFM (Berlin-Frankfurt-Münster)-Gruppe wurden Kinder und Jugendliche mit NHL identisch behandelt wie Kinder und Jugendliche mit ALL [1], das heißt mit einer intensiven Induktions-Polychemotherapie, gefolgt von einer intensiven Re-Induktions-Polychemotherapie und einer oralen Erhaltungstherapie bis zu einer Gesamttherapiedauer von 24 Monaten [2]. Es stellte sich bald heraus, dass diese Therapiestrategie sehr gute Behandlungsergebnisse für lymphoblastische NHL ergab, die im selben Bereich lagen, wie die Therapieergebnisse der ALL. Bei der größten Patientengruppe im Kindes- und Jugendalter, den Burkitt-Lymphomen, erbrachte diese Therapiestrategie jedoch eine deutlich schlechtere Prognose. Daher beschloss die BFM-Gruppe in den 1980er-Jahren eine Trennung der Therapieprotokolle für ALL und für NHL, wobei die B-ALL mit komplettem B-Immunphänotyp identisch behandelt wurden wie Burkitt-Lymphome im Stadium IV [3].
Die Ära der Chemotherapie der NHL begann in Afrika, wo Dennis Burkitt mit dem Einsatz von Cyclophosphamid langfristige Remissionen bei Kindern und Jugendlichen mit dem später nach ihm benanntem, meist zervikal lokalisierten Lymphom erzielen konnte [4]. Ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Langzeitprognose von Kindern und Jugendlichen mit NHL kam mit der Einführung der Polychemotherapie, zunächst mit einer Kombination aus Cyclophosphamid, Vincristin (Oncovin), Methotrexat und Prednison (COMP; [5]), dem LSA2-L2-Protokoll [6] und in Deutschland mit dem West-Berliner Therapieprotokoll zur Behandlung der ALL, eingeführt durch H. J. Riehm [1, 2]. Der nächste entscheidende Fortschritt der Therapieentwicklung von NHL bei Kindern und Jugendlichen war die Erkenntnis, dass die Behandlung von lymphoblastischen und nicht-lymphoblastischen Lymphomen unterschiedliche Therapiestrategien erfordert [2, 7, 8].


2. Epidemiologie
In Deutschland beträgt die jährliche Inzidenz der NHL bei Kindern 0,8 pro 100.000 Kindern unter 15 Jahren und zeigt in der zurückliegenden Dekade keine signifikante Änderung. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei 9,25 Jahren und somit deutlich höher als bei der ALL. Vor dem dritten Lebensjahr sind NHL eine Rarität [9]. Ab dem vierten Lebensjahr steigt die Inzidenz kontinuierlich an, ohne einen ausgeprägten Altersgipfel [10]. Das Geschlechterverhältnis männlich : weiblich liegt bei 2 : 1, es variiert stark bei den verschiedenen biologischen Subtypen (s. Tab. 2).

3. Ätiologie
Die Ätiologie der bei Kindern und Jugendlichen auftretenden NHL ist ungeklärt. Bei der Mehrzahl dieser NHL sind die Genloci der schweren bzw. der leichten Immunglobulin-Ketten in Typ-spezifischen chromosomalen Translokationen involviert (s. Tab. 3). Die beteiligten Genloci kodieren für Proteine, die eine Schlüsselrolle bei der Generierung einer spezifischen Immunantwort (adapted immunity), der Rekombination von Gensegmenten, dem Subklassen-Wechsel der schweren Ketten und der Hypermutation der variablen Regionen spielen. Ob die im Kindesalter gehäuften Infektionen eine erhöhte genetische Vulnerabilität dieser Genabschnitte für pathogenetisch wirksame chromosomale Translokationen herstellen, bleibt wie bei der ALL im Kindesalter hypothetisch. Eine direkte ätiologische Beziehung ist bislang nur zwischen Epstein-Barr-Virus (EBV)-Infektionen und dem in Zentralafrika endemischen Burkitt-Lymphom beschrieben, ohne dass die pathogenetische Rolle des EBV definitiv geklärt wäre, da in Nordamerika und Mitteleuropa nur etwa 10% aller Burkitt-Lymphome bei Kindern und Jugendlichen eine Assoziation mit dem EBV aufweisen. Andere infektiöse Erreger, die mit einem erhöhten Lymphom- bzw. Karzinomrisiko einhergehen, sind HHV8 (Castleman-Erkrankung), Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virus (hepatozelluläre Karzinome; HCC), Helicobacter pylorii (MALT-Lymphome) und EBV (Nasopharynx-Karzinome).
Nur bei einem kleinen Teil der Kinder und Jugendlichen mit NHL liegt eine erkennbare genetische Disposition vor. Dies sind im Wesentlichen angeborene Immundefekte und Syndrome, die mit einer erhöhten Chromosomenbrüchigkeit einhergehen [12], sowie erworbene Immundefekte, wie Infektionen mit dem HI-Virus oder eine Immunsuppression nach Organtransplantation. Hier ist auch die Posttransplantations-lymphoproliferative Erkrankung (PTLD) zu nennen, die nach allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantationen und nach Organtransplantationen auftritt und nahezu immer EBV-assoziiert ist.
4. Biologie und Pathogenese
Das spezifische zelluläre Immunsystem (adapted immunity) dient der Erkennung und Eliminierung von fremden Epitopen zur Erhaltung der Integrität des Individuums. Beim Menschen wird das Knochenmark als primäres lymphatisches Organ für die B-Zell-Differenzierung und der Thymus als primäres Organ der T-Zell-Differenzierung angesehen. Im Knochenmark vollzieht sich die Antigen-unabhängige Differenzierung der B-Lymphozyten aus den hämatopoetischen Stammzellen. Im Thymus wird die Differenzierung der Progenitoren der T-Zell-Reihe geregelt, wobei autoreaktive Zellen der Apoptose anheimfallen. Bei der organspezifischen Verteilung der Lymphozyten-Subpopulationen in den peripheren lymphatischen Organen, wie Lymphknoten, Milz und Mukosa-assoziiertes lymphatisches Gewebe (MALT), spielen die Adhäsionsmoleküle auf Endothelien eine Schlüsselrolle.
Am Beispiel der akuten lymphoblastischen Leukämien (ALL) und der Non-Hodgkin-Lymphome im Kindesalter wird deutlich, dass das lymphatische System besonders häufig während der Entwicklung der Vorläuferzellen und während der Keimzentrumsreaktion der B-Lymphozyten neoplastisch entarten kann. Offensichtlich bergen diese Entwicklungsphasen der Lymphozytopoese besonders hohe onkogene Risiken.
5. Zytogenetik und Molekulargenetik
Bei der Mehrzahl der bei Kindern und Jugendlichen vorkommenden NHL-Entitäten können spezifische chromosomale Translokationen nachgewiesen werden (s. Tab. 3).
Die chromosomalen Translokationen bei Burkitt-Lymphomen sind identisch mit denen der B-ALL mit komplettem B-Immunphänotyp. Dies weist daraufhin, dass die B-ALL als leukämische Transformation eines Burkitt-Lymphoms aufgefasst werden kann.
Lymphoblastische T-Zell-Lymphome haben ebenfalls identische chromosomale Veränderungen wie die T-ALL, was ebenfalls auf eine enge Verwandtschaft dieser beiden Entitäten hinweist. Allerdings finden sich diskrete genetische Unterschiede zwischen beiden Entitäten: Burkhardt et al. [13] beschrieben Unterschiede auf Chromosom 6q zwischen der T-Precursor-ALL und dem T-Precursor-NHL.
Bei den großzellig-anaplastischen Lymphomen (ALCL) finden sich Translokationen im Bereich des ALK-Gens auf Chromosom 2p23, wobei bei Kindern und Jugendlichen NPM-ALK-Translokationen am häufigsten vorkommen.
6. Pathologie und Klassifikation
Die aktuelle WHO-Klassifikation [14] trennt die malignen Lymphome entsprechend der Differenzierung der lymphatischen Zellen in B- und T-Phänotypen. Alle lymphatischen Neoplasien mit dem Phänotyp von Vorläuferzellen des Antigen-unabhängigen Differenzierungskompartiments werden als Vorläufer-B- oder Vorläufer-T-lymphoblastische Lymphome bezeichnet. Diese Krankheitsentitäten besitzen eine enge Verwandtschaft mit den entsprechenden B-Vorläufer- und
T-Vorläufer-ALL-Erkrankungen (B-Precursor-ALL und T-Precursor-ALL). Von diesen lymphoblastischen Vorläufer-Zell-Lymphomen werden alle anderen malignen lymphatischen Neoplasien als nicht lymphoblastische bzw. periphere T- und B-Zell-Lymphome abgegrenzt. Die bei Kindern und Jugendlichen vorherrschenden NHL sind die lymphoblastischen Lymphome (LBL) mit 25%, die Burkitt-Lymphome (BL) einschließlich der B-ALL und den diffus-großzelligen B-Zell-Lymphomen (DLBCL; 55%) sowie die anaplastischen großzelligen Lymphome (ALCL) mit 15%. Alle übrigen Lymphom-Entitäten des Erwachsenenalters, wie periphere T-Zell-Lymphome oder mediastinale
B-Zell-Lymphome, kommen bei Kindern und Jugendlichen in einer Häufigkeit von < 1% vor (s. Tab. 2).
B- und T-Vorläufer-Zell-lymphoblastische Lymphome: Zytomorphologie, Zytochemie und Immunhistologie dieser lymphoblastischen Lymphome entsprechen den vergleichbaren lymphoblastischen Leukämien (B-Precursor-ALL und T-/T-Precursor-ALL). Auch Genetik und Molekulargenetik sind nahezu identisch. Differenzialdiagnostisch sind andere klein-, blau- und rundzellige Tumoren wie Neuroblastome, Ewing-Sarkome und Rhabdomyosarkome abzugrenzen. Dies gelingt in der Regel mittels Immunhistochemie und mit genetischen Methoden.
Periphere B-Zell-NHL: Bei Kindern und Jugendlichen kommen nahezu ausschließlich Burkitt-Lymphome (BL) einschließlich der B-ALL sowie die diffus großzelligen B-Zell-Lymphome (DLBCL) vor.
Das Burkitt-Lymphom ist die aggressivste Form aller lymphoproliferativen und wahrscheinlich auch aller übrigen malignen Erkrankungen. Es kommt in extranodaler und nodaler Form vor und hat eine hohe Tendenz, leukämisch in eine B-ALL mit komplettem B-Immunphänotyp zu transformieren. Derzeit werden das endemische, hauptsächlich in Afrika vorkommende Burkitt-Lymphom sowie das sporadische Burkitt-Lymphom unterschieden. Allen Lymphomen gemeinsam ist die typische Histologie mit klassischen L3-Blasten (s. Abb. 1a), die durch tiefblaues Zytoplasma und eine ausgeprägte Zytoplasma- und Kernvakuolisierung gekennzeichnet sind. Histologisch findet sich ein typisches Sternenhimmel-Bild (s. Abb. 1b). Zytogenetisch liegt bei allen Burkitt-Lymphomen eine Translokation von Chromosom 8 (c-myc-Gen), mit dem Immunglobulin-Gen für Kappa-Ketten (t (2;8)), für Lambda-Ketten (t(8;22)) oder für schwere Ketten (t(8;14)), vor. Dadurch kommt es zu einer Deregulation des Onkogens c-myc mit nachfolgender Lymphom-Bildung. Das endemische Burkitt-Lymphom wurde erstmals in Äquatorial-Afrika bei vier- bis siebenjährigen Kindern, überwiegend bei Jungen beschrieben. Diese endemische Form ist zu 100% mit EBV assoziiert, wobei die genaue Rolle des Virus bei der Lymphom-Entstehung unklar ist. Die sporadische Form des Burkitt-Lymphoms findet sich ebenfalls gehäuft bei Jungen, sie ist nur zu 10% mit EBV assoziiert [15].
Klinisch kommt das endemische BL vorwiegend in zervikalen Lymphknoten oder in der Tonsille vor, mit massiver Schwellung auf der befallenen Seite. Das sporadische BL tritt überwiegend abdominell auf. Das bei Erwachsenen beschriebene HIV-assoziierte Burkitt-Lymphom ist bei Kindern und Jugendlichen eine Rarität. Bei allen Burkitt-Lymphomen besteht in 5–10% der Fälle eine prätherapeutische Beteiligung des ZNS mit typischen L3-Blasten im Liquor.

Immunphänotyp: Burkitt-Lymphom-Blasten zeigen ein monoklonales IgM mit Leichtketten-Restriktion, d. h. einer Expression ausschließlich von Kappa- oder Lambda-Leichtketten sowie einem kompletten B-Immunphänotyp: CD19, CD20, CD22 sowie CD79a. Meist werden auch CD10 sowie Bcl6 exprimiert, was auf eine Keimzentrums-Herkunft der Lymphom-Zellen hinweist. Bcl2 ist in der Regel negativ, ebenso CD5, CD23 sowie TdT. Die Proliferationsaktivität liegt in der Regel über 95% und stellt somit die höchste Proliferationsaktivität aller malignen Erkrankungen dar.
Diffus-großzellige B-Non-Hodgkin-Lymphome (DLBCL): Von den verschiedenen histologischen Subtypen der WHO-Klassifikation finden sich im Kindesalter nahezu ausschließlich zentroblastische DLBCL [16].
Primär mediastinale B-Zell-Lymphome. Histologisch finden sich bei dieser im Kindes- und Jugendalter selten vorkommenden Entität pleomorphe B-Blasten, häufig mit einer ausgeprägten Sklerose [17]. Die Abgrenzung vom in dieser Region wesentlich häufiger vorkommenden Hodgkin-Lymphom und von den ebenfalls wesentlich häufigeren T-lymphatischen Lymphomen kann schwierig sein und bedarf einer referenzhistologischen Begutachtung durch Pathologen, die große Erfahrung mit der Lymphom-Klassifikation besitzen.
Großzellige anaplastische Lymphome (ALCL): Die großzelligen anaplastischen Lymphome (ALCL) wurden 1985 erstmals von Stein und Mitarbeitern als eigenständige Entität beschrieben [18]. Ihnen gemeinsam ist die positive Reaktion der Lymphom-Zellen mit dem monoklonalen Antikörper Ki-1 (später CD30). Zuvor war diese Lymphom-Entität fehldiagnostiziert worden als Hodgkin-Sarkom, maligne Histiozytose, amelanotisches Melanom oder undifferenziertes Karzinom. Im Weiteren konnte gezeigt werden, dass die Mehrzahl der ALCL eine spezifische Chromosomen-Translokation t(2;5)(p23;q35) aufweist (s. Tab. 3).Neben dem gemeinsamen Merkmal CD30-Positivität wird von ALCL meist auch das epitheliale Membran-Antigen (EMA) exprimiert. Die Mehrzahl der ALCL zeigt eine Umlagerung der T-Zell-Rezeptor-Gene.
7. Klinisches Erscheinungsbild
Das häufigste Leitsymptom von NHL bei Kindern und Jugendlichen sind schmerzlose Lymphknotenschwellungen. Abdominelle Lymphome – meist B-Zell-Neoplasien – können mit starken Bauchschmerzen bis zur Entwicklung eines Ileus einhergehen. Mediastinale Lymphome, meist T-Zell-Neoplasien, können zu Stridor und oberer Einflussstauung aufgrund eines Vena-cava-superior-Syndroms führen.
Die Mehrzahl der Kinder ist bei Diagnosestellung in einem nur wenig beeinträchtigten Allgemeinzustand. Allerdings können ausgeprägte mediastinale und abdominelle Lymphome bereits bei Diagnosestellung zu lebensbedrohlichen klinischen Situationen führen. 5–10% der bei Kindern und Jugendlichen vorkommenden NHL weisen einen Knochenmarkbefall auf. Bei einem Blastenanteil im Knochenmark von über 25% wird die Krankheit definitionsgemäß als ALL (akute lymphoblastische Leukämie) bezeichnet. Bei etwa 5% der pädiatrischen Patienten besteht bei Diagnosestellung eine Mitbeteiligung des zentralen Nervensystems, meist als Meningeosis lymphomatosa mit Blasten im Liquor, gelegentlich aber auch als Tumor im Parenchym oder im Epidural-Raum. Sehr häufig kommt es zu Lymphom-Manifestationen im HNO-Bereich. Daneben finden sich häufig eine Hepatosplenomegalie sowie bei B-Zell-Lymphomen eine Niereninfiltration. Auch Hoden, Ovarien, die Haut sowie Weichgewebe können befallen sein. Nur selten finden sich Infiltrate in Pankreas, Nebennieren, Schilddrüse und Speicheldrüsen.
Das Muster der klinischen Manifestationen unterscheidet sich deutlich nach NHL-Entitäten. In Tab. 2 sind die klinischen Manifestationen von 1.602 konsekutiven Patienten der NHL-BFM-Therapiestudien zusammengestellt.
Ein ausgeprägter Mediastinaltumor, gelegentlich vergesellschaftet mit Pleura- und Perikardergüssen, ist typisch für ein lymphoblastisches T-Zell-Lymphom, kommt aber auch beim primär mediastinalen großzelligen B-Zell-Lymphom vor [17]. Die typische Lokalisation von nicht endemischen Burkitt-Lymphomen ist der Abdominal-Raum. Hier reichen die Manifestationen von einem kleinen Darmwandtumor, der zu Invagination und Ileus führt, bis zu Tumormassen, die den gesamten Bauchraum ausfüllen und mit einem Aszites einhergehen.

Eine exakte Klassifikation des Non-Hodgkin-Lymphoms ist Voraussetzung für die Wahl der geeigneten Therapieform. In Tab. 4 sind die für eine exakte Klassifikation erforderlichen Methoden und Untersuchungsmaterialien zusammengestellt. Bei Verdacht auf das Vorliegen eines malignen Lymphoms muss zunächst geprüft werden, ob die Diagnose ohne Operation gesichert werden kann. Dies ist möglich bei malignen Ergüssen (Pleuraerguss, Perikarderguss, Aszites) oder bei einem signifikanten Knochenmarkbefall. Mittels Zytomorphologie, Immunphänotypisierung und Zytogenetik sowie Molekulargenetik kann die exakte Diagnose aus Lymphom-Zellen im Pleuraerguss oder Aszites gestellt werden. Falls kein signifikanter Knochenmarkbefall, Pleuraerguss oder Aszites vorliegt, muss ein operativer Eingriff zur Diagnosesicherung erfolgen. Dies sollte stets ein minimal-invasiver Eingriff sein, der aber ausreichend Material für eine vollständige Klassifikation des Lymphoms sicherstellt. Eine Feinnadelbiopsie von Lymphknoten oder anderen Manifestationen ist dazu in der Regel nicht ausreichend.
9. Lymphom-Staging
Das prätherapeutische Lymphom-Staging ist in Tab. 5 wiedergegeben und umfasst neben der sorgfältigen körperlichen Untersuchung und einer Sonografie aller Lymphknotenstationen einschließlich des Mediastinums und des Abdomens eine Röntgen-Thorax-Aufnahme in zwei Ebenen sowie eine kranielle Schnittbild-Diagnostik, wobei hier die Kernspintomografie der Computertomografie überlegen ist.
Da ein Skelettbefall ebenso wie bei der ALL keine prognostische Bedeutung besitzt, ist eine Skelett-Szintigrafie nicht erforderlich. Obligate Laboruntersuchungen sind neben dem großen Blutbild einschließlich Differenzialblutbild, einer Knochenmarkuntersuchung an zwei bis vier Stellen sowie einer Liquor-Untersuchung, die eine Untersuchung mit einer Zyto-Zentrifuge einschließt, die Bestimmung der Laktatdehydrogenase im Serum und der harnpflichtigen Substanzen einschließlich der Harnsäure zur Erkennung eines akuten Tumorlyse-Syndroms.
Die in Tab. 6 wiedergegebene Stadieneinteilung nach Murphy [19] ist auch heute noch für die NHL bei Kindern und Jugendlichen allgemein akzeptiert. Die Abgrenzung zwischen NHL und ALL erfolgt per Definition aus dem Knochenmarkbefund: Findet sich an einer der zwei bis vier Punktionsstellen ein Lymphoblasten-Anteil von über 25%, wird definitionsgemäß von einer ALL – bei lymphoblastischen Lymphomen einer B-Vorläufer-Zell-ALL bzw. einer T-/T-Vorläufer-ALL und beim Burkitt-Lymphom von einer B-ALL mit vollständigem B-Immunphänotyp (sogenannte reife B-ALL) – gesprochen. Die Verteilung der Murphy-Stadien ist bei den verschiedenen NHL-Entitäten unterschiedlich (s. Tab. 6).
Als Kriterien für einen prätherapeutischen ZNS-Befall gelten eine Liquor-Zellzahl von > 5/µl mit Nachweis von Blasten in der Zyto-Zentrifuge und/oder eine intrazerebrale Raumforderung. Auch eine Hirnnerven-Lähmung bei einem Patienten mit NHL wird als Kriterium für einen ZNS-Befall gewertet, wenn andere Ursachen der Hirnnervenläsion ausgeschlossen sind.





10. Differenzialdiagnose der Lymphadenopathien bei Kindern und Jugendlichen
Anders als bei Erwachsenen ist die Mehrzahl von Lymphknotenschwellungen bei Kindern und Jugendlichen reaktiv bedingt, meist als Folge einer Infektion. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Ursachen von nicht-malignen Lymphknotenschwellungen bei Kindern und Jugendlichen, die in Tab. 7 zusammengefasst sind.
11. Therapie und Prognose
11.1 Allgemeine Prinzipien
Non-Hodgkin-Lymphome bei Kindern und Jugendlichen neigen zu früher Generalisation. Daher ist eine effektive Polychemotherapie der Eckpfeiler einer erfolgreichen Behandlung. Das Rückfallrisiko steigt mit dem Ausbreitungsstadium und der Tumormasse, die deshalb wichtige Kriterien zur Anpassung der Intensität und der Dauer der Chemotherapie sind. Aufgrund der Tendenz zur systemischen Ausbreitung kommt der Behandlung der Kompartimente ZNS und Hoden eine ähnliche Bedeutung zu wie in der Behandlung der akuten Leukämien. Daneben hat auch eine effektive Lokaltherapie (Operation, Radiotherapie) in besonderen klinischen Situationen ihre Bedeutung. Ein entscheidender Schritt zur Entwicklung der derzeitigen Therapiestrategien war die Erkenntnis, dass unterschiedliche NHL-Typen unterschiedliche Chemotherapie-Strategien erfordern [2, 3, 7].
1.2 Einteilung in strategische Therapiegruppen
Bei lymphoblastischen NHL vom T- und B-Zell-Typ (T-Precursor-Zell-NHL sowie B-Precursor-Zell-NHL) sind Therapiestrategien der ALL, basierend auf dem Prinzip einer kontinuierlichen Zytostatika-Exposition über längere Zeiträume, eine adäquate Behandlung [2, 7, 20]. Dagegen verlangen Lymphome vom Burkitt-Typ einschließlich der B-ALL sowie die sich biologisch gleich verhaltenden diffus-großzelligen B-Zell-Lymphome (DLBCL) eine andere Therapiestrategie, bestehend aus kurzen, intensiven Chemotherapie-Kursen mit hoher Dosisintensität, basierend auf Steroiden, Cyclophosphamid und Methotrexat [9, 21, 22]. Diese Therapieform ist auch bei der Behandlung der großzelligen anaplastischen Lymphome (ALCL) wirksam [23, 24].
Somit hat sich eine Einteilung der NHL bei Kindern und Jugendlichen in drei therapeutische Hauptgruppen etabliert:
• Lymphoblastische Lymphome
• Periphere B-Zell-Lymphome einschließlich B-ALL, Burkitt-Lymphom und DLBCL sowie
• Großzellig anaplastische Lymphome (ALCL).
Mit einer so stratifizierten Therapie haben Kinder und Jugendliche mit allen drei Entitäten Überlebenschancen, die bei 80% und darüber liegen (s. Abb. 3). Bei Kindern und Jugendlichen mit sehr selten vorkommenden Sub-Entitäten wie peripheren T-Zell-Lymphomen [25] oder NK-Zell-Lymphomen ist die geeignete Therapiestrategie derzeit unklar.
11.3 Therapie der lymphoblastischen Lymphome
Für Patienten mit lymphoblastischen Lymphomen stellt eine Therapiestrategie wie bei der ALL eine effektive Behandlung dar. Wie bei der ALL kann auch beim NHL unter den derzeitigen intensiven Polychemotherapie-Protokollen unter Einschluss von Hochdosis-Methotrexat auf eine prophylaktische Schädelbestrahlung verzichtet werden.
11.4 Therapie der peripheren
B-Zell-Lymphome (B-NHL,
B-ALL und DLBCL)
Die heutigen Therapiestrategien versuchen aufgrund der extrem hohen Proliferationsaktivität dieser hochmalignen Lymphome, durch fraktionierte Verabreichung und durch Dauerinfusion zytotoxisch wirksame Medikamentenkonzentrationen über einen möglichst langen Zeitraum aufrechtzuerhalten, sodass möglichst jede Lymphom-Zelle im vulnerablen Zellzyklus getroffen wird. Die Kombination mehrerer Zytostatika soll bereits bestehenden Resistenzen Rechnung tragen und der Entwicklung neuer Zytostatika-Resistenzen vorbeugen. Dabei wird eine erhebliche Chemotherapie-bedingte Knochenmarksuppression mit Knochenmarkaplasie über 8–12 Tage in Kauf genommen. Durch möglichst kurze Abstände zwischen den einzelnen Therapiezyklen soll die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Wachstums und einer Resistenzentwicklung reduziert werden.
Extrakompartment-Therapie: Patienten ohne prätherapeutischen ZNS-Befall benötigen keine prophylaktische Schädelbestrahlung [20, 22]. Für Patienten mit prätherapeutischem ZNS-Befall hat sich eine intensivierte intralumbal zu verabreichende, intrathekale Kombinations-Chemotherapie zusammen mit systemischer Gabe von Methotrexat in hoher Dosis und Ara-C als wirksam erwiesen [21, 22].
11.5 Therapie der großzellig-anaplastischen Lymphome (ALCL)
In den NHL-BFM-Therapiestudien werden Patienten mit ALCL mit der Polychemotherapie für periphere B-Zell-Lymphome behandelt. Eine Besonderheit dieser Lymphom-Entität besteht darin, dass auch Patienten mit Rezidiven eine 60%ige Wahrscheinlichkeit haben, in eine langanhaltende Zweitremission zu gelangen. Derzeit wird bei dieser Lymphom-Entität der langfristige Einsatz von Vinblastin in einer randomisierten Studie geprüft [11].
12. Komplikationen der Erkrankung und der Behandlung
Bei Diagnose können Kinder und Jugendliche mit ausgeprägten Mediastinal-Tumoren in lebensbedrohliche Situationen geraten, die durch Stridor, Atemnot sowie obere Einflussstauung durch Kompression der Vena cava superior (Vena-cava-superior-Syndrom), der Trachea und der Hauptbronchien bedingt sind. Häufig bestehen gleichzeitig ein ausgedehnter Pleura- und Perikarderguss. Hier ist das weitere Vorgehen individuell zu entscheiden; häufig kann die Diagnose allein aus dem klinischen Erscheinungsbild, ggf. ergänzt durch zytologische Untersuchungen aus Blut, Knochenmark, Pleura- und/oder Perikard-Punktat, gestellt werden. In lebensbedrohlichen Situationen muss vor Diagnosesicherung eine Therapie mit Steroiden, ggf. ergänzt durch Cyclophosphamid, eingeleitet werden.
Abdominelle B-Zell-Lymphome können Ursache eines Ileus sein. Eine Oligurie kann die Folge einer beidseitigen Niereninfiltration und/oder einer Ureter-Kompression durch Lymphome sein. Durch spontanen oder nach Therapiebeginn durch Chemotherapie bedingten Zellzerfall droht insbesondere bei einem Burkitt-Lymphom ein akutes Tumorlyse-Syndrom mit Hyperurikämie und Hyperkaliämie, das bis zur Dialysepflichtigkeit führen kann. Dieses Tumorlyse-Syndrom kann heute mittels Uratoxydase behandelt werden [26]. Bei prätherapeutisch beginnenden Zeichen eines Tumorlyse-Syndroms empfiehlt sich eine Prophylaxe mit diesem Medikament.
13. Tumornachsorge und Spätfolgen
Das Risiko, einen Rückfall zu erleiden, nimmt mit zunehmender Dauer nach Therapieende ab. Die entsprechenden Nachuntersuchungen von Kindern und Jugendlichen nach Therapie eines NHL sind in Tab. 8 zusammengefasst.
Auch wenn die Mehrzahl der geheilten Patienten nach Therapieende keine wesentlichen gesundheitlichen Spätfolgen aufweist, sind doch dosisabhängige längerfristige Spätfolgen wie Kardiotoxizität, Infertilität, Neurotoxizität nach einer Polychemotherapie möglich. Die wichtigsten Spätfolgen nach Therapieende sind in Tab. 9 zusammengefasst. Die schwerwiegendste Spätfolge nach einer onkologischen Therapie ist das Auftreten von Zweitmalignomen. Das kumulative Risiko, nach einer erfolgreichen Behandlung eines NHL innerhalb der nächsten 25 Jahre an einem Zweittumor zu erkranken, liegt je nach Tumorentität bei 2–3% [27].
Somit bedürfen geheilte ehemalige onkologische Patienten einer lebenslangen Nachsorge, die zunächst durch die pädiatrischen Onkologen, später durch die internistischen Onkologen durchgeführt wird.


Summary
Non-Hodgkin lymphomas in children and adolescents
Next to acute leukemias and tumors of the central nervous system, malignant lymphomas are the third-most frequent type of malignant disease in children and young adults. Non-Hodgkin lymphomas (NHL) including anaplastic large cell lymphomas (ALCL) are somewhat more frequent in children and young adults than Hodgkin lymphoma (HL). NHL are a heterogenous group of lymphomas: The spectrum ranges from B- and T-precursor lymphomas to more differentiated B- and T-cell lymphomas. Today we can expect to achieve durable remissions in more than 80% of pediatric NHL patients by applying intensive polychemotherapy. Therefore, the long-term adverse effects of therapy have increasingly moved into the spotlight, especially in the case of malignant lymphomas. Cutting-edge current therapy with risk-adjustment at each stage needs to be guided by the principle: “As much chemotherapy and radiotherapy as necessary, but as little as possible.”
Keywords: Non-Hodgkin lymphoma (NHL), Anaplastic large cell lymphomas (ALCL), children and adolescents, polychemotherapy, late effects