Das Hodgkin-Lymphom (HL) bei Kindern und Jugendlichen
Das Hodgkin-Lymphom (HL) bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich nicht wesentlich vom Hodgkin-Lymphom bei Erwachsenen. Die jüngsten, bislang bekannt gewordenen Patienten mit Hodgkin-Lymphom waren drei Jahre alt. Die Therapie des Hodgkin-Lymphoms nahm eine andere Entwicklung als die Therapie der meisten anderen Krebserkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen: Da in den 1960er-Jahren gezeigt wurde, dass eine Bestrahlung zu langfristiger Rezidivfreiheit führen kann, war die Strahlentherapie von Anfang an ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Erst nachdem man erkannt hatte, dass nach Strahlentherapie erhebliche Spätfolgen auftreten können, und dies häufiger bei noch heranwachsenden Kindern als bei Erwachsenen, verlagerte sich der Schwerpunkt der Behandlung von der Strahlentherapie zur Polychemotherapie. Seit 1978 hat die Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) mehrere Studien zur Therapie des Hodgkin-Lymphoms bei Kindern und Jugendlichen aufgelegt. Das wichtigste Therapieziel ist auch hier: „So wenig Therapie wie möglich, aber so viel wie erforderlich.“
Schlüsselwörter: Hodgkin-Lymphom, Kinder und Jugendliche, Therapieoptimierungsstudien, Spätfolgen nach Radiotherapie und Chemotherapie, Sekundärtumoren
Hodgkin-Lymphome (HL) bei Kindern und Jugendlichen
Das 1832 durch Thomas Hodgkin erstmals beschriebene Hodgkin-Lymphom (HL; Synonyme: Morbus Hodgkin, Hodgkin´s disease, Lymphogranulomatose) unterscheidet sich bei Kindern und Jugendlichen nicht vom Hodgkin-Lymphom des Erwachsenen.
1. Epidemiologie
In Deutschland beträgt die Inzidenz des Hodgkin-Lymphoms in den Jahren 1997–2005 etwa 0,7 auf 100.000 Kinder unter 15 Jahren [1]. Die Alters- und Geschlechtsverteilung im Rahmen der kooperativen Hodgkin-Studien der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie ist in Abb. 1 wiedergegeben. Hierbei ist zu beachten, dass diese Angaben für Patienten über 16 Jahre nicht repräsentativ sind, da Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr z. T. in pädiatrisch-onkologischen und z. T. in internistisch-onkologischen Kliniken behandelt wurden. Bis zum Alter von zehn Jahren erkranken deutlich mehr Jungen als Mädchen an einem HL, während das Verhältnis später ungefähr ausgeglichen ist (s. Abb. 1).

2. Pathologie
Pathologisch-anatomisch findet sich bei 90% der Kinder und Jugendlichen ein klassisches HL, gekennzeichnet durch die Oberflächenmarker CD15 und CD30, während 10% als noduläres, Lymphozyten-prädominantes HL, gekennzeichnet durch L- & H-Zellen (Lymphozyten und Histiozyten) sowie die Oberflächenmarker CD19 und CD20, einzuordnen sind [2, 3]. Die vier histologischen Subtypen des klassischen Hodgkin-Lymphoms unterscheiden sich bei Kindern und Jugendlichen nicht von denen bei erwachsenen Patienten: (Lymphozyten-reich, noduläre Sklerose, Mischtyp, Lymphozyten-arm). Auch bei Kindern und Jugendlichen ist die noduläre Sklerose der häufigste Subtyp, wobei den histologischen Subtypen in den pädiatrischen Therapiestudien keine prognostische Bedeutung zukommt
3. Staging
Die für eine Stadieneinteilung erforderlichen Untersuchungen sind in Tab. 1 zusammengefasst. Eine exakte Stadieneinteilung ist wichtig, da in allen derzeitigen risikoangepassten Therapieprotokollen die Intensität der Chemotherapie vom prätherapeutischen Stadium der Erkrankung – und vom Ansprechen auf die Therapie – bestimmt wird. In der Ära, in der Patienten mit Hodgkin-Lymphom ausschließlich bestrahlt wurden, war es von großer Bedeutung, auch einen minimalen bzw. mikroskopischen Befall zu entdecken. Auch waren in dieser Zeit, vor Einführung der anatomischen Schnittbildverfahren wie Sonografie, Computertomografie und MRT, die Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik beschränkt. Daher galt in dieser Ära die explorative Laparotomie einschließlich einer Splenektomie als obligate Staging-Untersuchung, wobei nach diesen invasiven Eingriffen bei 5–10% der laparotomierten Kinder und Jugendlichen ein Bridenileus und häufig eine schwere Post-Splenektomie-Sepsis (Overwhelming Post Splenectomy Infection; OPSI) auftrat: So fanden sich bei 6% der splenektomierten Kinder und Jugendlichen aus den ersten drei Therapieoptimierungs-Studien HD-78, HD-82 und HD-87 im weiteren Verlauf Todesfälle aufgrund einer OPSI [4]. In den weiteren Studien wurde dann die Indikation zur explorativen Laparotomie oder Laparoskopie auf die Patienten beschränkt, die mittels bildgebender Diagnostik nicht eindeutig zu diagnostizieren waren. Dies führte dazu, dass unter 1.018 Kindern und Jugendlichen der folgenden Therapiestudien nur noch bei 3% eine Laparotomie und bei 2% eine Laparoskopie, jeweils ohne Splenektomie, durchgeführt wurde [2, 3].
Funktionelle Bildgebung. Da in den Therapieoptimierungsstudien der GPOH eine retrospektive Analyse zeigen konnte, dass ein Skelettbefall nur bei Stadium IIB und darüber diagnostiziert werden konnte, wird in der aktuellen Therapiestudie Euro N-PHL-C1 die Technetium-Skelettszintigrafie nur noch in den höheren Stadien empfohlen. Die früher häufig durchgeführte Ganzkörper-Szintigrafie mit 67Gallium ist in den aktuellen Studien von der Positronenemissionstomografie mit Fluor-
Desoxyglukose (FDG-PET) abgelöst worden. Diese funktionelle Bildgebung kann mit der anatomischen Schnittbildgebung in Form eines PET-CT kombiniert werden, sodass funktionell aktiven Herden anatomische Strukturen zugeordnet werden können. Die PET-Untersuchung hat sowohl in internistischen [5] wie auch in pädiatrischen Hodgkin-Studien eine hohe Sensitivität und Spezifität gezeigt [6].
Aufgrund der genannten Staging-Untersuchungen kann das Hodgkin-Lymphom in die von der UICC empfohlenen Stadien eingeteilt werden:
• Stadium I: Befall einer einzelnen Lymphknotenregion (I) oder eines lokalisierten einzelnen extralymphatischen Organs oder Bezirks (IE).
• Stadium II: Befall von zwei oder mehr Regionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells (II) oder lokalisierter Befall eines einzelnen extralymphatischen Organs oder Bezirks und seines (seiner) regionären Lymphknoten mit oder ohne Befall anderer Lymphknotenregionen auf der gleichen Zwerchfellseite (IIE).
• Stadium III: Befall von Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells (III), ggf. zusätzlich lokalisierter Befall eines extralymphatischen Organs oder Bezirks (IIIE) oder gleichzeitiger Befall der Milz (IIIS) oder gleichzeitiger Befall von beiden (IIIE+S).
• Stadium IV: Disseminierter (multifokaler) Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne gleichzeitigem Lymphknotenbefall oder isolierter Befall eines extralymphatischen Organs mit Befall entfernter (nicht regionärer) Lymphknoten.
Jedes Stadium wird in eine A- oder B-Kategorie unterteilt. A bedeutet Fehlen und B Vorhandensein mindestens einer der folgenden definierten Allgemeinsymptome:
• unerklärlicher Gewichtsverlust von mehr als 10% in den letzten sechs Monaten und/oder
• unerklärtes persistierendes oder rekurrierendes Fieber über 38 °C (Pel-Ebstein-Fieber)
• Nachtschweiß
In den meisten Therapiestudien werden aufgrund der oben genannten Stadieneinteilung drei strategische Therapiearme unterschieden:
• niedriges Rezidivrisiko: Stadien IA, IB, IIA,
• intermediäres Rezidivrisiko: Stadien IIB und IIIA,
• hohes Rezidivrisiko: Stadien IIIB sowie IV.
In der pädiatrischen Therapiestudie GPOH-HD 95 konnten an über 1.000 Patienten in uni- und multivarianten Analysen folgende Merkmale als statistisch signifikante Risikofaktoren für ein Rezidiv ermittelt werden:
• B-Symptome,
• extranodaler Befall in Form von
E-Stadien oder Stadium IV.
Im Gegensatz zu vielen internistischen Studien erwies sich ein ausgeprägter Mediastinal-Tumor („Bulky Disease“) hingegen nicht als Risikofaktor [7].
4. Therapie
4.1 Radiotherapie
Bis in die 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts stand für die Therapie des HL nur die Radiotherapie zur Verfügung. Kaplan [8] konnte zeigen, dass bei einer Strahlendosis von 44 Gy eine anhaltende Rezidivfreiheit in den entsprechend bestrahlten Feldern erzielt werden konnte. Entsprechend der zunächst überwiegend lymphogenen Ausbreitung des HL wurden folgende Bestrahlungsfelder angewandt [9]:
• totale nodale Bestrahlung (TNI) aller Lymphknotenstationen einschließlich der Milz.
• oberes Mantelfeld: alle Lymphknotenstationen oberhalb des Zwerchfells.
• umgekehrtes „Y“: alle Lymphknotenstationen unterhalb des Zwerchfells – paraaortal, parailiakal sowie die beiden Leistenregionen.
• „extended field“ (EF): die befallenen und zusätzlich die jeweils benachbarte Lymphknotenstation.
• “involved field” (IF): nur befallene Lymphknotenstationen.
Wegen der bei Kindern und Jugendlichen beobachteten Neben- und Spätwirkungen einer Bestrahlung [10, 11] wurde in den pädiatrischen Therapiestudien angestrebt, sowohl die Bestrahlungsdosis als auch die Bestrahlungsvolumina zu reduzieren. In Kombination mit einer Chemotherapie („Combined-modality therapy“) wurde schon frühzeitig eine niedrigdosierte Bestrahlung nur der befallenen Regionen („involved field“) zur Standardtherapie der pädiatrischen Protokolle [10, 11].
In den GPOH-Studien wurden die Bestrahlungsvolumina noch weiter reduziert und individualisiert [11]. Bei der Festlegung der Strahlendosis ist die jeweilige Strahlentoleranz der im Bestrahlungsfeld liegenden Organe zu berücksichtigen: Für Lunge und Leber soll die Dosis 12–15 Gy nicht überschreiten, wenn größere Anteile der Organe bestrahlt werden. Als optimale Fraktionierung werden für Lymphknotenregionen allgemein 1,8 Gy an fünf Tagen der Woche empfohlen. Für größere Bestrahlungsvolumina wird eine Reduktion auf 1,5 Gy/Tag, und für die Lunge unter Verwendung von Transmissionsblöcken 1–1,2 Gy pro Tag empfohlen [12]. Eine asymmetrische Bestrahlung der Wirbelsäule ist bei Kindern wegen einer drohenden Skoliose zu vermeiden. Bei abdomineller Bestrahlung sollten bei Mädchen und jungen Frauen die Ovarien aus dem Strahlenfeld verlagert werden.
4.2. Polychemotherapie
Die von de Vita und Mitarbeitern [13] entwickelte Kombinationschemotherapie MOPP (Mechlorethamin, Oncovin (= Vincristin), Procarbazin und Prednison) beinhaltete vier Zytostatika, die jeweils einzeln eine Wirksamkeit beim Hodgkin-Lymphom gezeigt hatten, aber unterschiedliche Wirkmechanismen und gering überlappende Akuttoxizitäten aufwiesen. Mit dieser Kombination konnte bei erwachsenen Patienten ein rezidivfreies Überleben von 48% nach 20 Jahren erzielt werden [13]. In der Folgezeit wurden verschiedene Varianten dieser Chemotherapie eingesetzt, insbesondere wurde das Mechlorethamin durch Cyclophosphamid (COPP) ersetzt.
In der pädiatrischen Onkologie wurden mehrere Studien mit alleiniger Chemotherapie durchgeführt, die jedoch ungünstigere Therapieergebnisse erzielt haben als die kombinierte Chemoradiotherapie [9].
Erst die Response-adaptierte Studie GPOH-HD 95 konnte nachweisen, dass ein Verzicht auf die Strahlentherapie für Kinder und Jugendliche in niedrigen Stadien, die nach den ersten beiden Polychemotherapie-Zyklen OPPA (Vincristin (= Oncovin), Procarbazin, Prednison, Doxorubicin (= Adriamycin)) eine komplette Remission erreicht hatten, möglich war: Für 113 Patienten ohne Radiotherapie betrug das krankheitsfreie Überleben nach fünf Jahren 97% und war nahezu identisch zu dem von 281 Patienten, die am Ende der Chemotherapie keine Komplettremission in der Bildgebung erreicht hatten und daher eine „involved-field“-Bestrahlung mit 20 Gy erhalten hatten [2, 3].
4.3 Kombinierte Chemoradio-therapie (combined-modality treatment)
In den pädiatrischen Studien wurde bereits seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts bei allen Kindern und Jugendlichen eine Kombination aus Chemotherapie und anschließender Radiotherapie eingesetzt, um bei den noch wachsenden und sich entwickelnden Patienten eine möglichst geringe Strahlendosis und möglichst kleine Strahlenfelder anwenden zu müssen. Hierbei wurde die Zahl der Chemotherapie-Blöcke dem Ausbreitungsstadium der Erkrankung angepasst. In den GPOH-HD-Studien erhielten Patienten im Stadium I und IIA zwei Chemotherapie-Blöcke, im Stadium IIB und IIIA vier Blöcke und nur in den hohen Stadien IIIB und IV insgesamt sechs Blöcke. Dabei kam in den GPOH-Studien von Beginn an die Kombination OPPA (mit Doxorubicin) anstelle der in der internistischen Onkologie eingesetzten Kombinationen MOPP bzw. COPP (s. Tab. 2) zum Einsatz.

In der Studie HD-85 wurde das gonadotoxische Procarbazin ersatzlos gestrichen: OPA anstelle von OPPA. Dies führte besonders in den höheren Stadien zu einer deutlich erhöhten Rezidivrate, weshalb diese Studie vorzeitig beendet wurde. Dank einer effektiven Rezidivtherapie konnte aber auch in dieser Studie insgesamt eine 10-Jahres-Überlebensrate von über 95% erzielt werden [10]. In der Studie HD-90 wurde für männliche Patienten Procarbazin durch Etoposid ersetzt
(OEPA anstelle von OPPA) und die Radiotherapie sowohl in Bezug auf bestrahlte Felder als auch die Dosis weiter reduziert. Auch mit diesen reduzierten Strahlendosen wurde für die mittlere Therapiegruppe ein ereignisfreies 5-Jahres-Überleben von 93% und für die Hochrisikogruppe von 86% erzielt [14].
In Studie HD-95 wurden als Standard-Strahlendosis für alle Therapiegruppen 20 Gy auf die lokalen Felder appliziert, und bei Patienten mit einer kompletten Remission nach initialer Chemotherapie wurde auf die Strahlentherapie verzichtet. Dies war in der Niedrigrisikogruppe ohne eine Verschlechterung der Behandlungsergebnisse möglich, nicht aber in der mittleren und hohen Risikogruppe, in denen das Therapieergebnis bei Patienten ohne Radiotherapie signifikant schlechter ausfiel als bei den bestrahlten Patienten [2, 3].
In der derzeit aktiven europäischen Therapiestudie EURO-Net-PHL-CI zur Behandlung des Hodgkin-Lymphoms bei Kindern und Jugendlichen erhalten Patienten der Therapiegruppe I zwei Kurse OEPA und bei adäquatem Ansprechen, welches mit Schnittbildgebung und funktioneller Bildgebung durch PET zentral beurteilt wird, keine weitere Therapie. Bei inadäquatem Ansprechen folgt eine lokale Bestrahlung der befallenen Felder mit 20 Gy. In der mittleren Therapiegruppe II werden die Patienten nach den initialen beiden OEPA-Blöcken auf COPP vs. COPDAC randomisiert. In den COPDAC-Blöcken ist Procarbazin durch Actinomycin D ersetzt. Im Anschluss daran wird die Therapie bei adäquatem Ansprechen beendet, bei inadäquatem Ansprechen folgt eine „involved-field“-Bestrahlung mit 20 Gy. In der Risikogruppe TG III erhalten die Patienten insgesamt sechs Chemotherapie-Blöcke, wobei ebenfalls zwischen COPP und COPDAC randomisiert wird. Auch in dieser Gruppe ist die Behandlung bei adäquatem Ansprechen nach sechs Chemotherapie-Blöcken beendet, während bei inadäquatem Ansprechen eine „involved-field“-Bestrahlung mit 20 Gy folgt. Die Entscheidung über eine spätere Bestrahlung wird bei allen Patienten im Anschluss an den zweiten OEPA-Chemotherapie-Block gefällt.
Therapie des nodulären Lymphozyten-prädominanten Hodgkin-Lymphoms (NLPHL)
Patienten mit NLPHL wurden in der Vergangenheit in der Regel ebenso behandelt wie Patienten mit einem klassischen HL. Eine retrospektive Analyse von 58 Kindern und Jugendlichen mit dieser besonderen Entität konnte jedoch zeigen, dass nach kompletter chirurgischer Exstirpation ohne anschließende Chemo- und/oder Radiotherapie ein Gesamtüberleben von 100% und ein progressionsfreies Überleben von 57% nach 43 Monaten erzielt werden konnte [15]. Aus diesem Grund erscheint bei komplett chirurgisch entferntem NLPHL zunächst ein abwartendes Verhalten ohne Chemotherapie bei engmaschigen klinischen und sonografischen Kontrollen gerechtfertigt zu sein.
4.4 Rezidivtherapie
176 Kinder und Jugendliche mit Progress (n = 51) oder Rezidiv (n = 125) eines Hodgkin-Lymphoms wurden im Rahmen der GPOH-Studien mit einer Rezidivchemotherapie behandelt, die aus IEP (Ifosfamid, Etoposid, Prednison) im Wechsel mit ABVD (Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbazin) bestand und bei einigen Patienten durch CEP (CCNU, Etoposid, Prednimustin) ergänzt wurde. Im Anschluss an diese Chemotherapie erhielten die Patienten eine „involved-field“-Bestrahlung mit 25–30 Gy bzw. in vorbestrahlten Regionen eine Aufsättigung auf maximal 45 Gy. Patienten mit Progression und frühen Rezidiven erhielten zusätzlich eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Retransfusion von autologen hämatopoetischen Stammzellen (autologe HSCT). Mit dieser Rezidivbehandlung konnte ein krankheitsfreies Überleben von 62% und ein Gesamtüberleben von 75% nach zehn Jahren erreicht werden [16]. Der wichtigste prognostische Faktor in dieser Rezidivstudie war der Zeitpunkt des Rezidivs: Rezidive, die mehr als zwölf Monate nach Ende der Primärtherapie aufgetreten waren, hatten ein krankheitsfreies Überleben von 84%, während bei früheren Rezidiven nur 42% erreicht wurden.
5. Spätfolgen (Tab. 3)
Zweittumoren (sekundäre maligne Neoplasien; SMN) werden bei Erwachsenen und Kindern nach Behandlung eines Hodgkin-Lymphoms häufiger als nach anderen Krebserkrankungen beobachtet. Dies ist zumindest teilweise dadurch bedingt, dass die Mehrzahl der Patienten mit Hodgkin-Lymphom schon seit den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts geheilt werden kann, und dadurch die Anzahl der Patienten, die potenziell an einer Zweit-Neoplasie erkranken können, höher ist als bei anderen malignen Erkrankungen mit ungünstigerer Prognose. Hinzu kommt aber auch, dass die beim Hodgkin-Lymphom eingesetzte Polychemotherapie und eine Radiotherapie selbst in der Lage sind, Zweittumoren hervorzurufen. So wird die kumulative Inzidenz für alle Zweit-Neoplasien nach Behandlung eines Hodgkin-Lymphoms im Kindes- und Jugendalter mit etwa 8% angegeben [17].
Myeloische Neoplasien (akute myeloische Leukämien (AML) und myelodysplastische Syndrome (MDS)) werden überwiegend auf Alkylanzien (MDS) und Topoisomerase-II-Inhibitoren zurückgeführt. Polychemotherapie-Protokolle, die Mechlorethamin oder Chlorambucil enthalten, führen in bis zu 6% der Fälle zu einem MDS. Nach Topoisomerase-II-Inhibitoren wie Etoposid ist das Intervall bis zur Entstehung einer Zweit-Leukämie, meist vom FAB Typ M4 (akute myelomonoblastäre Leukämie) oder M5 (akute monoblastäre Leukämie) sowie zytogenetisch mit Veränderungen im Bereich Chromosom 11q23 vorhanden.
In den GPOH-Studien traten dagegen nur bei 1,4% aller bislang behandelten Patienten sekundäre myeloische Neoplasien auf [18]. Dies wird auf die kontinuierliche Reduktion der Bestrahlungsdosen und der Bestrahlungsfelder sowie auf den Verzicht auf Mechlorethamin bzw. auf Cyclophosphamid in den OPPA-Blöcken in den pädiatrischen Hodgkin-Therapiestudien zurückgeführt.
Die Radiotherapie erhöht ebenfalls das Risiko für sekundäre solide Tumoren. Diese treten mit einem längeren Intervall als die durch Chemotherapie induzierten Zweittumoren auf. Nach Radiotherapie treten insbesondere Sarkome wie Osteosarkom und Weichteilsarkom im Strahlenfeld auf. Im Gegensatz zu den myeloischen Neoplasien nach Polychemotherapie findet sich bislang in den meisten Therapiestudien bei Erwachsenen keine Plateaubildung der sekundären malignen Neoplasien [19].
Nach Strahlentherapie eines Hodgkin-Lymphoms im Kindes- und Jugendalter wurde aber auch ein gehäuftes und frühzeitiges Auftreten von Mammakarzinomen und Schilddrüsenkarzinomen beschrieben, wenn diese Organe im Strahlenfeld lagen [19].
In den GPOH-Studien fand sich bei 1.245 zwischen 1978 und 1995 behandelten Patienten 20 Jahre nach Diagnosestellung eine kumulative Inzidenz aller Zweittumoren von 7,1% (Abb. 2).
Organschädigungen. Die Chemo- und Radiotherapie eines Hodgkin-Lymphoms kann zu Organschäden führen (s. Tab. 3).
Schädigungen des Herzens finden sich insbesondere nach kumulativen Anthrazyklindosen von 160 mg/m² und darüber, meist in Form einer Kardiomyopathie. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer solchen dilatativen Kardiomyopathie wird durch gleichzeitige Gabe von Alkylanzien erhöht. Als Folge einer Mediastinal-Bestrahlung können Herzklappenerkrankungen, Myokardinfarkte sowie eine Peri- bzw. Pankarditis, bis hin zu einem Panzerherz, auftreten [20].
Lungenschädigungen treten insbesondere nach Gabe von Bleomycin, aber auch nach Bestrahlung des Mediastinums und der Lungen auf.
Die bei über 6% der splenektomierten Patienten nach Splenektomie auftretende foudroyante Sepsis [4], meist durch kapseltragende Bakterien wie Pneumokokken oder Meningokokken, ist glücklicherweise zurückgegangen, seitdem keine Splenektomien mehr durchgeführt werden. Allerdings kann auch eine Milzbestrahlung in Dosen von über 20 Gy zu einer funktionellen Hypo- bzw. Asplenie mit Auftreten von Howell-Jolly-Körperchen in den Erythrozyten mit der Gefahr von schweren Infektionen führen.
Schilddrüsenerkrankungen – und hier insbesondere Schilddrüsenkarzinome – können nach zervikaler Bestrahlung auftreten. Regelmäßige Sonografien der Schilddrüse zur Früherkennung eines Karzinoms sind daher erforderlich. Auch kann es nach einer zervikalen Strahlentherapie zu subklinischen bis klinisch erkennbaren Hypothyreosen mit TSH-Erhöhung kommen. In den GPOH-Studien fanden sich bei knapp 20% der Patienten Schilddrüsenerkrankungen, insbesondere subklinische Hypothyreosen, aber auch Schilddrüsenkarzinome bei 2% [4].
Zu Schädigungen der Gonaden kann es bei beiden Geschlechtern nach Bestrahlung im Gonadenbereich kommen; aber auch die Polychemotherapie, und hier insbesondere die Alkylanzien Mechlorethamin, Chlorambucil und Cyclophosphamid sowie Procarbazin, können bei männlichen Patienten zu einem Hypogonadismus mit Erhöhung der basalen FSH-Werte führen. Vor einer potenziell gonadotoxischen Therapie sollten männliche Jugendliche über die Möglichkeiten einer Samenspende beraten werden. Beim weiblichen Geschlecht ist das gonadotoxische Potenzial der Radio- und insbesondere auch der Chemotherapie deutlich niedriger, insbesondere bei präpubertären Mädchen. In den GPOH-Studien haben über die Hälfte der ehemaligen Hodgkin-Lymphom-Patientinnen inzwischen gesunde Kinder geboren.
Lokale Wachstumsstörungen von Knochen und Weichgeweben können nach Radiotherapie auftreten, sie sind dosisabhängig und bei jüngeren Kindern stärker ausgeprägt als bei älteren. Bestrahlungen des Halses und der Supraclavicular-Region können zu einer Verkürzung der Clavicula, einer Verschmächtigung der Muskulatur und der Weichgewebe sowie u. U. einer Einschränkung der Halsbeweglichkeit führen.
Summary
Hodgkin lymphomas in children and young adults
Hodgkin lymphoma (HL) in children and young adults does not substantially differ from the disease in adults. The youngest patients hitherto reported with HL have been three years of age. The development of therapeutic strategies for HL was somewhat different from that for most other cancers in children, young adults and adults. After demonstrating in the 1960s that radiation can achieve long relapse-free periods, radiotherapy became an important component of HL therapy right from the start. Only after realizing that irradiation can evoke serious late effects (more frequently in growing children than in adults), the main emphasis of therapy switched to polychemotherapy. Since 1978 the Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) has designed and conducted a series of HL therapy studies. The main therapy goal is “as little therapy as possible, but as much as necessary.”
Keywords: Hodgkin´s lymphoma, children and young adults, therapy trials, late effects after combined-modality treatment, second malignant neoplasms