Natriumthiosulfat verringert Hörverlust durch Cisplatin

Aus der Literatur: Klinik

Kindliche Hepatoblastome haben eine gute Prognose, wenn sie rechtzeitig mit Cisplatin und Operation behandelt werden. Schäden am Gehör durch  Cisplatin können allerdings im Kindesalter weitreichende Konsequenzen haben, wenn zum Beispiel die Sprachentwicklung beeinträchtigt wird. Natriumthiosulfat wirkt protektiv, die klinische Wirkung bei diesen Kindern wurde in einer randomisierten Studie überprüft.

Kinder mit Hepatoblastom und Standardrisiko haben gute Aussichten, wenn sie mit Cisplatin und Operation behandelt werden. Die teilweise erhebliche Ototoxizität von Cisplatin kann aber vor allem bei kleineren Kindern schwerwiegende Konsequenzen haben, wenn etwa die Sprach- und damit auch die spätere schulische Entwicklung beeinträchtigt wird. In früheren Studien erwarben mehr als 60% der Kinder einen permanenten Hörverlust bei hohen Frequenzen, der mindestens vom Brock-Grad 1 oder höher war. 

Für Natriumthiosulfat wird ein otoprotektiver Effekt beschrieben, wenn es zwischen vier und acht Stunden nach der Gabe von Cisplatin infundiert wird. In eine Phase-III-Studie wurden deshalb 109 Patienten im Alter zwischen einem Monat und 18 Jahren eingeschlossen, die an einem Hepatoblastom mit Standardrisiko litten, d. h bei ihnen waren höchstens drei Lebersektoren betroffen, sie hatten keine Fernmetastasen und das α-Fetoprotein lag bei über 100 ng/ml. Sie erhielten vier Zyklen Cisplatin (80 mg/m2), wurden dann operiert und bekamen daraufhin noch zwei weitere Zyklen. Die Hälfte der Patienten wurde außerdem randomisiert, sechs Stunden nach jeder Cisplatin-Gabe 20 mg/m2 Natriumthiosulfat über 15 Minuten infundiert zu erhalten. 

Primärer Endpunkt war der Hörverlust, der nach Brock-Graden (von 0–4) quantifiziert wurde. Diese Messungen wurden im Alter von mindestens dreieinhalb Jahren vorgenommen und konnten bei 101 der Kinder durchgeführt werden. Dabei wurde ein Hörverlust von mindestens einem Brock-Grad nur bei 18 von 55 Kindern im Natriumthiosulfat-Arm (33%), aber bei 29 von 46 Kindern im Kontrollarm gefunden (63%). Das relative Risiko wurde damit um 48% reduziert (RR 0,52; p = 0,002).

Die onkologischen Parameter waren sekundäre Endpunkte: Nach median 52 Monaten Nachbeobachtung unterschieden sich Natriumthiosulfat- und Kontrollarm weder beim progressionsfreien (3-Jahres-Raten 82% vs. 79%) noch beim Gesamtüberleben (3-Jahres-Raten 98% vs. 92%). 

Josef Gulden