AGO Mamma – State of the Art Meeting 2025

Mammakarzinom: Evidenz erhöhen für die Therapie ­immunbedingter Toxizitäten

Jedes Jahr aktualisiert die Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) e. V. ihre Empfehlungen zur Behandlung von Personen mit Mammakarzinom. Die jährliche Anpassung stellt sicher, dass die jeweils aktuelle Datenlage auf Basis evidenzbasierter Kriterien berücksichtigt wird. Wir haben hier wichtige Neuigkeiten für Sie zusammengefasst.

Schlüsselwörter: Mammakarzinom, Therapieempfehlungen, Früherkennung, Diagnostik, ­operative ­Therapie, Systemtherapie

Individuellere Früherkennung und Diagnostik

Die Brustkrebsfrüherkennung bei asymptomatischen Frauen durch Mammografie bleibt der empfohlene Standard. Das Screening alle 24 Monate für Frauen zwischen 50 und 75 Jahren wird weiter mit Doppelplus (++) empfohlen, für Frauen von 45 bis 49 Jahren (alle 24 bis 36 Monate) mit +. Neu ist, dass das Screening weiteren Altersgruppen zugänglich gemacht wird, auch Frauen zwischen 40 und 44 Jahren mit moderat erhöhtem Risiko oder Eigenanamnese (+/– Empfehlung). Hierbei zu beachten ist die ­individuelle Risikoabschätzung nach Tyrer-Cuzick (https://ibis.ikonopedia.com).

Künstliche Intelligenz (KI), bereits als Second Reader in der Mammografie eingesetzt (+/–), wird als alleiniges Verfahren zur Detektion noch nicht empfohlen (–), da die Überlegenheit und Übertragbarkeit in die klinische Routine aktuell nicht bewiesen seien und die Standardisierung fehle [1, 2]. Zur Abklärung auffälliger Befunde bleiben als empfohlener Standard (alle ++) die klinische Untersuchung, die Mammografie, die Sonografie und die minimalinvasive Biopsie (Stanzbiopsie [CNB], Vakuumbiopsie [VAB]). Zusatzinformationen können aus der digitalen Brusttomosynthese (DBT) und der Kontrastmittelmammografie (CEM) stammen (jeweils +). Die Magnetresonanztomografie (MRT) kann zum Einsatz kommen, wenn andere Verfahren keine sichere ­Einschätzung erlauben (+) [3].

Im Fall eines auffälligen Lymphknotenbefunds im Rahmen der prätherapeutischen Axilladiagnostik werden neben klinischer Untersuchung und Sonografie (jeweils ++) nun die CNB Axilla und – falls eine „targeted axillary dissection“ (TAD) geplant ist (≤ 3 suspekte Lymphknoten) – die Markierung des Lymphknotens mit ++ empfohlen. Auch die MRT hat noch einen Stellenwert in diesem Setting (+) [3]. Für die Verlaufskon­trolle unter neoadjuvanter Therapie haben neben den Standards Mammasonografie, Palpation und Mammografie (alle ++) auch CEM (+), MRT (+) und DBT (+/–) an Bedeutung gewonnen. Zur Kontrolle des Ansprechens ist prä- und posttherapeutisch die gleiche Modalität zu wählen [3].

Systemtherapie beim frühen ­Mammakarzinom

Die Kapitel zur Systemtherapie beim frühen Mammakarzinom (eBC) wurden neu strukturiert und nach Tumorsubtyp sortiert; das macht sie übersichtlicher und für den klinischen Alltag besser nutzbar. Keine therapeutisch bedeutsamen Veränderungen gab es dabei für das primäre HER2+ Mammakarzinom.

Hormonrezeptorpositiver, HER2-negativer früher Brustkrebs

Für das hormonrezeptorpositive, HER2-negative (HR+/HER2–) eBC gab es im adjuvanten beziehungsweise postneoadjuvanten Setting ein Update für Erkrankte mit einem erhöhten Rückfallrisiko, ohne dass jedoch der Therapiealgorithmus relevant verändert wurde. Beruhend auf den Daten der NATALEE-Studie [8] wird jetzt neben der endokrinbasierten Kombinationstherapie mit Abemaciclib auch die endokrinbasierte Therapie mit Ribociclib (plus Aro­matasehemmer mit oder ohne Gonadotropin-Releasing-Hormon[GnRH]-Analogon) empfohlen (jeweils +). Zu beachten ist, dass Ribociclib in der Dosierung von 400 mg und – anders als Abemaciclib – über drei Jahre gegeben wird. Bei der Indikation der beiden endokrinbasierten Therapieoptionen sind die Kriterien der jeweiligen zulassungsrelevanten Studien zu beachten.

Weiterhin empfohlen wird die einjährige Gabe des Poly(ADP-Ribose)-Polymerasen(PARP)-Inhibitors Olaparib plus endokrine Therapie für Personen mit HR+/HER2– eBC und BRCA1/2-Mutationen in der Keimbahn (gBRCA1/2): bei Vorliegen von adjuvant mindestens vier befallenen Lymphknoten beziehungsweise im postneoadjuvanten Setting, falls keine ­pathologische Komplettremission erzielt wurde (non-pCR) und ein hoher CPS-EC-Score (≥ 3) vorliegt (jeweils ++). Neu ist der Hinweis, dass auch eine sequenzielle Therapie eingesetzt werden kann, die mit Olaparib plus endokrine Therapie startet und nach einem Jahr auf eine endokrinbasierte Behandlung mit einem CDK4/6-Inhibitor umgestellt wird (+).

Primäres triple-negatives Mammakarzinom

Beim primären triple-negativen Mammakarzinom (eTNBC) wurden die Platinregime aufgewertet: Die neoadjuvante platinhaltige Chemotherapie mit Paclitaxel/Carboplatin plus Pem­brolizumab gefolgt von Epirubicin/Cyclophosphamid (EC) ist bei Frauen mit hohem Rückfallrisiko (ab T2 oder pN+) der neoadjuvante Standard (++). Postoperativ wird mit Pembrolizumab über neun Zyklen (alle drei Wochen) weiterbehandelt. Eine rein adjuvante Immuntherapie ohne vorherigen neoadjuvanten Einsatz empfiehlt die AGO Mamma nicht.

Eine zweite Änderung: Im Stadium I (cT1 cN0) ist nab-Paclitaxel als Kombinationspartner von Carboplatin gefolgt von der dosisdichten EC-Gabe keine Therapieoption mehr. Paclitaxel wird weiterhin mit ++ empfohlen.

Die Indikationen zur Chemotherapie mit oder ohne zielgerichtete Substanzen wurden nicht verändert. Die neuen Leitlinien listen allerdings nun die präferierten Chemotherapie­regime beim eTNBC auf (alle ++) (Tab. 1).

Tab. 1 Präferierte Therapieschemata der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft ­Gynäkologische ­Onkologie (AGO) e. V. für das triple-negative Mammakarzinom (nach [3]).

 

Oxford

 

 

LoE

GR

AGO

Nichtplatinhaltige Regime

 

 

 

• ddEC x 4 → Paclitaxel80 q1w x 12 (bei T1 N0)

1b

B

++

Platinhaltige Regime

 

 

 

• Paclitaxel80 /CarboAUC 1,5 q1w x 12 → ddEC x 4

1b

B

++

• Paclitaxel80 q1w x 12/CarboAUC 5 q3w x 4 → ddAC/ddEC x 4

1b

B

++

• Paclitaxel/CarboAUC 1,5 q1w x 18 (bei T1 N0)

2b

B

++

Checkpoint-Inhibitoren

 

 

 

• Pembro200 q3w + Pac80/CarboAUC 1,5 q1w x 12 → E90C q3w x 4

1b

B

++

• Pembro200 q3w + Pac80 q1w x 12 / CarboAUC 5 q3w → E90C q3w x 4

1b

B

++

AC = Doxorubicin plus Cyclophosphamid; AUC = „area under the curve“; Carbo = Carboplatin; dd = dosisdicht; EC = Epirubicin plus Cyclophosphamid; GR = Evidenzgrad; LoE = Levels of Evidence; Pac = Paclitaxel 

Systemtherapie beim metastasierten ­Mammakarzinom

Zur systemischen Therapie des metastasierten Mammakarzinoms (mBC) gab es einige Neuerungen (vor allem für das HR+/HER2– mBC), die auf aktuellen Studiendaten des vergangenen Jahres beruhten. Die Individualisierung der Behandlung schreitet damit weiter voran.

HR+/HER2– metastasiertes Mammakarzinom

Die endokrinbasierte Kombinationstherapie mit einem CDK4/6-Inhibitor bleibt weiterhin Behandlungsstandard in der Erstlinie. Die Empfehlung wurde allerdings ausgeweitet. Die bislang geltende Einschränkung, bei hohem Remissionsdruck eine Chemotherapie zu erwägen, entfällt. Jetzt wird die endokrinbasierte Erstlinientherapie mit einem CDK4/6-Inhibitor vorzugsweise auch bei hohem Remissionsdruck empfohlen (++). Basis für dieses Update waren mehrere prospektive klinische Studien, in denen gezeigt werden konnte, dass die endokrinbasierte Therapie ebenso bei hohem Remissionsdruck, etwa bei multipel (auch viszeral) metastasierten Erkrankten, mindestens so gut wirkte wie eine Chemotherapie.

Eine weitere Neuerung betraf Erkrankte mit einem HR+/HER2– mBC und endokriner Resistenz plus nachgewiesener PIK3CA-Mutation, bei denen die endokrinbasierte Erst­linientherapie um den PIC3CA-Inhibitor Inavolisib erweitert werden kann (+). Grundlage für die neue Empfehlung bilden die Daten der INAVO120-Studie, in der die Erstlinientherapie mit Palbociclib/Fulvestrant plus Inavolisib bei endokriner Resistenz und PIK3CA-Mutationsnachweis das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) gegenüber Palbociclib/Fulvestrant alleine mehr als verdoppelt hatte (Hazard Ratio [HR] 0,43; p < 0,0001) [9]. Die Dreierkombination mit Inavolisib ist aktuell noch nicht zugelassen (Zulassung erwartet); die Nachbeobachtungszeit ist mit gut 21 Monaten zudem noch recht kurz. Die Experten beim AGO-Meeting empfehlen, bei Verdacht auf eine endokrine Resistenz frühzeitig eine PIK3CA-Testung durchzuführen.

Für den Fall, dass keine therapierelevanten Mutationen vorliegen, kann nach Versagen der endokrinbasierten Erstlinientherapie mit einem CDK4/6-Inhibitor erneut eine endokrin- und CDK4/6-Inhibitor-basierte Therapie als Zweitlinientherapie eingesetzt werden. Diese Strategie des Einsatzes einer Behandlung über den Progress hinaus („treatment beyond progression“) wurde unter der Voraussetzung aufgewertet (+), dass neben der endokrinen Therapie auch der CDK4/6-Inhibitor gewechselt wird.

Eine relevante Neuerung jenseits der Erstlinienbehandlung des HR+/HER2– mBC betrifft den Einsatz von Olaparib, der nun nicht mehr allein für Patientinnen mit gBRCA1/2-, sondern darüber hinaus für jene mit einer somatischen BRCA1/2-Mutation (sBRCA1/2) oder einer PALB2-Mutation in der Keimbahn (gPALB2) empfohlen wird (+). Die Zulassung von Olaparib beschränkt sich derzeit allerdings auf Erkrankte mit gBRCA1/2-Mutation.

Der Stellenwert der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) nimmt auch beim HR+/HER2– mBC stetig zu. Unverändert bleibt die ++ Empfehlung für die ADCs Trastuzumab-Deruxtecan (­T-DXd) (im Fall eines HER2-low-Nachweises) sowie Sacituzumab-Govitecan (SG), bei endokriner Resistenz und Vorbehandlung der metastasierten Erkrankung mit einer klassischen Chemotherapie. Für T-DXd gab es allerdings eine aktuelle Erweiterung, basierend auf den Daten der im Jahr 2024 präsentierten Studie DESTINY Breast06 [10]. Das ADC wird bei nachgewiesenem HER2-low-Status jetzt auch als Behandlungsmöglichkeit für Betroffene ohne vorherige zytostatische Therapie empfohlen (+), wenn eine endokrinbasierte Therapie nicht infrage kommt. Damit kann T-DXd nun bereits nach dem Ausschöpfen der endokrinen Behandlungsmöglichkeiten eingesetzt werden, und es rückt eine Therapielinie nach vorne. In Einzelfällen kann T-DXd auch bei Erkrankten mit HER2-ultralow-Status zur Anwendung kommen (+/–).

Um modernen Therapieoptionen, die auf molekularen Veränderungen basieren, patientenindividuell bestmöglich gerecht zu werden, erinnerten die AGO-Experten daran, frühzeitig molekular zu testen – idealerweise in Form eines NGS(Next Generation Sequencing)-Panels vor Therapiebeginn.

Triple-positives (HR+/HER2+) metastasiertes ­Mammakarzinom

Für Erkrankte mit triple-positiven (HR+/HER2+) mBC gab es zwei aktuelle Anpassungen:

  • Personen, bei denen eine Chemotherapie nicht einsetzbar ist oder abgelehnt wird, können von der Kombinationstherapie Abemaciclib/Fulvestrant plus Trastuzumab profitieren (+). Für Einzelfälle steht nun eine zweite endokrinbasierte Kombinationstherapie mit Ribociclib zur Verfügung, die mit Trastuzumab/Pertuzumab kombiniert wird (+/–). In der Studie DETECT V hatte die chemotherapiefreie Kombination gegenüber einer Induktionschemotherapie mit nachfolgender endokrin-/anti-HER2-basierter Erhaltungstherapie einen Benefit für das PFS und das Gesamtüberleben (OS) zeigen können [11]. Aktuell ist ein Kostenübernahmeantrag erforderlich.
  • Die endokrinbasierte Erhaltungstherapie mit Palbociclib plus Trastuzumab/Pertuzumab nach Induktionschemotherapie erhielt jetzt eine + Empfehlung. Sie basiert auf den Ergebnissen der PATINA-Studie, in der die Addition von Palbociclib zur endokrinen Therapie plus Trastuzumab/Pertuzumab das mediane PFS gegenüber der alleinigen endokrinen Therapie plus Trastuzumab/Pertuzumab verbessert hatte (HR 0,74; p = 0,0074) [12]. Auch hier muss die Kostenübernahme ­beantragt werden – wegen fehlender Zulassung.

Bericht vom AGO Mamma – State of the Art Meeting 2025 am 08.03.2025 in Frankfurt am Main und virtuell.