Annual Meeting of the American Society of Hematology (ASH) 2024

Multiples Myelom: Kongress-Highlights von der ­Erstlinien- bis zur Rezidivtherapie

Das Annual Meeting and Exposition of the American Society of Hematology (ASH) 2024 lieferte spannende neue Studiendaten zum multiplen Myelom (MM) – von der therapeutischen Intervention beim Hochrisiko-Smouldering-Myelom (SSM) über die Erstlinientherapie bei der neu diagnostizierten Myelomerkrankung (NDMM) bis hin zur Rezidivtherapie. Wir haben einige Kongress-Highlights zu allen Phasen der Erkrankung, teilweise mit praxisveränderndem Potenzial, für Sie zusammengestellt.

Schlüsselwörter: multiples Myelom, neu diagnostiziertes Myelom, Hochrisiko-­Smouldering-Myelom, ­Vierfachkombination, Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, bispezifischer Antikörper, minimale Resterkrankung

AQUILA: Daratumumab mono halbiert ­Progressionsrisiko beim Hochrisiko-SSM

Bei Patienten mit Hochrisiko-SMM besteht ein hohes Risiko, dass sich die Plasmazellstörung in ein MM mit Endorganschäden weiterentwickelt. Die Phase-III-Studie AQUILA untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit einer dreijährigen Behandlung mit dem subkutan applizierten CD38-Antikörper Daratumumab (D) als Monotherapie bei einer SSM-Population mit hohem Progressionsrisiko gegen den Standard aktives Monitoring. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS).

Laut Prof. Meletios Athanasios Dimopoulos, Athen, Griechenland, war das Risiko für Progression oder Tod nach einem medianen Follow-up von 65,2 Monaten unter dem Einfluss von D um 51 % vermindert (medianes PFS nicht erreicht vs. 41,5 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,49; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,36–0,67; p < 0,0001), bei einer 60-Monats-PFS-Rate von 63,1 versus 40,8 % [1]. Das Delta zwischen beiden Behandlungsarmen vergrößerte sich im Zeitverlauf, obwohl die dreijährige Behandlungszeit abgeschlossen war. Auch ein starker Trend hin zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) war zu erkennen (HR 0,52; 95 %-KI 0,27–0,98). Die Behandlung mit D mono war gut verträglich, was sich an der niedrigen Rate an nebenwirkungsbedingten Behandlungsabbrüchen (6,7 %) zeigte – bei stabiler Lebensqualität. ­Dimopoulos zufolge könnte die frühe Intervention mit D mono Erkrankten mit Hochrisiko-SSM die Möglichkeit bieten, die Progression in ein MM sowie das Auftreten von Endorganschäden zu verzögern beziehungsweise zu vermeiden und das Überleben zu verlängern.

Transplantationsgeeignetes NDMM: ­PFS-Vorteil für Isatuximab/VRd versus VRd

Moderne Vierfachkombinationen unter Einbeziehung eines CD38-Antikörpers setzen sich bei Erkrankten mit NDMM unabhängig von der Transplantationseignung immer mehr durch. Aktuelle Studiendaten vom ASH 2024 untermauern diesen Trend.

Bei transplantationsgeeigneten Erkrankten wird durch Addition des CD38-Antikörpers Isatuximab zur Standard-Trip­lette Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (VRd) bereits nach der Induktion (drei Zyklen vor Hochdosischemotherapie und autologer Stammzelltransplantation [ASZT]) ein tiefes Ansprechen erzielt, so die Daten der Phase-III-Studie HD7 der GMMG (German-Speaking Myeloma Multicenter Group). Die primäre Studienanalyse hatte nach der 18-wöchigen Induktion überlegene Raten für die MRD(Messbare Resterkrankung)-Negativität (primärer Endpunkt; 10–5 Level) zugunsten von VRd gezeigt (50 vs. 36 %; Odds Ratio [OR] 1,83; 95 %-KI 1,34−2,51; p = 0,00017) [2], die sich nach Abschluss der ASZT noch einmal deutlich erhöhten (66,2 vs. 47,7 %; OR 2,13; p < 0,001) [3]. Aktualisierte Daten vom ASH 2024 ergaben nun, dass sich der MRD-Vorteil auch in einen PFS-Benefit übersetzt [4].

Laut Dr. Elias K. Mai, Heidelberg, war nach einem medianen Follow-up von 48 Monaten unter der Isa-VRd-Induktion das PFS versus VRd signifikant verbessert (HR 0,70; 95 %-KI 0,52–0,95; p = 0,0184), entsprechend einem um 30 % reduzierten Risiko für Progression oder Tod unter dem Quadruplet [4]. In einem zweiten Teil der Studie, der erst begrenzt in die aktuelle Analyse einfloss, wird nach erneuter Randomisierung evaluiert, ob die Addition von Isatuximab zur Lenalidomid-Erhaltung einen weiteren Vorteil bringen kann. Erste gewichtete PFS-Analysen nach der zweiten Randomisierung bestätigten einen signifikanten Nutzen der Induktion mit Isa-VRd versus VRd gefolgt von einer Lenalidomid-Erhaltung (HR 0,63; p = 0,016). Mai berichtete: „Isa-VRd ist das erste Regime, das in einer Phase-III-Studie ein tiefes und schnelles Ansprechen zeigt, nachweisbar durch einen statistisch signifikanten MRD-Benefit am Ende der Induktion und Posttransplantation, der sich nun auch in einen PFS-Benefit versus VRd übersetzt.“

NDMM im Nicht-Transplantations-Setting: ­Vorteile bei MRD-Negativität und PFS mit Daratumumab-basiertem Quadruplet

Quadruplets finden beim NDMM auch Eingang in das Nicht-Transplantations-Setting. Isa-VRd wurde auf Basis der Daten der IMROZ-Studie [5] bei nichttransplantationsgeeigneten Patienten bereits im Januar 2025 in der EU zugelassen. Beim ASH 2024 vorgestellte Daten der laufenden Phase-III-Studie CEPHEUS bestätigten auch für die Kombination D mit VRd versus VRd tiefe, anhaltende Remissionen mit einer hohen Rate an MRD-Negativität sowie ein verlängertes PFS, falls eine Transplantation nicht möglich war oder aufgeschoben wurde [6].

Die im Vorfeld vorgestellten primären CEPHEUS-Daten hatten für D-VRd versus VRd eine signifikante Verbesserung der MRD-Negativitätsrate auf dem Sensitivitätslevel 10-5 (primärer Endpunkt) gezeigt (OR 2,37; p < 0,0001). Dies ging einher mit einem verlängerten PFS (Median nicht erreicht vs. 52,6 Monate unter VRd; HR 0,57; p < 0,0005) und einer erhöhten Rate an ≥ CR (81,2 vs. 61,6 %; p < 0,0001) [6]. Beim ASH 2024 präsentierte Prof. Sonja Zweegman, Amsterdam, Niederlande, eine erweiterte MRD-Analyse [6].

Nach einem medianen Follow-up von 58,7 Monaten war die MRD-Negativitätsrate unter D-VRd signifikant höher als unter VRd, sowohl auf dem Sensitivitätslevel 10–5 (60,9 vs. 39,4 %; OR 2,37; p < 0,0001) als auch auf dem Level 10–6 (46,2 vs. 27,3 %; OR 2,24; p = 0,0001) [6]. Damit waren die Raten an MRD-negativer ≥ CR durch Addition von D jeweils etwa verdoppelt, ebenso wie die Rate an anhaltender MRD-Negativität nach zwölf, 24 und 36 Monaten. Die PFS-Verlängerung unter D-VRd war unabhängig von der erreichten MRD-Negativität.

Die Daten unterstützen laut Zweegman den Einsatz von D-VRd als einen zukünftigen neuen Standard für Erkrankte mit NDMM, die nicht geeignet für eine Transplantation sind oder bei denen diese aufgeschoben wurde.

R/R MM: Belamaf-basierte Triplette ­verbessert Gesamtüberleben

Nachdem die Zulassung des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats (ADC) Belantamab-Mafodotin (Belamaf) als Monotherapie beim mehrfach vorbehandelten rezidivierten/refraktären (r/r) MM im März 2024 nicht erneuert worden war, konnte Belamaf in laufenden Phase-III-Studien im Rahmen von Kombinationstherapien überzeugen – etwa in der DREAMM-8-Studie mit Pomalidomid/Dexamethason (Pd) [9]. Beim ASH 2024 wurde ein Update der Schwesterstudie DREAMM-7 vorgestellt, in der das ADC als Triplette mit Bortezomib und Dexamethason (BVd) gegen die Dreifachkombination D plus Vd (DVd) geprüft wurde [10].

Bereits die erste DREAMM-7-Analyse hatte einen signifikanten, klinisch relevanten PFS-Benefit (primärer Endpunkt) zugunsten von BVd versus DVd beim RRMM mit mindestens einer Vortherapie gezeigt (median 36,6 vs. 13,4 Monate; HR 0,41; 95 %-KI 0,31–0,53; p < 0,001) [11]. Die beim ASH 2024 von Dr. Vania Hungria, São Paulo, Brasilien, vorgestellte zweite In­­terimsanalyse nach einem medianen Follow-up von 39,4 Monaten bestätigte auch einen Benefit für das OS. Das mediane OS war in beiden Therapiearmen nicht erreicht, doch das Mortalitätsrisiko war unter BVd versus DVd um 42 % reduziert (HR 0,58; 95 %-KI 0,43–0,79; p = 0,00023) – bei einer 36-Monats-OS-Rate von 74 versus 60 %.

BVd war DVd auch hinsichtlich der Gesamtansprechrate (ORR; 83,1 vs. 71,3 % mit 35,8 vs. 17,5 % ≥ CR) und der MRD-Negativitätsrate (25,1 vs. 10,4 %; 10–5 Level) überlegen; die mediane Dauer des Ansprechens war mit 40,8 versus 17,9 Monaten mehr als verdoppelt.

Das Sicherheitsprofil von BVd war konsistent mit dem der Primäranalyse (Rate an Grad-3/4-Nebenwirkungen 57,2 % für BVd vs. 55,7 % für DVd). Erwartungsgemäß standen unter BVd okuläre Nebenwirkungen im Fokus, die sich meist durch Dosismodifikationen handhaben ließen und im Verlauf zurückbildeten. Unscharfes Sehen war der häufigste unerwünschte okuläre Effekt (68 % alle Grade; 24 % Grad 3/4), der in 10 % der Fälle zum Therapieabbruch führte. Die vorgestellten Daten werden aufgrund des gezeigten Überlebensbenefits für BVd vermutlich in abseh­barer Zeit den Therapiestandard verändern.

R/R MM: vielversprechende erste Daten mit Teclistamab/Daratumumab/Pomalidomid

Der bispezifische Antikörper Teclistamab wird als Monotherapie zur Behandlung des RRMM nach mindestens drei Therapielinien eingesetzt. Eine beim ASH 2024 präsentierte Analyse zweier Phase-Ib-Studien (MajesTEC-2 und TRIMM-2) legt nahe, dass sich die Wirksamkeit von Teclistamab bei akzeptabler Sicherheit im Rahmen einer Kombinationstherapie mit Daratumumab und Pomalidomid (DP) möglicherweise noch steigern lässt [12]. Laut Dr. Anita D'Souza, Milwaukee, WI/USA, sollten aber Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe unbedingt eingehalten werden.

Die Patienten in MajesTEC-2 (n = 17) hatten im Median eine, die in TRIMM-2 (n = 10) vier Vortherapien erhalten. Nach einem medianen Follow-up von 25,8 Monaten waren die Erkrankten im Mittel zwölf Monate mit Teclistamab, D und Pomalidomid (­Tec-DP) behandelt worden. Neutropenie war mit 77,8 % die häufigste Nebenwirkung vom Grad 3/4. Es gab sieben Todesfälle zu beklagen – sechs davon aufgrund von Infektionen (vier ­COVID-19-Pneumonien, Lungenentzündung und Pseudomonas-Bakteriämie). D'Souza gab zu bedenken, dass vier dieser sechs Erkrankten eine Hypogammaglobulinämie aufgewiesen und vor Ausbruch der Infektion kein i. v. Immunglobulin (IVIg) erhalten hatten. Alle tödlich verlaufenden Infektionen seien vor Einführung eines intensivierten Infektionsprophylaxeplans im Februar 2023 eingetreten.

Die Wirksamkeitsdaten von Tec-DP waren vielversprechend. Die ORR betrug 85,2 %, mit 59,3 % ≥ CR. Dabei war das Ansprechen in MajesTEC-2 erwartungsgemäß etwas besser als in der stärker vorbehandelten TRIMM-2-Population (ORR 94,1 % mit 64,3 % ≥ CR vs. ORR 70,0 % mit 50,0 % ≥ CR). Auch die Dauer des Ansprechens war bei stark vorbehandelten Erkrankten mit mindestens drei Vortherapien kürzer als bei jenen mit ein bis drei Vortherapien (median 25,6 Monate vs. Median nicht erreicht). Das Ansprechen trat über beide Studien hinweg schnell ein und vertiefte sich über die Zeit. D'Souza schloss aus den Daten, dass die Therapie mit Tec-DP durchführbar sei, wobei auf intensivierte Empfehlungen zur Infektionsprophylaxe einschließlich IVIg-Supplementierung zu achten sei. Die Wirksamkeit mit hohen Ansprechraten und hohen Raten an ≥ CR seien „vielversprechend“ und würden die weitere klinische Evaluation rechtfertigen, meinte sie.

Bericht vom 66th Annual Meeting and Exposition of the American Society of Hematology (ASH) vom 7. bis 10.12.2024 in San Diego, CA/USA.