Innate Lymphoide Zellen – gewebespezifische Regulatoren von Homöostase und Immunität

DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2021.02.03

Die Entdeckung und Erforschung Innater Lymphoider Zellen (ILCs) hat unseren Blick auf die Immunologie der Gewebe nachhaltig verändert. Neben ihrer Rolle als residente Effektorzellen an den Grenzflächen unseres Körpers haben ILCs vielfältige Funktionen in der Regulation von Homöostase, Metabolismus und Regeneration von Geweben sowie in der Integration von Signalen, zum Beispiel aus der Umwelt (Mikrobiom, Nahrung) oder dem Nervensystem. Dieser Artikel gibt einen Einblick in die Entwicklung und Funktionen von ILCs sowie in aktuelle Konzepte und Fragestellungen dieses sich dynamisch entwickelnden Forschungsfeldes.

Schlüsselwörter: Innate Lymphoid Cells, ILC, geweberesidente Zellen, mukosale Immunität, Entzündung, Infektion

Die Entdeckung von angeborenen „Helfer“-Zellen

Erst vor wenigen Jahren wurden ILCs als Lymphozyten des angeborenen Immunsystems beschrieben, die durch die Sekretion von „Helfer“-Zytokinen zur Abwehr von Infektionen beitragen [1–4]. Im Unterschied zu T-Zellen entwickeln sich ILCs auch in RAG-defizienten Tieren und exprimieren nach dem heutigen Stand der Forschung keine funktionellen, somatisch rekombinierten Antigenrezeptoren. ILCs siedeln sich als Teil ihres Entwicklungsprogramms in verschiedensten Gewebenischen an und reifen zu kompetenten Effektorzellen heran. Aktiviert durch Alarmine und epitheliale Zytokine produzieren sie große Mengen an „Helfer“-Zytokinen, ohne erst aus einem Pool naiver Zellen rekrutiert und klonal expandiert zu werden. ILCs vermehren sich in den ersten Lebenstagen in vielen Organen und haben dann einen proliferativen, aktivierten Phänotyp. Es wird angenommen, dass sie in der Neugeborenenperiode eine wichtige Funktion als innate Effektorzellen haben. Im gesunden adulten Organismus existieren ILCs in den meisten Organen als geweberesidente Zellen mit einem geringen Turnover [5]. Dabei besiedeln sie sehr unterschiedliche mikroanatomische Nischen und passen sich stark an ihre Umgebung an: ILCs eines bestimmten Subtyps haben in verschiedenen Organen distinkte Phänotypen und Genexpressionsmuster, und sowohl die absolute Anzahl von ILCs als auch die relative Häufigkeit der Subtypen variieren sehr stark zwischen den Geweben. Diese Spezialisierung ermöglicht es, dass ILCs neben den „klassisch“ immunologischen auch zusätzliche organspezifische Funktionen haben, z. B. in Prozessen der Gewebehomöostase und -regeneration, des Metabolismus und des Neuro-Immuncrosstalks. Diese Konzepte haben dazu geführt, dass ILCs heute in den unterschiedlichsten Bereichen der immunologischen und medizinischen Forschung untersucht werden. Wichtige Fragen sind dabei:

  • Welche spezifischen Funktionen haben ILCs? Wodurch unterscheiden sie sich beispielsweise von innaten und adaptiven (z. B. geweberesidenten) T-Zellen? Wie können experimentelle Modelle entwickelt werden, um ILC-intrinsische Mechanismen und Funktionen noch besser zu untersuchen? [6]
  • Was sind gewebespezifische Funktionen von ILCs? Wie tragen diese zu Erkrankungen verschiedener Organsysteme bei?
  • Wie verändern sich ILCs in erkrankten Organen? Korrelieren diese Veränderungen mit ILCs im peripheren Blut, sodass diese diagnostisch genutzt werden können?
  • Wie können ILCs spezifisch moduliert werden? Können z. B. proinflammatorische Funktionen geblockt werden, ohne homöostatisch-reparative Funktionen auszuschalten? Können ILCs als gewebeadaptierte Effektor-Zellen eine Rolle bei der Tumortherapie spielen?

Einteilung von ILCs

Die aktuelle Nomenklatur der ILCs kennt fünf Subtypen, darunter zytotoxische NK-Zellen, ILC1, ILC2, ILC3 und LTi(Lymphoid Tissue-inducer)-Zellen, siehe Abbildung 1. Analog zu T-Helferzellen ermöglicht der Transkriptionsfaktor Tbet die Expression von IFN-γ in NK-Zellen und ILC1, GATA3 die Expression der Typ-2-Zytokine IL-5 und IL-13 in ILC2, und RORγt die Expression von IL-17 und IL-22 in ILC3. RORγt+ LTis exprimieren LT-β und steuern dadurch die Entwicklung von sekundären lymphoiden Geweben während der Fötalperiode. Murine ILCs können in vielen Geweben als CD45+ Lin- CD127+ Zellen anhand der Expression von Tbet, GATA3 oder RORγt identifiziert werden, ggf. zusammen mit charakteristischen Oberflächenmolekülen wie NKp46 (NK/ILC1), IL-25R, IL-33R (ILC2), CCR6 und CD4 (Subsets von ILC3 und LTi). NK-Zellen unterscheiden sich von ILC1 durch die Expression von Eomes und von Rezeptoren der Ly49-Familie. Bei der Definition humaner ILCs herrscht weniger Konsens [7, 8]: Nach Ausschluss von T-Zellen, B-Zellen, Monozyten, DCs, Stammzellen und NK-Zellen (via CD94 oder NKp80) werden Lin- CD127+ CD161+ ILCs oft als CD117-CRTh2- ILC1, CRTh2+ ILC2 und CRTh2-CD117+ NKp44+/- ILC3 identifiziert. Das humane Korrelat muriner ILC1 ist derzeit unklar. Es könnte sein, dass geweberesidente NK-Zellen ähnliche Funktionen haben. Die Phänotypen von ILCs können zwischen verschieden Geweben sehr stark variieren [9]. Außerdem gibt es eine erhebliche funktionelle und phänotypische Plastizität zwischen diesen Subsets, die kontextabhängig das Spektrum lokaler Immunantworten erweitern oder limitieren und auch zur Pathogenese entzündlicher Erkrankungen beitragen kann [10, 11].

Entwicklung von ILCs – wann und wo? 

Hämatopoetische Stammzellen differenzieren zu CLPs (Common Lymphoid Progenitor), aus denen ein Spektrum an CD127+ ID2+ Tcf7+ Tox+ GATA3+ Progenitoren entsteht, die NK-Zellen, „Helfer“-ILC1/2/3 und LTis generieren können (Abb. 1). 

ILC-Progenitoren (ILCP) wurden in der fötalen Leber, im adulten Knochenmark, im peripheren Blut, aber auch als residente Zellen in embryonalen, neonatalen und adulten Geweben nachgewiesen. ILCs können also prinzipiell in verschiedenen Phasen der Individualentwicklung und in verschiedenen anatomischen Kompartimenten gebildet werden [12]. 

Residente oder migratorische Zellen und ihre Bedeutung

Experimentelle Untersuchungen legen nahe, dass ein großer Teil der ILCs, die in den ersten Lebenswochen gebildet werden, bis ins Erwachsenenalter als geweberesidente Zellen persistiert [13]. Vermutlich regenerieren sich ILCs dabei aus lokalen Progenitorzellen [14]. Bei vermehrtem Turnover durch Entzündungen und Infektionen können ILCs auch im Erwachsenenalter aus dann neu rekrutierten, zirkulierenden Progenitoren gebildet werden und sich wieder an lokale Gewebenischen anpassen [5, 14, 15]. Im Mausmodell wurde gezeigt, dass zumindest ILC2s, die z. B. im Rahmen von parasitären Infektionen lokal stark aktiviert werden und proliferieren, entzündete Gewebe über die Lymphe verlassen und dann über das periphere Blut rezirkulieren können [15, 16]. Dies könnte ein Mechanismus der Signalausbreitung und eine Anpassung an die migratorischen Infektionskaskaden von Helminthen sein, sodass im Rahmen einer (zunächst) lokalen Infektion weiter entfernt liegende Schleimhautbereiche im selben oder auch in anderen Organen aktiviert werden können [15–17]. Unklar ist aktuell, ob diese „inflammatorischen“ ILC2s kurzlebige Zytokinproduzenten sind oder sich dauerhaft in distale Gewebe integrieren, ob derartige Mechanismen auch für ILC1 und ILC3 existieren, und ob diese „tissue extrusion“ eine Rolle bei der Ausbreitung von lokalen zu systemischen Entzündungen spielen könnte. Interessanterweise gibt es eine Reihe von entzündlichen Erkrankungen des Menschen, bei denen ILC-Progenitoren oder differenzierte ILC-Subsets im peripheren Blut erhöht sind [12, 18]. Auch dann bleiben diese zwar relativ seltene Zellen des Blutes, aber unter der Annahme, dass ILCs eine sehr kurze Halbwertszeit in der Zirkulation haben, könnten diese Veränderungen dennoch auf dynamische Prozesse in entzündeten Geweben hindeuten. 

Welche Signale regulieren ILCs?

Epitheliale, Stroma- und myeloide Zellen produzieren Zytokine, welche die Homöostase (IL-7, IL-15) und Aktivierung von ILCs vermitteln. IL-12 und IL-18 aktivieren IFN-γ-Sekretion von ILC1; IL-25, IL-33 und TSLP aktivieren ILC2 zur Produktion von IL-5 und IL-13; und IL-1β und IL-23 triggern ILC3 zur Sekretion von IL-17 und IL-22. Während dies ein hilfreiches, allgemein akzeptiertes Schema darstellt, gibt es viele offene Fragen bzgl. der zusätzlichen Signale und ihrer kontextabhängigen Integration in der Regulation von ILCs. IL-18R wird zum Beispiel auch von ILCPs und Subsets von ILC2s und ILC3s exprimiert [14, 19]. Verschiedene ILCs exprimieren konstitutiv oder nach Aktivierung den hochaffinen IL-2Rα (CD25), was auf eine Funktion im Kontext adaptiver Immunantworten und eine Interaktion mit regulatorischen T-Zellen (Treg) hindeuten könnte [5, 20]. Neben diesen STAT und NF-κB/AP-1-abhängigen Zytokinrezeptoren integrieren ILCs auch NFAT/AP-1-abhängige Signale, die z. B. von Prostaglandinen, Leukotrienen oder Neuropeptiden vermittelt werden [21, 22]; Glucocorticoide, Retinoic Acid und AhR-Liganden regulieren ILCs über nukleäre Rezeptoren. Eine wichtige Frage ist, wie kontaktabhängige aktivierende und inhibitorische Rezeptoren ILCs regulieren. ILC1 und Subsets von ILC3 exprimieren aktivierende NK-Zell-Rezeptoren wie NKp46 und NKG2D bzw. NKp44 und NKp30. Daneben exprimieren ILCs auch inhibitorische Rezeptoren wie PD-1, TIGIT, Lag-3, Tim-3, CD161 und KLRG1 [8]. Interessanterweise können ILCs auch Perforin und verschiedene Granzyme exprimieren und zytotoxische Funktion haben [23], sodass sich die Frage stellt, ob manche dieser Rezeptoren auch die Ausbildung immunologischer Synapsen vermitteln oder regulieren könnten. Da ILCs auch im steady-state in nicht entzündeten Geweben Effektorfunktion besitzen, könnten diese Pathways wichtig für die Immuntherapie von Tumoren sein.

ILCs und Immunität

ILCs werden als „first responders“ bei Infektionen diskutiert. Im Mausmodell produzierten Leber-ILC1 noch vor NK-Zellen oder residenten T-Zellen IFN-γ und konnten so zum Schutz vor einer systemischen viralen Infektion beitragen [24]. Viele Arbeiten legen nahe, dass ILCs eine Rolle in „Tissue Circuits“ haben, welche die Funktion von mukosalen Oberflächen regulieren [25, 26]. Epitheliale Tuft cells steuern beispielsweise über IL-25 die IL-13-Produktion von ILC2 und regulieren so die Produktion von Mukus, z. B. in antiparasitären Immun­antworten [27]. ILC2 sekretieren auch Amphiregulin, das z. B. im Rahmen einer viralen Infektion der Lunge die Reparatur des Epithels fördert [28]. ILC3 induzieren über IL-17 und IL-22 die Produktion antimikrobieller Peptide sowie die Barrierefunktion von Epithelzellen. Neben diesen unmittelbaren Effektorfunktionen in den frühen Phasen einer Immunantwort interagieren ILCs mit T- und B-Zellen: ILC2 und ILC3 scheinen Peptide auf MHC-II zu präsentieren und über costimulatorische Moleküle wie ICOSL, PD-1L und OX40L T-Zellen zu regulieren [29, 30]. Im Rahmen von Checkpoint-Therapien können ILC2 zu verbesserter Tumorimmunität beitragen [31]. ILC3 unterstützen weiterhin die Produktion von IgA, indem sie direkt sowohl den Immunglobulin-Klassenwechsel als auch die T-Zell-B-Zell-Interaktion modulieren [32, 33]. 

Integration neuronaler und verhaltensgesteuerter Stimuli 

ILCs haben auch wichtige Funktionen in der Integration neuronaler, hormoneller und verhaltensassoziierter Stimuli und deren Übersetzung in Zytokinsignale. So modulieren Neuropeptide zum Beispiel die Zytokinsekretion von murinen ILC2 [34]. Diese Zellen regulieren über IL-5 auch den postprandialen Influx von Eosinophilen in den Darm [35]. Der zirkadiane Rhythmus und die Nahrungsaufnahme regulieren über ILC3 zumindest das Darmepithel [36]. Dies sind Beispiele der Koppelung von Schleimhautfunktionen an das individuelle Verhalten, die sich vermutlich als eine Form antizipatorischer innater Immunität entwickelt haben und pathogenetisch z. B. auch zu Stress-induzierten Symptomen beitragen könnten.

ILCs in organspezifischen Erkrankungen

Die Mechanismen, über die ILCs die Homöostase und Regeneration von Geweben beeinflussen, scheinen vielfältig zu sein und erfordern ein detailliertes Verständnis, um daraus Therapieansätze herzuleiten. So fördern genotoxische Ahr-Liganden z. B. die IL-22-Sekretion von ILC3, welches zum einen zwar direkt das Wachstum von etablierten Kolonkarzinomen fördert, zum anderen aber die DNA-Damage-Response in epithelialen Stammzellen reguliert und diese so vor genotoxischem Stress und initialer Entartung schützt [37, 38]. Auch die Funktio­nen von ILC2 in entzündlichen Erkrankungen sind kontextabhängig: Während sie zu atopischen Erkrankungen und Gewebefibrosen beitragen [18], können sie, z. B. über eine Interaktion mit Treg, entzündliche Arthritiden attenuieren [39, 40]. Viele dieser Erkenntnisse stützen sich aktuell (noch) auf Mausmodelle. Allerdings scheinen ILCs auch im Menschen mit einer Vielzahl entzündlicher Erkrankungen assoziiert zu sein. So wurden ILCs z. B. mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, Morbus Crohn und Rheumatoider Arthritis verbunden. Bei Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung, Psoriasis und Multipler Sklerose wurde eine erhöhte Anzahl von ILC3 nachgewiesen [8, 18]. 

Zusammenfassung

Die Funktionen von ILCs gehen weit über ihre initiale Beschreibung als innate Helferzellen hinaus. Die Erforschung von ILCs hat maßgeblich dazu beigetragen, neue Konzepte für die Funktion von Lymphozyten in den Geweben zu entwickeln und die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen. Wesentliche Herausforderungen liegen darin, die Funktion und Regulation von ILCs in spezifischen Gewebenischen während der Individualentwicklung, Homöostase und Immunität und in der Entstehung und dem Verlauf von Erkrankungen zu verstehen, und diese Erkenntnisse für Patienten nutzbar zu machen.

Autoren
Dr. rer. nat. Christin Friedrich
Prof. Dr. med. Georg Gasteiger
Max-Planck-Forschungsgruppe und Institut für Systemimmunologie
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
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