Der Nutzen von zirkulierenden und genetischen Biomarkern bei Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose

Die degenerative, kalzifizierende Aortenklappenstenose ist die häufigste erworbene Herzklappenerkrankung in den westlichen Industrienationen. Ein starker Risikofaktor einer v. a. in jüngerem Alter auftretenden Aortenklappenstenose ist die angeborene bikuspide Aortenklappe. Auch wenn die Ätiologie der Aortenklappenstenose bisher nur ansatzweise verstanden ist, geht man davon aus, dass genetischen Faktoren eine wichtige Bedeutung zukommt. Biomarker können die Diagnostik und Therapie der Aortenklappenstenose unterstützen und erlauben Rückschlüsse auf den Schweregrad bzw. die prognostische Relevanz einer Aortenklappenstenose, z. B. bei asymptomatischen Patienten. Dabei können Laborwerte wie Troponin oder die natriuretischen Peptide Aufschluss über das Ausmaß der Myokardschädigung bzw. der Herzinsuffizienz geben. Allerdings fehlt es noch an Biomarkern, die einen ähnlichen Stellenwert wie bildgebende Verfahren haben. Mit den bisher identifizierten genetischen Risikofaktoren und Biomarkern ist eine sinnvolle Stratifizierung für die Entwicklung einer Stenose im klinischen Alltag noch nicht möglich. Untersuchungen mit großen Fallzahlen werden notwendig sein, um die Prädiktion entscheidend zu verbessern. Bei anderen Volkskrankheiten finden genetische Biomarker bereits zunehmend Einsatz.

Schlüsselwörter: Aortenklappenstenose, Genetik, Biomarker, GWAS, SNP, Bikuspide Aortenklappe

Ätiologie und Epidemiologie

Die Aortenklappe befindet sich als sogenannte Taschenklappe am Übergang des Ausflusstraktes aus dem linken Ven­trikel zur Aorta, und besteht in aller Regel aus drei taschenförmigen Semilunarklappen (trikuspid). Die degenerative, kalzifizierende Aortenklappenstenose ist die häufigste erworbene Herzklappenerkrankung in den westlichen Industrienationen und tritt bei bis zu 7 % der Bevölkerung in einem Alter über 65 Jahren auf. Die Prävalenz der Aortenklappenstenose steigt dabei mit der Höhe des Lebensalters und der Koinzidenz begleitender kardiovaskulärer Erkrankungen [1].

Ein starker Risikofaktor der v. a. in jüngerem Alter auftretenden Aortenklappenstenose ist die angeborene bikuspide Aortenklappe, welche eine Abweichung von der Norm darstellt (siehe Abb. 1).

Bei dieser angeborenen Fehlbildung besteht die Aortenklappe nicht aus drei, sondern nur aus zwei Taschen. Die bikuspide Aortenklappe ist die häufigste kongenitale Herzklappen-Anomalie und tritt mit einer geschätzten Häufigkeit von 1–2 % in der Allgemeinbevölkerung auf, wobei das männliche ca. 3–5-mal häufiger als das weibliche Geschlecht betroffen ist. Sie kann isoliert vorhanden sein, tritt aber nicht selten auch zusammen mit anderen kardiovaskulären Fehlbildungen (z. B. Sinus-Valsalva-Aneurysma, Aortendilatation, Aortenisthmusstenose) oder als Teil eines komplexeren Syndroms auf (z. B. Turner-Syndrom, Marfan-Syndrom, Loeys-Dietz-Syndrom, Andersen-Syndrom). Öffnung und Schluss der bikuspiden Klappe sind aufgrund der meist vorliegenden Asymmetrie durch die lediglich zwei taschenförmigen Segel gestört. Die hierdurch veränderte Hämodynamik sowie unphysiologische Strömungsverhältnisse tragen zur vorzeitigen Degeneration der bikuspiden Aortenklappe bei. Daher kommt es bei bis zu einem Viertel der Betroffenen zu behandlungsbedürftigen Klappenfehlfunktionen. Die häufigste Komplikation einer bikuspiden Aortenklappe ist die Aortenklappenstenose. Diese kann bereits bei Geburt bestehen, aber auch erst im weiteren Lebenslauf auftreten. Bei Patienten mit einer relevanten Aortenklappenstenose ist mit dem Auftreten von klinischen Symptomen (Angina pectoris, Arrhythmien, Dyspnoe, Ödeme, Schwindel, Synkope) zu rechnen [1, 2].
Bislang ist die Ätiologie der Aortenklappenstenose nur sehr begrenzt verstanden; man geht bei den allermeisten Fällen von einer multifaktoriellen Genese aus. Neben Risikofaktoren wie z. B. erhöhten Blutfetten oder Alter, die zu einer Begünstigung der Entstehung einer Stenose beitragen können, lässt sich auch eine familiäre Häufung beobachten, weswegen genetischen Risikofaktoren eine wichtige Bedeutung zukommt. Es ist zu erwarten, dass die genetischen Risikofaktoren, die zu einer Aortenklappenstenose auf Basis einer trikuspiden Aortenklappe beitragen, mit den Risikofaktoren für andere kardiovaskuläre Erkrankungen wie der koronaren Herzkrankheit überlappen. Bei familiären Fällen der isolierten bikuspiden Aortenklappe wurden Mutationen in verschiedenen Genen beschrieben. Am häufigsten ist das Gen für den transmembranösen NOTCH-1-Rezeptor, welcher Transkription, Zellmigration und Kalziumstoffwechsel reguliert, betroffen. Welchen Einfluss die betroffenen Gene letztlich auf die Entwicklung einer Aortenklappenstenose bei bikuspider Aortenklappe nehmen, ist allerdings bislang noch nicht im Detail bekannt [1–5].
Eine rheumatische Genese der Aortenklappenstenose ist mit dem weitverbreiteten Einsatz von Antibiotika bei Erkrankung an rheumatischem Fieber deutlich seltener geworden.

Diagnostik

Klinische Untersuchung und Auskultation sind der erste Schritt zur Diagnose von Herzklappenerkrankungen und zur Bestimmung des Schweregrades. Die Echokardiografie spielt bei der Dia­gnostik der Aortenklappenstenose eine Schlüsselrolle und gibt neben dem Verkalkungsgrad der Klappe über Wand­dicke sowie systolische und diastolische Funktion des Herzens Auskunft. Die Abschätzung des Schweregrads einer Klappenstenose sollte die Bestimmung der Klappenöffnungs­fläche (KÖF) sowie flussabhängige Parameter wie den mittleren Druckgradienten und die maximale Flussgeschwindigkeit einschließen, da diese zusätzliche Informationen bieten und auch einen prognostischen Wert besitzen. Eine Aortenklappenstenose wird als hochgradig eingestuft, falls die KÖF kleiner als 1,0 cm2 misst, der mittlere Druckgradient größer als 30 mmHg ist oder die maximale Flussgeschwindigkeit über der Aortenklappe mehr als 4 m/s beträgt. Insbesondere bei älteren Patienten mit eingeschränkter, systolischer linksventrikulärer Funktion kann sich jedoch eine paradoxe, sog. „low flow/low gradient“-Aortenklappenstenose zeigen, welche jedoch z. B. durch einen Anstieg des transvalvulären Druckgradienten in einer „low dose“-Dobutamin-Stressechokardiografie objektiviert werden kann [2].
Begleitend sollte eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt werden (bei Männern über 40 Jahren und postmenopausalen Frauen sowie bei Vorliegen mindestens eines kardiovaskulären Risikofaktors), um einerseits eine begleitende koronare Herzerkrankung auszuschließen, welche für die weitere Therapie eine zentrale Bedeutung spielen kann, und andererseits den Schweregrad der Aortenstenose anhand hämodynamischer Messungen weiter zu präzisieren.
Die Mehrschicht-Computertomografie ist weit verbreitet bei der Bewertung der Schwere und der Lokalisation von Aneurysmata der Aorta ascendens, die im Rahmen der Aortenklappenstenose gehäuft vorkommen. Außerdem spielt die MSCT eine wichtige Rolle bei der prä­prozeduralen Planung von Patienten mit Aortenklappenstenose, die für eine TAVI vorgesehen sind. Neben der Bildgebung spielen zunehmend auch zirkulierende Biomarker eine Rolle in der Einteilung sowie Diagnostik der Aortenklappenstenose.

Zirkulierende Biomarker

Biomarker spielen eine signifikante Rolle sowohl bei Diagnostik als auch Therapie der Aortenklappenstenose. Hierbei werden unter anderem Biomarker der Inflammation, des ventrikulären Stresses, des ventrikulären Remodellings sowie der Kalzifikation gemessen, die Rückschlüsse auf den Schweregrad bzw. die prognostische Relevanz einer Aortenklappenstenose, z. B. bei asympto­matischen Patienten, erlauben [1, 2]. Obgleich eine Vielzahl von Biomarkern im klinischen Alltag zur Verfügung stehen und ihre Relevanz in multiplen Studien belegt ist, fehlt es jedoch an direkten Markern des Schweregrades der Aortenklappenstenose, die den Stellenwert der bildgebenden Verfahren ausreichend Konkurrenz machen könnten.
Der Stellenwert von Biomarkern wie Troponin oder den natriuretischen Peptiden für kardiovaskuläre Erkrankungen wie die Aortenklappenstenose ist noch Gegenstand anhaltender Diskussionen [2]. Biomarker können aber bereits jetzt schon als Surrogat für bestimmte pathophysiologische Zusammenhänge eine Rolle für die Risikostratifizierung von Patienten spielen. Exemplarisch werden im Folgenden einzelne pathophysiologische Prozesse mit den bedeutsamsten Biomarkern dargestellt [6, 7].
Ventrikulärer Stress
B-type natriuretisches Peptid (BNP) und sein Prohormon N-terminales pro B-type natriuretisches Peptid (NT-proBNP) werden durch ventrikulären und/oder atrialen Stress, der durch die Belastung des Herzens durch die Aortenklappenstenose verursacht wird, freigesetzt. Insbesondere NT-proBNP korreliert mit dem Schweregrad einer Aortenklappenstenose sowie dem Druckgradienten über der Klappe und erlaubt auch eine Aussage zur Prognose. In den aktuellen Europäischen Leitlinien (siehe Abb. 2) findet sich eine IIb C-Therapieempfehlung für Patienten mit asymptomatischer hochgradiger Aortenklappenstenose: Falls der Wert dreifach erhöht ist, sollte eine Operation in Erwägung gezogen werden. 

Außerdem konnten aktuelle Studien zeigen, dass Patienten mit einem höheren NT-proBNP-Wert nach Therapie (TAVI oder OP) eine schlechtere Prognose haben, am ehesten dadurch erklärbar, dass das Krankheitsstadium weiter fortgeschritten ist [6, 7].

Myokardschädigung

Troponin T und I sind spezifisch für den Untergang von Kardiomyozyten, sodass sie wie bei vielen Herzerkrankungen als „Nekrosemarker“ den Grad der Myokardschädigung durch die Aortenklappenstenose und damit verbundene Nachlasterhöhung widerspiegeln können. Auch wenn es nicht so viele Daten wie für die natriuretischen Peptide gibt, konnten einige Studien zeigen, dass Patienten mit erhöhten Troponinwerten eine schlechtere Prognose haben, auch nach einer Therapie mittels OP oder TAVI [6–8].

Entzündliche Prozesse

Hochsensitives C-reaktives Protein (hsCRP) als Akutphase-Protein zeigte nicht nur Assoziationen mit dem Verkalkungsgrad der Aortenklappe bzw. Schweregrad der Aortenklappenstenose, sondern ebenfalls mit der Prognose. hsCRP und Interleukin-8, nicht jedoch Interleukin-6, zeigten außerdem eine Assoziation mit der Prognose nach kathetergestütztem Aortenklappenersatz [7]. Ob die erhöhten Entzündungswerte Ausdruck des aktivierten Immunsystems sind und durch die Aortenstenose selbst bzw. deren Pathogenese bedingt sind oder eher auf die häufig vorliegenden Begleiterkrankungen zurückzuführen sind, ist Gegenstand laufender Untersuchungen.
GDF-15 (growth differentiation factor 15) ist ein Zytokin, welches zur TGF-Familie (transforming growth factor) gehört und insbesondere bei (entzündlichem) Stress ausgeschüttet wird und an zahlreichen entzündlichen und apoptotischen Vorgängen beteiligt ist. Auch wenn erhöhte GDF-15-Werte durch extrakardiale Manifestationen verursacht sein können, hat die Messung in vielen Studien bei der Risikostratifizierung von Aortenklappenstenose-Patienten einen additiven Nutzen zu etablierten Biomarkern wie natriuretischen Peptiden und chirurgischen Risikoscores geboten [6, 7].

Ventrikuläres Remodeling

ST2 ist ein Mitglied der Interleukin-1-Rezeptor-Familie und zeigt bei myokardialem Stress sowie fibrotischen Umbauvorgängen erhöhte Werte, z. B. nach Herzinfarkt, bei Herzinsuffizienz und diastolischer Dysfunktion. ST2 ist ebenfalls ein unabhängiger Prädiktor für eine negative Prognose bei Aortenklappen­stenose trotz Therapie [6, 9].

Von-Willebrand-Faktor (VWF)

Eine hochgradige Aortenklappenstenose kann bei bis zu 90 % der Patienten mit einer Veränderung hämostaseologischer Parameter bzw. einer Blutungs­anam­nese einhergehen. Der Verlust der großen VWF-Multimere resultiert bei der Aortenklappenstenose aus der verkleinerten Klappenöffnungsfläche und der hierdurch veränderten Hämodynamik bzw. Flussturbulenz. Letzterer hat einen Scherkraft-abhängigen Abbau der Multimere durch die Metalloprotease ADAMTS-13 zur Folge und führt zu einem qualitativen, aber auch quantitativen Verlust von VWF-Multimeren. Das resultierende erworbene Von-Willebrand-Syndrom findet sich hierbei bei ca. 8–10 % der Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose [10, 11].
Auch wenn eine direkte Abschätzung der Stenose nicht möglich ist, so korreliert der Schweregrad der Aortenklappenstenose mit dem Verlust von VWF-Multimeren []11]. Nach erfolgreicher Therapie der Aortenklappenstenose kommt es zu einer Rekonstitution der VWF-Multimere. Darüber hinaus kann ein persistierender Mangel an VWF-Multimeren bzw. deren persistierende Dysfunktion nach TAVI das Auftreten von Blutungskomplikationen vorhersagen [11, 12].

Genetische Biomarker für die AKS

Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) sind eine etablierte und effektive Methode, genetische Varianten zu identifizieren, die mit multifaktoriellen Krankheiten assoziiert sind. Bei GWAS werden Einzelnukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphisms, SNPs), die gleichmäßig über das gesamte Genom verteilt sind, in großen Fall-Kontrollkohorten untersucht. Dies ermöglicht die Identifikation von SNPs, deren Allele (Ausprägung) bei Patienten signifikant häufiger als bei gesunden Kontrollpersonen vorkommen. Ausgehend von den SNPs lassen sich dann über deren Lokalisation im Genom und ihre spezifische Funktion in Folgeuntersuchungen die beteiligten biologischen Mechanismen detailliert aufklären. Im November 2019 enthielt der NHGRI GWAS-Katalog (http://www.ebi.ac.uk/gwas/), in dem die Ergebnisse aller großen GWAS gelistet sind, mehr als 160.000 SNP-Phänotyp-Assoziationen [12].
Bisher wurden zwei GWAS zur Aortenklappenstenose publiziert. In der ersten Untersuchung wurde eine GWAS-Metaanalyse mit zwei Fall-Kontrollkollektiven durchgeführt. Es handelte sich um 474 französisch-kanadische und 486 französische Patienten, darunter auch Betroffene mit bikuspider Aortenklappenstenose. Insgesamt zeigten 25 SNPs eine hochsignifikante Krankheitsassoziation. Nach Korrektur für die genomweite Analyse zeigte allerdings kein SNP eine signifikante Assoziation (Schwelle für genomweite Signifikanz: p < 5 x 10-8). Die Arbeitsgruppe erweiterte ihre Studie daraufhin und verwendete Daten zur Gen­expression aus menschlichen Klappengeweben. Durch die gemeinsame Auswertung mit den GWAS-Daten zeigten sich dabei Hinweise auf eine Beteiligung der Gene RUNX Family Transcription Factor 2 (RUNX2) und Calcium Voltage-Gated Channel Subunit Alpha1 C (CACNA1C). Allerdings müssen die Befunde als vorläufig betrachtet werden, da das Kriterium der genomweiten Signifikanz nicht erfüllt war.
Demgegenüber konnten erste genetische Risikovarianten für die Aortenstenose in der zweiten Untersuchung zweifelsfrei identifiziert werden. Das GWAS-Kollektiv bestand aus 2.457 isländischen Patienten mit einer Aortenklappenstenose. Darüber hinaus standen Proben von 4.850 europäischen Patienten für Folgeuntersuchungen zur Verfügung. Wie auch bei der ersten GWAS (siehe oben) war allerdings der anatomische Typ der Aortenstenosen (bikuspid oder trikuspid) bei den meisten Patienten nicht bekannt. Die Arbeitsgruppe identifizierte drei unabhängige genomweit signifikante Assoziationen (Tab. 1) [13].

Chromosom = chromosomale Lokalisation der Risikovariante; Frequenz Patienten = Häufigkeit des Risikoallels bei Patienten; P-Wert = Signifikanz der Assoziation; Relatives Risiko (RR) = Effektstärke der Assoziation; Kandidatengen = impliziertes Krankheitsgen aufgrund der Nähe zur Risikovariante.

Eine Variante (rs7543130) liegt in der Nähe des Palmdelphin-Gens (PALMD), das relative Risiko (RR) für das assoziierte Allel betrug 1,20. Die andere Variante (rs1830321) liegt in Nähe zum Testis Expressed 41-Gen (TEX41) und das RR betrug 1,15. Beide Varianten zeigten auch Assoziation in einem europäischen Patientenkollektiv mit isolierter bikuspider Aortenklappenstenose, das aus 1.555 Fällen bestand. Darüber hinaus zeigte die Variante bei PALMD eine Assoziation in einem Kollektiv bestehend aus 19.513 europäischen Individuen mit Daten zur Größe der Aortenwurzel. Demgegenüber zeigt die Variante in Nähe von TEX41 auch Assoziation in einem europäischen Kollektiv bestehend aus 37.782 Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK). Die dritte genetische Variante (rs10455872), die Assoziation zur Aortenklappenstenose zeigte, liegt in der Nähe zum Gen Lipoprotein a (LPA) (RR = 1,46). Im Gegensatz zu den beiden oben genannten Varianten zeigte dieser SNP keine Assoziation mit isolierter bikuspider Aortenklappenstenose. Die Variante fand sich aber ebenfalls mit KHK assoziiert. Zuvor war sie bereits in einer GWAS mit Verkalkung der Aortenklappe und mit LPA-Spiegel im Serum assoziiert berichtet worden [14].
Die Befunde legen nahe, dass LPA eine Bedeutung sowohl bei der Entstehung der AKS als auch der Atherosklerose zukommt. Obwohl die GWAS an dem isländischen Fall-Kontrollkollektiv erstmals Einblicke in die Genetik von Aortenklappenstenosen ermöglichte, konnten die Autoren nicht nachweisen, dass die identifizierten Risikovarianten auch in Abwesenheit einer bikuspiden Aortenstenose assoziiert sind. Hierfür war das untersuchte Patientenkollektiv nicht ausreichend detailliert phänotypisch charakterisiert worden [5, 10, 13, 14].
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass mit den bisher identifizierten genetischen Risikofaktoren nur ein sehr kleiner Teil des genetischen Beitrags identifiziert ist und damit eine sinnvolle Risikostratifizierung für die Entwicklung einer Stenose noch nicht möglich ist. Untersuchungen mit größeren Fallzahlen sind notwendig, um, wie auch bei anderen Volkskrankheiten erfolgreich gezeigt, die Prädiktion entscheidend zu verbessern. Helfen wird hierbei auch die auf der Basis großer GWAS-Daten mögliche Zusammenfassung des polygenen Beitrags in Form sogenannter polygener Scores.

Prognose

Die degenerative Aortenklappenstenose ist eine chronische, progressiv verlaufende Erkrankung mit einer guten Prognose während der initial meist langen, symptomfreien Latenzperiode. Mit dem Auftreten erster Symptome wie Angina, Herzinsuffizienz oder Synkopen jedoch verschlechtert sich die Prognose der betroffenen Patienten gerade im fortgeschrittenen Lebensalter deutlich und ist einer malignen Tumorerkrankung vergleichbar, mit einer 1-Jahres-Mortalitätsrate bei konservativ behandelten Patienten bis 50 % und 2-Jahres-Mortalitätsrate bis 68 % [2].

Therapie

Die einzige definitive Therapie für Patienten mit symptomatischer, hochgradiger Aortenklappenstenose ist der Aortenklappenersatz. Fortgeschrittenes Lebensalter und das Vorliegen von Komorbidiäten sind früher bei bis zu 30 % der Patienten Grund dafür gewesen, dass kein Aortenklappenersatz durchgeführt werden konnte. Der perkutane Aortenklappenersatz mittels kathetergestützter Aortenklappenimplantation (transcatheter aortic valve implantation, TAVI) hat sich für diese Patienten zu einer alternativen Behandlungsmethode entwickelt, die der konservativen Therapie oder Ballonvalvuloplastie deutlich überlegen ist. Im Lauf der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass die TAVI nicht nur bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen herzchirurgischen Eingriff zu einem mindestens vergleichbaren Ergebnis führt, sondern auch bei sog. Niedrig-Risikopatienten der operativen Therapie überlegen ist [2, 15, 16]. Welches Verfahren für den einzelnen Patienten am besten geeignet ist (konventionelle Herz-Operation mit biologischem bzw. mechanischem Aortenklappenersatz oder TAVI), sollte auf einer individuellen Nutzen-/Risiko-Analyse beruhen, die – bei den gegebenen Charakteristika der Herzklappenerkrankung und den Komorbiditäten – die erwartete natürliche Prognose dem angestrebten Therapieergebnis gegenüberstellt. Diese Entscheidung wird im Herzteam gemeinsam von Kardiologen und Herzchirurgen nach Abschätzung des Operationsrisikos unter Berücksichtigung aller vorliegender Komorbiditäten und Risiko-Scores, wie z. B. EuroSCORE (European System for Cardiac Operative Risk Evaluation) oder STS (Society of Thoracic Surgeons) Score, gefällt [2, 15, 16]. Die Risikoscores haben allerdings Limitationen, da sie viele entscheidende Aspekte und Begleiterkrankungen (z. B. Porzellanaorta, Leberzirrhose, Gebrechlichkeit des Patienten, usw.) unberücksichtigt lassen. Zur weiteren Risikostratifizierung können insbesondere hier humorale Biomarker wie o. a. nützlich sein.
Durch die Einführung sog. „Next Generation“-Katheterherzklappen-Prothesen konnten auch frühere Nachteile der TAVI wie paravalvuläre Leckagen, Gefäßkomplikationen, Blutungen und Schlaganfallrisiko weiter reduziert werden. In der aktuellen Studie PARTNER 3 Low Risk z. B. zeigte sich die TAVI dem operativen Aortenklappenersatz gegenüber sogar überlegen, mit einer 30-Tages-Rate für Mortalität von 0,4 % vs. 1,1 % sowie einer Schlaganfallrate von 0,6 % vs. 2,4 %. Nach der aktuellen Studienlage ist die TAVI somit Standardtherapie für ältere Patienten ab 70 Jahren über das gesamte Risikospektrum hinweg.

Autoren
Prof. Dr. Jan-Malte Sinning
Medizinische Klinik und Poliklinik II, Herz­zentrum Bonn,
Universitätsklinikum Bonn
PD Dr. Johannes Schuhmacher
Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn
Zentrum für Humangenetik, Universitätsklinikum Marburg
Prof. Dr. Markus M. Nöthen
Institut für Humangenetik,
Universitätsklinikum Bonn
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