Chronisch entzündliche Erkrankungen

Editorial

Die Artikel der vorliegenden Ausgabe von  Trillium spiegeln einmal mehr die Komplexität des Immunsystems wider.
Der Beitrag von H.-M. Jäck und Mitarbeitern gibt einen interessanten Überblick zur Geschichte der B-Zell-Entwicklung. Neben der Seitenkettentheorie, für die Paul Ehrlich 1908 den Nobelpreis erhielt, werden bahnbrechende Entdeckungen von Astrid Fagraeus beschrieben, so die Entdeckung von Antikörper-sezernierenden Plasmazellen, und von Mitchell und Miller die Entdeckung, dass Vorläufer von Antikörper-produzierenden Zellen im Knochenmark nachzuweisen sind. Der Artikel ist sehr gut lesbar geschrieben, es ist eine Freude, in diesen Teilbereich der Geschichte der Immunologie einzutauchen.
Plasmazellen sind Teil unseres immunologischen Gedächtnisses. Langlebende Plasmazellen können aber auch eine zentrale Rolle spielen in der Pathogenese von Autoantikörper-induzierten Erkrankungen. So zeigen Reinhard Voll und Mitarbeiter in ihrem Beitrag, dass langlebige Plasmazellen in Nischen des Knochenmarks überleben können und durch die Sezernierung von Autoantikörpern daher immer wieder die Ursache eines Krankheitsschubs darstellen. Von Interesse ist, dass diese langlebigen Plasmazellen nicht von den üblichen zur Therapie benutzten Immunsuppressiva eliminiert werden können. Auch Rituximab, ein Antikörper gegen das CD20-Antigen, zeigt keine anhaltende klinische Effizienz. Voll und Mitarbeiter diskutieren in ausgezeichneter Weise die Komplexität der Pathogenese des systemischen Lupus erythematodes (SLE), die verdeutlicht, dass wir wahrscheinlich mehr als ein Target für eine Immun­intervention brauchen, um eine klinische Besserung zu erzielen.
Im Gegensatz zu dem SLE hat sich unser Therapieangebot für Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis oder einer Spondylarthropathie in den letzten Jahren signifikant gebessert. So sind eine Reihe von monoklonalen Antikörpern gegen unterschiedliche Zielstrukturen zur Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Gleiches gilt neben Antikörpern gegen den TNF-alpha für monoklonale Antikörper, die das Krankheitsbild der Spondylarthritiden signifikant verbessern. Anzumerken bleibt, dass mit diesen neuen Therapieoptionen, mit mono­klonalen Antikörpern, JAK Kinase­inhibitoren und Biosimilars, nur bei einem bestimmten Prozentsatz von Patienten eine Besserung der klinischen Symptomatik eintritt. Zusätzlich ist eine lebenslange Medikation notwendig, da nach einem Absetzen der Therapie Remissionen auftreten. Es ist daher notwendig, die Behandlungsmethoden für rheumatische Krankheitsbilder weiter zu verbessern, mit dem Ziel, präventiv oder heilend aktiv zu werden.
Was neue Therapieverfahren anbelangt, diskutieren M. Zaiss und K. Sarter die Möglichkeit, eine Subgruppe von sogenannten „innate lymphoid cells“ in die Therapie der rheumatoiden Arthritis einzubringen. Diese Hypothese beruht auf Untersuchungsergebnissen, die zeigten, dass diese Lymphozytenpopulationen eine therapeutische Manipulation ermöglichen.
„Der Mensch lebt im Gleichgewicht mit ungefähr 100 Billionen Mikroorganismen, dem sogenannten Mikrobiota“ beginnen T. Wolenske und H. Wardemann ihren Beitrag. Die Mikrobiota ist nach neuen Erkenntnissen entscheidend involviert in die Pathogenese von entzündlichen und immunologischen chronischen Krankheitsbildern, sie ist involviert in die Entwicklung neuer Therapieprinzipien bei Entzündungen, bei malignen Erkrankungen und ist von ebenso großer Bedeutung bei Infektionserkrankungen. Am Beispiel von Antikörpern gegen Klebsiella pneumoniae diskutieren die Autoren die Möglichkeit einer spezifischen Regulation der intertestinalen Mikrobiota durch kreuzspezifische Antikörper, was möglicherweise in der Therapie von bakteriellen Infektionen zu einem signifikanten klinischen Fortschritt führen könnte.
Aus der Charité kommt ein höchst interessanter Beitrag von Burmester und Mitarbeitern, die Kasuistik eines 49-jährigen Patienten mit einer Interferonopathie, dem sogenannten Singleton-Merten-Syndrom. Anhand des Falles werden immer noch nicht ausreichende Möglichkeiten zur Diagnostik und ebenso mögliche Therapieansätze bei Interferonopathien diskutiert. Von Interesse ist, dass in der Rheumatologie zunehmend Typ-1-Inhibitoren verfügbar werden, die eine klinische Besserung dieser relativ seltenen Erkrankungen darstellen könnten.
Rainer Straub behandelt ein langjähriges, interessantes Gebiet der Interaktion zwischen dem Neuro- und dem Immunsystem. Kurz und prägnant stellt er die bekannten Interaktionsmechanismen dar. Kritisch diskutiert er, dass sich trotz guter Ansätze in Versuchstiermodellen bislang keine klinisch sichtbare Behandlungsmethode aus den Untersuchungen zum Zwischenspiel Neuro-/Immunsystem ergeben haben.
Die Artikel sind aktuell und interessant; sie überspannen ein Spektrum, das von der Geschichte der Medizin bis zu neuesten experimentellen Therapieansätzen bei rheumatischen Erkrankungen reicht. Ich bin sicher, dass diese Ausgabe viel Interesse bei den Lesern wecken wird.

Joachim R. Kalden