Nukleinsäure-Immunität: das Immunsystem für die Erkennung von fremden Nukleinsäuren

Das Immunsystem wird im Allgemeinen unterteilt in das angeborene (innate) und das erworbene (adaptive) Immunsystem. Die Besonderheit des erworbenen Immunsystems besteht in der Fähigkeit, Rezeptoren, die exakt auf bestimmte Proteinstrukturen passen, im Lauf des Lebens neu zu bilden. Dies geschieht über den Mechanismus der Rekombination und klonalen Selektion in T- und B-Zellen, bei der verschiedene Gen-Abschnitte neu miteinander verknüpft werden. Dadurch entstehen immer wieder neue Proteine, die bestimmte Proteinstrukturen mit hoher Spezifität erkennen. Die resultierenden Rezeptoren sind die T-Zell-Rezeptoren (TCR) und die B-Zell-Rezeptoren (BCR) bzw. die dann sezernierten Antikörper. 

Während dieser Teil des Immunsystems ein ausgeklügeltes System für die Erkennung von neuen Proteinstrukturen vorhält, mit denen der Körper noch nie vorher in Kontakt war, basiert das angeborene Immunsystem auf Rezeptoren, die bereits genetisch angelegt sind, und in der Regel hochkonservierte molekulare Strukturen eingedrungener Krankheitserreger erkennen. Ein Beispiel ist der Immunrezeptor TLR4 (Toll-like-Rezeptor 4), der das Lipopolysaccharid (LPS) in der Zellwand gramnegativer Bakterien detektiert. Neben TLR4 gibt es eine Reihe weiterer Muster­erkennungsrezeptoren (pattern recognition receptors), die Pathogen-assoziierte molekulare Muster (pathogen-associ­ated molecular patterns) erkennen. Sie werden zu Rezeptorfamilien zusammengefasst: z. B. den Toll-like-Rezeptoren, den NOD-like-Rezeptoren oder den RIG-I-like-Rezeptoren.

Grundzüge der Immunerkennung von Nukleinsäuren

Nukleinsäuren sind ganz grundsätzliche Bausteine allen Lebens, und ihre molekulare Grundstruktur ist von Bakterien bis hin zu Wirbeltieren universell. Eine Erkennung von fremder DNA und RNA kann daher nicht nach den Prinzipien der molekularen Mustererkennung erfolgen, wie beispielsweise bei fremden Molekülstrukturen wie LPS. Das Eindringen fremder Nukleinsäuren bedeutet jedoch für alle Lebensformen Gefahr. Das Abwehren dieser Gefahr ist daher eine der ureigenen Aufgaben des Immunsystems. 

Die Biologie hat auf allen Stufen der Evolution Mechanismen zur Erkennung und Eliminierung fremder Nukleinsäuren etabliert, die heute in ihrer Gesamtheit als Nukleinsäure-Immunität bezeichnet werden [1]. 

Diese Mechanismen gehen über die eigentlichen Immunzellen wie beispielsweise Monozyten, Granulozyten, oder T-Zellen hinaus. Alle Körperzellen sind in der Lage, fremde Nukleinsäuren zu erkennen, und entsprechende Abwehrmechanismen einzuleiten. Dennoch sind bestimmte Immunzellen wie z. B. die plasmazytoiden dendritischen Zellen (pDC) auf die Erkennung spezialisiert und steuern die Sensitivität der Nukleinsäure-Immunerkennung in anderen Körperzellen. 

Für eine treffsichere Erkennung fremder Nukleinsäuren werden dreierlei Informationen integriert: 

ihre Menge und die Zugänglichkeit für eine Erkennung, 

ihre Lokalisation, und 

bestimmte strukturelle Komponenten (Abb. 1). 

Die Menge und Zugänglichkeit der Nukleinsäuren für eine Immunerkennung wird durch zwei Faktoren bestimmt. Ihre Konzentration in Verbindung mit der Nukleaseaktivität in der direkten zellulären Umgebung, und ihre Bindung an weitere Komponenten wie Proteine, die wiederum ihre Stabilität und Erkennbarkeit beeinflussen. 

Die Lokalisation verschiedener Nu­kleinsäuren, z. B. außerhalb der Zelle, im endolysosomalen Kompartment der Zelle, im Zytosol oder im Zellkern, gibt Information darüber, ob ihr Vorkommen physiologisch oder ungewöhnlich ist. 

Besondere strukturelle Merkmale, die über die grundsätzliche molekulare Struktur hinausgehen, tragen zur Erkennung von Nukleinsäuren bei. Dabei werden solche Merkmale einerseits von der Zelle als Signaturen für Selbst-Nukleinsäure in die Nukleinsäure eingebaut und dann als selbst detektiert; andererseits können bestimmte strukturelle Merkmale auf fremde Herkunft hinweisen. Beispiele hierfür sind lange Doppelstrang-RNA, oder DNA im Zytoplasma. 

Spezialisierte Immunrezeptoren nutzen die drei Informationsarten zur Erkennung von fremden Nukleinsäuren. Diese führt dann zur Aktivierung der Rezeptoren und der nachfolgenden Si­gnalwege. Die resultierende Immunantwort ist gegen eindringende Fremd-Nukleinsäuren gerichtet, also in der Regel Viren oder intrazelluläre Bakterien. Charakteristisch ist die Induktion von Typ-I-Interferon (IFN-alpha und IFN-beta) und einem breiten Spektrum von IFN-induzierbaren Genen. Weiterführende Informationen zur Nukleinsäure-Immunität sind in folgendem Übersichtsartikel aktuell zusammengefasst [1].

Rezeptoren der Immunerkennung von Nukleinsäuren

Immunzellen und somatische Zellen besitzen Rezeptoren zur Nukleinsäureerkennung (Abb. 2). Vier Vertreter aus der Familie der Toll-like-Rezeptoren tragen beim Menschen zur Nukleinsäure-Immunität bei: TLR3 auf der Zellmembran, und TLR7, TLR8 und TLR9 in der endolysosomalen Membran. Im Zytosol sind die beiden Vertreter der RIG-I-like-Rezeptoren, RIG-I und MDA5 lokalisiert. Weiterhin befindet sich cGAS im Zytosol. Alle bis heute bekannten Mechanismen der Immunerkennung von DNA und RNA und nachfolgender Induktion von Typ-I-IFN werden von diesen sieben Rezeptoren gesteuert. AIM2, ein weiterer Rezeptor im Zytosol, induziert kein Typ-I-IFN, sondern aktiviert über andere Signalwege das sogenannte Inflammasom mit Freisetzung von IL-1β. Es gibt eine Reihe von weiteren Rezeptoren der Nukleinsäureerkennung, die nicht zu Immun­antworten führen, sondern direkte antivirale Effektormechanismen auslösen, wie die Degradation oder den molekularen Umbau von zytosolischer RNA (z. B. OAS, ADAR1) oder die Hemmung der Proteinsynthese (z. B. PKR). Eine weitere Konsequenz der Nukleinsäureerkennung durch diese Art von Rezeptoren kann wiederum auch eine Steigerung der Sensitivität der anderen Immunrezeptoren sein. 

Mechanismen der Immun­erkennung von RNA

Im Zytosol eukaryotischer Zellen ist die Anwesenheit von RNA physiologisch. RNA wird von Immunrezeptoren erkannt, wenn sich diese im endolysosomalen Kompartiment der Zelle befindet, wenn die RNA bestimmte charakteristische Merkmale aufweist, oder bei einer Kombination aus beidem. 

Lange Doppelstrang-RNA (dsRNA) kommt in normalen Zellprozessen kaum vor, und ist daher für verschiedene Rezeptoren ein charakteristisches Merkmal für Fremd-RNA. 

TLR3 befindet sich an der Zellmem­bran und in der endolysosomalen Mem­bran von myeloiden Immunzellen und einer Reihe von somatischen Zellen wie Fibroblasten und Endothelzellen. Anders als TLR3 ist der RIG-I-like-Rezeptor MDA5 im Zytosol der meisten Zellen exprimiert. TLR3 und MDA5 erkennen lange dsRNA, TLR3 ab einer Länge von etwa 35 Basenpaaren, und MDA5 deutlich längere dsRNA, besonders effektiv von etwa 300 bis 500 Basenpaaren (Abb. 3). 

Deutlich kürzere dsRNA wird von RIG-I im Zytoplasma erkannt. Hier reichen etwa 24 Basenpaare aus, aber es müssen zusätzliche strukturelle Merkmale vorhanden sein: das Ende muss glatt sein, d. h. ohne Überhänge (blunt), und am 5´-Ende muss ein Triphosphat oder ein Diphosphat lokalisiert sein. Solche Strukturen sind beispielsweise charakteristisch für Negativstrang-RNA-Viren. Prinzipiell wird über dieses strukturelle Merkmal der RNA eine ungewöhnliche RNA-Polymerase-Aktivität im Zytosol detektiert, denn jede Form der RNA-Synthese über Polymerase hinterlässt eine Triphosphat-Gruppe am 5´-Ende der RNA. 

Physiologischerweise wird RNA über die zellulären Polymerasen im Zellkern neu gebildet und anschließend prozessiert (sog. capping, splicing, 2´-O-Methylierung) bevor diese in das Zytosol gelangt. So wird die Erkennung von Selbst-RNA durch RIG-I vermieden. Ein zusätzlicher Mechanismus, der vor Erkennung von Selbst-RNA schützt, wurde kürzlich identifiziert: Selbst-RNA wird im Kontext des sogenannten Capping-Prozesses an der ersten Position (N1) des 5´-Endes mit einer Methylgruppe markiert. Eine solche Methylgruppe schließt eine Erkennung durch RIG-I vollständig aus [2]. Die eigentliche Cap-Gruppe (N7-methyl-guanosine) am 5´-Ende von RNA verhindert die Erkennung durch RIG-I hingegen nicht. Cap und N1-Methylierung sind charakteristisch für die Cap1-Struktur von eukaryotischer mRNA. Während die Funktion der Cap-Gruppe selbst schon lange bekannt war (Verstärkung der ribosomalen Translation), war die Funktion der N1-Methylierung (Markierung von RNA als selbst) lange unklar.

Grundsätzlich besitzen die meisten pathogenen Viren Mechanismen, die Immunerkennung zu umgehen. So schneiden Viren beispielsweise Cap1-Strukturen von zellulärer RNA ab und hängen diese an die eigene RNA, oder virale RNA wird über eine Virus-eigene Methyltransferase methyliert, was nicht nur die Erkennung durch RIG-I sondern auch durch TLR7 einschränkt [3]. So erscheint die virale RNA als Selbst-RNA und bleibt unerkannt. RNA wird auch über TLR7 und TLR8 erkannt. Beide sind in der endolysosomalen Membran von Immunzellen exprimiert, und detektieren RNA im endolysosomalen Kompartiment. TLR7 ist dabei vor allem in B-Zellen und plasmazytoiden dendritischen Zellen exprimiert, TLR8 vor allem in myeloiden Immunzellen, also Makrophagen, Monozyten und myeloiden dendritischen Zellen. Wichtig ist die besondere Spezies-Spezifität, die sich darin zeigt, dass TLR8 beispielsweise in der Maus nicht funktionell aktiv ist, und TLR7 hier über die zusätzliche Expression in myeloiden Immunzellen die Aufgaben von TLR8 teilweise übernimmt. Das Erkennungsmerkmal für fremd bei TLR7 und TLR8 ist die Lokalisation im endolysosomalen Kompartiment und das Fehlen von 2´-O-Methylierung als strukturelles Merkmal. Diese Modifikation fügt die eukaryotische Zelle im Nukleolus an eigene RNA als Marker für selbst ein. Zudem wird die Stabilität von RNA genutzt: RNA wird im endolysosomalen Kompartiment in der Regel rasch über Nukleasen abgebaut. Nur wenn die RNA z. B. über Bindung an Proteine gegen den Abbau stabilisiert ist, kommt es zur Erkennung. Dies kann künstlich über die Komplexierung an kationische Proteine oder kationische Lipide erreicht werden, mit deren Hilfe man eine immunstimulatorische Aktivität von exogen applizierter RNA nachweisen kann.

Mechanismen der Immun­erkennung von DNA

DNA ist unter physiologischen Bedingungen auf den Zellkern begrenzt. Eine Lokalisation im Zytoplasma wird vom Immunsystem als Hinweis auf fremde DNA gewertet. Im Zytosol sind zwei Rezeptoren für die Detektion von Fremd-DNA entscheidend, cGAS (cyclic guanosine adenine synthetase) und AIM2 (absent in melanoma 2). Bei cGAS handelt es sich um ein Enzym, das bei Bindung an Doppelstrang-DNA (dsDNA) eine biochemische Reaktion katalysiert, die ATP und GTP zu einem zyklischen Dinukleo­tid verknüpft, dem sog. cGAMP (cyclic guanosine adenine monophosphate) (Abb. 4). Sowohl cGAS als auch das resultierende Dinukleotid wurden erst vor wenigen Jahren entdeckt [4]. Das besondere an cGAMP ist, dass es der erste Vertreter einer neuen und bisher völlig unbekannten Klasse von Signalmolekülen ist. Im humanen System besitzt cGAMP eine ungewöhnliche 2´-5´-Verknüpfung zwischen dem Guanosin und dem Adenin, und eine konventionelle 3´-5´-Verknüpfung zwischen dem Adenin und dem Guanosin [5, 6]. Die Erkennung einer 2´-5´-Verknüpfung ist speziesabhängig, und besitzt eine besondere Bedeutung beim Menschen. Erst die Identifizierung dieses Moleküls erlaubt den Einsatz zur Aktivierung dieses Pathways beim Menschen [6] (Aduro Biosciences; Tab. 1). Die Spezifität wird dabei über das nachfolgende Signalmolekül STING bestimmt, das cGAMP bindet, und für die Induktion der antiviralen Signalwege verantwortlich ist. STING wiederum erkennt auch zyklische Dinukleotide, die von intrazellulären Bakterien als physiologische Signalmoleküle für verschiedene Bakterien-eigene Zellprozesse benutzt werden. STING hat so eine duale Funktion: Es ist zentral in die Erkennung von DNA im Zytosol eingebunden und besitzt eine wichtige Funktion in der Erkennung von intrazellulären Bakterien. Ähnlich wie die RIG-I-like-Helikasen sind auch cGAS und STING in vielen Zellpopulationen exprimiert, präferenziell aber in myeloiden Immunzellen. Die Regulation der Expression in anderen Zellarten ist noch nicht komplett verstanden. 

Neben cGAS ist der Immunrezeptor AIM2 in die DANN-Erkennung im Zytosol involviert [7]. AIM2 gehört zu den Rezeptorproteinen des sogenannten Inflammasoms. Bei Bindung von DNA assoziiert AIM2 mit dem Signalmolekül ASC, was zur Aktivierung von Caspase I und der damit verbundenen Freisetzung von IL-1β führt. Ein weiterer Effekt ist die Induktion der Apoptose, also des geregelten Zelltods. So führt die Erkennung von DNA im Zytosol zur Aktivierung von zwei Immunrezeptoren, cGAS (Typ-I-IFN) und AIM2 (Inflammasom). Die wechselseitige Steuerung bzw. Kompetition der beiden Rezeptoren um denselben Liganden ist noch ungenügend verstanden. Kürzlich wurde entdeckt, dass nicht nur lange dsDNA zur Aktivierung von cGAS führt, sondern auch Einzelstrang-DNA, die sich zu kurzen Doppelstrang-DNA-Abschnitten zusammenlagert, die von freien ungebundenen Einzelstrang-DNA-Bereichen flankiert werden, die jeweils zumindest ein Guanosin enthalten müssen [8]. Solche Strukturen sind besonders häufig in Retroviren wie HIV zu finden, die aus ihrem RNA-Genom zunächst Einzelstrang-DNA bilden. 

Neben der Erkennung im Zytosol wird DNA auch über TLR9 im endolysosomalen Kompartiment von B-Zellen und pDC erkannt. Die Selektivität dieser beiden Zellarten für die TLR9-vermittelte Erkennung ist vor allem beim Menschen ausgeprägt, während beispielsweise in der Maus TLR9 auch in myleoiden Immunzellen exprimiert wird. Dies unterstreicht nochmals die Bedeutung der Spezies-Spezifität der Immunerkennung von Nukleinsäuren, aber auch die unterschiedliche Funktion der Rezeptoren des angeborenen Immunsystems in verschiedenen Spezies. Neben der Lokalisierung im endolysosomalen Kompartiment nutzt TLR9 noch zusätzliche strukturelle Merkmale: die Einzelsträngigkeit, und die Anwesenheit von sogenannten unmethylierten CpG-Motiven. Die Häufigkeit von unmethylierten CpG-Motiven, also unmethylierte CG-Dinukleotide in bestimmten Sequenzzusammenhängen, ist bei Wirbeltieren sehr viel niedriger als bei Bakterien und Viren. Daher kann die Häufigkeit von unmethylierten CpG-Motiven in DNA vom Immunsystem als zusätzlicher Hinweis auf Fremd-DNA eingesetzt werden [10]. 

Nukleinsäure-Liganden zur Aktivierung antiviraler Signalwege

Lange dsRNA ist schon seit den 1970er-Jahren als Stimulus der Typ-I-IFN bekannt, ohne dass man die Immunrezeptoren dazu kannte. Eingesetzt wurde in erster Linie poly(I:C), ein Doppelstrang, gebildet aus Einzelsträngen von Poly-Inosin und Poly-Cytidin. Poly(I:C) wurde in zahlreichen klinischen Studien eingesetzt, besitzt aber insgesamt eine hohe Immuntoxizität. Mittlerweile sind die Gründe hierfür bekannt. Lange dsRNA in der Form von poly(I:C) aktiviert TLR3, MDA5, RIG-I und die dsRNA-bindenden Effektorproteine PKR, OAS und ADAR1. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass 5´-Diphosphat-Enden in poly(I:C), die der speziellen Herstellung des Moleküls geschuldet sind, für die Aktivierung über RIG-I verantwortlich sind [11]. Solche 5´-Dinukleotid-Enden sind charakteristisch für manche Viren (z. B. Reoviren). In der Summe verursacht die parallele Aktivierung all dieser Rezeptoren die beobachtete hohe Immuntoxizität von poly(I:C), wegen der es für therapeutische Zwecke ungeeignet ist. Aktuell befinden sich veränderte Formen von poly(I:C) in der klinischen Entwicklung, die ein günstigeres Toxizitätsprofil aufweisen (Tab. 1). 

Im Gegensatz zur RIG-I-like Helikase MDA5 (lange dsRNA-Erkennung) kann RIG-I selbst selektiv aktiviert werden. Hierzu werden kurze (z. B. 24mer) synthetische dsRNA-Oligonukleotide mit einem 5´-Triphosphat eingesetzt [12, 13]. Die TLR7-Aktivität solcher Oligonukleotide kann über gezielte Methylierung eliminiert werden, sodass der resultierende Ligand hochspezifisch ist. Über weitere chemische Modifikation kann die Stabilität dieser RIG-I-Oligonukleotid-Liganden gegenüber Nukleasen erhöht werden. Die so etablierten RIG-I-Oligonukleotid-Liganden besitzen besonders günstige Eigenschaften, die für die Therapie von Tumor­erkrankungen und Virusinfektionen eingesetzt werden können. Anders als bei bisher verwendeten Immunstimuli, wie LPS, ist der Rezeptor für RIG-I-Liganden nicht nur in Immunzellen sondern auch direkt in Tumorzellen exprimiert. Die Aktivierung in Tumorzellen führt zur Produktion von Typ-I-IFN und Chemokinen durch die Tumorzelle selbst, und die Induktion von pyroptotischem Zelltod. Normale gesunde Zellen exprimieren RIG-I zwar auch, sind aber gegenüber der RIG-induzierten Apoptose-Induktion unempfindlich [14]. Daher kann die Aktivierung von RIG-I über direkte Applikation in das Tumorgewebe das Tumormikromilieu von der Tumor-induzierten Immunsuppression hin zu einem immunstimulatorischen Milieu verändern, das dann die zytotoxische Aktivität von Tumorantigen-spezifischen T-Zellen und von NK-Zellen fördert. Die präklinischen Untersuchungen zeigen eine ausgeprägte Aktivität in verschiedenen murinen Tumormodellen, die auf einer frühen NK-Zell-Aktivierung und einer sich daran anschließenden T-Zell-Aktivierung basiert. Die klinische Entwicklung wird durch eine Ausgründung der Universität Bonn, die Firma Rigontec, vorangetrieben (Tab. 1). Durch die ausgeprägte Induktion von antiviralen Mechanismen kann die Aktivierung von RIG-I auch für die Entwicklung RIG-I-basierter Therapeutika für Virusinfektionen wie Influenza oder Hepatitis B eingesetzt werden. 

Im Gegensatz zu RIG-I ist die Aktivierung von TLR9 im humanen System auf zwei Zelltypen begrenzt, die B-Zelle und die pDC. TLR9 aktivierende CpG-Oligonukleotide gehören zu den potentesten Adjuvanzien der humoralen Immunantwort, bei der die Aktivierung der pDC die direkte Aktivierung der B-Zelle weiter steigert. Die klinische Entwicklung eines CpG-Oligonukleotids als Adjuvans der humoralen Immunantwort steht nach Abschluss der Phase-III-Studie kurz vor der erwarteten Zulassung (Dynavax, Hepatitis B, Tab. 1). Weitere CpG-Oligonukleotide befinden sich in der klinischen Entwicklung (Tab. 1). Wegen der Begrenzung der Wirkung von CpG-Oligonukleotiden auf B-Zellen und pDC mit nur begrenzter Steigerung der NK-Zell-Zytotoxizität blieb die klinische Anwendung in der Immunonkologie bislang erfolglos. Insbesondere CpG-A-Oligonukleotide [15] werden aber aktuell als Adjuvans für Tumor-Antigen-spezifische Vakzine-Ansätze weiter verfolgt, insbesondere in Verbindung mit den sogenannten Checkpoint (PD1/PD-L1)-Inhibitoren (Checkmate Pharmaceuticals Inc.). 

Oligonukleotid-Liganden für die Aktivierung von TLR7 und TLR8 sind aussichtsreich, haben aber das Stadium der klinischen Entwicklung noch nicht erreicht. Bislang wurden small molecule-Liganden für TLR7 und TLR8 klinisch entwickelt. Einer dieser Liganden, Imiquimod (Aldara), ist in der topischen dermalen Applikationsform (Creme) seit einigen Jahren für die Therapie der aktinischen Keratose, des Basalzellkarzinoms und von HPV-induzierten Warzen zugelassen. Einige small molecule-Agonisten von TLR7 und TLR8 befinden sich derzeit in klinischer Entwicklung für topische Applikationsformen (Tab. 1). Die systemische Verabreichungsform von small molecule-Liganden erwies sich allerdings als zu toxisch, da small molecule-Liganden neben der TLR-Aktivierung noch weitere Effekte auslösen, die eine hohe Toxizität verursachen. Daher rückt die Entwicklung von selektiven Oligonukleotid-Liganden für die spezifische Aktivierung von TLR7 und TLR8 wieder in den Vordergrund des Interesses. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Vermeidung der Immunerkennung bei Oligonukleotid-basierten therapeutischen Ansätzen, die die gezielte Hemmung der Genexpression und Translation über einen Antisense-Mechanismus zum Ziel haben. Hierzu zählen Anti­sense-DNA-Oligonukleotide, und siRNA (short interfering RNA). Bei Antisense-Oligonukleotiden muss die Immunerkennung über TLR9 durch Vermeidung entsprechender immunstimulatorischer Motive verhindert werden. Bei siRNA ist es die Immunerkennung über TLR7, die über das Einbringen von 2´-O-Methylgruppen in die RNA eliminiert werden kann. 

Weitere Mechanismen der Nukleinsäureimmunität in der Evolution

Mechanismen zur Abwehr fremder Nukleinsäuren sind in der Evolution viel älter als die vergleichsweise jungen Mechanismen des adaptiven Immunsystems zur spezifischen Erkennung von Proteinen (Rekombination in T-Zellen und B-Zellen). Bereits Bakterien haben Verfahren entwickelt, fremde Nukleinsäuren zu erkennen und zu eliminieren, das prokaryotische DNA-Restriktions-Modifikations (R-M)-System. Dieses basiert auf einer Sequenz-Motiv-spezifischen Restriktionsendonuklease (REase) und einer Methyltransferase (MTase), die an das gleiche Sequenzmotiv bindet wie die Restriktionsendonuklease [16]. Die MTasen des Bakteriums schützen die DNA vor der REase-Aktivität für das gleiche Sequenzmotiv. Nicht- oder anders methylierte fremde DNA beispielsweise von Bakteriophagen wird so spezifisch erkannt und geschnitten. Während Re­striktionsenzyme seit vielen Jahren bekannt sind, wurde erst vor wenigen Jahren ein neues Nukleinsäure-Abwehrsystem von Bakterien entdeckt, das CRISPR/Cas-Nukleasen-System. Dieses System ermöglicht, Sequenzinformationen von fremden Nukleinsäuren (Bakteriophagen) aufzunehmen und als komplementäre Sequenzen im eigenen Genom gezielt in einer hochorganisierten Form abzulegen. Diese Sequenzen können dann wieder abgeschrieben und als Matrize eingesetzt werden, um die Anwesenheit komplementärer Sequenzen in der Zelle aufzuspüren. Ein damit verbundenes Nuklease-System (Cas) spaltet dann diese komplementären fremden Nukleinsäuren hochspezifisch. Damit haben Bakterien eine Art adaptives Immunsystem für die Abwehr von fremden Nukleinsäuren verfügbar. Ebenso wie das Restriktionsenzym-System hat auch das CRISPR/Cas-System bereits breiten Eingang in die Molekularbiologie und Zellbiologie gefunden, und ist mittlerweile unverzichtbar für die Herstellung von hochspezifisch genetisch veränderten Zellen und Organismen. 

Bei höheren Organismen wie Würmern, Insekten und Pflanzen sind Nu­kleinsäure-Abwehrfunktionen auf ein anderes System übergegangen, das System der RNA-Interferenz (RNAi). Fremde dsRNA, die bei Replikation der meisten Viren entsteht, wird von der Helikase Dicer in kleine dsRNA-Stücke geschnitten (etwa 20mer, siRNA) und teilweise auch über Polymerasen amplifiziert. Einer der Stränge wird dann in den RISC-Komplex eingebunden, und fungiert wiederum als Matrize, um komplementäre Sequenzen in der Zelle aufzuspüren und zu spalten. Bei Würmern wurde gezeigt, dass siRNA auch von Zelle zu Zelle, und sogar über Generationen, weitergegeben werden kann. Damit besteht in diesen Organismen ein adaptives Nukleinsäure-Abwehrsystem mit Gedächtnisfunktion für vergangene virale Infektionen.

Bei Vertebraten ist dieses System in abgewandelter Form und Funktion als microRNA vorhanden. Die microRNA ist im Genom fest verankert, und besitzt eine zentrale Funktion bei der Genregulation. Dicer schneidet auch im Verte­braten-System lange dsRNA, es fehlt jedoch der Amplifikationsschritt über Polymerasen, sodass dieses System in Vertebraten bei der antiviralen Abwehr eine untergeordnete Rolle spielt. Bei Vertebraten haben zwei zu Dicer verwandte Helikasen die ursprünglich mit RNAi verbundene immunologische Aufgabe übernommen, RIG-I und MDA5. Diese binden ebenfalls an dsRNA, aber die Konsequenz ist nicht die Spaltung dieser RNA, sondern die Aktivierung einer antiviralen Abwehr, die auf dem Typ-I-IFN-System basiert. Daher besitzen bei Vertebraten die RIG-I-like-Helikasen eine ganz zentrale Bedeutung in der Abwehr von Virusinfektionen, und ersetzen damit die antivirale Funktion von RNAi in primitiveren Organismen (Würmer, Pflanzen, Insekten). 

Translation und Ausblick

Erst durch die Forschung der letzten Jahre sind nun umfassende Informationen verfügbar, nach welchen Kriterien die Unterscheidung von fremden und eigenen Nukleinsäuren im Organismus erfolgt. Damit eröffnen sich ganz neue Arbeitsfelder für Entwicklungen in Diagnostik und Therapie. Einerseits kann dieses Wissen nun eingesetzt werden, um im Blut Nukleinsäuren zu identifizieren, die vom Immunsystem als fremd erkannt werden. Dies können eigene Nukleinsäuren sein, die fälschlicherweise als fremd erkannt werden, oder tatsächlich fremde Nukleinsäuren. Diese Nukleinsäuren können sich in unterschiedlichen Kompartimenten im Blut befinden, beispielsweise in Form von Protein-Antikörper-Komplexen, als Nukleosomen, als Bestandteil von Exosomen und Mikrovesikeln, oder frei zirkulierend. Eine Trennung in diese Kompartimente vor Spezifizierung der darin enthaltenen Nukleinsäuren wird die Aussagekraft der Nukleinsäurediagnostik sicher deutlich erhöhen. Andererseits werden die Mechanismen der Nukleinsäure-Immunität auch in einer Reihe von therapeutischen Ansätzen verfolgt. Beispielsweise werden Oligonukleotide, längere Nukleinsäuren oder auch kleine Moleküle eingesetzt, um Immunrezeptoren der Nukleinsäureerkennung gezielt zu aktivieren, und die so induzierte Immunantwort für die Therapie von Tumoren oder Infektionserkrankungen oder auch als Vakzine-Adjuvans einzusetzen. Eine Auswahl an aktuellen klinischen Entwicklungen, die Rezeptoren der Immunerkennung von Nukleinsäuren ansteuern, ist in Tab. 1 zusammengestellt (modifiziert nach [17]). 

Literatur

1. Schlee M, Hartmann G (2016). Discriminating self from non-self in nucleic acid sensing. Nature reviews. Immunology, 16:566–580.

2. Schuberth-Wagner C et al. (2015). A Conserved Histidine in the RNA Sensor RIG-I Controls Immune Tolerance to N1-2'O-Methylated Self RNA. Immunity, 43:41–51.

3. Zust R et al. (2011). Ribose 2'-O-methylation provides a molecular signature for the distinction of self and non-self mRNA dependent on the RNA sensor Mda5. Nat Immunol, 12:137–143, doi:10.1038/ni.1979.

4. Sun L et al. (2013). Cyclic GMP-AMP synthase is a cytosolic DNA sensor that activates the type I interferon pathway. Science, 339:786–791, doi:10.1126/science.1232458.

5. Gao P et al. (2013a). Cyclic [G(2',5')pA(3',5')p] is the metazoan second messenger produced by DNA-activated cyclic GMP-AMP synthase. Cell, 153:1094–1107.

6. Gao P et al. (2013b). Structure-function analysis of STING activation by c[G(2',5')pA(3',5')p] and targeting by antiviral DMXAA. Cell, 154:748–762.

7. Hornung V et al. (2009). AIM2 recognizes cytosolic dsDNA and forms a caspase-1-activating inflammasome with ASC. Nature, 458:514–518.

8. Herzner AM et al. (2015). Sequence-specific activation of the DNA sensor cGAS by Y-form DNA structures as found in primary HIV-1 cDNA. Nature immunology, 16:1025–1033.

9. Coch C et al. (2009). Higher activation of TLR9 in plasmacytoid dendritic cells by microbial DNA compared with self-DNA based on CpG-specific recognition of phosphodiester DNA. Journal of Leukocyte Biology, 86:663–670.

10. Krieg AM et al. (1995). CpG motifs in bacterial DNA trigger direct B-cell activation. Nature, 374:546–549.

11. Goubau D et al. (2014). Antiviral immunity via RIG-I-mediated recognition of RNA bearing 5'-diphosphates. Nature, 514:372–375.

12. Hornung V et al. (2006). 5'-Triphosphate RNA is the ligand for RIG-I. Science, 314:994–997.

13. Schlee M et al. (2009). Recognition of 5' triphosphate by RIG-I helicase requires short blunt double-stranded RNA as contained in panhandle of negative-strand virus. Immunity, 31:25–34.

14. Besch R et al. (2009). Proapoptotic signaling induced by RIG-I and MDA-5 results in type I interferon-independent apoptosis in human melanoma cells. The Journal of clinical investigation, 119:2399–2411. 

15. Hartmann G et al. (2003). Rational design of new CpG oligonucleotides that combine B cell activation with high IFN-alpha induction in plasmacytoid dendritic cells. European Journal of Immunology, 33:1633–1641.

16. Vasu K, Nagaraja V (2013). Diverse functions of restriction-modification systems in addition to cellular defense. Microbiol Mol Biol Rev, 77:53–72, doi:10.1128/MMBR.00044-12.

17. Junt T, Barchet W (2015). Translating nucleic acid-sensing pathways into therapies. Nature reviews. Immunology, 15:529–544.

18. van den Boorn JG, Barchet W, Hartmann G (2012). Nucleic acid adjuvants: toward an educated vaccine. Advances in immunology, 114:1–32.

19. van den Boorn JG, Hartmann G (2013). Turning tumors into vaccines: co-opting the innate immune system. Immunity, 39:27–37.