Diagnostik autoimmunbedingter und komplementvermittelter Nierenerkrankungen: Je früher, desto besser

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2025.02.02

Bei autoimmunbedingten Nephropathien binden Autoantikörper direkt an Antigene in der Niere, oder es kommt dort zur Ablagerung von Immunkomplexen. Die Diagnose erfordert detaillierte Laboruntersuchungen mit genetischen Analysen und der Bestimmung einzelner Komplementfaktoren wie auch spezifischer Autoantikörper. Je früher eine Diagnose der lange Zeit symptomlos verlaufenden Erkrankungen gestellt werden kann, desto schneller kann eine adäquate Therapie eingeleitet und das Fortschreiten der Erkrankung eingedämmt werden.

Schlüsselwörter: Systemischer Lupus erythematodes, ANCA-assoziierte Vaskulitis, C3-Glomerulonephritis

Die Autoimmunnephropathien umfassen eine Gruppe von Nierenerkrankungen, bei denen Nierenstrukturen durch das eigene Immunsystem geschädigt werden. Die Folge sind Entzündungen und Nierenfunktionsstörungen bis hin zum Nierenversagen im Endstadium (ESRD). Zu den Auto­immunnephropathien gehören systemische Autoimmunerkrankungen mit Beteiligung der Niere wie die Lupusnephritis beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) und die ANCA-assoziierte Vaskulitis (ANCA = antineutrophile zytoplasmatische Antikörper). Ebenso zählen dazu Autoimmunerkrankungen mit ausschließlicher oder zumindest überwiegender Beteiligung der Niere wie die IgA-Nephropathie (IgAN) und Formen der membranösen Glomerulonephritis, zum Beispiel die C3-Glomerulonephritis (C3GN) (Tab. 1). 

Tab. 1: Überblick über Autoimmunnephropathien (Auswahl).

EntitätBeschreibung(Labor-*)Diagnostik
IgA-Nephropathie (IgAN)Häufigste immunassoziierte Nephropathie; tritt typischerweise bei Erwachsenen im Alter von 20 bis 40 Jahren aufNierenbiopsie/Histologie/Immunfluoreszenz: Ablagerung von IgA in den Nieren
Anti-PLA2R-Autoantikörper-assoziierte primäre membranöse Nephropathien (pMN)Anti-PLA2R-Autoantikörper sind hochspezifisch für diese Form der primären membranösen Nephropathie. Sie werden bei etwa 70 bis 80 % der Patient:innen mit pMN nachgewiesenBestimmung von Autoantikörpern gegen Podozytenantigene – insbesondere PLA2R1 – kann eine Nierenbiopsie zur Diagnose bei typischer klinischer Präsentation überflüssig machen
C3-Glomerulonephritis (C3GN)Dysregulation des alternativen Komplementwegs; sehr variable klinische Manifestation: von asymptomatischer Hämaturie und/oder Proteinurie bis zu rasch fortschreitender Nierenfunktionsverschlechterung mit Ödemen und Bluthochdruck; Fortschreiten zur ESKD und DialysepflichtigkeitNierenbiopsie/Histologie/Immunfluoreszenz: dominierende Ablagerung von C3 in den Glomeruli; wenige oder keine Ablagerung von Immunglobulinen; Nachweis von C3-Nephritis-Faktor (C3NF; Antikörper gegen C3) im Serum
ANCA-assoziierte Vaskulitis (AAV)Gruppe von seltenen Autoimmunerkrankungen, charakterisiert durch eine Entzündung kleiner Blutgefäße; kann verschiedene Organe betreffen, wobei die Nieren und die Atemwege besonders häufig involviert sindAntineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA); Anti-PR3, Anti-MPO im Serum
Antiglomeruläre Basalmembran-Erkrankung (GBM); Goodpasture-SyndromSeltene und schwere Autoimmunerkrankung; Autoantikörper gegen die Basalmembran der Glomeruli in den Nieren; in etwa der Hälfte der Fälle ist auch die Basalmembran der Lungenalveolen betroffen (Goodpasture-Syndrom)Anti-GBM-Antikörper
LupusnephritisTritt bei Patient:innen mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) auf; Autoantikörper können zu einer Ablagerung von Immunkomplexen im Nierengewebe, zur Komplementaktivierung und zur Entzündung mit Gewebezerstörung führenSLE-typische Autoantikörper
* Basisabklärung aus Serum und Urin bei jedem Verdacht auf Nierenerkrankung (siehe unter Textabschnitt „Labordiagnostik“).

Immunologisch bedingte Nierenerkrankungen sind zumeist durch den Nachweis von spezifischen Autoantikörpern oder Immunglobulin-Ablagerungen in der Niere gekennzeichnet.

Pathophysiologie und Klinik

In der Pathophysiologie sind die Aktivierung von Komplement, die damit verbundene Entzündungsreaktion und in der Folge die Zellzerstörung wichtige Komponenten. Der im engeren Sinne als komplementvermittelte Nierenerkrankungen bezeichneten komplexen Gruppe von Erkrankungen liegt ursächlich eine Fehlregulation des Komplementsystems zugrunde. Das Komplementsystem ist der wichtigste humorale Anteil des angeborenen Immunsystems und besteht sowohl aus löslichen als auch aus membrangebundenen Proteinen. Es ist für die Abwehr von Krankheitserregern und die Homöostase der Immunantwort unerlässlich. Eine zu starke oder unkontrollierte Aktivierung kann aber zu Kollateralschäden der Entzündungsreaktion führen. 

Die Aktivierung des Komplementsystems durch die glomeruläre Ablagerung von Immunkomplexen kann zur Progression von Nierenerkrankungen beitragen. Zu den bekannten komplementvermittelten Nierenerkrankungen zählen das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) und die C3-Glomerulopathie aus der Gruppe der membranoproliferativen Glomerulonephritiden (MPGN). Diese Erkrankungen sind insgesamt sehr selten. Ein wichtiger Schritt in der diagnostischen Abklärung ist es, daran zu denken – insbesondere, wenn jüngere Patient:innen Zeichen einer Niereninsuffizienz zeigen. Die manifeste Niereninsuffizienz äußert sich klinisch durch Ödeme mit Schwellungen in Händen, Füßen und anderen Körperbereichen, einer Hypertonie sowie Müdigkeit und Schwäche.

Obwohl sie selten sind, haben die oben genannten Erkrankungen in der Summe einen großen Anteil bei den chronischen Nierenerkrankungen (CKD) und beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen erheblich. Die Ätiologie der Autoimmunnephropathien ist komplex und umfasst genetische, umweltbedingte und immunologische Faktoren. Eine genetische Veranlagung kann die Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen erhöhen, während Umwelteinflüsse – wie Infektionen, Medikamente und Toxine – die Krankheit auslösen oder verschlimmern können. 

Eine frühzeitige Erkennung ist insbesondere deshalb wichtig, weil viele Betroffene bis in fortgeschrittene Krankheitsstadien hinein keine Symptome zeigen. Eine frühe spezifische Behandlung ist aber entscheidend, um das Fortschreiten zur Dialysepflichtigkeit aufhalten zu können. 

Hier setzen auch aktuelle Vorsorgeprogramme zum Screening auf CKD durch Basislaborparameter wie die Bestimmung der GFR und der Albuminurie an.

Trotz Fortschritten in der Behandlung und der Forschung bleiben Herausforderungen bestehen, insbesondere im Hinblick auf das Risiko einer Progression zu ESRD bei Personen mit Autoimmunnephropathie. Studien zeigen beispielsweise, dass 25 bis 30 % der Patient:innen mit IgAN innerhalb von 20 Jahren zu ESRD fortschreiten, was die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung und von personalisierten Behandlungsansätzen unterstreicht [1]. 

Neue Medikamente, die gegen die Aktivierung des Komplementsystems gerichtet sind, bieten vielversprechende therapeutische Ansätze. Diese sind auf die pathologischen Prozesse im Komplementsystem gerichtet und unterscheiden sich damit grundlegend von anderen Immunsuppressiva.

Labordiagnostik

Basisuntersuchungen zur Abklärung der Nierenfunktion erfolgen im Blut über die Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und im Urin. Zur Urinanalyse gehört der Streifentest als einfache und kostengünstige Screeningmethode. Bei jedem konkreten Verdacht auf eine Nierenerkrankung ist dieser aber nicht ausreichend. Dann sollte immer eine Sedimentanalyse auf Hämaturie, dysmorphe Erythrozyten/Akanthozyten, Leukozyten, Bakterien und Zylinder erfolgen. Hierzu stehen spezielle Durchflusszytometer zur Verfügung oder die klassische Mikroskopie mittels Phasenkontrastmikroskop. Erythrozytenzylinder sind beispielsweise pathognomonisch für eine Glomerulonephritis. Ebenso ist eine quantitative Protein- bzw. Albuminbestimmung Standard. Je nach Ergebnis muss gegebenenfalls eine Proteinurie-Differenzierung mit dem Nachweis der Leitproteine Albumin, IgG und α1-Mikroglobulin erfolgen. Dabei kann der Ursprung des Proteinverlusts meist in glomerulär (selektiv oder unselektiv), tubulär oder post-renal eingeteilt werden. Mischformen sind nicht selten.

Für die Ermittlung der GFR sind mehrere Laborparameter wie Kreatinin oder Cystatin bzw. beide sowie Berechnungsformeln im Einsatz. In regelmäßigen Abständen kommen neue, optimierte Berechnungsverfahren dazu [2].

Weitere Laboruntersuchungen erfolgen zur Abklärung von Folgeerkrankungen wie Anämie, Knochenerkrankungen, Herzerkrankungen und Azidose, die durch Nierenfunktionsstörungen verursacht werden können. Dazu kommen Laboruntersuchungen zur Wirkung und Erkennung von Nebenwirkungen der Therapie.

Nach der Diagnose einer Immun-Glomerulonephritis müssen regelmäßige Nachuntersuchungen erfolgen, um die Nierenfunktion, den Krankheitsverlauf und die Wirksamkeit der Behandlungen zu verfolgen und um Rezidive frühzeitig erkennen zu können.

Spezifische Labordiagnostik

Für einige Autoimmunnephropathien stehen spezifische Laborparameter zur Verfügung: Autoantikörper gegen den PLA2-Rezeptor sind hochspezifisch für diese Form der membranösen Glomerulonephritis/-nephropathie (MGN). Der C3-Nephritis-Faktor (C3NeF) – ein Autoantikörper, der den alternativen Komplementweg stabilisiert und zur C3-Ablagerung in den Glomeruli beiträgt – kann die Diagnose der C3GN unterstützen. Anti-PR3- und Anti-MPO-Antikörper (Vaskulitis-assoziierte ANCA) sowie Anti-GBM-Antikörper sind hochspezifisch für die jeweiligen Krankheitsbilder. Weitere Analysen wie SLE-assoziierte Antikörper und ein Komplementfaktordefekt können Hinweise auf weitere Ursachen für Autoimmunnephropathien geben (Tab. 1).

Wie erwähnt spielt das Komplementsystem eine zentrale Rolle bei vielen immunvermittelten Nierenerkrankungen. Alle Bestandteile des Komplementsystems wurden mit komplementvermittelten Nierenschäden in Verbindung gebracht. Screeningtests zur Abklärung der Funktionen des klassischen, alternativen und mannosebindenden Lektin-Wegs stehen zur Verfügung. Je nach Ergebnis können viele Faktoren quantitativ und funktionell weiter abgeklärt werden.

Auch wegen der neuen Therapien, die auf die Komplementwege abzielen, besteht ein dringender Bedarf, die Rolle des Komplements bei Nierenerkrankungen besser zu verstehen und weitere zuverlässige sowie nichtinvasive Biomarker zu entwickeln. Damit kann die Krankheitsaktivität besser beurteilt werden, und therapeutische Interventionen können gesteuert werden. 

Neuere Daten deuten darauf hin, dass Komplementbiomarker im Urin Entzündungen in den Nieren wahrscheinlich besser widerspiegeln als herkömmliche Serumkomplementbiomarker; daher werden sie in einigen Forschungsprojekten genauer untersucht [3].

Zur endgültigen Bestätigung vieler immunvermittelter Glomerulonephropathien ist eine Nierenbiopsie erforderlich. Diese wird in der Regel mit direkter Immunfluoreszenztechnik mikroskopisch untersucht, um zum Beispiel das Vorhandensein von IgA-Ablagerungen bei der IgAN oder C3 bei der C3GN in den Glomeruli festzustellen. Auch die Elektronenmikroskopie kann Hinweise zur Diagnose liefern.

Therapie

Die Behandlung einer Autoimmunnephropathie, insbesondere bei Erkrankungen wie der idiopathischen membranösen Nephropathie (IMN), umfasst in erster Linie eine immunsuppressive Therapie. Dieser Ansatz wird in der Regel nach einer umfassenden Beurteilung des Zustands der Patientin oder des Patienten eingeleitet – eine kontinuierliche Überwachung des Krankheitsstatus ist während der Behandlung unerlässlich. Während Kortikosteroide alleine bei der Behandlung für IMN nur eine begrenzte Wirksamkeit haben, erhöht sich ihre Wirksamkeit erheblich, wenn sie mit alkylierenden Wirkstoffen wie Cyclophosphamid kombiniert werden. Cyclophosphamid fungiert als zytotoxischer Wirkstoff, der zu Phosphoramid-Lost metabolisiert wird, das wiederum eine DNA-Vernetzung und den anschließenden Zelltod induziert – insbesondere bei sich schnell teilenden Zellen wie aktivierten Immunzellen. In Fällen, in denen Standardtherapien zur Immunsuppression nicht ausreichen, können ergänzende Behandlungen wie Rituximab, Plasmapherese oder intravenöse Immunglobuline in Betracht gezogen werden.

Sparsentan, das 2024 in Europa/Deutschland zugelassen wurde, hat eine duale Wirkung, indem es sowohl Endothelin-Typ-A-Rezeptoren hemmt als auch Angiotensin-II-Typ-1-Rezeptoren antagonisiert. Sparsentan hat sich in klinischen Studien zur Behandlung von fokaler segmentaler Glomerulosklerose und IgA-Nephropathie als vielversprechend erwiesen und eine signifikante Verringerung der Proteinurie im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen gezeigt [4]. Zielgerichtete Therapien – darunter solche, die das Komplementsystem modulieren – stehen ebenso zur Verfügung. Anti-C5a- und Faktor-B-Inhibitoren sind mittlerweile zur Behandlung von membranösen Nephropathien zugelassen, und weitere sind in klinischen Studien im Einsatz [5, 6, 7].

Prognose

Die Prognose für Autoimmunnephropathien kann erheblich variieren und wird von verschiedenen Faktoren wie dem Typ der Nephropathie und dem Ansprechen der einzelnen Person auf die Behandlung beeinflusst. In jedem Fall ist eine frühe Diagnosestellung ein wichtiger Faktor, um die mittlerweile zur Verfügung stehenden wirksamen spezifischen Therapien schnell einsetzen zu können oder den Betroffenen die Möglichkeit zur Teilnahme an Therapiestudien mit neuen vielversprechenden Ansätzen zu ermöglichen. Eine regelmäßige Überwachung der Nierenfunktion ist unerlässlich, um eine aufflammende Entzündungsaktivität oder die Verschlechterung der Nierenfunktion schnell zu erkennen. 

Spezifische Prognoseparameter gibt es zum Beispiel im Zusammenhang mit einer sklerodermiebedingten Nierenkrise (SRC). Hier ist eine schlechte Prognose eng mit bestimmten klinischen Merkmalen und dem Nachweis von Antikörpern gegen RNA-Polymerase III assoziiert, während das Vorhandensein von Antikörpern gegen Topoisomerase und Zentromere im Allgemeinen auf einen günstigeren Krankheitsverlauf hinweist.

Zusammenfassung

Die Autoimmunnephropathien bilden eine zahlenmäßig eher kleine, aber wichtige Gruppe von Nierenerkrankungen – insbesondere der Glomerulonephritiden. Neben ausschließlicher oder zumindest überwiegender Beteiligung der Niere wie bei der IgA-Nephropathie kann auch bei systemischen Autoimmunerkrankungen wie beim SLE die Beteiligung der Niere das größte Problem für die Betroffenen darstellen.

Autoantikörper, die direkt an Antigene in der Niere binden, oder Immunkomplexablagerungen in der Niere können zur Komplementaktivierung, Entzündung sowie Zerstörung von Nierengewebe und in der Folge zu Nierenfunktionsstörungen bis hin zum Nierenversagen im Endstadium (ESRD) mit Dialysepflicht führen. 

In der Pathophysiologie und damit auch als Zielstruktur für Therapien spielt die überschießende Aktivierung von Komplementfaktoren eine wichtige Rolle.

Eine frühe Diagnose ist essenziell. Die Erkrankungen sind insgesamt sehr selten; daher ist es ein wichtiger erster Schritt in der diagnostischen Abklärung, an sie zu denken – insbesondere bei jüngeren Patient:innen mit Zeichen einer Niereninsuffizienz. Die Diagnose erfordert detaillierte Laboruntersuchungen mit genetischen Analysen sowie der Bestimmung einzelner Komplementfaktoren und spezifischer Autoantikörper.

Einige kürzlich zugelassene Medikamente, die gegen die Aktivierung des Komplementsystems gerichtet sind, aber auch weitere sich in klinischen Studien befindende Medikamente bieten vielversprechende zielgerichtete therapeutische Ansätze.   

Autor
Prof. Dr. Rudolf Gruber
Mitglied der Redaktion