Zieht man sich eine Schnittwunde zu, so möchte man zunächst wissen, wie tief die Wunde ist und welche Art von Erste-Hilfe-Maßnahmen notwendig ist: Kann der Schnitt selbstständig versorgt werden, oder bedarf es professionalisierter Hilfestellung, die dann auch mit einem finanziellen Aufwand verbunden ist und einen längeren Heilungsprozess nach sich zieht.
Dieses Bild lässt sich auf die aktuelle Situation der Berufe im Gesundheitswesen übertragen – insbesondere auf das Berufsfeld der Medizinischen Technolog:innen (MT), wo die Akquise von Auszubildenden und damit einhergehend der zukünftigen Fachkräftegewinnung bzw. Fachkräfteausbildung in den vergangenen Jahren fast ausschließlich den Berufsfachschulen für MT für Laboratoriumsmedizin (MTL-Schulen) oblag und potenzielle Arbeitgeber davon profitieren konnten.
Ausgangssituation
Seit Jahren stellen veränderte Rahmenbedingungen in Politik und Gesellschaft sowie die digitale Transformation und Entwicklungen in Medizin und Technik das Gesundheitswesen vor große Herausforderungen. In den kommenden Jahren – bis 2035 – werden laut einer Studie von PwC Deutschland etwa 1,8 Millionen Stellen im Gesundheitswesen nicht besetzt werden können [1]. Betrachtet man allein die Zahlen in deutschen Krankenhäusern, so waren im Jahr 2021 ca. 960.000 Vollzeitkräfte (VK) beschäftigt, davon gehörten etwa 780.000 VK dem Berufsstand der Gesundheitsberufe an. Die statistische Erhebung zeigt noch einen stetigen Anstieg der Beschäftigten in den Jahren bis 2021[2].
In den Laboratorien der Krankenhäuser zeigt sich für das Berufsbild der MTL hingegen ein anderes Bild. Laut Gutachten des Deutschen Krankenhausinstituts von 2019 ist die Zahl der in den Krankenhäusern beschäftigten MTL um 1.300 auf 18.500 gesunken. Ein gewisser Anteil der Personen ist aufgrund des Outsourcings der Labore aus den Kliniken ausgeschieden. Ein weiterer Faktor ist die Demografie: Ungefähr 25 % der in Krankenhäusern beschäftigten MTL sind 60 Jahre und älter. Die Studie ergab, dass bereits 24 % der Krankenhäuser Probleme bei der Besetzung von MTL-Stellen hatten [3]. Weiterhin zeigte sich nach Auswertung des Gutachtens, dass bis 2030 ein Mehrbedarf an MTL von ca. 6.100 Beschäftigten bestehen wird. Diese Anzahl wird weiterhin steigen, da die Strategie der Kliniken in der aktuellen Situation wieder auf Insourcing oder Kooperationen mit Laborverbünden setzt. Laboratoriumsdiagnostik wird als Rückgrat der medizinischen Versorgung gesehen, und es bedarf zunehmend qualifiziert ausgebildeter MTL, um die Qualität der Diagnostik aufrechtzuerhalten.
Dieses Bild spiegelt sich ebenso im Branchenmonitoring von Rheinland-Pfalz wider. Das Branchenmonitoring, beauftragt vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz (RLP) und durchgeführt vom Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK, Frankfurt), informiert alle fünf Jahre über die Entwicklung im Sektor der Gesundheitsberufe – etwa über die Fachkräftesituation und Fachkräftesicherungsmaßnahmen sowie über die Ausbildungsstättenplanung und Ausbildung in den 18 bundes- und landesrechtlich geregelten Gesundheitsfachberufen [4]. Mit der Gegenüberstellung von Fachkräfteangebot und -nachfrage liefert das Webportal ein umfassendes Bild zur Situation in Rheinland-Pfalz, was durchaus auf das Bundesgebiet Deutschland erweitert werden kann. Das Monitoring zeigt, dass bis zum Jahr 2035 ca. 740 MTL in RLP für die Laboratoriumsanalytik fehlen. In 2020 belief sich die Zahl der Auszubildenden für Laboratoriumsanalytik allein in RLP an den fünf MTL-Schulen auf 220 [4]. Betrachtet man die Anzahl der Auszubildenden an den 76 MTL-Schulen in Deutschland, dann zeigt sich, dass sich die Zahl von 2018 auf 2019 um über 200 % erhöht hat (Abb. 1a).