In der Welt der Medizin sind Labore wie unsichtbare Motoren, die die Diagnostik, Patientenversorgung und Forschung vorantreiben. Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland und Europa droht dieser Motor ins Stottern zu geraten, da immer mehr qualifiziertes Personal fehlt. Dieser Fachkräftemangel macht sich auf allen Ebenen im Labor bemerkbar. Während ungelernte Hilfskräfte noch vergleichsweise einfach zu akquirieren sind, droht eine starke Unterversorgung der Labore an gut ausgebildeten Medizinischen Technolog:innen (MTL). Genauso schwer gestaltet sich mittlerweile auch die Besetzung von Stellen im akademischen Bereich. Neben Fachärzt:innen für Laboratoriumsmedizin fehlt es auch an entsprechend weitergebildeten Naturwissenschaftler:innen bzw. Klinischen Chemiker:innen. 2023 sind laut Ärztestatistik ca. 35 % der Fachärzt:innen für Laboratoriumsmedizin über 60 Jahre alt. Der Anteil an über 50-Jährigen beträgt ca. 70 %. Demgegenüber ist der Anteil an Fachärzt:innen unter 35 Jahren mit ca. 2,3 % verschwindend gering. Fragt man Medizinstudierende, so ist vielen gar nicht bewusst, dass es eine eigenständige Weiterbildung in der Labormedizin gibt. Dies wirft die dringende Frage auf, wie wir diese für die Patientenversorgung kritischen Berufe für zukünftige Generationen attraktiver gestalten können und inwieweit eine Unterstützung durch entsprechend ausgebildete Naturwissenschaftler:innen möglich ist.
Sollte es uns nicht gelingen, das Fach mehr in den Fokus der Öffentlichkeit, der Studierenden und der fachlichen Kolleg:innen zu rücken und dem Nachwuchsmangel wirkungsvoll entgegenzuwirken, so wird dies weitreichende Konsequenzen für die Labormedizin und damit für die gesamte Patientenversorgung nach sich ziehen. Wie wird das Fach in Zukunft repräsentiert und weiterentwickelt werden, wenn ausgeschriebene Professuren nur schwer oder gar nicht besetzt werden können? In diesem Artikel beleuchten wir innovative Ansätze zur Personalgewinnung und -bindung und diskutieren, wie technologische Fortschritte dazu beitragen könnten, eine sichere Patientenversorgung zu gewährleisten.
Vereinbarkeit von Privatleben, Familie und Beruf
Die Vereinbarkeit von Privatleben, Familie und Beruf stellt aktuell sicherlich den größten Konflikt für die junge arbeitende Generation dar. Die Work-Life-Balance als Teil einer gesunden und nachhaltigen Lebensweise rückt immer mehr in den Fokus. Eine gerechte Vergütung, insbesondere für die Arbeit zu ungünstigen Zeiten zur Aufrechterhaltung einer 24/7-Notfallversorgung, sowie eine lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung sind heutzutage wichtiger denn je. Erwerbstätigkeit und Care-Arbeit werden zunehmend gleichberechtigt ausgeübt. Dies erfordert ein hohes Maß an Organisation und Verständnis. Arbeit in Teilzeit ist häufig unvermeidbar, um den familiären Belastungen gerecht zu werden. Flexibilität bei der Arbeitsalltagsgestaltung und mobiles Arbeiten sind daher essenziell. Viele Unternehmen unterstützen bereits mit kreativem Engagement ihre Mitarbeitenden. Betriebs-Kitas, ein ergänzendes Kindergeld, zusätzliche Kinderkrankentage, Betreuungsangebote für die Ferienzeit, Familienurlaub zur Geburt eines Kindes, Stillfreundlichkeit im Labor, Unterstützung beider Elternteile bei Elternzeit und Wiedereinstieg, ein betriebliches Gesundheitsmanagement, Hilfe bei der Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen sowie Benefits für Mitarbeitende werden zunehmend realisiert. Die Arbeitgeber springen hier allerdings auch für politische Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte ein. Der Protest an die Verantwortung der Politik zur Realisierung nachhaltiger Betreuungs- und Pflegekonzepte muss noch viel lauter werden.
Sichtbarkeit der Labormedizin
Viele der oben genannten Möglichkeiten lassen sich schon jetzt mit einer Tätigkeit im Labor vereinbaren, besonders im Vergleich zu anderen Berufsfeldern in der Medizin. Nur, wie lassen sich die fachlichen und alltäglichen Vorzüge der Laborberufe bekannter machen? Die junge, digitale Generation begegnet ihren Vorbildern und Influencern online via Social Media. Die Leistung der Labore, die zuverlässig eine qualitativ hochwertige Diagnostik in der Patientenversorgung sicherstellen, ist im Fokus der Öffentlichkeit und auch bei unseren Kolleg:innen im Gesundheitswesen stark unterrepräsentiert. Um fachlichen Nachwuchs für unser Fach zu gewinnen, muss die Sichtbarkeit der Laborberufe grundlegend verbessert werden. Wir als Gesichter und Persönlichkeiten der Labormedizin müssen analog und digital die Türen zu unseren Laboren öffnen. Eine zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit, um potenzielle Fachkräfte während des Studiums oder der Ausbildung zu erreichen, ist hierfür entscheidend, denn die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ist groß.