Das Post-COVID-Syndrom (PCS) ist eine schwerwiegende Erkrankung, die länger als zwölf Wochen nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion andauert und mit einer Vielzahl von zum Teil nur schwer objektivierbaren Symptomen einhergeht [1]. Dazu zählen unter anderem Erschöpfung (Fatigue) mit verminderter körperlicher und mentaler Belastbarkeit, ein Hyperventilationssyndrom (HVS), ein posturales Orthostase-Tachykardie-Syndrom (POTS), anhaltende Schmerzen und Krankheitsgefühl nach Belastung (Post exertional malaise, PEM) sowie eine kognitive Dysfunktion (Brain Fog) [2].
PCS gehört zum großen Komplex der post-akuten Infektionssyndrome, die vor allem nach viralen, aber auch nach einigen bakteriellen und parasitären Erkrankungen auftreten [3]. Als Ursache wird eine Kombination von Organschädigung durch den Erreger und fehlgeleiteter Immunreaktion des Wirtsorganismus vermutet [1], doch im Detail sind die physiologischen und biochemischen Pathomechanismen noch Gegenstand der Forschung.
In diesem Beitrag werden Befunde der Laktatleistungsdiagnostik und der Spiroergometrie bei einem PCS-Fall vorgestellt. Mit beiden Verfahren kann zunächst die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit anhand objektiver Messwerte wie der maximalen Sauerstoffaufnahmerate (VO2 max) und der Leistung an der individuellen anaeroben Schwelle bestimmt werden. Veränderungen der Laktat- und Atemgaskonzentrationen sowie der Ventilation bei ansteigender körperlicher Belastung lassen ferner genaue Rückschlüsse auf die Integrität der Atmung, des Gasaustausches, des Herz-Kreislauf-Systems und der Sauerstoffextraktion auf muskulärer Ebene zu. Hierdurch kann die Ursache einer erniedrigten körperlichen Leistungsfähigkeit einem Organsystem oder einem Pathomechanismus genauer zugeordnet werden.
Die hier beschriebene spiroergometrische Untersuchung ist zurzeit die einzige Möglichkeit, eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei PCS zu objektivieren. Wir möchten mit unserem Beitrag vor allem zeigen, wie man damit für Betroffene und Akteure im Gesundheits- und Rentensystem den Schweregrad bei PCS anhand objektiver pathophysiologischer Befunde sichern und die vielfältigen Symptome auf pathophysiologischer Basis vollumfänglich erklären kann.
Unsere Ergebnisse stehen der Annahme entgegen, dass die von den Betroffenen geäußerten Beschwerden rein psychopathologischer Natur seien. Um PCS in Zukunft besser zu therapieren, müssen die bisher üblichen Rehabilitationsverfahren grundlegend überarbeitet werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Diagnostik vorrangig an internationalen Standards zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit [4, 5] orientiert.
Fallbericht und Therapieaufbau
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Eingangsuntersuchung und einer Kontrolle nach der Therapie bei einer PCS-Patientin verglichen, die in der Ambulanz der Abteilung Sportmedizin (JGU Mainz) betreut wurde. Die 45-Jährige litt seit Januar 2021 nach einer COVID-19-Erkrankung vorrangig an verminderter körperlicher Belastbarkeit in Verbindung mit Hyperventilation und Tachykardie sowie daran anknüpfend starker Erschöpfung, Muskelschmerzen, kognitiven Einschränkungen, Parästhesien, Wahrnehmungsstörungen und vegetativen Störungen. Ausführliche internistische, insbesondere kardiologische und pneumologische Untersuchungen im Ruhezustand zeigten normwertige Befunde. Auch neurologische, ophthalmologische und neuropsychologische Untersuchungen lieferten weder Erklärungen für die Symptome noch adäquate Therapieansätze.
Die Erstvorstellung der Patientin fand Anfang Juni 2022, die Kontrolle im August 2023 statt. Beide Male wurde eine vollumfängliche klinische Untersuchung, sportmedizinische Leistungsdiagnostik und therapeutische Beratung durchgeführt. Die Initialtherapie (in den ersten sechs Monaten) bestand aus einem täglichen Atemtraining zur Verbesserung der Kohlenstoffdioxid(CO2)-Toleranz und einer Bewältigungsstrategie für den Alltag, bekannt als PACING. Nach sechs Monaten begann eine online-geleitete Trainingstherapie im häuslichen Umfeld. Hierbei wurde dreimal pro Woche ein Ausdauertraining in Form eines Kurzintervalltrainings durchgeführt.
Unsere sportmedizinische Leistungsdiagnostik folgt den aktuellen Richtlinien des American College of Sports Medicine [6] und umfasst Fahrradergometrie mit Laktatleistungsdiagnostik, Belastungs-EKG und Spiroergometrie. Die Belastungssteigerung während der Fahrradergometrie basiert auf einem inkrementellen Stufenprotokoll. Die spiroergometrischen Daten (Atemzugvolumen, Atemfrequenz, O2-Aufnahme und CO2-Abgabe) werden kontinuierlich mittels einer Atemzug-für-Atemzug-Analyse aufgezeichnet, die Herztätigkeit wird ebenso kontinuierlich mit einem 12-Kanal-EKG überwacht, und die Laktatkonzentration wird in Ruhe, am Ende jeder Stufe und nach drei Minuten Erholung aus dem Kapillarblut (Ohrläppchen) bestimmt. Die individuelle anaerobe Schwelle wird als sogenannte zweite Laktat-Schwelle (LT2) definiert.
Therapieergebnisse
Abbildung 1 zeigt einen Vergleich der Leistung an der LT2 zwischen der Eingangs- und Kontrolluntersuchung (14 Monate Therapie).