Geschichte der Impfstoffentwicklung
Traditionell und teils religiös bedingt wurden in Europa übertragbare Krankheiten als Strafe Gottes für Fehlverhalten gesehen. Im Gegensatz dazu erfolgte eine kritische Auseinandersetzung mit Krankheiten, z. B. auch den Exanthemen bei Pocken und Masern, bereits im 10. Jahrhundert in Persien durch Rhazes [1]. Bekannte Berichte über eine erfolgreiche Impfung – Variolation – gegen Pocken in China und/oder Indien führten erst 1721 zur Anwendung in Britannien und folgend zum Impferfolg mit dem Kuhpockenvirus von Edward Jenner im Jahr 1796 [2].
Eine wissenschaftliche Basis erhielt die Vakzination später durch die Arbeiten von Louis Pasteur mit der Impfung gegen Geflügelcholera (Pasteurella multocida), Anthrax (Bacillus anthracis), Schweinerotlauf (Erysipelothrix rhusiopathiae) und Tollwut (Lyssavirus) von 1876 bis 1885. Die weiteren Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung waren geprägt durch die neuen Kenntnisse in der Immunologie.
Bereits 1884 erklärte Ilya Metchnikoff eine natürliche Immunität mit der Phagozytose durch Leukozyten (neutrophile Granulozyten). Dagegen erklärte 1888 George Nuttall, dass es im Serum hitzelabile (Komplement) und hitzestabile (Antikörper) Substanzen gibt, die für Mikroorganismen toxisch sind. Die zirkulierenden Antikörper wurden wenig später von Richard Pfeiffer, einem Schüler von Robert Koch, beschrieben. Inzwischen hatte 1883 Friedrich Loeffler das Corynebacterium diphtheriae isoliert und Émile Roux und Alexandre Yersin hatten 1888 das Diphtherie-Exotoxin identifiziert. Emil Behring und Shibasaburo Kitasato zeigten dann 1890–1892, dass die Immunität gegen Diphtherie und Tetanus auf zirkulierenden Antitoxinen (Antikörpern) beruht. Paul Ehrlich hatte 1897 die Antikörper definiert und ihre Bindung an Zellen (Rezeptoren) beschrieben. Durch die Ergebnisse von Karl Landsteiner 1901 mit der Beschreibung der Blutgruppen und deren Agglutininen (IgM-Antikörper) wurde offensichtlich, dass Antikörper gegen Protein- und Kohlenhydratdeterminanten (Epitope) gebildet werden können.
Robert Koch hatte 1876 das Milzbrand-Bakterium (Bacillus anthracis) isoliert und charakterisiert. 1882 folgte der sog. Tuberkel-Bacillus (Mycobacterium tuberculosis). Das extrahierte Tuberkulin benutzte Koch als Hauttest für den Nachweis der Exposition. Es folgten schließlich diverse Versuche zur Herstellung eines schützenden Impfstoffes gegen Mycobacterium tuberculosis – was bis heute nicht gelungen ist. Nach 1900 war der Zuwachs an Wissen, das in Chemie, Immunologie, Mikrobiologie und Diagnostik veröffentlicht wurde, exponentiell. Hier soll nur noch Max Theiler aus Südafrika erwähnt werden, der um 1937 das Gelbfiebervirus über Kultivierung auf Hühner-Embryozellen attenuierte und damit zusammen mit Hugh Smith die Basis für eine neue Impfstoff-Herstellung legte.
Immunsystem und seine Grenzen
Neben der angeborenen Immunität (innate immunity), die für die Immunisierung durch Impfung wenig Bedeutung hat, baut die erworbene (acquired immunity) Immunität über die Kommunikation von Zellen eine spezifische, teils lebenslang anhaltende Abwehrreaktion auf. Am Anfang der Immunität stehen Phagozyten, sog. Antigen-präsentierende Zellen (APC), die CD4-Helfer-T-Lymphozyten anregen, zytotoxische CD8-Effektor-T-Lymphozyten zu prägen und B-Lymphozyten zu stimulieren, die die Bildung der Antikörper übernehmen (Abb. 1).