Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV) im Vergleich mit Influenza und SARS-CoV-2: Symptomatik – Risikofaktoren – klinischer Verlauf

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2022.04.03

Die Symptome von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus ähneln bei Erwachsenen zu Beginn einer Erkrankung denen von Influenza A/B oder SARS-CoV-2. Während im Vergleich zu Influenza häufiger Komplikationen auftreten, war die Schwere der Verläufe – zumindest vor dem Aufkommen der Omikronvarianten und der Verfügbarkeit eines Impfstoffes – geringer als bei SARS-CoV-2.

Schlüsselwörter: Saisonalität, Multiplex-PCR, COPD, Nierenerkrankung, Liegezeit, Beatmung

Nach zwei Jahren pandemiebedingter Einschränkung des öffentlichen Lebens steht zu befürchten, dass Infektionen mit Influenza A/B und dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) neben SARS-CoV-2 intensiver auftreten werden und sich die saisonalen Verläufe zeitlich verschieben. Im Hinblick auf die Behandlung und Ressourcenplanung ist es deshalb insbesondere in der Erwachsenenmedizin wichtig, die Besonderheiten in der Symptomatik und dem klinischen Verlauf von schweren Infektionen mit diesen häufigen respiratorischen Viren zu kennen. Grundlage der vorliegenden Daten ist eine Auswertung von ca. 1.500 Patient:innen aus den Jahren 2017 bis 2020.

Saisonalität, Symptomatologie und Labor

Bislang folgte das Auftreten von RSV und Influenza einer mehr oder weniger strengen Saisonalität mit starker Überlappung (Abb. 1).

Auch die SARS-CoV-2-Infektionswellen treten bei den bisherigen Varianten und beim Wildtyp eher in den Herbst- und Wintermonaten auf (hier Beispiel 2020). Die Infektionswelle von RSV bei Erwachsenen beginnt hierbei meist mit einer Verzögerung von zwei bis drei Wochen nach der Infektions­welle bei Kindern: Diese beginnt regelhaft in Deutschland kurz vor Weihnachten (KW 48–52), die Welle bei Erwachsenen in der KW 1–2 [1]. Im Jahr 2021 kam es jedoch bereits zu einer Veränderung der üblichen Saisonalität [2]. Hier konnte man die Infektionswelle bei Kindern bereits Ende August beobachten; die Infektionswelle bei Erwachsenen fiel gering aus, was aber wahrscheinlich auf die Corona-bedingten Maßnahmen zurückzuführen war.

Zu Beginn der Infektion zeigen Erwachsene mit RSV-Infektionen eine ähnliche klinische Symptomatologie wie bei Influenza- oder SARS-CoV-2-Infektionen. Eine Differenzierung ist nicht eindeutig möglich, sodass zur Identifizierung molekularbiologische Tests durchgeführt werden müssen. Diese sind vielfach bereits als Multiplex-PCR mit RSV, Influenza A/B und SARS-CoV-2 erhältlich [3]. Zu bedenken ist auch die Tatsache, dass sich bei älteren Menschen (> 70 Jahre) die Symptomatik oftmals larviert darstellt und typischen Symptome wie Husten und Fieber gänzlich fehlen können [4]. Die Infektiosität ist dennoch gegeben, sodass im klinischen Umfeld schon aus infektionspräventiver Sicht unbedingt eine Identifizierung erfolgen muss. Auch das „Basislabor“ unterscheidet sich wenig zwischen Infektionen mit RSV, Influenza und SARS-CoV-2. Erhöhte LDH-Werte deuten auf eine systemische Infektion hin, die für schwere Verlaufsformen typisch ist. RSV und Influenza weisen einen deutlicheren Organtropismus auf und beschränken sich auf den oberen und unteren Respirationstrakt [5, 6].

Risikofaktoren und klinisches Bild schwerer RSV-Infektionen

Die Kombination aus individuellen Risikofaktoren wie chronischen Erkrankungen und einer Infektion mit respiratorischen Viren verkompliziert den klinischen Verlauf erheblich [7]. Die Risikoprofile von Patient:innen mit RSV, Influenza A/B und SARS-CoV-2 überschneiden sich erheblich: Bei schweren Verläufen lag in bis zu 80 % der Fälle mindestens ein Risikofaktor vor. Bei RSV prädisponiert insbesondere die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) sowie eine chronische Nierenerkrankung zu schweren Verläufen. Bei schweren Influenza- oder SARS-CoV-2-Infektionen war diese Prädisposition in unserem Krankengut weniger ausgeprägt. Weitere Risikofaktoren wie Herzerkrankungen, Diabetes und Tumorerkrankungen traten bei RSV, Influenza und SARS-CoV-2 etwa gleich häufig als Risikofaktoren auf.

Schwere Infektionsverläufe mit RSV neigten im Vergleich zur Influenza zu einer höheren Rate an Komplikationen und führten deshalb zu längeren Liegezeiten, mehr intensivmedizinischen Fällen und auch mehr Beatmungen. Insgesamt war die Schwere der Verläufe bei RSV jedoch geringer als bei SARS-CoV-2 – zumindest in der Zeit, als in Deutschland noch keine Omikron-Varianten aufgetreten waren und kein Impfstoff verfügbar war (Abb. 2).

Abb. 2: A) Anteil der Patient:innen mit Virusinfektionen, die auf eine Intensivsta­tion verlegt werden mussten: Patient:innen mit RSV-Infektionen hatten ein deutlich höheres Risiko (OR (95%-KI, p)) für eine Intensivbehandlung als Patient:innen mit Influenza A/B, aber ein geringeres Risiko als Patient:innen mit SARS-CoV-2. B) Vergleich des Krankenhausaufenthalts von RSV-Patient:innen mit Influenza A/B und SARS-CoV-2 (Boxplots, Tage (log)). Patient:innen mit RSV-Infektionen bleiben länger im Krankenhaus als Patient:innen mit Influenza A/B und kürzer als solche mit SARS-CoV-2.

Fazit und Ausblick

Die Kenntnisse zum Verlauf schwerer RSV-Infektionen bei Erwachsenen sind von Bedeutung, da es sich um eine häufige Entität handelt und schwere Infektio­nen deutliche Ressourcen im stationären Bereich beanspruchen. Insbesondere das saisonale Auftreten zeitgleich mit anderen respiratorischen Viren wird die angespannte Situation in Kliniken weiter verschärfen. Im Gegensatz zu Influenza und SARS-CoV-2 existiert für RSV-Infektionen keine wirksame Therapie und auch kein zugelassener Impfstoff. Da sich bereits mehrere Impfstoffkandidaten mit der Zielrichtung einer Indikationsimpfung für Risikopersonen in der fortgeschrittenen Entwicklung befinden, ist hier zumindest in naher Zukunft eine Verbesserung der Situation in Sicht [8]. Eine zügige Zulassung der Impfstoffe wäre wünschenswert.

Autor
Prof. Dr. med. Andreas Ambrosch
Mitglied der Redaktion
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