„Return to Sports“ nach SARS-CoV-2-Infektion: Gefahr für‘s Herz?

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2022.03.06

Die Rate der schweren Myokarditis-Fälle bei Covid-19 ist deutlich geringer als zu Beginn der Pandemie befürchtet. Die aktuellen Empfehlungen für den Wiedereinstieg in sportliche Aktivitäten sind daher sowohl bei Erwachsenen als auch bei Jugendlichen abhängig von der Schwere des Krankheitsverlaufs.

Schlüsselwörter: COVID 19, Leistungssport, Breitensport, Symptome, Diagnostik

Nach einer Sportpause, sei es durch Verletzung oder durch eine akute Infektion, empfiehlt sich ein gradueller Wiedereinstieg in körperliche Aktivität und sportliches Training. Dies ist insbesondere im Bereich des Leistungssportes unter dem Begriff „Return to Sports“ (RTS) bekannt, findet jedoch auch im Breitensport Anwendung. Durch die SARS-CoV-2-Pandemie befindet sich nun in einem recht kurzen Zeitraum ein großer Teil der Bevölkerung in der Situation, nach Infektion mit SARS-CoV-2 zu normaler körperlicher Aktivität zurückfinden zu müssen. Die Empfehlungen zum Wiedereinstieg in den Sport nach SARS-CoV-2-Infektion unterliegen dabei einem ständigen Wandel. 

Empfehlungen und Leitlinien

Die bereits 2020 von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) veröffentlichten Empfehlungen zum RTS basierten überwiegend auf bekannten epidemiologischen Daten zum Risiko einer Herzmuskelentzündung nach viraler Infektion sowie ersten internationalen Daten aus der Pandemie [1, 2].
Ähnliche Statements wurden im selben Jahr vom Journal der American Medical Association, dem European Journal for Preventive Cardiology und dem British Journal for Sports Medicine herausgegeben [3–6]. Diese empfahlen ausnahmslos ein ärztliches Screening vor dem Wiedereinstieg in den Sport. Mit dem sich ändernden Infektionsgeschehen und dem rapiden Wissenszuwachs speziell zur kardialen Beteiligung der Coronaviruserkrankung wurden diese Leitlinien kontinuierlich diskutiert und überarbeitet. Während die frühen Empfehlungen mehrheitlich eine Sportpause von zehn bis 14 Tagen empfahlen, sind neuere Empfehlungen etwas zurückhaltender mit der Länge der Sportpause, halten diese jedoch überwiegend unverändert auch bei asymptomatischer Erkrankung für sinnvoll. Es ist gut belegt, dass es auch nach völlig asymptomatischer Infektion zu einer Herzmuskelschädigung kommen kann und dass die Herzmuskelentzündung (Myokarditis) ein Risiko für den plötzlichen Herztod bei Athlet:innen birgt [7, 8]. Die zurückhaltende Empfehlung zur Wiederaufnahme des Sports und die weitreichende Empfehlung zum ärztlichen Screening ist daher zunächst gut nachvollziehbar. Initiale Berichte von ausgeprägter myokardialer Beteiligung schwer kranker, hospitalisierter Betroffener führten zudem zu der Annahme, dass SARS-CoV-2 eine vergleichsweise hohe Rate an Herzmuskelschädigungen hervorrufen könne. 

Aktuelle Datenlage

Weitere Daten im Verlauf der Pandemie, insbesondere eine große populationsbasierte Studie aus den USA, zerstreuten diese Sorgen jedoch zunehmend. Fulminante Myokarditiden durch SARS-CoV-2-Infektion sind insgesamt sehr selten und auch mildere Formen sind demnach mit etwa 450 Fällen pro einer Million Einwohner die Ausnahme [9, 10]. Spätere Studien, u. a. von kardialen MRT-Aufnahmen bei asymptomatischen und milden Verläufen von US-Athlet:innen, suggerierten eine mit 0,6–0,7 % deutlich höhere Inzidenz [11, 12]. Schwere Verläufe wurden hingegen auch in diesen großen Kohorten nicht beschrieben. Sicher ist jedoch, dass die ursprünglich befürchtete hohe Rate an schweren Myokarditisfällen ausblieb. Dies und die Unmöglichkeit des flächendeckenden kardiologischen Screenings aller sporttreibenden Covid-19-Genesenen ließ die Fachleute  umdenken [13]. Auch das Auftreten neuer Varianten und die zunehmende Verfügbarkeit der Impfung veränderten die klinische Risikoeinschätzung. Ein vollständiger Impfschutz ist hilfreich für eine frühzeitige Elimination des Virus, für eine Verminderung der Ansteckungsfähigkeit sowie ggf. für eine schnellere Freigabe für körperliches Training [1]. 

Empfehlung basierend auf Krankheitsverlauf

Anfang 2022 aktualisierte Positions­papiere verabschieden sich daher von einer allgemeinen Empfehlung zu kardialem Screening nach Covid-19-Erkrankung. So sieht es auch der aktuelle Expertenkonsensus in Deutschland, zumindest bei symp­tomfreiem oder mildem Krankheitsverlauf [14]: Asymptomatisch Infizierte sollten eine Sportkarenz von drei Tagen ab dem Zeitpunkt der Diagnose einhalten, symptomatisch Infizierte nach Abklingen der Symptome ebenfalls drei weitere Tage. Danach ist für alle ein schrittweiser Wiedereinstieg in den Sport über mindestens drei Tage vorgesehen. Eine Wettkampftauglichkeit besteht bei anhaltender Symptomfreiheit nach zehn Tagen. Eine ärztliche Freigabe ist nicht notwendig. Bei moderatem bis schwerem Krankheitsverlauf wird jedoch weiterhin eine ärztliche Diagnostik vor dem Wiedereinstieg in den Sport empfohlen. Eine moderate Erkrankung ist dabei definiert als starkes Krankheitsgefühl (Fatigue-Symptomatik), Dyspnoe in Ruhe, Fieber über 38,5 °C sowie Kopf-, Muskel-, Gelenk- und Gliederschmerzen, Übelkeit oder Durchfall. Eine schwere Verlaufsform der SARS-CoV-2-Infektion ist durch die Notwendigkeit einer stationären Klinikaufnahme bis hin zur intensivmedizinischen Behandlung gekennzeichnet [15]. 

Diagnostik

Zur Basisdiagnostik sollten Anamnese, körperliche Untersuchung, Ruhe-EKG und orientierende Laboruntersuchungen (Differenzialblutbild, C-reaktives Protein, Transaminasen, Kreatinkinase, Kreatinin, ggf. ergänzend Troponin) gehören. Bei kardialer Symptomatik wie Thoraxschmerzen, Palpitationen, Dyspnoe oder Schwindel wird zusätzlich zum Ruhe- und Belas­tungselektrokardiogramm (EKG) eine Echokardiographie und die Bestimmung von NT-Pro-BNP (N-terminales pro brain natriuretic peptide) und Troponin empfohlen. Je nach vorliegenden Befunden wird eine individualisierte weitere Diagnostik vorgeschlagen, z. B. mittels kardialer Ma­gnet­resonanztomographie (MRT), oder auch Lungenfunktionsdiagnostik und Spiroergometrie. Bei anhaltenden Beschwerden, u. a. auch bei persistierender Fatigue und Belastungsintoleranz, wird die umfassendere ärztliche Abklärung vor Sportfreigabe angeraten.
Ebenfalls 2022 gab auch das American College for Cardiology (ACC) eine Leitlinie zum RTS nach Covid-19-Erkrankung heraus [16]: Diese sieht vor, dass nur Sportler:innen mit kardiopulmonalen Symp­tomen während oder nach ihrer Covid-19-Erkrankung sowie schwer an Covid-19 Erkrankte eine Screeninguntersuchung aus Echokardiographie, EKG und Troponin-Bestimmung im Blut erhalten, bevor die Sportfreigabe erfolgt. Ist dieses Screening auffällig, wird ein kardiales MRT empfohlen (Abb. 1).

Demnach brauchen Athlet:innen mit symptomfreier, milder oder moderater Covid-19-Erkrankung weder ein ärztliches Screening noch wird ein schrittweiser Wiedereinstieg ins Training angeraten. Analog zum deutschen Expertenkonsensus wird eine Trainingspause von mindestens drei Tagen als ausreichend angesehen, sofern Symptomfreiheit besteht.

Jugendliche

Dezidierte Empfehlungen für die Rückkehr zu sportlicher Aktivität bei Jugendlichen existieren kaum. Die American Academy of Pediatrics (AAP) hat zu diesem Thema eine regelmäßig aktualisierte „Interim guidance“ auf ihrer Internetseite veröffentlicht [17]. Analog zu den Leitlinien für Erwachsene empfahl die AAP zu Beginn der Pandemie dort ein ärztliches Screening vor der Rückkehr zum Sport. In der 2022 aktualisierten Version ist dieses nur noch für mittelschwere bis schwere Verläufe empfohlen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass auch nach leichtem Verlauf jegliche Symptome, die auf eine Myokarditis hinweisen können (speziell Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, Palpitationen und Schwindel), eine sofortige ärztliche Konsultation nach sich ziehen sollten. Symptomfreie Kinder und Jugendliche dagegen können im Anschluss an eine Sportpause während der akuten Erkrankung und Isolation prinzipiell ohne ärztliche Freigabe am Sport teilnehmen. Ein gradueller Wiedereinstieg wird auch hier empfohlen. Andere pädiatrische Leitlinien sind da weniger explizit. Die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) bezieht sich überwiegend auf Impfungen, Testverfahren und Verhalten bei akuter Erkrankung [18]. Ähnlich sieht es bei den Empfehlungen des Royal College of Paediatrics and Child Health (RCPCH) in Großbritannien aus [19].
Es ist mittlerweile bekannt, dass Covid-19 bei Kindern überwiegend zu milderen Verläufen führt und dass auch hier das Myokarditisrisiko niedriger ist als bisher angenommen [20]. Allerdings gibt es auch gefährliche, speziell pädiatrische Krankheitsmanifestationen wie das Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C) [21]. Zudem häufen sich Daten zu einer ungewöhnlich hohen Prävalenz lang anhaltender Krankheitsfolgen im Sinne eines „Long COVID“ im Kindesalter [20]. Welchen Anteil die Isolationsmaßnahmen und Restriktionen an der Entstehung dieser nicht selten auch psychischen Krankheitsfolgen haben, ist dabei Teil der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion. Eine kritische Reflexion der Erwachsenenleitlinien im Hinblick auf die Krankheitsmanifestation im Kindesalter ist daher notwendig. Neben begründeter Vorsicht bei schweren Verläufen und Hinweisen auf eine Herzmuskelentzündung ist es in dieser großen Gruppe mit niedriger Krankheitslast insbesondere auch wichtig, nicht notwendige Vorsichtmaßnahmen rechtzeitig zu beenden. Dies ist für die Rückkehr zum Sport wie auch für alle anderen Bereiche der gesellschaftlichen Teilhabe und des langfristigen Gesundheitserhalts wichtig.

Vorgehen an der TU München

In unserer sportmedizinischen Ambulanz für Kinder und Jugendliche an der Technischen Universität München verfolgen wir daher einen kombinierten Ansatz, der Aspekte der verschiedenen zitierten Quellen berücksichtigt (Abb. 2).

Sowohl Moulson et al. als auch Martinez et al. basieren ihre Studien zur kardialen Beteiligung nach SARS-CoV-2-Infektion auf Daten von jungen College- und Premier-League- Athlet:innen. Daher halten wir diese bezüglich unserer Gruppe der jugendlichen Leistungssportler für ausreichend gut anwendbar [11, 12]. Analog zu den Leitlinien des ACC empfehlen wir daher ein ärztliches Screening (EKG, Echokardiographie, Troponin T) nur beim Auftreten kardiopulmonaler Symptome während oder nach der Erkrankung. Andernfalls kann nach einer Trainingspause von drei Tagen bei Symp­tomfreiheit mit dem sportlichen Wiedereinstieg begonnen werden. Abweichend von den amerikanischen Empfehlungen halten wir allerdings auch hier einen schrittweisen Wiedereinstieg ins Training für sinnvoll, insbesondere da so potenzielle kardiale Symptome schon vor der Ausbelastung erkannt werden können. Dies entspricht dem aktuellen Expertenkonsensus in Deutschland und den Empfehlungen der AAP. Auch für Jugendliche im Breitensport scheint dies ein sinnvoller Ansatz. Wird kein regelmäßiges sportliches Training durchgeführt, erübrigt sich der graduelle Wiedereinstieg. 

Autoren
Dr. Christine Stratmann
Katharina Köble
Prof. Dr. med. Renate Oberhoffer-Fritz
Dr. Frauke Mühlbauer
Lehrstuhl für Präventive Pädiatrie
Technische Universität München (TUM)
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