Erhöhung von kardialen Biomarkern nach körperlicher Belastung

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2022.03.08

Bei Personen, die an Marathonläufen teilnehmen, ist im Anschluss an die sportliche Belastung die Troponin-Konzentration im Blut häufig erhöht. Fachleute diskutieren, ob es sich hierbei um physiologische oder pathologische Veränderungen handelt. Bei den meisten Athlet:innen liegen die Troponinwerte nach 48 Stunden wieder im Referenzbereich, bei einigen hält die Erhöhung aber länger als 72 Stunden an.

Schlüsselwörter: Troponin, Myokardinfarkt, Myokardfunktion, Myokardschädigung, Plaques

Die Messung des kardialen Biomarkers Troponin ist seit Mitte der 80er-Jahre möglich. Seither konnte u. a. gezeigt werden, dass lange körperliche Belastung wie Marathonlaufen bei einigen Personen zu erhöhten zirkulierenden Troponinwerten führt [1–4]. Mit der Einführung von hochsensitiven Troponin-Tests zeigt sich diese Kinetik noch viel subtiler. Bereits Belastungen, die deutlich kürzer und weniger intensiv sind als Marathonlaufen, können zum Ansteigen der Konzentratio-nen kardialer Biomarker im Blut führen. In sportkardiologischen Fachkreisen wird die Signifikanz dieser Veränderungen diskutiert: Ist der Anstieg eine physiologische Veränderung, oder ist er als pathophysiologisch, also im Sinne einer Schädigung des Myokards bzw. der Myokard-Fasern zu werten? Für Letzteres spricht, dass bei einigen Personen deutlich höhere Troponinwerte gemessen werden als bei der großen Mehrzahl, die einer identischen Belastung ausgesetzt ist. Dagegen spricht eine unterschiedliche Kinetik beim Myokardinfarkt und bei körperlicher Belas­tung, ebenso wie die fehlende Myokardfunktionseinschränkung trotz häufiger Marathonläufe und entsprechendem Training. Es scheint auch eine individuelle Vulnerabilität der Membran myokardialer Zellen vorzuliegen, die nicht von pathologischen Veränderungen der Koronarien oder des Myokards abhängig ist, wodurch eine individuell unterschiedlich hohe Troponin-Freisetzung erklärt werden kann.

Sport und die Erhöhung kardialer Marker

Der Boston-Marathon ist seit den 50er-Jahren immer wieder auch durch explorative Untersuchungen und Forschungsergebnisse ins Zentrum des medizinisch-wissenschaftlichen Interesses gerückt. So zeigen sich nach diesen Belas­tungen nicht nur Erhöhung von Kreatin­kinase und Troponin, sondern auch Elektrolytverschiebungen mit Hyponatri­ämie und klinischer Symptomatik bis zu neurologischen Ausfällen und Hirnödem [5]. Von 482 Marathonläufer:innen beim Bos­ton-Marathon wiesen 68 % derjenigen, die die Ziellinie erreichten, zumindest leicht erhöhte, aber z. T. auch deutlich erhöhte kardiale Troponinwerte auf. 11 % hatten sogar so hohe Werte, dass sie als akuter Myokardinfarkt zu klassifizieren wären [4]. Insbesondere zeigte sich diese Erhöhung bei weniger trainierten Athlet:innen, die insgesamt auch länger für die Strecke gebraucht hatten. Die Troponin-Erhöhung ebenso wie die Erhöhung von proBNP wird nach Ultra-Ausdauerbelastungen mit erhöhter Belas–tung des rechten Ventrikels assoziiert [6]. Man kann bei diesen langen Belastungen von mehr als vier oder fünf Stunden eine „kardiale Fatigue“ mit Einschränkung der rechtsventrikulären Funktion beobachten.

Troponin-Erhöhung nach Sport: Physiologisch oder pathologisch?

Es ist bekannt, dass Personen, die eine subklinische Koronarsklerose oder -stenose aufweisen und/oder in der Folge vermehrt kardiale Ereignisse erleiden, besonders stark erhöhte Troponinwerte nach körperlicher Belastung zeigen [7]. Bei Letzteren sind die Troponinwerte länger als 72 Stunden erhöht. Bei den meisten anderen Athlet:innen hingegen liegen die Troponinwerte 48 Stunden nach der intensiven Belastung wieder im Referenzbereich [8].

Bei 15 bis 20 % der älteren Wett­kampf­sportler:innen im Ausdauerbereich sind Myokardnarben zu beobachten. Diese sind zwar klein, aber ihre Prävalenz im o. g. Kollektiv ist deutlich erhöht, sodass sie nicht als physiologisch gewertet werden können [9].

Zudem zeigen Untersuchungen in der Computertomografie des Myokards und der Koronarien, dass bei gleichem kardiovaskulären Risikoprofil Marathonläufer:innen häufiger als die jeweilige Kontrollgruppe Plaques der Koronararterien aufweisen [10–12]. Die Morphologie dieser Plaques ist anders als bei Untrainierten: Diejenige von Sportler:innen zeigt mehr Verkalkungen und weniger weiche, vulnerable Plaques. Dennoch ist es durchaus bemerkenswert, dass gerade Ausdauerathlet:innen – die häufig und mit einer hohen Intensität über Jahrzehnte trainieren – eine vermehrte Plaquebildung der Koronarien aufweisen. Dies entspricht ja schließlich nicht dem allgemeinen Verständnis, dass sportliche Aktivität mit einem reduzierten Risiko für Atherosklerose einhergeht. Man kann allerdings davon ausgehen, dass diese Personen zumeist auch einen gesunden Lebensstil v. a. hinsichtlich Ernährung  oder Körpergewicht führen.

Fachleute, die diese Veränderungen als noch physiologisch ansehen, argumentieren, dass die Mortalität von Ausdauer-Athlet:innen selbst bei atherosklerotischen Veränderungen der Koronararterien insgesamt deutlich geringer sei als bei einer Vergleichsgruppe von eher inaktiven Personen und dass die Myokardfunktion sich trotz häufiger Marathonläufe und intensiven Marathontrainings nicht verschlechterte [13]. Daher könne keine repetitive myokardiale Schädigung vorliegen.

Erklärungen für Tropinin-Erhöhungen durch Sport

Der kardiale Troponinkomplex besteht aus drei Proteinen: dem kardialen Troponin C, kardialen Troponin I und kardialen Troponin T, die zusammen mit Aktin sowie Myosin das Gerüst der gestreiften Muskulatur bilden. Das kardiale Troponin liegt primär an Myosinfilamente gebunden im Sarkomer oder im Zytoplasma vor (Abb. 1).

Aufgrund der Verteilung von Troponin im Sarkomer und im Zytoplasma zeigt sich bei myokardialer Schädigung eine biphasische Kinetik, wie sie beim akuten Myokardinfarkt typisch ist: Troponin wird früh aus dem Zytoplasma freigesetzt und prolongiert aus den geschädigten Myofilamenten. Bei intensiver körperlicher Belastung kommt es aufgrund einer erhöhten Permeabilität der Zellmembran von Herzmuskelzellen zur Freisetzung von zytoplasmatischem Troponin. Diese resultiert in einem geringgradigen Anstieg der Troponin-Konzentration im Blut, deren Kinetik einen schnellen Abfall innerhalb von 48 Stunden zeigt.

Zudem können die Antikörper, die in frühen Generationen der Immunoassays eingesetzt wurden, mit immunologischen Faktoren kreuzreagieren und so falsch-positive Testergebnisse verursachen. Bei körperlicher Belastung wie Marathonlaufen werden neben erhöhten kardialen Biomarkern z. B. massiv erhöhte Zytokin-Werte gemessen [14].

Kardiales Troponin T kommt sowohl in der quergestreiften Muskulatur des Herzens als auch in der Skelettmuskulatur vor, allerdings nur in sehr geringen Konzentrationen. Für Troponin I scheint dies auch der Fall zu sein; die Datenlage ist aber weniger eindeutig. Gerade exzentrische sowie lange intensive Belastungen können so eine transiente Schädigung der Muskelmembran mit zytosolischer Leckage verursachen [15]. Weitere Faktoren, die das begünstigen, sind erhöhte Körpertemperatur und prolongierte Azidose (z. B. Laktatazidose). Eine solche periphere Muskelschädigung kann zu circa 10–15 % erhöhten hs-Troponin-T-Werten beitragen [7].

Eine substanzielle Myokardschädigung durch repetitive sportliche Belastungen ist unwahrscheinlich, weil ansonsten bei langjähriger sportlicher Betätigung Herzinsuffizienzen bei Sportler:innn eine erhöhte Inzidenz haben müssten, was aber nicht der Fall ist. Zwar gibt es beim Erwachsenen eine kardiale Regenerationskapazität der Myokardfasern, dies wäre aber nicht ausreichend, um die repetitiven sportinduzierten Schädigungen zu kompensieren. Deshalb wird davon ausgegangen, dass die erhöhten Troponinwerte nach langen Belastungen keine pathologische Bedeutung haben, wenn keine Symptomatik assoziiert ist und auch keine prolongiert erhöhten Serumspiegel jenseits von 48 h vorliegen [16].  

Fazit

Für die klinische Routine ist von zentraler Bedeutung, dass die Blutanalytik von sporttreibenden Personen differenziert betrachtet werden muss: Eine physiologische Erhöhung kardialer Biomarker nach intensiver körperlicher Belastung kann zwar beobachtet werden, dennoch muss immer zunächst eine kardiale Schädigung ausgeschlossen werden. Dies ist wichtig, da sich selbst junge Sportler:innen häufiger mit Myokarditiden präsentieren und auch Koronaranomalien, Muskelbrücken und selbst die koronare Herzerkrankung bei entsprechendem kardiovaskulären Risikoprofil bei jungen Athlet:innen vorkommen kann [17].   

Autoren
Dr. med. Katrin Esefeld
Univ.-Prof. Dr. med. Martin Halle
Klinikum rechts der Isar
Technische Universität München Lehrstuhl für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin
EAPC Centre for Sports Cardiology, Georg-Brauchle-Ring 56 80992 München
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