Ich möchte den Artikel mit einem Zitat von J. A. Gray und J. Austoker [1] beginnen: „All screening programmes do harm; some also do good. The responsibility of the policy-maker is to decide which programmes do more good than harm at reasonable cost and then introduce them, once they are confident that the screening programme could and will reach the standard of quality required for success. The ratio of benefit to harm is not, however, constant and this relationship demonstrates a shifting balance.”
Vor mehr als 50 Jahren wurde in Deutschland das Neugeborenenscreening auf die Phenylketonurie (PKU) eingeführt. In den folgenden Jahrzehnten kamen schrittweise weitere Erkrankungen hinzu: Galaktosämie und Hypothyreose sowie in einzelnen Bundesländern auch Biotinidase-Mangel, Ahornsirupkrankheit, Homozystinurie und Adrenogenitales Syndrom. Für jede dieser Erkrankungen musste im Labor ein neuer Test etabliert und durchgeführt werden. Ende der 1990er-Jahre wurde mit der Tandem-Massenspektrometrie erstmals ein Multiplexverfahren im Neugeborenenscreening eingeführt. Mit dieser Methode kann aus einer 3 µl Vollblutprobe, dem sogenannten „dried-blood spot“ (DBS), ein ganzes Spektrum von Aminosäuren und Acylcarnitinen bestimmt werden. Richard Mauerer [2] hat an dieser Stelle vor drei Jahren bereits ausführlich über die letzten Neuerungen berichtet: die Einführung des Screenings auf Mukoviszidose (Zystische Fibrose, CF) in 2016, auf Tyrosinämie Typ I in 2017, auf den schweren kombinierten Immundefekt (SCID) in 2019 sowie die damals noch in Beratung befindliche Einführung des Screenings auf die spinale Muskelatrophie (SMA) und die Sichelzellkrankheit (SCD). Die letzten beiden Erkrankungen sind seit Oktober 2021 ebenfalls Teil des Neugeborenenscreenings, das aktuell 19 Zielkrankheiten umfasst (Tab. 1).