Die Europäische Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) ist seit dem 26. Mai 2017 in Kraft und hatte ihren Geltungsbeginn wie ursprünglich angekündigt am 26. Mai 2022. Trotz immenser Verzögerungen bei der Installation der notwendigen Infrastruktur und der Umsetzung der IVDR hielt der Gesetzgeber am Geltungsbeginn fest. Dies war für die betroffenen Hersteller überraschend, denn während die Europäische Kommission zu Beginn der Corona-Pandemie besonnen reagierte und den Geltungsbeginn der Medizinprodukte-Verordnung (MDR) umgehend um ein Jahr auf den 26. Mai 2021 verschob, entschied sie sich bei der IVDR lediglich zu einer Änderungsverordnung und führte verlängerte Übergangsfristen ein, die an die Risikoklasse der Produkte im Januar 2022 angelehnt sind [1].
Somit war der zeitliche Abstand zwischen dem jeweiligen Geltungsbeginn MDR und IVDR von zwei Jahren auf nur ein Jahr geschrumpft. Dies führte zu weiteren Engpässen bei den Benannten Stellen, denn der wohlbedachte Abstand wurde eigentlich dafür benötigt, zunächst den größten Teil der Medizinprodukte konform zur MDR zu erklären, bevor die Benannten Stellen mit den Verfahren für die In-vitro-Diagnostika starteten.
Die Änderungsverordnung für die IVDR führte zu weiteren Verzögerungen, da die Benannten Stellen nun erst noch damit beauftragt waren, ein letztes Mal EG-Konformitätserklärungen im Rahmen der IVD-Richtlinie (IVDD) zu erstellen. Hersteller mit Produkten laut Anhang II der IVDD benötigten neue Zertifikate, um die neuen Übergangsfristen auch ausnutzen zu können.
Wo steht das regulatorische System nun ca. drei Monaten nach Geltungsbeginn und wie ist die Perspektive für die Hersteller von In-vitro-Diagnostika?
Regulatorische Rahmenbedingungen
Inzwischen sind die notwendigen Anpassungen im nationalen Medizinprodukterecht durch das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG), das Gesetz zur Änderung des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes sowie weiterer Gesetze (MPDG-ÄndG) erfolgt. Da es sich bei der IVDR um eine europäische Verordnung handelt, ist diese im Gegensatz zur damaligen In-vitro-Diagnostika-Richtlinie 98/79/EG unmittelbar in den Mitgliedsstaaten gültig und bedarf nicht der Umsetzung in nationales Recht. Lediglich Anpassungen der nationalen Gesetze sind notwendig [2].
Neben den gesetzlichen Vorgaben werden kontinuierlich weitere Guidance-Dokumente der Medical Device Coordination Group (MDCG) veröffentlicht. Diese sollen helfen, die Auslegung der gesetzlichen Anforderungen zu präzisieren.
Damit steht für die IVDR nun ein sehr umfänglicher Gesetzesrahmen mit einer 204-seitigen EU-Verordnung (englische konsolidierte Fassung) zur Verfügung. Für Deutschland sind weitere 13 angepasste Gesetze und Verwaltungsvorschriften sowie 28 MDCG-Guidance-Dokumente zu beachten, die Hersteller, Behörden und nicht zuletzt die Benannten Stellen lesen, verstehen und umsetzen müssen [3].
Notwendige Infrastruktur
Benannte Stellen
Derzeit haben für die IVDR nur sieben von 22 bzw. nach Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU noch 18 Benannte Stellen den langwierigen Benennungsprozess erfolgreich durchlaufen, die für die IVD-Hersteller unter der IVDD zur Verfügung stehen (Tab. 1).