Laborautomation: Pro & Kontra TLA

Die Anschaffung eines Automationssystems setzt eine sorgfältige Analyse von Ist- und Sollzustand voraus. Nicht immer ist die teuerste Lösung auch die beste; nach dem Pareto-Prinzip gilt es vielmehr, mit möglichst wenig Aufwand den größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Neue Baukastensysteme bieten flexible Lösungen, die sich an jede Laborgröße anpassen lassen.

Schlüsselwörter: Laborautomation, TLA, Workcells, modulare Systeme

Ein wesentlicher Ansporn für die Planung und Anschaffung einer modernen Labor­automation ist die Verbesserung der Produktivität, sprich mehr Proben in kürzerer Zeit, zu verarbeiten. Damit wird die Durchlaufzeit (TAT = Turnaround Time) zu einer entscheidenden Kennzahl: Maximal eine Stunde ist im Krankenhaus die gängige Messlatte – und zwar sieben Tage die Woche rund um die Uhr und unabhängig vom jeweiligen Probenaufkommen. Peakzeiten finden sich in den Vormittagsstunden und häufig noch einmal am Nachmittag. Im ambulanten Sektor treffen die Proben der medizinischen Versorgung, sofern kein Übernacht-Transport erfolgt, erst ab dem frühen Mittag im Labor ein. Diesem „slow start“ folgt ein deutlicher und in der Regel singulärer Peak des Probeneingangs am Nachmittag. In dieser Zeit liegt auf dem Labor die maximale Last für Mitarbeiter und Analysengeräte, da die meisten Befunde noch am selben Tag versendet werden sollten.
Bei allem Primat der Geschwindigkeit darf die Qualität der Ergebnisse allerdings nicht leiden, und der Preis pro Analyse muss dem enormen Kostendruck standhalten – ein geradezu teuflisches Dreieck, denn wenn man eine der drei Stellschrauben zu sehr anzieht, lockern sich fast zwangsläufig die beiden anderen. Automation ist hier oftmals die einzige wirksame Maßnahme, vorausgesetzt sie wird mit Augenmaß eingesetzt.

Die Kehrseite der Medaille

Die Vorzüge einer umfassenden Auto­matisierung werden durch mögliche Nachteile erkauft. Die Investionen und laufenden Kosten sind oftmals so hoch, dass alle nur denkbaren Potenziale zur Reduktion des Personals ausgeschöpft werden müssen. Das wiederum kann in Zeiten von Urlaub und Krankheit mit einer Leistungseinschränkung des Labors oder der Überlastung des verbliebenen Personals verbunden sein. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine vollumfängliche Automatisierung trotz hohem Planungsaufwand mit Problemen bei der Installation komplexer Technik und einer starken Abhängigkeit vom jeweiligen Anbieter verbunden ist. Daher gilt es, für jedes Labor stets ein individuelles Konzept auf Basis einer sorgfältigen Analyse zu entwickeln. Diese umfasst die

  • Dokumentation des Istzustands,
  • Erfassung des Zielzustands,
  • Beschreibung alternativer Umsetzungsszenarien.

Letztere orientieren sich vorwiegend am Preis-Leis­tungs-Verhältnisse, berücksichtigen aber auch weiche Faktoren wie Beratungsleistungen und Schulungen des Anbieters im Vorfeld, Überbrückungsszenarien während der Installation oder Flexibilität bei allfälligen Nachbesserungen, wenn das Ergebnis dem Zielzustand nicht entspricht.

Reorganisation vor Automation

Der größte Fehler, den man bei der Planung eines neuen Labors machen kann, besteht darin, „schlechte Prozesse“ zu automatisieren. Reorganisation kommt stets vor Automation. Dabei spielen Vereinfachung und Zentralisierung von Arbeitsabläufen die Hauptrolle. In großen Verbundstrukturen ist außerdem auf eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Zentrallabor und Satellitenlaboren zu achten. Periphere und spezialisierte Labore arbeiten typischerweise mit kleineren Automationseinheiten als das Hauptlabor, sollten aber nach Möglichkeit gleiche Reagenzien und gleiche Qualitätskontrollen einsetzen – nicht nur aus Gründen vergleichbarer Qualität, sondern auch, um bessere Einkaufskonditionen zu erhalten.
Für die Automation von bisher manuell durchgeführten Arbeiten gilt das Pareto-Prinzip, auch als 80/20-Regel bekannt: Bei hochvolumigen Prozessen lassen sich oftmals mit überschaubarem Aufwand große Effekte erzielen; will man dagegen auch die kleinsten Details „durchautomatisieren“, so steigt der Aufwand exponentiell. Erfolg versprechend sind fast immer Investitionen in die automatisierte Probenvorbereitung, weil hier im traditionellen Labor die meiste Arbeitskraft verbraucht wird (siehe Abb. 1).

Dagegen sollte man die Automation von Transportprozessen genauer unter die Lupe nehmen. Eine intelligente, aber entsprechend teure Laborstraße mit Robotern, Weichen etc. kann bei langen Transportwegen und hohem Probenaufkommen eine sehr sinnvolle Lösung sein, während es in einem überschaubaren Setting vielleicht besser ist, maschinell vorprozessierte Proben manuell von der Präanalytik zur Analytik zu transportieren. Das Pro und Kontra für eine Track-basierte Totalautomation (TLA) wird auf der nächsten Seite aus der praktischen Erfahrung unserer Labore heraus ausführlich diskutiert.

Automationskonzepte

Die moderne Laborautomation, die neben der Analytik auch Prä- und Postanalytik (Perianalytik) umfasst, wird gern als dritte Generation bezeichnet, doch mittlerweile lassen sich innerhalb dieser Generation drei Phasen unterscheiden, die man mit 3a bis c bezeichnen könnte. In den frühen „Nullerjahren“ bestanden TLA-Systeme häufig aus einem Förderband, an das verschiedene herkömmliche Analysegeräte über robotische Interfaces angeschlossen wurden. Es folgten sog. Workcells für bestimmte analytische Bereiche wie etwa Hämatologie oder Klinische Chemie und Immunchemie, bei denen die Analyseeinheit direkt mit präanalytischen Modulen, etwa zur Entfernung von Stopfen oder der Herstellung von Verdünnungen, verbunden wurden. Inzwischen kommen für den Hochdurchsatzbereich zunehmend modulare Baukastensysteme zum Einsatz, die je nach Bedarf zu immer größeren Workcells zusammengesetzt werden können. Förderband und robotische Greifer sind in diese Systeme integriert, was Platz spart und die Prozesse effizienter macht.

In großen Einrichtungen sind auch automatisierte Kühlarchive mit Kapazitäten von mehr als 10.000 Proben für die Archivierung und die Zwischenlagerung (z. B. für Verdünnungen) sinnvoll. Die dort gelagerten Materialien können auch mehrere Tage später mithilfe des Anforderungsmoduls im Labor- oder Krankenhausinformationssystem zur Nachmessung abgerufen werden.
Zur Qualitätssicherung der Prozesse sowie speziell für Universitätsklinika mit vielen Studien wird schließlich eine komplette Nachverfolgbarkeit des Workflows mit Zeitstempeln von allen Orten der Laborautomation benötigt. Dadurch können Abweichungen vom Soll sofort erkannt und bei Bedarf behoben werden.

Ausblick

Der aktuelle Trend in großen bis sehr großen Laboren besteht darin, solche komplexen Baukastensysteme mit nicht minder komplexen Tracksystemen zu verbinden. Ob sich hier eine Generation 3d abzeichnet oder bereits das Tor zur vierten Generation geöffnet wird, muss die Zukunft zeigen.  

Autoren
Priv.-Doz. Dr. Matthias Orth
Mitglied des Fachbeirats
Prof. Dr. Kai Gutensohn
Mitglied des Fachbeirats
Dr. Lothar Volbracht
Leiter Zentrallabor
Universitätsklinikum Essen (AöR)
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