Farbkodierung von Blutentnahmeröhrchen: Bunt, aber bitte einheitlich!

Um Prozesse der Präanalytik weitgehend zu standardisieren, sollte unter anderem auch die Kappenfarbe der Blut­entnahmesysteme harmonisiert werden. Die ISO 6710:2017 bietet – als einzige weltweit gültige Empfehlung – die Möglichkeit, dies in allen Laboren einheitlich umzusetzen.

Schlüsselwörter: Qualitätssicherung, Farbkode, Projektplanung, Warenwirtschaft, Kommunikation

Laut WHO kommt in Ländern mit hohem Einkommen einer von zehn Krankenhaus-Patienten durch die medizinische Behandlung zu Schaden [1]. Da die Labordiagnostik in vielen Fällen maßgeblich zur Diagnosefindung beiträgt, können auch hier auftretende Fehler eine falsche medizinische Behandlung zur Folge haben.
Die meisten labordiagnostischen Fehler treten im Rahmen der Präanalytik auf. Dieser Bereich ist unter anderem deshalb besonders sensibel, weil ein Großteil der Schritte außerhalb des Labors stattfindet. Das bedeutet zum einen, dass diese nicht vom Labor kontrolliert werden können und zum anderen, dass viele verschiedene Individuen und Berufsgruppen für deren Durchführung verantwortlich sind.
Daher ist es in diesem Bereich besonders wichtig, die Prozesse zu harmonisieren bzw. zu  standardisieren, um die Qualität zu sichern und Fehler zu vermeiden. Einen Baustein liefert beispielsweise die Arbeitsanleitung zur venösen Blutentnahme der Arbeitsgruppe „Extraanalytische Qualität“ der DGKL von 2017 [2]. Einen weiteren Baustein könnte die Vereinheitlichung der Kappenfarbe bei Blutentnahmeröhrchen darstellen, die von der European Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (EFLM) bereits seit 2015 empfohlen wird [3].

ISO 6710:2017

Seit 1981 wurden verschiedene nationale (Großbritannien BS 4851:1982; USA: CLSI H1-A5 2003, Schweden SS-872805:2011), europäische (EN 14820:2004) und internationale (ISO 4822:1981, ISO 6710:1995, CLSI GP39-A6 2010) Standards für Blutentnahmeröhrchen veröffentlicht. Während einige von ihnen keinen Farbkode festlegten (EN 14820:2004; CLSI GP39-A6 2010), unterscheiden sich die empfohlenen Farbkodes der anderen Standards.
Die ISO 6710:2017 wurde in Zusammenarbeit mit führenden Herstellern von Blut­entnahmeröhrchen erarbeitet und stellt seit dem Jahr 2017 die einzige weltweit gültige Empfehlung für Farbkodes dar (Tab. 1).

Tab. 1: Farbkodes nach ISO 6710:2017.

Additiv/Zubehör Farbkode
EDTA Lavendel
Trinatrium-Citrat 9:1 Hellblau
Trinatrium-Citrat 4:1 Schwarz
Fluorid, Oxalat/EDTA/Heparin Grau
Fluorid, Citrat Rosa
Heparin Grün
Heparin/Gel Hellgrün
Natrium-Heparin Braun
CTAD/ACD Gelb
Gerinnungsaktivator Rot
Gerinnungsaktivator/Gel Dunkelgelb
Thrombin-Gerinnungsaktivator Orange
Spurenelement-Röhrchen Dunkelblau
Keines Weiß

 

ie ist derzeit für die Hersteller noch nicht verpflichtend, bietet aber nun die Möglichkeit, die Farbkodierung von Blutentnahmesystemen in allen Laboren zu vereinheitlichen und so eine mögliche Fehlerquelle in der Präanalytik auszuräumen. Im Zuge einer Umstellung könnte außerdem eine Optimierung des Röhrchenvolumens – im Sinne des Patient Blood Managements – umgesetzt werden [4].

Hilfestellung für die Umsetzung

Die Standardisierung des Farbkodes ist natürlich zunächst mit Mehraufwand verbunden. Hier stellt sich für ein Labor zunächst die Frage, ob eine Umsetzung in der Praxis realistisch und im Abgleich von Chancen und Risiken auch sinnvoll ist. Die Arbeitsgruppe „Extraanalytische Qualität“ der DGKL hat gemeinsam mit einem Hersteller die Farbkodierung der Blutentnahmesysteme in vier Krankenhäusern umgestellt, und das Vorgehen sowie die Erfahrungen als Hilfestellung für Laboratorien und Krankenhäuser 2018 publiziert [4]. Da die zunächst für Ende 2019 avisierte Umstellung aller Labore derzeit nur teilweise erfolgt ist, sollen die wichtigsten Punkte hier noch einmal dargestellt werden.
Der Erfolg der Umsetzung fußt auf einer abgestimmten Planung und einer vollumfassenden transparenten Kommunikation. Im Rahmen des o. g. Projektes wurde die Harmonisierung mit allen Beteiligten erstmals ein halbes Jahr vor der Umstellung besprochen und die Ausgangslogis​tik in Bezug auf Warenwirtschaft sowie die spezifische Labor- und Gerätekonstellation in enger Abstimmung mit dem Hersteller der Blut­entnahmesysteme analysiert.
Zusammen mit einem Projektverantwortlichen aller bestellenden und ausgebenden Stellen wurde eine Reichweitenkalkulation der „alten“ Blutentnahmesysteme und ein Zeitplan für die Umstellung erstellt, um einen ökonomischen und ökologischen Übergang auf die neuen Artikel gewährleisten zu können. Die operativen Maßnahmen, wie die Synchronisation von Bestellnummern und daraus resultierende Anpassungen für die Warenwirtschaft, wurden allen Ansprechpartnern innerhalb des Projektteams kommuniziert. Um das Anlernen der neuen Farbkodierung mithilfe des jeweiligen Hersteller-Services zu organisieren, wurden die Geräte mit automatisierter Erkennung der Kappenfarben frühzeitig identifiziert.
Kritisch bei der Umstellung ist der Zeitraum des Mischbetriebs, in dem sowohl alte als auch neue Blutentnahmesysteme in Umlauf sind. Hier müssen im Vorfeld alle notwendigen Informationen mit dem Laborpersonal gesammelt werden. Röhrchen, die im bisherigen System (z. B. grüne Citrat-Plasma-Röhrchen) die gleiche Farbe hatten wie Röhrchen mit anderen Zusätzen im neuen System (z. B. grüne Heparin-Plasma-Röhrchen nach dem ISO-Farbkode), können durch einen Geometrie-Abgleich voneinander unterschieden werden. Auch eine zeitlich versetzte Umstellung ist denkbar, um zu vermeiden, dass Röhrchen der gleichen Farbe zum selben Zeitpunkt in Umlauf sind.
Auf den Order-Entry-Etiketten wurden bereits ca. eine Woche vor der Umstellung die aufgedruckten Kappenfarben entfernt und anschließend die neuen Farbkodierungen aufgedruckt. Für alle Einsender wurden hausintern Starterpacks gemäß des derzeitigen Röhrchenumsatzes vorbereitet.

Am Tag der Umstellung wurden alte (z. T. bereits abgelaufene) Röhrchen und Laboranforderungsscheine eingesammelt und neue Röhrchen sowie eine erläuternde Produktübersicht für die Anwender ausgeteilt. Der reine Austauschprozess kann in einem 600-Betten-Haus mithilfe von drei Labor-Teams à zwei Personen innerhalb eines Arbeitstags erfolgen.
Im Projekt wurden weder unmittelbar nach der Umstellung, noch mehrere Wochen danach keine Probleme bei der Umstellung rückgemeldet [4]. Weiterführende Tipps finden Sie im Infokasten.

Ausblick

Die in den Mitteilungen der DGKL geschilderten Erfahrungen beziehen sich „nur“ auf den Krankenhausbetrieb. Der Umstellungsprozess eines niedergelassenen Labors mit großem und heterogenem Einsenderstamm kann weitergehende Abstimmungen erfordern.   

Autoren
Dr. Alexander von Meyer
Institut für Laboratoriumsmedizin, medizinische Mikrobiologie und technische Hygiene
München Klinik
PD Dr. Thomas Streichert
Institut für Klinische Chemie
Uniklinik Köln
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