Die leitliniengerechte Überprüfung von Referenzintervallen aus Literatur- oder Herstellerangaben gestaltete sich bislang schwierig, da für eine direkte Bestimmung mit großem Aufwand selektierte Referenzpersonen untersucht werden mussten. Deshalb stellt eine 2018 publizierte IFCC-Empfehlung von Jones et al. [1] eine erhebliche Entlastung der Laboratorien dar.
Sie geht von der Annahme aus, dass Referenzgrenzen mithilfe geeigneter statistischer Verfahren auch aus Routinedaten berechnet werden können, wenn diese zum Großteil aus unauffälligen Messwerten bestehen. Die Publikation zählt folgende Vorteile dieser indirekten Verfahren auf:
- schnellere und preisgünstigere Ergebnisse, keine Risiken für Patienten;
- identische analytische und präanalytische Bedingungen wie im Routinebetrieb;
- größere statistische Sicherheit durch hohe Fallzahlen.
Als potenzieller Nachteil wird die Störung der statistischen Berechnungen durch pathologische Subpopulationen in den gemischten Datensätzen genannt. Die Autoren fordern deshalb Laboratorien auf, indirekte Verfahren in der Praxis zu evaluieren und so einen Beitrag zur Weiterentwicklung der neuen Technik zu leisten. Diesem Ziel soll auch der vorliegende Artikel dienen.
Beispiel Blutbild
Zu einer der häufigsten Anforderungen im klinischen Laboralltag zählt das kleine Blutbild [2]. Es stellt im medizinischen Laboratorium eine Basisuntersuchung dar, die durch den Einsatz von Hämatologie-Analysatoren in nur kurzer Zeit kostengünstig wichtige Hinweise auf Störungen der Hämatopoese oder reaktive Veränderungen liefern kann. Aufgrund von besonders vielen verfügbaren Werten wurden Blutbild-Parameter als Datengrundlage für die durchgeführten Untersuchungen ausgewählt. Außerdem durften interessante Abweichungen für ältere Menschen erwartet werden [3].
Nach verschiedenen Schritten zur Datenvorbereitung, wie beispielsweise Entfernung von Nichtzahlenwerten und Patientenduplikaten, standen für den Praxisvergleich zweier Anwendungen insgesamt 14.356 Daten für die 21- bis 60-Jährigen zur Verfügung – 7.196 von Frauen und 7.160 von Männern. Für den Vergleich in der Altersklasse 61 bis 80 Jahre konnten Daten von 6.619 Frauen und 6.066 Männern verwendet werden.
Methoden
Auf der Suche nach einem Werkzeug zur indirekten Überprüfung von Referenzintervallen, das auch für Fallzahlen in kleineren Einrichtungen oder für die Aufschlüsselung feinerer Alterskategorien geeignet ist, wurden zum einen der Reference Limit Estimator (RLE) von der Homepage der DGKL, zum anderen der Trillium Normalizer Professional (TNP) des Trillium Fachverlages miteinander verglichen. Bei diesen indirekten Methoden lassen sich Referenzintervalle retroperspektiv aus bereits vorhandenen Labor-Routinedaten ableiten, wenn der Anteil der pathologischen Werte nicht zu hoch ist (in der Regel < 20 %).
Beim RLE erfolgen die sehr umfangreichen und komplexen Auswertungen mit dem Statistikprogramm R [4].