Sensitiver und schneller

Biomarker für die Kardiologie

Die Troponine und natriuretischen Peptide haben die Spezifität der kardio­logischen Diagnostik erheblich verbessert. Methodische Weiterentwicklungen und neue Parameter zielen nun vor allem auf schnelle Ausschlussdiagnostik und frühzeitige Erkennung schwerer Verläufe ab.

Schlüsselwörter: Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, hs cTn, BNP/NT-proBNP

Herz- und Kreislauferkrankungen sind laut WHO nach wie vor die häufigste Todesursache weltweit: Allein Herzinfarkt und Schlaganfall verursachen zusammen jährlich rund 15 Mio. Todesfälle. In Deutschland leiden knapp 20% der Frauen und mehr als 25% der Männer über 65 Jahren an einer koronaren Herzerkrankung, der Vorstufe für einen Herzinfarkt.

Ähnlich großes Augenmerk verdienen Patienten mit Herzinsuffizienz, denn ihre mittlere Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt unter 50% – etwa vergleichbar mit Darm- oder Brustkrebspatienten. Umso wichtiger ist hier die Früherkennung, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.

Mittlerweile gibt es für beide Arten von Herzerkrankungen zuverlässige und empfindliche Biomarker im Blut, die die schnelle und sichere Diagnosefindung unterstützen. In den letzten Jahren hat sich die Qualität dieser Labortests soweit verbessert, dass zum Beispiel ein Herzinfarkt schon in den ersten Stunden nach dem Auftreten verdächtiger Brustschmerzen erkannt oder ausgeschlossen werden kann. Dadurch wird wertvolle Zeit gewonnen, um Gerinnsel in den Koronarien aufzulösen und die Gefäße durch einen Stent dauerhaft durchgängig zu halten.

 

Kardiale Troponine

Die Troponine I und T sind regulatorische Proteine des kontraktilen Apparats der Herzmuskelzellen und werden bei jeder Art von Herz-Schädigung – also nicht nur beim Myokardinfarkt – freigesetzt. Der entscheidende Fortschritt ist aktuell die Entwicklung hoch-sensitiver immunologischer Tests für kardiales Troponin (hs cTnI, hs cTnT) zur präzisen Messung sehr geringer Konzentratio­nen im Bereich von pg/ml. Solche Tests sind erforderlich, um die Freisetzung der kleinen, schnell mobilisierbaren cTn-Fraktion aus dem Zytosol geschädigter Herzmuskelzellen ins Blut erfassen zu können.

Ein Anstieg innerhalb weniger Stunden gilt als frühes diagnostisches Kriterium, selbst wenn die typische ST-Hebung im EKG fehlt. 2015 veröffentlichte die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) eine Leitlinie, die die Dauer für die Diagnose bzw. den Ausschluss eines Herzinfarkts mittels hs cTn von früher drei auf nur noch eine Stunde nach Klinikaufnahme des Patienten verkürzt. Für diesen "Ein-Stunden-Algorithmus" müssen allerdings mehrere analytische Voraussetzungen erfüllt sein:

Die Assays müssen eine hohe Sensitivität bis in den pg/ml-Bereich aufweisen.

Der Entscheidungswert wird Test-abhängig bei der 99. Perzentile gesunder Personen festgelegt (ist also nicht methodenübergreifend einheitlich).

Bei diesem diagnostischen Grenzwert muss der Variationskoeffizient der Analytik unter 10% liegen.

Mit derart empfindlichen Tests weisen 50 bis 90% der gesunden Personen einen messbaren Wert auf. Moderne Assays, die auf automatisierten Analysegeräten durchgeführt werden, erfüllen die neuen Anforderungen bereits häufig. Deshalb sollte für eine optimale Herzinfarktdiagnostik ein entsprechend ausgestattetes Labor schnell erreichbar sein.

In vielen Situa­tionen unklarer Brustschmerzen – vom Notarzteinsatz bis zum kleinen Krankenhaus ohne Labor – ist diese Voraussetzung allerdings nicht gegeben. Dann kommen halbquantitative Teststreifen und quantitativ messende Point-of-Care-Geräte für Troponine zum Einsatz, die aber in aller Regel die notwendige Sensitivität und Reproduzierbarkeit für den Drei- oder gar Ein-Stunden-Algorithmus nicht erreichen.

Im Idealfall werden die Troponine sofort bei Ankunft in der Notaufnahme und nach einer Stunde hochsensitiv gemessen. Gleichbleibend niedrige Werte schließen einen Infarkt mit einer Wahrscheinlichkeit von über 98% aus (NPV), initial erhöhte oder innerhalb dieser Stunde ansteigende Werte sprechen mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 bis 80% dafür (PPV). Allerdings sind die Ausschlusskriterien nur dann valide, wenn der Thoraxschmerz mehr als drei Stunden zurückliegt; ansonsten sollte noch ein 3h-Wert ermittelt werden. Auch weitere Wiederholungsmessungen sind bei anhaltender oder rezidivierender Klinik angezeigt; laut ESC kommen späte Troponinanstiege bis zu 24 Stunden in etwa 1% der Fälle vor. Klinische Zeichen und EKG-Befunde sind in jedem Fall diagnostisch relevant und zu beachten.

Ergänzende Laborwerte

Eine Kombination von hs cTn mit Copeptin kann den NPV möglicherweise auch ohne Zweitmessung verbessern. Dieser Marker – ein Fragment des Vorläuferpeptids von Vasopressin – ist zwar nicht herzspezifisch, wird jedoch sehr frühzeitig als Reaktion auf Stress­situationen aus der Neurohypophyse freigesetzt. Wenn Copeptin niedrig ist (< 10 pmol/l) und hs cTn im Referenzbereich liegt, besteht eine 99%ige Wahrscheinlichkeit, dass kein Infarkt vorliegt.

Prinzipiell eignen sich auch weitere Biomarker, die nicht herzspezifisch sind, aber rasch nach einem Herzinfarkt im Blut ansteigen, etwa das Myoglobin, die Glykogen-Phosphorylase BB (GPBB), das ischämisch modifizierte Albumin (IMA) oder das heart-type fatty acid binding protein (h-FABP) zum frühzeitigen Ausschluss eines Herzinfarkts. Ihre klinische Wertigkeit muss sich noch in Studien erweisen.

Da Troponine nach einem Herzinfarkt noch bis zu zwei Wochen im Blut nachweisbar sind, ist auch eine Detektion bereits abgelaufener Infarkte möglich; daraus folgt allerdings, dass cTn nicht für die Erkennung von Reinfarkten geeignet sind. Abhilfe schafft hier die CK-MB, die nach wenigen Tagen wieder auf die ursprüngliche Wertlage abfällt. Wegen höherer Sensitivität und Spezifität ist die immunologische CK-MB-Bestimmung der Enzymaktivitätsmessung vorzuziehen.

 

Prognostik nach Herzinfarkt

Auch das Ausmaß der Schädigung und die Regenerationsfähigkeit des Herzmuskels können anhand der cTn-Werte abgeschätzt werden, indem man nach drei bis vier Tagen weitere Messungen durchführt; damit erfasst man nicht die zytosolische Fraktion, sondern die proteolytische Freisetzung des sehr viel größeren cTn-Pools aus dem kontraktilen Apparat.

Weitere prognostisch verwertbare Marker sind die natriuretischen Peptide, insbesondere BNP oder NT-proBNP (s. u.), deren Wertlagen mit der Wandspannung des Herzens korrelieren. Auch hohe Werte verschiedener Entzündungsmarker wie etwa des CD40-Liganden, der Myeloperoxidase oder des Zytokins GDF-15 gehen mit einer ungüns­tigen kardialen Prognose einher.

Diagnostik der Herzinsuffienz

Eine Herzinsuffizienz kann die Leis­tungsfähigkeit und Lebensqualität erheblich einschränken und zu gehäuften statio­nären Behandlungen aufgrund kardialer Dekompensationen führen. Als sensitive Biomarker haben sich die natriuretischen Peptide ANP und BNP bewährt, die physiologischerweise den Blutdruck sowie die Kochsalz- und Wasserausscheidung über die Niere regulieren. Hierbei wird das atriale natriuretische Peptid (ANP) vorzugsweise in den Herzvorhöfen, das B-Typ natriuretische Peptid (BNP) in den Herzkammern in Form von Propeptiden produziert. Daraus entstehen durch Proteolyse die Peptidfragmente NT- und MR-proANP bzw. NT-proBNP mit längerer Halbwertszeit.

Aufgrund der Größenverhältnisse des Herzmuskels wird bei linksventrikulärer Insuffizienz vor allem BNP/NT-proBNP freigesetzt. Diese beiden Marker haben sich zur Ausschlussdiagnostik bei Screeninguntersuchungen sowie zur Differenzial­diagnostik bei unklarer Luftnot und zur Identifikation von Patienten mit linksventrikulärer Funktionsstörung vom diastolischen und mehr noch vom systolischen Typ mit eingeschränkter Auswurffraktion (LVEF) bewährt. ANP und NT/MR-proANP reflektieren hingegen besser den Volumenhaushalt.

Bei der Interpretation ist ferner zu berücksichtigen, dass die Spiegel mit dem Alter zunehmen, bei Frauen etwas höher und bei adipösen Menschen niedriger liegen. Normale BNP- und NT-proBNP-Werte schließen eine Herzinsuffizienz im Frühstadium nicht aus, und erhöhte Werte sind (wie bei den Troponinen) zwar organ- aber nicht krankheitsspezifisch; sie kommen auch bei Arrhythmien, Klappenerkrankungen oder anderen strukturellen Herzerkrankungen vor. Auch Nierenfunktionsstörungen können zu erhöhten Werten führen.

Trotz all dieser Besonderheiten korrelieren BNP und NT-proBNP gut mit dem Schweregrad einer Herzinsuffizienz; sie eignen sich deshalb zur Prognoseabschätzung sowie zur Verlaufs- und Therapiekontrolle, um die Rate kardiovaskulärer Ereignisse und der stationären Aufenthalte der Patienten zu senken.

Eine Besonderheit zeigt sich bei der Therapie der Herzinsuffizienz mit Angio­tensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI): Hierbei wird BNP metabolisiert, sodass dessen Werte zunächst ansteigen, während NT-proBNP unbeeinflusst bleibt und somit den Therapieerfolg widerspiegelt.

 

Ausblick

Bei fortschreitender Herzinsuffizienz kommt es zu chronischer Entzündung mit fibrotischem Gewebeumbau und in der Folge zu gehäufter Rehospitalisierung bei kardialer Dekompensation. Als aussagekräftige Indikatoren dieser Prozesse befinden sich neben den natriuretischen Peptiden vor allem lösliches ST2, Galectin-3 und GDF-15 in der klinischen Erprobung (s. Tab. 1). Während ST2 auf der Kardiomyozytenoberfläche kardio­protektiv wirkt, weil es fibroblastisches, stressinduziertes IL-33 bindet, reduziert die lösliche Form (sST2) dessen schützenden Effekt. Ein erhöhtes sST2 weist deshalb auf eine ungünstige Prognose hin und kann auch zum Monitoring von ARNIs eingesetzt werden.

Galectin-3 wird von Makrophagen, Neutrophilen und Mastzellen freigesetzt und ist mit der Proliferation der Myofibroblasten und ungünstigem kardialem Remodelling assoziiert. Auch GDF-15 korreliert mit dem funktionellen Status und der Prognose bei Patienten mit Herzinsuffizienz. In verschiedenen Studien zeigten alle drei Marker wie auch MR-proANP und CA 125 eine von BNP/NT-proBNP unabhängige prognostische Wertigkeit und haben somit ein hohes Potenzial als zusätzliche Biomarker zur Risikostratifikation und Therapieverlaufskontrolle bei Patienten mit Herzinsuffizienz.

In vielen Studien werden derzeit neben Einzelwerten auch Markerkombinationen untersucht, um die Spezifität und Sensitivität weiter zu erhöhen. Hierbei sind nicht nur Proteine, sondern auch neue Markerklassen wie etwa zirkulierende DNA und micro-RNA, Mikrovesikel (Exosomen) sowie umfassende metabolomische und mikrobiomische Ansätze im Visier der Forschung.


Prof. Dr. med. Stefan Holdenrieder

Deutsches Herzzentrum München