Die patientennahe Sofortdiagnostik (Point-of-Care-Test, POCT) bietet in diversen Gebieten der Medizin eine schnelle, genaue und verlässliche Diagnostik und ein einfaches Therapiemonitoring. POC-Tests werden am Ort der Patientenversorgung oder in dessen Nähe durchgeführt; ihre Ergebnisse führen unmittelbar zu einer Diagnose, von der dann eine therapeutische Konsequenz abgeleitet werden kann [1].
In den letzten Jahren gab es für eine Vielzahl von Infektionserregern, die häufige Erkrankungen wie respiratorische, gastrointestinale, sexuell-übertragene sowie unklare fieberhafte Infektionen verursachen, einen Aufschwung bei POCT-Entwicklungen. Die Anwendung eines schnellen POCT ist mittlerweile unerlässlich für die Erstdiagnose von zahlreichen Infektionskrankheiten: Frühzeitig kann eine zielgerichtete erregerorientierte, antimikrobielle/ antivirale Therapie eingeleitet werden. So wird der unnötige Einsatz von Antibiotika verhindert, der zu steigenden Resistenzraten führt. Eine zügige Diagnostik mittels POCT reduziert außerdem überflüssige Nachuntersuchungen sowie die Verweildauer im Krankenhaus und somit auch die Kosten der Krankenversorgung. Darüber hinaus ist eine frühzeitige Diagnostik hochansteckender oder resistenter Erreger sowohl für das Erkennen als auch für die Begrenzung von Ausbrüchen essenziell.
Technologien für POC-Tests
POC-Tests beruhen im Allgemeinen auf zwei Technologien: Lateral Flow Immunoassays (LFIA) und Nukleinsäure-Amplifikations-Tests (Nucleic Acid Test, NAT). Die meisten LFIA basieren auf dem immunchromatografischen Nachweis eines speziellen mikrobiellen Antigens bzw. Antikörpers. NAT-basierte Verfahren nutzen eine große Auswahl an molekularbiologischen Methoden zur diagnostischen Amplifikation von Erreger-DNA bzw. -RNA wie Polymerase-Kettenreaktion (PCR), Transkriptions-vermittelte Amplifikation (TMA), Strand Displacement Amplification (SDA) oder Loop-vermittelte isotherme Amplifikation (LAMP). Obwohl sich PCR-Assays in den meisten Fällen als Goldstandard erwiesen haben, konzentrieren sich neuere Entwicklungen aufgrund der beschleunigten Nukleinsäure-Analytik vorwiegend auf die isotherme Amplifikation. Die Fortschritte der NAT-Verfahren erlauben die POC-taugliche Anwendung, da die neuen Systeme kein aufwendiges räumliches Umfeld oder anspruchsvolle Arbeitsabläufe voraussetzen und Ergebnisse innerhalb von 1 bis 2 Stunden liefern. Zudem sind NAT-basierte Assays sensitiv und hochspezifisch und bieten oft gleichzeitig die Identifikation von mehreren Erregern. Lateral Flow Assays sind im Gegensatz dazu schnell, kostengünstig und einfach zu verwenden, weisen jedoch niedrigere Sensitivität auf.
Im Folgenden wird der Stellenwert der POCT-Diagnostik bei einigen ausgewählten Erregern dargestellt.
Schnelltests bei respiratorischen Infektionen
Atemwegsinfektionen sind weltweit die dritthäufigste Todesursache mit ca. vier Millionen Todesfällen pro Jahr und der häufigste Grund für Antibiotikaverordnungen [2]. 70 bis 90 % der Erkrankungen basieren auf einer viralen Infektion, jedoch ist die Unterscheidung zwischen bakteriell und viral bedingt oft schwierig.
Es gibt mehrere Antigen-Schnelltests für Influenza und Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV); wegen ihrer schlechten Sensitivität ist der klinische Nutzen allerdings relativ eingeschränkt, weshalb sie nicht zum Ausschluss einer Infektion verwendet werden können. Anhand einer aktuellen Metaanalyse betrug die Sensitivität der untersuchten Assays für Influenza nur 61,1 % bei einer Spezifität von 98,9 %. Bei RSV zeigten die Antigen-Assays ebenfalls eine moderate Sensitivität von 75,3 % und eine Spezifität von 98,7 % [3]. Die Sofortdiagnostik für virale Erreger wurde durch diverse NAT-Verfahren signifikant verbessert, da sie Ergebnisse mit sehr hoher Sensitivität und Spezifität (97–100 %) innerhalb einer Stunde liefern [4]. Clark et al. zeigten, dass die routinemäßige Anwendung eines NAT-basierten POCT während der Grippesaison sowohl die Diagnostik als auch den rechtzeitigen Einsatz einer antiviralen Therapie optimierte. Darüber hinaus verbesserte sich auch das Ausbruchsmanagement, da 70 % der Patienten mit Influenza in der POCT-Gruppe gegenüber 38 % in der Kontrollgruppe frühzeitig isoliert werden konnten [5].
Akute Pharyngitis ist eine der häufigsten Erkrankungen im ambulanten Bereich und vor allem eine der häufigsten Ursachen für eine unnötige Antibiotika-Therapie in der Pädiatrie. Streptokokken der Gruppe A (GAS) machen 20 bis 40 % der Pharyngitiden bei Kindern aus. Im Vergleich zur Rachenkultur bieten Antigen-Schnelltests hochspezifische Ergebnisse (95 %), haben jedoch in der Regel eine relativ geringe und sehr variable Sensitivität (70 bis 99 %) [6]. Ein NAT-basierter POCT ist hochpräzise und empfindlicher als LFIA, im Durchschnitt liegen Sensitivität und Spezifität über 95 %. NAT-Verfahren haben jedoch
im Gegensatz zur Kultur den Nachteil, dass sie keine Informationen über Antibiotikaresistenzen liefern [7].
Schnelltests bei gastrointestinalen Infektionen
Die infektiöse Gastroenteritis ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen [2]. Die Erreger von Diarrhöen sind vor allem Viren (Noro-, Rota-, Adeno-, Astroviren etc.), bakterielle Diarrhöen treten deutlich seltener auf (Salmonella spp., Shigella spp., Shigatoxin produzierende Escherichia coli etc.). Parasitäre Diarrhöen werden vor allem durch Giardia lamblia, Kryptosporidien und Entamoeba histolytica (Reiseerkrankung) ausgelöst. Die Prognose der Gastroenteritis variiert je nach Erreger zwischen einer selbstlimitierenden und einer tödlichen Clostridioidesdifficile- Infektion, die durch toxinbildende Stämme von Clostridioides difficile bei gestörtem Mikrobiom des Darms (z. B. nach Antibiotikatherapie) verursacht wird.
Für die POC-Diagnose von Durchfallerregern stehen mehrere LFIA- und PCRAssays zur Verfügung (siehe Tab. 1).