ESMO 2021: Neue Studiendaten und Perspektiven in der Therapie des Mammakarzinoms

Auf dem diesjährigen europäischen Krebskongress der ESMO wurden spannende Studienergebnisse zur Behandlung des Mammakarzinoms vorgestellt – darunter praxisverändernde Daten mit unmittelbaren Auswirkungen auf den klinischen Alltag, aber auch viele Daten, die therapeutische Perspektiven aufzeigen.

Schlüsselwörter: Mammakarzinom, CDK4/6-Inhibition, Trastuzumab-Deruxtecan, Immuntherapie, Everolimus, SERD

Metastasiertes Mammakarzinom 

MONALEESA-2: Überlebensvorteil in der Erstlinie mit Ribociclib

Beim fortgeschrittenen bzw. metastasierten Hormonrezeptor(HR)-positiven/HER2-negativen Mammakarzinom zeigen die finalen Ergebnisse der MONALEESA(ML)-2-Studie erstmals im Erstlinien-Setting bei postmenopausalen Patientinnen einen signifikanten Überlebensvorteil im Langzeit-Follow-up für einen CDK4/6-Inhibitor. In der Studie war Ribociclib mit dem Aromatasehemmer Letrozol kombiniert und mit Letrozol plus Placebo verglichen worden. Bereits vor einigen Jahren hatten die Stu-dienergebnisse zum progressionsfreien Überleben (PFS), dem primären Studien-endpunkt, zur Erstlinien-Zulassung von Ribociclib/Letrozol geführt. Die Daten zum Gesamtüberleben (OS) zeigen nach einem medianen Follow-up von 80 Monaten einen statistisch signifikanten medianen OS-Vorteil von über einem Jahr gegenüber der alleinigen Letrozol-Therapie (medianes OS 63,9 vs. 51,4 Monate; HR 0,76; p = 0,004; Abb. 1). 

Über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren traten im Ribociclib-Arm 25 % weniger Todesfälle auf, bei einer 6-Jahres-Überlebensrate von 44,2 % (vs. 32,0 % im Kon-trollarm). Der Überlebensvorteil ist besonders erstaunlich, da er im Rahmen der Erstlinientherapie erzielt wurde, der noch zahlreiche Therapielinien nachfolgen. Die Daten bestätigen den Stellenwert der CDK4/6-Inhibitoren als Bestandteil der Erstlinien-Behandlung bei postmenopausalen Patientinnen mit HR+/HER2– fortgeschrittenem Mammakarzinom [1].

KEYNOTE-355-Studie beim TNBC: Checkpoint-Inhibitoren auf dem Vormarsch

Beim fortgeschrittenen/metastasierten triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) bestätigen die finalen OS-Daten der Phase-III-KEYNOTE(KN)-355-Studie die Erstlinien-Behandlung mit dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab, der zusätzlich zu einer Standard-Chemotherapie mit Paclitaxel, nab-Paclitaxel oder Gemcitabin/Carboplatin eingesetzt wurde, als effektive Therapieoption für Patientinnen mit PD-L1-positivem (PD-L1-CPS ≥ 10) TNBC. PFS und Gesamtüberleben waren koprimäre Endpunkte. 
Der in einer früheren Auswertung gezeigte mediane PFS-Vorteil übersetzte sich bei besagten Patientinnen (PD-L1-CPS ≥ 10) in einen statistisch signifikanten OS-Vorteil mit einer etwa sieben Monaten längeren medianen Überlebenszeit (23,0 vs. 16,1 Monate; HR 0,73; p = 0,0093). Nach zwei Jahren war im Pembrolizumab-Arm noch fast jede zweite Patientin am Leben (48,2 % vs. 34,0 %). Der OS-Vorteil war konsistent in den Subgruppen – unter anderem unabhängig vom Chemotherapie-Backbone. Neue Sicherheitssignale traten nicht auf. Die europäische Zulassung für Pembrolizumab in diesem Setting wird erwartet. Mit Pembrolizumab plus Chemotherapie steht dann nach Atezolizumab/nab-Paclitaxel eine zweite Erstlinien-Therapie beim PD-L1-positiven (Pembrolizumab: CPS ≥ 10 bzw. Atezolizumab: IC ≥ 1) metastasierten TNBC zur Verfügung [2]. 

DESTINY-Breast03-Studie: T-DXd ist T-DM1 überlegen

Beim HER2-positiven (HER2+) metastasierten Mammakarzinom wird das Antikörper-Drug-Konjugat (ADC) Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) als neuer Standard für die Zweitlinientherapie diskutiert. In der Phase-III-Studie DESTINY-Breast03 wurde T-DXd erstmals direkt mit Trastuzumab Emtansin (T-DM1) verglichen. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von gut 15 Monaten zeigte sich nicht nur beim primären Studienendpunkt, dem durch ein unabhängiges Expertengremium (BICR) validierten PFS, ein klarer Wirksamkeitsvorteil zugunsten von T-DXd.
Alle Studienpatienten waren für die fortgeschrittene Erkrankung mit Trastuzumab plus Taxan-Chemotherapie vorbehandelt. Zwei Viertel hatten bereits zwei und mehr Vortherapien. Bei insgesamt ausgeglichenen Studienarmen fällt auf, dass etwa 60 % der Patientinnen aus dem asiatischen Raum kommen. 
Das mediane PFS war im T-DXd-Arm noch nicht erreicht und betrug im T-DM1-Kontrollarm 6,8 Monate, entsprechend einer Reduktion des relativen Progressionsrisikos um 72 % (HR 0,28; p = 7,8 x 10-22; Abb. 2).

Nach zwölf Monaten waren noch 75,8 % der Patientinnen ohne Progression im Vergleich zu 34,1 % im T-DM-1-Kontrollarm. Der PFS-Vorteil zeigte sich – auch in dieser Deutlichkeit – in den klinisch relevanten Subgruppen, unter anderem unabhängig vom Hormonrezeptor-Status und von der Anzahl der Vortherapien und/oder einer Vorbehandlung mit Pertuzumab (60 % der Patientinnen). Klare Wirksamkeitsvorteile für T-DXd wurden auch bei der objektiven Ansprechrate dokumentiert (ORR 79,7 % vs. 34,2 %; p < 0,0001) inklusive der Anzahl kompletter Remissionen (CR 16,1 % vs. 8,7 %). Nur gut ein Prozent der Patientinnen war unter T-DXd primär progredient (1,1 % vs. 17,5 %). Die Überlebensdaten sind noch nicht reif, zeigen aber einen positiven Trend zugunsten von  T-DXd mit einer 1-Jahres-Überlebensrate von 94,1 % versus 85,9 % (HR 0,56). 
Trotz deutlich längerer medianer Therapiedauer unter T-DXd (14,3 vs. 6,9 Monate) war das Sicherheitsprofil beider Substanzen vergleichbar. Die Rate therapiebedingter Therapieabbrüche (12,8 % vs. 5,0 %) sowie Dosisreduktionen (21,4 % vs. 12,6 %) lag allerdings unter T-DXd höher. Erwartungsgemäß stand die Lungentoxizität im Fokus. Die Autoren werteten T-DXd als einen neuen Standard für die Zweitlinien-Therapie des HER2+ metastasierten Mammakarzinoms [3]. 

DESIREE-Studie: Everolimus einschleichend dosieren?

Der mTOR-Inhibitor Everolimus ist in Kombination mit Exemestan eine wirksame Therapieoption nach CDK4/6-Inhibition, geht aber mit Nebenwirkungen einher, speziell einem erhöhten Mukositis-Risiko. 
In der multizentrischen, doppelblind randomisierten Phase-II-DESIREE-Stu-die der German Breast Group (GBG) konnte bei mit einem Aromatasehemmer vorbehandelten Patientinnen mit meta-stasiertem HR+/HER2– Mammakarzinom gezeigt werden, dass sich die Rate an Mukositiden ≥ Grad 2 innerhalb der ersten zwölf Wochen durch eine schrittweise Dosiserhöhung von Everolimus deutlich reduzieren lässt (primärer Studienendpunkt). Ausgehend von 2,5 mg/Tag wurde die Dosis von Everolimus wöchentlich um 2,5 mg auf maximal 10 mg/Tag erhöht. Im Kontrollarm erhielten die Patientinnen von Anfang an 10 mg/Tag Everolimus. 
Nach zwölf Wochen betrug die Mukositis-Rate (Grad ≥ 2) unter der einschleichenden Dosierung 28,8 % versus 46,1 % im Kontrollarm (p = 0,039), ohne dass Wirksamkeitsunterschiede beobachtet wurden. Die Studie unterstreicht, dass sich die Behandlung mit einer individuellen Dosisanpassung erfolgreich und patientenorientiert durchführen lässt [4]. 

Frühes Mammakarzinom

KEYNOTE-522: Non-pCR-Patientinnen profitierten deutlich 

Beim frühen TNBC standen die wegweisenden Follow-up-Daten der beiden neoadjuvanten Studien BrighTNess und KEYNOTE(KN)-522 im Fokus: In der KN-522-Studie hatten Patientinnen mit neu diagnostiziertem TNBC und einem Tumordurchmesser von mindestens 2 cm bzw. mit befallenen Lymphknoten eine neoadjuvante Chemotherapie mit vier Zyklen Paclitaxel/Carboplatin gefolgt von vier Zyklen Doxorubicin bzw. Epirubicin plus Cyclophosphamid plus/minus Pembrolizumab erhalten. Postoperativ wurde die Pembrolizumab-Gabe adjuvant über 27 Wochen fortgeführt (vs. Placebo). 
Bei den koprimären Studienendpunkten, der pathologischen Komplettremission (pCR: ypT0/is ypN0) sowie dem ereignisfreien Überleben (EFS) zeigten sich jeweils signifikante Vorteile im Pembrolizumab-Arm (pCR 64,8 % vs. 51,2 %; p = 0,00055; 3-Jahres-EFS 84,5 % vs. 76,8 %; HR 0,63; p = 0,00031). 
Besonders deutlich profitierten die Patientinnen, die keine pCR erreicht hatten. Nach drei Jahren waren im Pembrolizumab-Arm noch 67,4 % ohne Rezidiv versus 56,8 % im Kontrollarm (HR 0,70). Trotz der insgesamt sehr günstigen Prognose der Patientinnen mit pCR konnte Pembrolizumab auch hier das Rezidivrisiko weiter senken, mit einer 3-Jahres-EFS-Rate von 94,4 % (vs. 92,5 %; HR 0,73). 
Es bestätigte sich, dass die PD-L1-Expression – anders als im metastasierten Setting – beim frühen TNBC kein prädiktiver Biomarker ist. Unklar bleibt das optimale postoperative Vorgehen, speziell bei den Non-pCR-Patientinnen, zum Beispiel die Frage zum Einsatz von Capecitabin und/oder einem PARP-Inhibitor und/oder Pembrolizumab [5]. 

BrighTNess-Studie: Carboplatin beim TNBC neoadjuvant erfolgreich

Die Ergebnisse der neoadjuvanten Phase-III-Studie BrighTNess bestätigen den neoadjuvanten Einsatz von Carboplatin als Standard für Patientinnen mit frühem TNBC (Stadium II/III), während der zusätzliche neoadjuvante Einsatz von Veliparib weiterhin keinen Vorteil generieren konnte. In den beiden Standardarmen der Studie hatten die Patientinnen eine Chemotherapie mit Paclitaxel weekly über 16 Wochen ± Carboplatin gefolgt von vier Zyklen Doxorubicin/Cyclophosphamid und im experimentellen Arm zusätzlich zu Paclitaxel/Carboplatin den PARP-Inhibitor Veliparib erhalten. 
Die aktuellen Langzeitergebnisse zum EFS zeigen nach einer medianen Nach-beobachtungszeit von 4,5 Jahren einen signifikanten EFS-Vorteil unter der Dreier-Kombination gegenüber der alleinigen Chemotherapie (HR 0,63; p = 0,02), der auf die zusätzliche Carboplatin-Gabe  zurückgeht, während zusätzliches Veliparib keinen EFS-Vorteil generierte (HR 1,12; p = 0,62). 
Einen besonders deutlichen EFS-Vorteil durch die neoadjuvante Platin-Gabe hatten unabhängig vom BRCA-Status die Patientinnen mit pCR (HR 0,26; 
p < 0,0001). Durch die Zugabe von Carboplatin traten mehr hämatologische Nebenwirkungen auf, die aber handhabbar waren – ohne erhöhtes Risiko für sekundäre Neoplasien oder ein myelodysplastisches Syndrom. Mit Blick auf die KN-522-Studie stellt sich im klinischen Alltag die Frage, neoadjuvant zusätzlich Pembrolizumab einzusetzen [6]. 

Studie coopERA-BC

Orale selektive Östrogenrezeptor-Antagonisten und Down-Regulatoren (SERD) zeigen vielversprechende Daten in der metastasierten Situation des HR+/HER2-Mammakarzinoms. In der neoadjuvanten randomisierten Phase-II-Studie coopERA-BC wurde Giredestrant bei noch nicht vorbehandelten, postmenopausalen Patientinnen mit HR+/HER2– frühem Mammakarzinom im Rahmen einer 2-wöchigen vorgeschalteten Window-of-opportunity-Phase eingesetzt und mit Anastrozol verglichen. Von den Aromatasehemmern ist bekannt, dass sie die Tumorproliferation innerhalb kurzer Zeit deutlich herunterregulieren können. Die Ki67-Anfärbung ist hier ein wichtiger Biomarker. Ziel war es, den Abfall des Ki67-Wertes unter beiden Substanzen zu vergleichen. Der Ki67-Ausgangswert betrug ≥ 5 %. Die vorgestellte Interimsanalyse zeigte unter Giredestrant eine relative Reduktion des Tumorproliferation nach zwei Wochen um etwa 80 % versus 67 % unter Anastrozol (p = 0,0222). Einen Ki67-Wert ≤ 2,7 % erreichten unter dem SERD 25 % der Patientinnen im Vergleich zu 5,1 % unter Anastrozol. Auch wenn die finale Auswertung noch aussteht, stellen die Daten bereits eine gute Grundlage für adjuvante klinische Studien dar [7].

Birgit-Kristin Pohlmann