Molekularpathologische Diagnostik beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom
Das Prostatakarzinom ist eine klinisch, histopathologisch und genomisch heterogene Erkrankung. Eine auf molekularen Alterationen beruhende Personalisierung der Therapie gab es bis vor Kurzem nicht. Aber das wachsende Verständnis für die molekularpathologischen Mechanismen der Tumorentstehung und -progression sowie der Ausbildung von Resistenzen gegenüber den Standardtherapien beeinflusst zumindest beim metastasierten Prostatakarzinom zunehmend die Therapieentscheidungen.
Schlüsselwörter: Homologe Rekombinationsdefizienz, BRCA1/2-Mutation, Mismatch-Reparatur-Defizienz, PARP-Inhibition
Eine integrative Analyse, bei der Biopsate (Knochen oder Gewebe) von 150 metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinomen (mCRPC) mittels prospektivem Ganz-Exom- und Transkriptom-Sequencing untersucht wurden, detektierte bei 89 % eine klinisch adressierbare Alteration. Verglichen mit primären Pro-statakarzinomen waren Alterationen der Gene BRCA1/2 und ATM bedeutend häufiger (insgesamt 19,3 %) [1]. Im Mittelpunkt der molekularpathologischen Untersuchungen beim mCRPC steht derzeit der Funktionsverlust von zwei essentiellen DNA-Reparaturmechanismen: die Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen über die homologe Rekombination und die Basen-Mismatch-Reparatur (Abb. 1).

Abb. 1 DNA-Reparaturdefekte, die beim Prostatakarzinom als prädiktive Marker untersucht werden. Mod. nach [2].
BRCA1/2-Mutation und PARP-Inhibition
Am relevantesten ist die Testung des BRCA-Mutationsstatus, da diese eine obligatorische begleitende Diagnostik für den Einsatz von PARP-Inhibitoren darstellt. Außerdem ist eine BRCA-Mutation prädiktiv für das Ansprechen auf eine Platin-basierte Chemotherapie [2]. Mutationen in den Genen BRCA2 und auch BRCA1 führen zu einer defizienten DNA-Reparatur über die homologe Rekombination (HR).
Mutationen in Genen, die an der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen über die HR beteiligt sind, sind beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom häufig, v. a. bei aggressiven Karzinomen und beim CRPC. Eine Defizienz der homologen Rekombination (HRD) führt zu genomischer Instabilität, die sich als Tumortreiber auswirken kann. Man geht davon aus, dass bei etwa 20 % aller mCRPC solche Defekte in den Genen der DNA-Reparatur – u. a. BRCA2, BRCA1, ATM, PALB2, CHEK2 und RAD51 – vorliegen [2]. Somatische oder Keimbahnmutationen dieser an der HR beteiligten Gene führen zu einer Störung der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen, was diese Tumoren sensitiv gegenüber der Therapie mit PARP-Inhibitoren macht: Die Inhibition der PARP-Enzyme führt in Zellen mit einer gestörten HR, die ja den Hauptmechanismus der DNA-Doppelstrangbruchreparatur darstellt, zur Akkumulation von DNA-Doppelstrangbrüchen und zur Apoptose (synthetische Letalität). In bisherigen klinischen Studien erzielte die PARP-Inhibition aber die besten Ergebnisse bei Patienten mit einer BRCA2- oder BRCA1-Mutation, sodass die Zulassung des PARP-Inhibitors Olaparib auf diese Alterationen beschränkt ist [3]. Auch bei PALB2-, RAD50-, RAD51- und BRIP1-Mutationen liegen vielversprechende Phase-II-Daten vor, deren Aussagekraft aber aufgrund der geringen Fallzahlen eingeschränkt ist [3, 4].
Inwieweit andere an der HR beteiligte Gene eine Rolle als prädiktive Marker für das Ansprechen auf Poly(ADP-Ribose)-Polymerasen(PARP)-Inhibitoren und Platin-basierte Chemotherapien spielen, wird also noch diskutiert. Bisher wurden die Hoffnungen, dass alle Mutationen von an der HR beteiligten Genen zu einer hohen klinischen Wirksamkeit von PARP-Inhibitoren führen würden, eher enttäuscht, und es zeigen sich deutliche Unterschiede in den Ansprechraten je nach betroffenem HR-Gen [3, 5–7].
BRCA1/2-Testung
Ob eine BRCA1/2-Mutation (somatisch oder in der Keimbahn) vorliegt oder nicht, ist beim mCRPC also ein therapieentscheidendes Kriterium. Laut S3-Leitlinie soll bei Versagen einer neuen antihormonell wirksamen Substanz (NHA) beim mCRPC (Abirateron oder Enzalutamid) eine molekulare Analyse der BRCA-Gene durchgeführt werden [8]. Da aber auch unter NHA von einem Krankheitsprogress in absehbarer Zeit auszugehen ist, bedeutet die Empfehlung der S3-Leitlinie für den Praxisalltag, dass alle mCRPC-Patienten schon bei Behandlungsbeginn auf BRCA1/2-Mutationen untersucht werden sollten.
Die Testung auf BRCA-Mutationen wird beim Prostatakarzinom (im Gegensatz z. B. zum Ovarial- und Mammakarzinom) im Tumor anhand von Tumorgewebe durchgeführt – dabei wird allerdings nicht zwischen somatischen Alterationen und Keimbahn-Mutationen unterschieden. Eine solche Analyse als Voraussetzung für eine zielgerichtete PARP-Inhibitor-Therapie fällt nicht unter das Gendiagnostikgesetz. Das Vorliegen einer BRCA-Mutation hat außerdem prognostische Bedeutung. Diese Patienten, v. a. Patienten mit einer BRCA2-Mutation, haben aggressivere Tumoren, höhere Gleason-Scores und eine schlechtere Prognose [9–11]. Keimbahnmutationen in den BRCA-Genen gehen mit einem erhöhten familiären Risiko einher, an einem Ovarial-, Mamma-, Pankreas- oder Prostatakarzinom zu erkranken. Eine Testung auf bereits in der Keimbahn angelegte Mutationen der BRCA1/2-Gene (gBRCA1/2-Analyse) wird an einer Blutprobe durchgeführt und fällt unter das Gendiagnostikgesetz.
BRCA-Mutation und Ansprechen auf Platin-basierte Chemotherapie
Platinderivate nutzen – ähnlich wie PARP-Inhibitoren – eine bereits bestehende eingeschränkte Fähigkeit der Tumorzelle aus, DNA-Doppelstrangbrüche fehlerfrei reparieren zu können; auch ihr Wirkmechanismus kommt besonders bei Tumorzellen mit HRD zum Tragen. So zeigte eine retrospektive Analyse am Dana-Farber Cancer Institute, dass Männer mit einem mCRPC und BRCA2-Mutation besser auf eine Carboplatin-basierte Chemotherapie ansprachen. Dieses Ergebnis entspricht den Beobachtungen beim Ovarial- und Mammakarzinom [12]. Auch eine Fallserie lieferte Hinweise auf eine verstärkte Platin-Sensitivität bei biallelischer BRCA2-Inaktivierung [13].
Mögliche Analysen nach Ausschöpfen von Standardtherapien
HRD
Wie bereits erwähnt, können auch Alterationen anderer Gene, die für an der DNA-Reparatur beteiligte Proteine wie ATM oder CHEK2 kodieren, zu einer HRD führen [14]. Die derzeitige Datenlage zur Wirksamkeit von PARP-Inhibitoren beim mCRPC ist bei Vorliegen von Mutation in Genen wie ATM, PALB2, RAD51B und FANCA wie bereits erwähnt allerdings nicht konsistent [3, 7, 15]. Interessanterweise waren in der TRITON2-Studie mit Rucaparib die Ansprechraten bei Patienten mit ATM- oder CHEK2-Mutation geringer als bei Patienten mit einer BRCA-Mutation, jedoch sprachen Patienten mit PALB2-, BRIP1- FANCA- und RAD51B-Mutation gut auf den PARP-Inhibitor an.
In Tumoren mit einer HRD können DNA-Doppelstrangbrüche kaum noch fehlerfrei repariert werden. Daher lässt sich eine HRD anhand der genomischen Fehler, die durch die anstelle der HR aktivierten nicht-homologen Endverknüpfung (NHEJ) entstehen, messen. Für die Routinediagnostik gibt es verschiedene Tests, die die HRD anhand eines HRD-Scores bestimmen, der drei Marker kombiniert: den Verlust der Heterozygotie > 15 Mb (loss of heterozygosity, LOH), die allelische Imbalance der Telomere (allelic imbalance extending to the telomere, TAI) und größere chromosomale Rearrengements, sichtbar anhand einer Anzahl der DNA-Brüche von mindestens > 10 Mb (large-scale state transitions, LST; Abb. 2).

Abb. 2 Bei Tumoren mit HRD, also mit Loss-of-Function-Mutation(en) in einem oder mehreren HRR-Genen, finden sich bestimmte Makroläsionen, die größere DNA-Regionen betreffen („Genomische Narben“), die sich typischerweise als drei bestimmte Arten von Alterationen äußern: LOH, TAI und LST.
Kommerzielle Anbieter sind z. B. Myriad mit dem MyChoice CDx und Foundation Medicine mit dem FoundationOne CDx. Beide Assays ermitteln den HRD-Score und untersuchen für die HR relevante Gene.
Die Bedeutung des HRD-Scores beim Prostatakarzinom ist noch nicht ausreichend untersucht. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob der HRD-Score auch bei Prostatakarzinomen eine relevante Zusatzinformation bringen kann [16].
MSI-H
Ein weiterer prädiktiver Biomarker beim mCRPC kann eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) sein, und zwar für die Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren. Beim Prostatakarzinom wurde keine Korrelation zwischen einer hohen Tumormutationslast (TMB), also einer hohen Anzahl an Neoantigenen, und der CD8+ T-Zell-Infiltration beobachtet [17], und Studien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren verliefen beim mCRPC bei unselektierten Patienten bisher überwiegend ernüchternd. Die PD-L1-Expression und die T-Zell-Infiltration der Tumoren sind überwiegend gering [18].
Neben der TMB und der PD-L1-Expression wird auch MSI-H als ein prädiktiver Marker für die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren herangezogen. 5–10 % aller mCRPC weisen eine Mismatch-Reparatur-Defizienz (dMMR) und damit eine MSI-H auf [2]. Bei Tumoren mit dMMR funktioniert die Korrektur von Basen, die bei der Replikation falsch in DNA-Stränge eingebaut wurden, nicht. Aufgrund von Mutationen in den Mismatch-Reparatur-Genen – Schlüsselgene sind MLH1, MSH2, MSH6, PMS2 – ist die DNA-Reparatur bei diesen Tumoren deutlich reduziert. Einen Hinweis auf einen solchen Gendefekt im DNA-Reparatursystem liefert die Mikrosatelliteninstabilität (MSI).
Damit kann die immunhistochemische Bestimmung eines Verlustes der Mismatch-Reparatur-Gene und eine molekulare Testung auf MSI-H eine Option darstellen, um ausgewählten Patienten eine immunonkologische Therapie zu ermöglichen. Über die Vorstellung in einem molekularen Tumorboard wäre eine Therapie mit Pembrolizumab bei diesen Patienten denkbar. Der Checkpoint-Inhibitor wurde bisher nur von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA für die Behandlung von metastasierten soliden Tumoren mit MSI-H zugelassen, also unabhängig von der Tumorentität.
PTEN
PTEN-Alterationen sind beim mCRPC häufig, die Prävalenz wird mit bis zu 40 % angegeben [19]. In einer Phase-II-Studie zeigte der AKT-Inhibitor Ipatasertib in Kombination mit Abirateron/Prednison bei Patienten mit mCRPC und PTEN-Verlust vielversprechende Antitumoraktivität [20]. Derzeit läuft die doppelblinde Phase-III-Studie IPATential150, die Abirateron plus Prednison/Prednisolon randomisiert mit oder ohne Ipatasertib beim mCRPC untersucht [21].
Summary
Prostate cancer is a highly heterogeneous disease. Until recently, there was no clinically useful molecular classification of prostate cancer upon which a more personalized treatment approach of the disease could be based. But the growing understanding of the molecular-pathological mechanisms of tumor development and progression as well as of the development of resistance to standard therapies is increasingly influencing therapy decisions, at least in the case of metastatic castration-resistant prostate carcinoma (mCRPC). Molecular pathological investigations in mCRPC currently focus on the loss of function of two essential DNA repair mechanisms –homologous recombination repair (HRR) for DNA double-strand breaks and the DNA mismatch repair system.