Das metastasierte hormonsensitive Prostatakarzinom
Auch beim Prostatakarzinom reduziert sich die Lebenserwartung mit dem Auftreten von Metastasen deutlich, v. a. viszerale Metastasen sind mit einer schlechteren Prognose assoziiert. Grundpfeiler der Behandlung ist die systemische Therapie. Dabei sollte bei Patienten mit metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom (mHSPC) die konventionelle Androgendeprivationstherapie (ADT) bereits in der Erstlinie mit einer weiteren systemischen Therapie ergänzt werden.
Schlüsselwörter: metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom, PSMA-PET/CT, NHA, Docetaxel, ADT, mHSPC
Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste Krebstodesursache des Mannes in Deutschland. Das mittlere Erkrankungsalter lag 2018 bei 71 Jahren. Da die Mehrzahl der Prostatakarzinome in einem frühen Stadium diagnostiziert wird, liegt die relative 5-Jahres-Überlebensrate in Deutschland derzeit bei etwa 89 % [1]. Wird die Erstdiagnose eines bereits metastasierten Prostatakarzinoms gestellt, sind diese neu diagnostizierten Karzinome meist hormonsensitiv (de novo mHSPC). Ein mHSPC kann aber auch als Rezidiv nach lokaler Vorbehandlung (Progress aus dem lokalen Stadium) diagnostiziert werden (Abb. 1).

Abb. 1 Stadien des Prostatakarzinoms
Prostatakarzinome metastasieren hauptsächlich in Knochen und in Lymphknoten. Bei Erstdiagnose eines bioptisch gesicherten Prostatakarzinoms kommen zum Nachweis einer möglichen Metastasierung eine Computertomographie (CT) von Thorax, Abdomen und Becken und eine Skelettszintigraphie zur Detektion möglicher Knochenmetastasen zum Einsatz. Auch eine Ganzkörper-Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine CT mit Positronen-Emissions-Tomographie (PET) unter Einsatz des Prostata-spezifischen Membranantigens (PSMA-PET/CT) können durchgeführt werden [2].
Bei Patienten mit einem biochemischen Rezidiv werden ebenfalls bildgebende Verfahren zum Nachweis von eventuellen Metastasen eingesetzt [3]. Bei diesen Patienten mit erneutem PSA-Anstieg nach Primärtherapie wird empfohlen, zunächst anhand klinischer Faktoren, wie der PSA-Verdoppelungszeit, des Gleason-Grads des Prostatektomiepräparates und des Zeitintervalls zwischen Operation und Rezidivnachweis zwischen lokalem und systemischem Rezidiv (Metastasen) zu differenzieren. Hierfür wird in der S3-Leitlinie auch eine Kann-Empfehlung für die ligandenbasierte PSMA-Hybridbildgebung ausgesprochen [4]. Als bildgebendes Verfahren bringt die PSMA-PET/CT bei biochemischem Rezidiv erhebliche Vorteile gegenüber der Standardbildgebung.
PSMA-PET/CT: bessere Stadieneinteilung und Therapieplanung
Mit der PSMA-basierten funktionellen Bildgebung wird eine Metastasierung deutlich häufiger entdeckt als mit der Kombination aus CT und Knochenszintigraphie. Dies zeigte u. a. eine randomisierte Phase-II-Studie: Bei 302 Patienten mit bioptisch gesichertem high-risk Prostatakarzinom wurde das Staging entweder mit konventioneller Diagnostik (CT von Thorax und Abdomen sowie Skelettszintigraphie) oder mittels Gallium-68-PSMA-11-PET/CT (68Ga-PSMA-PET-CT) durchgeführt. Wurden mindestens zwei Fernmetastasen in der Routinediagnostik entdeckt, erfolgte bei diesen Patienten des Standardarms ebenfalls eine 68Ga-PSMA-PET-CT. Die Genauigkeit des PSMA-basierten Verfahrens war um 27 % höher als die der Routinediagnostik. Sowohl bei der Detektion pelviner Lymphknotenmetastasen als auch von Fernmetastasen war die 68Ga-PSMA-PET-CT überlegen. Diese hatte deshalb auch deutlich häufiger eine Änderung der Therapiestrategie zur Folge. Außerdem zeigten sich signifikant seltener uneindeutige Befunde (7 % vs. 23 %) [5]. Auch die Leitlinien der European Association of Urology (EAU) bewerten eine PSMA-PET/CT zur Beurteilung des Lymphknotenbefalls als geeigneter als MRT, CT mit Kontrastmittel oder Cholin- PET/CT, weisen aber darauf hin, dass kleine Lymphknotenmetastasen dennoch übersehen werden können [6].
Die PSMA-basierte PET kann sehr früh Hinweise auf eine etwaige nodale oder ossäre Metastasierung liefern, was ein frühzeitiges therapeutisches Eingreifen und eine Anpassung der Therapiestrategie ermöglicht [7]. So änderte sich in einer prospektiven Untersuchung das strahlentherapeutische Management bei 46,3 % der Patienten und die antihormonelle Therapie bei 33,3 % [8]. Neben der besseren Abschätzung der Prognose und einer stadiengerechten, individuell besser zugeschnittenen Therapie ermöglicht die molekulare Bildgebung auch eine exaktere Tumorlokalisation bei geringerer Strahlenbelastung von Rektum und Blase als mit konventioneller Bildgebung [9].
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der Einfluss der PSMA-basierten Bildgebung auf das Patientenmanagement und die Therapieplanung nicht zu unterschätzen ist: Eine primär metastasierte Erkrankung, die eine multimodale systemische Therapie mit lebenslanger ADT erfordert, kann früher nachgewiesen werden. Eine alleinige Lokaltherapie würde bei diesen Patienten unweigerlich zu Rezidiven führen. Bei einem PSA-Rezidiv nach lokaler Primärtherapie dient die PSMA-PET/CT zur Differenzierung zwischen Lokalrezidiv, Lymphknotenmetastasen und ossären Metastasen. Auch beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom spielt die PSMA-basierte Bildgebung eine entscheidende Rolle bei der Differenzierung des Erkrankungsstadiums (siehe Artikel zum kastrationsresistenten Prostatakarzinom (CRPC) auf S. 94).
Therapie
Patienten mit einem metastasierten Prostatakarzinom haben in der Regel eine schlechte Prognose mit einer medianen Überlebenszeit von etwa 3–4 Jahren unter alleiniger ADT [6, 10]. Allerdings kann dies stark variieren, die Krankheitsverläufe sind extrem unterschiedlich. Patienten mit einem de novo mHSPC haben häufig eine aggressivere Erkrankung als Patienten mit einer sequentiellen Metastasierung nach primärer lokaler Therapie [11]. Verglichen mit einem mCRPC stehen Patienten mit einem mHSPC zwar noch mehr Behandlungsoptionen offen, dennoch kann auch bei ihnen die Krankheitslast bereits erheblich sein, mit Schmerzen, einer möglichen Arbeitsunfähigkeit und einer allgemeinen Reduktion der Lebensqualität [6]. Dies verdeutlicht den Stellenwert eines umgehenden Therapiebeginns. Den Patienten sollte eine sofortige systemische Behandlung angeboten werden, um Symptome zu lindern und bei asymptomatischen Patienten die Progression zum symptomatischen Stadium zu verhindern (Abb. 2).

Abb. 2 Therapieempfehlung der ESMO für das de novo mHSPC. Mod. nach [2].
Therapiestandard: Kombination ADT + NHA/Docetaxel
Sowohl die Leitlinien der EAU und der ESMO (s. Abb. 2) als auch die S3-Leitlinie empfehlen für die Erstlinientherapie des mHSPC die ADT entweder mit einer Chemotherapie mit Docetaxel oder mit einem „new hormonal agent“ (NHA) zu kombinieren, da sich so das Gesamtüberleben (OS) der Patienten verbessern lässt [2, 4, 6]. Für eine solche Kombinationstherapie stehen eine Reihe von Optionen zur Verfügung:
- Auf Basis der CHAARTED-Studie [12] und der STAMPEDE-C-Studie [13] kann Docetaxel in Kombination mit der ADT bei mHSPC-Patienten mit hoher und auch mit niedriger Metastasenlast eingesetzt werden.
- Der Benefit von Abirateron/Prednison in Kombination mit der ADT wurde in der LATITUDE- [14] und der STAMPEDE-G-Studie [15] gezeigt. Dabei ist zu beachten, dass in der LATITUDE- ausschließlich und in der STAMPEDE-G-Studie zu 95 % Männer mit de novo mHSPC eingeschlossen waren und die Kombination ADT + Abirateron/Prednison jetzt nur bei Patienten mit de novo mHSPC und hohem Risiko zugelassen ist.
- Die TITAN-Studie [16], die die Kombination aus Apalutamid plus ADT mit alleiniger ADT verglich, war eine Allcomer-Studie, sodass die Zulassung für Apalutamid für das mHSPC unabhängig von der Metastasenlast erfolgte.
- Die beiden Phase-III-Studien ARCHES [17] und ENZAMET [18] bilden die Basis der Zulassung von Enzalutamid in Kombination mit einer ADT beim mHSPC. Auch diese erfolgte unabhängig von der Metastasenlast.
Tab. 1 gibt einen Überblick zu den Studiendaten, die die Grundlage der Empfehlung zur Therapieintensivierung entweder mit einer Hormonchemotherapie oder einer kombinierten Hormontherapie bilden.
Tab. 1 Verbesserung des Gesamtüberlebens (OS) und des radiographisch progressionsfreien Überlebens (rPFS) in prospektiv randomisierten Phase-III-Studien, die eine Therapieintensivierung mit Hormonchemotherapie und intensivierter Hormontherapie untersucht haben.
ADT: Androgendeprivationstherapie; NSAA: Nicht-steroidales Antiandrogen.
Studie | Therapieregime | OS, | rPFS, HR (95%-KI) |
---|---|---|---|
CHAARTED [12] | Docetaxel + ADT vs. ADT | 0,61 (0,47–0,80); p < 0,001 | – |
STAMPEDE-Arm C [13] | Docetaxel + ADT vs. ADT | 0,78 (0,66–0,93); p = 0,006 | – |
LATITUDE [14] | Abirateronacetat/Prednison + ADT vs. ADT | 0,62 (0,51–0,76); p < 0,0001 | 0,47 (0,39–0,55); p < 0,001 |
STAMPEDE-G [15] | Abirateronacetat/Prednison + ADT vs. ADT | 0,63 (0,49–0,75); p < 0,0001 | – |
TITAN [16] | Apalutamid + ADT vs. ADT | 0,67 (0,51–0,89); p = 0,005 | 0,48 (0,39–0,60); p < 0,001 |
ARCHES [17] | Enzalutamid + ADT vs. ADT | 0,81 (0,53–1,25); p = 0,3361 (Daten unreif) | 0,39 (0,30–0,50; p < 0,001 |
ENZAMET [18] | Enzalutamid + ADT vs. NSAA | 0,67 (0,52–0,86); p = 0,002 | – |
Die Daten stammen aus unterschiedlichen Phase-III-Studien und sind nicht direkt vergleichbar, da es trotz ähnlichem Grunddesign deutliche Unterschiede z. B. bei den Ein- und Ausschlusskriterien gab. Auch unterschied sich in den Studien CHAARTED, LATITUDE, TITAN und ARCHES/ENZAMET die Definition der Metastasenlast.
Gemäß S3-Leitlinie soll bei Patienten mit mHSPC eine Einteilung nach high- und low-volume sowie high- und low-risk erfolgen [4]. Die Einteilung der Patienten mit mHSPC in beide Gruppen ist insofern sinnvoll, als sich deutliche Vorteile für die Chemohormontherapie vor allem bei High-volume-Patienten zeigen und die Zulassung von Abirateron auf High-risk-Patienten beschränkt ist. Tab. 2 fasst die Definition einer hohen und niedrigen Metastasenlast bzw. eines hohen oder niedrigen Risikos in den Studien CHAARTED und LATITUDE zusammen.
Tab. 2 Definition einer hohen Krankheitslast bzw. eines hohen Risikos in den Studien CHAARTED und LATITUDE. Mod. nach [6].
| Hohes Volumen bzw. Risiko | Niedriges Volumen bzw. Risiko |
---|---|---|
CHAARTED (Volumen) | ≥ 4 Knochenmetastasen, davon ≥ 1 außerhalb des Achsenskeletts bzw. Beckens und/oder Viszerale Metastasen | Alle Patienten, die nicht den Kriterien für hohes Volumen entsprachen. |
LATITUDE (Risiko) | ≥ 2 der 3 Kriterien für hohes Risiko:
| Alle Patienten, die nicht den Kriterien für hohes Risiko entsprachen. |
Die Intensivierung der ADT für Patienten mit mHSPC ist heute Standard; Tab. 3 bietet einen Überblick über die zugelassenen Behandlungsoptionen.
Apalutamid, Docetaxel und Enzalutamid sind sowohl beim de novo als auch beim rezidivierten mHSPC und unabhängig von der Tumorlast zugelassen. Hinsichtlich der Folgetherapien im kastrationsresistenten Stadium ist zu bedenken, dass Apalutamid beim mCRPC nicht zugelassen ist. Der Einsatz von Abirateron beim mHSPC bietet damit die Möglichkeit, dass bei Fortschreiten der Erkrankung weiter alle für das mCRPC zugelassenen Therapieoptionen eingesetzt werden können.
Weitere Therapieoptionen
Auch bei Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom kann die Behandlung des Primärtumors sinnvoll sein: Bei mHSPC-Patienten mit geringer Metastasenlast verbessert eine zusätzlich zur Therapie mit ADT + Docetaxel durchgeführte Bestrahlung des Primärtumors das OS der Patienten, wie eine Subgruppenanalyse der STAMPEDE-Studie zeigte [24], sodass für Patienten mit geringer Metastasenlast auch die lokale Strahlentherapie zusätzlich zur systemischen Kombinationstherapie eine leitliniengerechte Therapieoption darstellt [2]. Eine ADT-Monotherapie ist nur noch für Patienten mit schweren Komorbiditäten, die weder Abirateron, Apalutamid, Docetaxel oder Enzalutamid erhalten können, eine Option.
Für ausgewählte Hochrisikopatienten kann auch eine Triplett-Therapie auf Basis der PEACE-1-Studie infrage kommen, die bei Patienten mit de novo mHSPC die Hormonchemotherapie mit ADT + Docetaxel mit der Dreierkombination aus ADT, Docetaxel und Abirateron verglich. Unter der Dreierkombination war das rPFS um 2,5 Jahre verlängert (HR 0,50; 95%-KI 0,40–0,62; p < 0,0001) [25]. Auch das OS war unter zusätzlichem Abirateron signifikant verlängert (HR 0,75; 95%-KI 0,59–0,95; p < 0,017) [26]. Auch in der ARASENS-Studie, die eine Triplett-Therapie mit ADT, Docetaxel und Darolutamid untersuchte, konnte eine Verlängerung des OS durch zusätzliches Darolutamid gezeigt werden [27].
Therapieentscheidung – Nebenwirkungsprofile und Komorbiditäten
Vor dem Hintergrund der vergleichbaren Wirksamkeit der vier Kombinationsoptionen und fehlender direkter Vergleichsstudien sollten bei der Entscheidung für eine Therapieoption neben der Metastasenlast insbesondere das zu erwartende Nebenwirkungsspektrum und die patientenindividuellen Komorbiditäten wie kardiale Vorerkrankungen, Hypertonie oder Diabetes berücksichtigt werden. Dabei sollten auch der Patient und seine Präferenzen bezüglich der Therapiemodalitäten in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Alle NHA werden einmal täglich oral eingenommen, Abirateron mindestens eine Stunde vor oder frühestens zwei Stunden nach dem Essen; die Chemotherapie mit Docetaxel erfolgt alle drei Wochen über sechs Zyklen.
Die frühe Behandlung soll bei asymptomatischen Patienten die Progression in ein symptomatisches Stadium verzögern, bereits bestehende Symptome lindern, die Entwicklung assoziierter Komplikationen verzögern sowie OS und PFS verlängern. Da eine Heilung nicht mehr erreicht werden kann, liegt bei der Therapieentscheidung besonderes Augenmerk auf der Lebensqualität des Patienten. Unerwünschte Wirkungen sollten weitestgehend vermieden werden, um die Lebensqualität durch die Therapie insgesamt positiv zu beeinflussen.
Bei der Hormonchemotherapie steht natürlich die Hämatotoxizität von Docetaxel im Vordergrund, die häufige Blutbildkontrollen und ggf. auch eine G-CSF-Prophylaxe erfordert, um Neutropenien bzw. febrile Neutropenien und Dosisreduktionen zu vermeiden. Apalutamid + ADT und Enzalutamid + ADT haben ein ähnliches Sicherheitsprofil; zu beachten sind Hitzewallungen, Hypertonie, Fatigue, Frakturen und Stürze, bei Apalutamid auch Hautausschlag [21, 23]. Insbesondere bei Therapie mit Abirateron sollte ein kardiales Monitoring erfolgen [28, 29].
Supportivtherapie bei Knochenmetastasen
Patienten mit Knochenmetastasten sollten bei Bedarf eine adäquate Supportivtherapie erhalten. Dies umfasst eine medikamentöse Schmerztherapie, eine lokale Bestrahlung und ggf. zusätzlich eine operative Intervention. Bei persistierenden lokalisierten Knochenschmerzen, drohender spinaler Kompression, nach operativer Stabilisierung und erhöhtem Frakturrisiko soll eine lokale perkutane Bestrahlung eingesetzt werden. Osteoprotektive Substanzen werden bei Patienten mit mHSPC noch nicht empfohlen.
Summary
In prostate cancer as in other cancer types, life expectancy is significantly reduced with the occurrence of metastases. The cornerstone of treatment for metastatic disease is systemic therapy. First-line treatment for patients with metastatic hormone-sensitive prostate cancer (mHSPC) should consist of combination therapy strategies based on conventional androgen deprivation therapy (ADT) plus new hormonal agents (NHA) or docetaxel. Decisions on which combination treatment to choose for the individual patient should also take into account comorbidity and toxicity profiles as well as patient preferences. PSMA-based imaging significantly impacts patient management. Primary metastatic disease can be detected earlier and in patients with PSA recurrence after local primary therapy, PSMA PET/CT is used to differentiate between local recurrence, lymph node metastases and bone metastases.